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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Weihen.
Menschen kamen, gewöhnen sich aber durchaus nicht immer so leicht an den Käfig, wie Naumann
behauptet, und noch viel weniger an den Menschen, und lernen wohl kaum ihren Pfleger von anderen
Leuten unterscheiden. Als angenehme Stubenvögel glaube ich sie nicht ansehen zu dürfen. Die
Stimme ist ein sanftes "Kikäk" oder ein "Geschicker", auch wohl ein durchdringendes Pfeifen.

Die Feldweihen müssen als überwiegend nützliche Vögel betrachtet werden. Mäuse bilden ihre
Hauptnahrung; nebenbei verzehren sie Frösche und andere Lurche, aber freilich auch kleine Vögel und deren
Eier. Der Weih kommt langsam und niedrig über der Erde dahingeflogen, sucht mit seinem scharfen
Gesicht sorgfältig den Boden ab und stürzt sich, sobald er eine Beute gewahrt, auf diese hernieder.
Den Mäusen wird ein derartiger Angriff regelmäßig verderblich; aber auch junge oder auf dem Boden
brütende Vögel sind arg gefährdet. Während der Brutzeit nähren sich die Weihen oft wochenlang nur
von Eiern und Nestjungen der Lerchen, Ammer, Regenpfeifer, Strand- und Wasserläufer,
Rohrhühnchen
und anderen Erd- und Sumpfvögeln, und dann thun sie als Nesterplünderer großen
Schaden; während des übrigen Jahres aber sühnen sie dieses Verbrechen durch fleißigen Mäusefang
wieder. Naumann sagt, daß sie niemals Aas berührten, Radde behauptet das Gegentheil; ich
glaube, daß Naumann wohl recht haben wird; in Afrika wenigstens habe ich niemals einen Weih
Aas auch nur umschweben sehen.

Die Feldweihen schreiten erst spät im Frühjahre zur Fortpflanzung. Sie nisten auf dem Boden
und warten, bis das Schilf oder Gras eine hinlängliche Höhe erreicht hat, um den Horst genügend zu
verstecken. Letzterer steht entweder in einem Strauche auf jungen Holzschlägen oder in sumpfigen
Weidengebüschen, im langen Getreide oder endlich im Riedgras und Rohr der Bäche. Er ist nach
Naumann ein großer Klumpen aus trockenen Reisern, Gräsern, Rohrhalmen, Kartoffelstengeln, Mist
und dergleichen, welcher innen mit Thierhaaren, Federn, Mos und anderen weichen Stoffen ausgelegt
ist. Oft bilden aber nur einige dürre, in die Runde gelegte Rohr- oder Strohhalme den ganzen Bau.
Das Gelege enthält vier bis fünf Eier. Sie sind kugelig, feinkörnig, aber glanzlos und grünlichweiß,
entweder ungefleckt oder mit feinen kleinen Spritzfleckchen gezeichnet. Die Jungen werden mit
Mäusen, Nestvögelchen, Fröschen und Kerbthieren groß gefüttert.

Die Feldweihen scheinen wenig Feinde zu haben. Sie leben wie die meisten anderen Raubvögel
mit den Krähen in beständigem Streit und werden von Schwalben, Bachstelzen, Kiebitzen und andern
machtlosen Vögeln verfolgt, scheinen jedoch gegen die Angriffe verwandter oder vierfüßiger Räuber
gesichert zu sein. Vor dem Schützen nimmt sich der Weih sehr in Acht, weil er überhaupt jedem
Menschen ausweicht, und seine Jagd ist deshalb nur Sache des Zufalls. Gefangen wird er selten,
höchstens noch auf den Lerchenherden.



