Beim alten Männchen sind Kopf, die ganze Oberseite, der Hals und die Vorderbrust aschblau, der Bauch und die Schenkel weiß mit rostrothen Schaftstrichen, die Schwingen erster Ordnung ganz schwarz, die der zweiten licht aschblau mit einem schwarzen Querbande durch die Mitte, welches auf dem Außenflügel eine deutliche Binde bildet. Der Schwanz ist vier- bis fünfmal dunkel gebändert. Alte Weibchen und jüngere Männchen sind braungrau, auf dem Scheitel rostroth und schwarz gestreift, auf der Unterseite weiß mit kleinen undeutlichen rostfarbenen Flecken, junge Vögel auf der Unterseite rostfarben ohne Flecken, auf der Oberseite dunkelbraun mit rostbraunen Spitzensäumen an den Federn und mit einem weißen Fleck unter dem Auge, welcher von einem großen dunkelbraunen theilweise umgeben wird. Der Bürzel ist weiß, die Schwung- und Steuerfedern sind durch dunkle Querflecken gezeichnet. Bei den alten Männchen ist das Auge hochgelb, bei den Weibchen blaßgelb, bei den Jungen dunkelbraun; der Schnabel ist schwarz, die Füße sind gelb.
Der Kornweih verbreitet sich über den größten Theil Europas und über ganz Mittelasien, geht aber nicht weit nach Süden. Jn Jndien ist er ein seltener Wintergast; in Afrika kommt er wahr- scheinlich nicht vor. Hier vertritt ihn der Steppenweih, welcher von Egypten an bis in das Jnnere oder bis zur Westküste ungemein häufig vorkommt und, wie es scheint, nur ausnahmsweise im Süden und Südwesten Europas sich ansiedelt. Der Wiesenweih endlich bewohnt hauptsächlich den Süd- osten Europas, Ungarn, die Donautiefländer, ganz Nußland und den größten Theil Asiens, ist in Jndien gemein und gehört auch in Amerika zu den häufigen Erscheinungen.
Hinsichtlich der Lebensweise ähneln sich alle drei Arten in so hohem Grade, daß es für uns voll- ständig genügen wird, wenn wir einen der drei Vögel, den Kornweih, ins Auge fassen. Die Namen der drei Arten deuten darauf hin, daß der eine Vogel die Felder, der andere die Wiesen und der dritte endlich die Steppen bevorzugt. Jnnerhalb dieser Gebiete aber treibt es einer wie der andere. Die Weihen sind bewegungsfähige und bewegungslustige, dreiste, kühne und schlaue, aber ziemlich unedle Raubvögel. Jhr Flug ist sanft, schwankend und unsicher, oft schwimmend, selten durch Flügel- schläge beschleunigt. Die Schwingen werden dabei hoch nach oben getragen, die Spitzen derselben weit über den Körper gehalten; der Schwanz wird wenig gebreitet. Oft schwebt der Weih ohne Flügel- schläge große Strecken dahin, und die einzige Bewegung, welche man wahrnimmt, ist ein eigenthümlich seitliches Drehen des Leibes, ein Schaukeln, wenn man so sagen darf, wodurch sich der Weih vor allen andern Raubvögeln unseres Vaterlandes auszeichnet. Höchst selten schwingt sich der Vogel zu beträcht- lichen Höhen empor; man sieht ihn vielmehr regelmäßig dicht über den Boden dahineilen. Ueber die Felder fliegt er oft in Bogenkreisen, gewöhnlich aber in geradem, nur durch seitliche Ausbiegung unter- brochenen Zuge. Naumann sagt, daß der Kornweih die Bäume verabscheue und nur im höchsten Nothfall auf der Spitze eines solchen übernachte, für gewöhnlich aber auf einem kleinen Stein oder kleinen Hügel sich