Der Rohrweih (Circus rufus), welcher auch Schilf-, Mos-, Sumpf-, Wasser-, Brand-
und Rostweih, -Falk und -Geier, Sumpfbussard, Rohrvogel und Weißkopf genannt
wird, hat im wesentlichen denselben Leibesbau wie die Feldweihen, aber einen langen, starken Schnabel
und kräftigere Fußwurzeln; auch ist der Schleier nur angedeutet. Die Länge beträgt 21 Zoll, wovon
10 Zoll auf den Schwanz kommen, die Breite 48 bis 50 Zoll. Das Weibchen ist um 11/2 bis 2 Zoll
länger und um 3 Zoll breiter. Das alte Männchen ist oft sehr bunt gezeichnet. Der Kopf ist auf
Stirn und Scheitel braun mit gelben Federrändern, der übrige Oberkörper kaffeebraun; die Wange
und die Kehle sind blaßgelb mit dunkleren Schäften, der Vorderhals und die Oberbrust gelb mit
braunen Längsflecken; der übrige Unterkörper ist rostroth mit helleren Federspitzen; die meisten
Schwingen zweiter Ordnung und alle Steuerfedern sind aschgrau. Beim Weibchen ist der Oberkopf und
die Mitte des Nackens gelb, braun gestreift, der übrige Oberkörper kaffeerostbraun; der Flügel auf der
Schultergegend und die oberen Deckfedern des Unterarmes sind gelb, braun in die Länge gefleckt; die

Die Fänger. Raubvögel. Weihen.
Menſchen kamen, gewöhnen ſich aber durchaus nicht immer ſo leicht an den Käfig, wie Naumann
behauptet, und noch viel weniger an den Menſchen, und lernen wohl kaum ihren Pfleger von anderen
Leuten unterſcheiden. Als angenehme Stubenvögel glaube ich ſie nicht anſehen zu dürfen. Die
Stimme iſt ein ſanftes „Kikäk‟ oder ein „Geſchicker‟, auch wohl ein durchdringendes Pfeifen.

Die Feldweihen müſſen als überwiegend nützliche Vögel betrachtet werden. Mäuſe bilden ihre
Hauptnahrung; nebenbei verzehren ſie Fröſche und andere Lurche, aber freilich auch kleine Vögel und deren
Eier. Der Weih kommt langſam und niedrig über der Erde dahingeflogen, ſucht mit ſeinem ſcharfen
Geſicht ſorgfältig den Boden ab und ſtürzt ſich, ſobald er eine Beute gewahrt, auf dieſe hernieder.
Den Mäuſen wird ein derartiger Angriff regelmäßig verderblich; aber auch junge oder auf dem Boden
brütende Vögel ſind arg gefährdet. Während der Brutzeit nähren ſich die Weihen oft wochenlang nur
von Eiern und Neſtjungen der Lerchen, Ammer, Regenpfeifer, Strand- und Waſſerläufer,
Rohrhühnchen
und anderen Erd- und Sumpfvögeln, und dann thun ſie als Neſterplünderer großen
Schaden; während des übrigen Jahres aber ſühnen ſie dieſes Verbrechen durch fleißigen Mäuſefang
wieder. Naumann ſagt, daß ſie niemals Aas berührten, Radde behauptet das Gegentheil; ich
glaube, daß Naumann wohl recht haben wird; in Afrika wenigſtens habe ich niemals einen Weih
Aas auch nur umſchweben ſehen.

Die Feldweihen ſchreiten erſt ſpät im Frühjahre zur Fortpflanzung. Sie niſten auf dem Boden
und warten, bis das Schilf oder Gras eine hinlängliche Höhe erreicht hat, um den Horſt genügend zu
verſtecken. Letzterer ſteht entweder in einem Strauche auf jungen Holzſchlägen oder in ſumpfigen
Weidengebüſchen, im langen Getreide oder endlich im Riedgras und Rohr der Bäche. Er iſt nach
Naumann ein großer Klumpen aus trockenen Reiſern, Gräſern, Rohrhalmen, Kartoffelſtengeln, Miſt
und dergleichen, welcher innen mit Thierhaaren, Federn, Mos und anderen weichen Stoffen ausgelegt
iſt. Oft bilden aber nur einige dürre, in die Runde gelegte Rohr- oder Strohhalme den ganzen Bau.
Das Gelege enthält vier bis fünf Eier. Sie ſind kugelig, feinkörnig, aber glanzlos und grünlichweiß,
entweder ungefleckt oder mit feinen kleinen Spritzfleckchen gezeichnet. Die Jungen werden mit
Mäuſen, Neſtvögelchen, Fröſchen und Kerbthieren groß gefüttert.