niederlasse und nachts im langen Gras, Schilf oder Getreide sich verstecke. Diese Angabe ist wenigstens nicht für alle Arten richtig. Der Steppenweih z. B. bäumt sehr regelmäßig, wenn er ruhen will; er wählt hierzu aber niemals die Krone eines Baumes, sondern immer die untern Aeste und hier wie die Eulen die Nähe des Stammes; er schläft auch auf Bäumen. Auf dem Boden bewegt sich der Kornweih mit verhältnißmäßiger Geschicklichkeit. Er läuft und springt sehr schnell, jagt auch laufend hinter Mäusen und noch nicht flugfähigen Vögeln her. Alle Weihen sind mit Ausnahme der Mittagszeit den ganzen Tag über in Bewegung und jagen auch noch in der Däm- merung. Jhr scharfes Gesicht und ihre großen, fast wie bei den Eulen gebildeten Ohren unterstützen sich bei ihren Jagden gegenseitig: die Weihen können auch durch das Gehör eine Beute auskund- schaften. Gesicht und Gehör sind unzweifelhaft die ausgebildetsten Sinne, aber auch das Gefühl scheint sehr fein zu sein. Ueber den Verstand ein Urtheil zu fällen, ist schwer. Die Weihen sind scheu, aber ohne dabei zu unterscheiden; denn sie weichen vor dem Landmanne ebensogut aus, als vor dem Schützen; sie sind neugierig, lassen sich durch auffallende Dinge herbeilocken und dann oft leicht übertölpeln; sie sind frech und feig, vereinigen sich aber doch zuweilen mit Krähen, wenn es gilt, einen größeren Räuber zu verfolgen; sie lassen sich leicht zähmen, auch wenn sie als alte Vögel in die Gewalt des
32*
Korn-, Steppen- und Wieſenweih.
Beim alten Männchen ſind Kopf, die ganze Oberſeite, der Hals und die Vorderbruſt aſchblau, der Bauch und die Schenkel weiß mit roſtrothen Schaftſtrichen, die Schwingen erſter Ordnung ganz ſchwarz, die der zweiten licht aſchblau mit einem ſchwarzen Querbande durch die Mitte, welches auf dem Außenflügel eine deutliche Binde bildet. Der Schwanz iſt vier- bis fünfmal dunkel gebändert. Alte Weibchen und jüngere Männchen ſind braungrau, auf dem Scheitel roſtroth und ſchwarz geſtreift, auf der Unterſeite weiß mit kleinen undeutlichen roſtfarbenen Flecken, junge Vögel auf der Unterſeite roſtfarben ohne Flecken, auf der Oberſeite dunkelbraun mit roſtbraunen Spitzenſäumen an den Federn und mit einem weißen Fleck unter dem Auge, welcher von einem großen dunkelbraunen theilweiſe umgeben wird. Der Bürzel iſt weiß, die Schwung- und Steuerfedern ſind durch dunkle Querflecken gezeichnet. Bei den alten Männchen iſt das Auge hochgelb, bei den Weibchen blaßgelb, bei den Jungen dunkelbraun; der Schnabel iſt ſchwarz, die Füße ſind gelb.
Der Kornweih verbreitet ſich über den größten Theil Europas und über ganz Mittelaſien, geht aber nicht weit nach Süden. Jn Jndien iſt er ein ſeltener Wintergaſt; in Afrika kommt er wahr- ſcheinlich nicht vor. Hier vertritt ihn der Steppenweih, welcher von Egypten an bis in das Jnnere oder bis zur Weſtküſte ungemein häufig vorkommt und, wie es ſcheint, nur ausnahmsweiſe im Süden und Südweſten Europas ſich anſiedelt. Der Wieſenweih endlich bewohnt hauptſächlich den Süd- oſten Europas, Ungarn, die Donautiefländer, ganz Nußland und den größten Theil Aſiens, iſt in Jndien gemein und gehört auch in Amerika zu den häufigen Erſcheinungen.