Die Feldweihen ſcheinen wenig Feinde zu haben. Sie leben wie die meiſten anderen Raubvögel
mit den Krähen in beſtändigem Streit und werden von Schwalben, Bachſtelzen, Kiebitzen und andern
machtloſen Vögeln verfolgt, ſcheinen jedoch gegen die Angriffe verwandter oder vierfüßiger Räuber
geſichert zu ſein. Vor dem Schützen nimmt ſich der Weih ſehr in Acht, weil er überhaupt jedem
Menſchen ausweicht, und ſeine Jagd iſt deshalb nur Sache des Zufalls. Gefangen wird er ſelten,
höchſtens noch auf den Lerchenherden.



Der Rohrweih (Circus rufus), welcher auch Schilf-, Mos-, Sumpf-, Waſſer-, Brand-
und Roſtweih, -Falk und -Geier, Sumpfbuſſard, Rohrvogel und Weißkopf genannt
wird, hat im weſentlichen denſelben Leibesbau wie die Feldweihen, aber einen langen, ſtarken Schnabel
und kräftigere Fußwurzeln; auch iſt der Schleier nur angedeutet. Die Länge beträgt 21 Zoll, wovon
10 Zoll auf den Schwanz kommen, die Breite 48 bis 50 Zoll. Das Weibchen iſt um 1½ bis 2 Zoll
länger und um 3 Zoll breiter. Das alte Männchen iſt oft ſehr bunt gezeichnet. Der Kopf iſt auf
Stirn und Scheitel braun mit gelben Federrändern, der übrige Oberkörper kaffeebraun; die Wange
und die Kehle ſind blaßgelb mit dunkleren Schäften, der Vorderhals und die Oberbruſt gelb mit
braunen Längsflecken; der übrige Unterkörper iſt roſtroth mit helleren Federſpitzen; die meiſten
Schwingen zweiter Ordnung und alle Steuerfedern ſind aſchgrau. Beim Weibchen iſt der Oberkopf und
die Mitte des Nackens gelb, braun geſtreift, der übrige Oberkörper kaffeeroſtbraun; der Flügel auf der
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[500/0532] Die Fänger. Raubvögel. Weihen. Menſchen kamen, gewöhnen ſich aber durchaus nicht immer ſo leicht an den Käfig, wie Naumann behauptet, und noch viel weniger an den Menſchen, und lernen wohl kaum ihren Pfleger von anderen Leuten unterſcheiden. Als angenehme Stubenvögel glaube ich ſie nicht anſehen zu dürfen. Die Stimme iſt ein ſanftes „Kikäk‟ oder ein „Geſchicker‟, auch wohl ein durchdringendes Pfeifen. Die Feldweihen müſſen als überwiegend nützliche Vögel betrachtet werden. Mäuſe bilden ihre Hauptnahrung; nebenbei verzehren ſie Fröſche und andere Lurche, aber freilich auch kleine Vögel und deren Eier. Der Weih kommt langſam und niedrig über der Erde dahingeflogen, ſucht mit ſeinem ſcharfen Geſicht ſorgfältig den Boden ab und ſtürzt ſich, ſobald er eine Beute gewahrt, auf dieſe hernieder. Den Mäuſen wird ein derartiger Angriff regelmäßig verderblich; aber auch junge oder auf dem Boden brütende Vögel ſind arg gefährdet. Während der Brutzeit nähren ſich die Weihen oft wochenlang nur von Eiern und Neſtjungen der Lerchen, Ammer, Regenpfeifer, Strand- und Waſſerläufer, Rohrhühnchen und anderen Erd- und Sumpfvögeln, und dann thun ſie als Neſterplünderer großen Schaden; während des übrigen Jahres aber ſühnen ſie dieſes Verbrechen durch fleißigen Mäuſefang