Hinſichtlich der Lebensweiſe ähneln ſich alle drei Arten in ſo hohem Grade, daß es für uns voll- ſtändig genügen wird, wenn wir einen der drei Vögel, den Kornweih, ins Auge faſſen. Die Namen der drei Arten deuten darauf hin, daß der eine Vogel die Felder, der andere die Wieſen und der dritte endlich die Steppen bevorzugt. Jnnerhalb dieſer Gebiete aber treibt es einer wie der andere. Die Weihen ſind bewegungsfähige und bewegungsluſtige, dreiſte, kühne und ſchlaue, aber ziemlich unedle Raubvögel. Jhr Flug iſt ſanft, ſchwankend und unſicher, oft ſchwimmend, ſelten durch Flügel- ſchläge beſchleunigt. Die Schwingen werden dabei hoch nach oben getragen, die Spitzen derſelben weit über den Körper gehalten; der Schwanz wird wenig gebreitet. Oft ſchwebt der Weih ohne Flügel- ſchläge große Strecken dahin, und die einzige Bewegung, welche man wahrnimmt, iſt ein eigenthümlich ſeitliches Drehen des Leibes, ein Schaukeln, wenn man ſo ſagen darf, wodurch ſich der Weih vor allen andern Raubvögeln unſeres Vaterlandes auszeichnet. Höchſt ſelten ſchwingt ſich der Vogel zu beträcht- lichen Höhen empor; man ſieht ihn vielmehr regelmäßig dicht über den Boden dahineilen. Ueber die Felder fliegt er oft in Bogenkreiſen, gewöhnlich aber in geradem, nur durch ſeitliche Ausbiegung unter- brochenen Zuge. Naumann ſagt, daß der Kornweih die Bäume verabſcheue und nur im höchſten Nothfall auf der Spitze eines ſolchen übernachte, für gewöhnlich aber auf einem kleinen Stein oder kleinen Hügel ſich niederlaſſe und nachts im langen Gras, Schilf oder Getreide ſich verſtecke. Dieſe Angabe iſt wenigſtens nicht für alle Arten richtig. Der Steppenweih z. B. bäumt ſehr regelmäßig, wenn er ruhen will; er wählt hierzu aber niemals die Krone eines Baumes, ſondern immer die untern Aeſte und hier wie die Eulen die Nähe des Stammes; er ſchläft auch auf Bäumen. Auf dem Boden bewegt ſich der Kornweih mit verhältnißmäßiger Geſchicklichkeit. Er läuft und ſpringt ſehr ſchnell, jagt auch laufend hinter Mäuſen und noch nicht flugfähigen Vögeln her. Alle Weihen ſind mit Ausnahme der Mittagszeit den ganzen Tag über in Bewegung und jagen auch noch in der Däm- merung. Jhr ſcharfes Geſicht und ihre großen, faſt wie bei den Eulen gebildeten Ohren unterſtützen ſich bei ihren Jagden gegenſeitig: die Weihen können auch durch das Gehör eine Beute auskund- ſchaften. Geſicht und Gehör ſind unzweifelhaft die ausgebildetſten Sinne, aber auch das Gefühl ſcheint ſehr fein zu ſein. Ueber den Verſtand ein Urtheil zu fällen, iſt ſchwer. Die Weihen ſind ſcheu, aber ohne dabei zu unterſcheiden; denn ſie weichen vor dem Landmanne ebenſogut aus, als vor dem Schützen; ſie ſind neugierig, laſſen ſich durch auffallende Dinge herbeilocken und dann oft leicht übertölpeln; ſie ſind frech und feig, vereinigen ſich aber doch zuweilen mit Krähen, wenn es gilt, einen größeren Räuber zu verfolgen; ſie laſſen ſich leicht zähmen, auch wenn ſie als alte Vögel in die Gewalt des