wieder. Naumann ſagt, daß ſie niemals Aas berührten, Radde behauptet das Gegentheil; ich glaube, daß Naumann wohl recht haben wird; in Afrika wenigſtens habe ich niemals einen Weih Aas auch nur umſchweben ſehen. Die Feldweihen ſchreiten erſt ſpät im Frühjahre zur Fortpflanzung. Sie niſten auf dem Boden und warten, bis das Schilf oder Gras eine hinlängliche Höhe erreicht hat, um den Horſt genügend zu verſtecken. Letzterer ſteht entweder in einem Strauche auf jungen Holzſchlägen oder in ſumpfigen Weidengebüſchen, im langen Getreide oder endlich im Riedgras und Rohr der Bäche. Er iſt nach Naumann ein großer Klumpen aus trockenen Reiſern, Gräſern, Rohrhalmen, Kartoffelſtengeln, Miſt und dergleichen, welcher innen mit Thierhaaren, Federn, Mos und anderen weichen Stoffen ausgelegt iſt. Oft bilden aber nur einige dürre, in die Runde gelegte Rohr- oder Strohhalme den ganzen Bau. Das Gelege enthält vier bis fünf Eier. Sie ſind kugelig, feinkörnig, aber glanzlos und grünlichweiß, entweder ungefleckt oder mit feinen kleinen Spritzfleckchen gezeichnet. Die Jungen werden mit Mäuſen, Neſtvögelchen, Fröſchen und Kerbthieren groß gefüttert. Die Feldweihen ſcheinen wenig Feinde zu haben. Sie leben wie die meiſten anderen Raubvögel mit den Krähen in beſtändigem Streit und werden von Schwalben, Bachſtelzen, Kiebitzen und andern machtloſen Vögeln verfolgt, ſcheinen jedoch gegen die Angriffe verwandter oder vierfüßiger Räuber geſichert zu ſein. Vor dem Schützen nimmt ſich der Weih ſehr in Acht, weil er überhaupt jedem Menſchen ausweicht, und ſeine Jagd iſt deshalb nur Sache des Zufalls. Gefangen wird er ſelten, höchſtens noch auf den Lerchenherden. Der Rohrweih (Circus rufus), welcher auch Schilf-, Mos-, Sumpf-, Waſſer-, Brand- und Roſtweih, -Falk und -Geier, Sumpfbuſſard, Rohrvogel und Weißkopf genannt wird, hat im weſentlichen denſelben Leibesbau wie die Feldweihen, aber einen langen, ſtarken Schnabel und kräftigere Fußwurzeln; auch iſt der Schleier nur angedeutet. Die Länge beträgt 21 Zoll, wovon 10 Zoll auf den Schwanz kommen, die Breite 48 bis 50 Zoll. Das Weibchen iſt um 1½ bis 2 Zoll länger und um 3 Zoll breiter. Das alte Männchen iſt oft ſehr bunt gezeichnet. Der Kopf iſt auf Stirn und Scheitel braun mit gelben Federrändern, der übrige Oberkörper kaffeebraun; die Wange und die Kehle ſind blaßgelb mit dunkleren Schäften, der Vorderhals und die Oberbruſt gelb mit braunen Längsflecken; der übrige Unterkörper iſt roſtroth mit helleren Federſpitzen; die meiſten Schwingen zweiter Ordnung und alle Steuerfedern ſind aſchgrau. Beim Weibchen iſt der Oberkopf und die Mitte des Nackens gelb, braun geſtreift, der übrige Oberkörper kaffeeroſtbraun; der Flügel auf der Schultergegend und die oberen Deckfedern des Unterarmes ſind gelb, braun in die Länge gefleckt; die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/532>, abgerufen am 22.11.2024.