32*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0531"n="499"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Korn-, Steppen- und Wieſenweih.</hi></fw><lb/>
Beim alten Männchen ſind Kopf, die ganze Oberſeite, der Hals und die Vorderbruſt aſchblau,<lb/>
der Bauch und die Schenkel weiß mit roſtrothen Schaftſtrichen, die Schwingen erſter Ordnung ganz<lb/>ſchwarz, die der zweiten licht aſchblau mit einem ſchwarzen Querbande durch die Mitte, welches auf dem<lb/>
Außenflügel eine deutliche Binde bildet. Der Schwanz iſt vier- bis fünfmal dunkel gebändert. Alte<lb/>
Weibchen und jüngere Männchen ſind braungrau, auf dem Scheitel roſtroth und ſchwarz geſtreift, auf der<lb/>
Unterſeite weiß mit kleinen undeutlichen roſtfarbenen Flecken, junge Vögel auf der Unterſeite roſtfarben<lb/>
ohne Flecken, auf der Oberſeite dunkelbraun mit roſtbraunen Spitzenſäumen an den Federn und mit einem<lb/>
weißen Fleck unter dem Auge, welcher von einem großen dunkelbraunen theilweiſe umgeben wird. Der<lb/>
Bürzel iſt weiß, die Schwung- und Steuerfedern ſind durch dunkle Querflecken gezeichnet. Bei den<lb/>
alten Männchen iſt das Auge hochgelb, bei den Weibchen blaßgelb, bei den Jungen dunkelbraun; der<lb/>
Schnabel iſt ſchwarz, die Füße ſind gelb.</p><lb/><p>Der <hirendition="#g">Kornweih</hi> verbreitet ſich über den größten Theil Europas und über ganz Mittelaſien, geht<lb/>
aber nicht weit nach Süden. Jn Jndien iſt er ein ſeltener Wintergaſt; in Afrika kommt er wahr-<lb/>ſcheinlich nicht vor. Hier vertritt ihn der <hirendition="#g">Steppenweih,</hi> welcher von Egypten an bis in das Jnnere<lb/>
oder bis zur Weſtküſte ungemein häufig vorkommt und, wie es ſcheint, nur ausnahmsweiſe im Süden<lb/>
und Südweſten Europas ſich anſiedelt. Der <hirendition="#g">Wieſenweih</hi> endlich bewohnt hauptſächlich den Süd-<lb/>
oſten Europas, Ungarn, die Donautiefländer, ganz Nußland und den größten Theil Aſiens, iſt in<lb/>
Jndien gemein und gehört auch in Amerika zu den häufigen Erſcheinungen.</p><lb/><p>Hinſichtlich der Lebensweiſe ähneln ſich alle drei Arten in ſo hohem Grade, daß es für uns voll-<lb/>ſtändig genügen wird, wenn wir einen der drei Vögel, den Kornweih, ins Auge faſſen. Die Namen<lb/>
der drei Arten deuten darauf hin, daß der eine Vogel die Felder, der andere die Wieſen und der dritte<lb/>
endlich die Steppen bevorzugt. Jnnerhalb dieſer Gebiete aber treibt es einer wie der andere. Die<lb/>
Weihen ſind bewegungsfähige und bewegungsluſtige, dreiſte, kühne und ſchlaue, aber ziemlich unedle<lb/>
Raubvögel. Jhr Flug iſt ſanft, ſchwankend und unſicher, oft ſchwimmend, ſelten durch Flügel-<lb/>ſchläge beſchleunigt. Die Schwingen werden dabei hoch nach oben getragen, die Spitzen derſelben weit<lb/>
über den Körper gehalten; der Schwanz wird wenig gebreitet. Oft ſchwebt der Weih ohne Flügel-<lb/>ſchläge große Strecken dahin, und die einzige Bewegung, welche man wahrnimmt, iſt ein eigenthümlich<lb/>ſeitliches Drehen des Leibes, ein Schaukeln, wenn man ſo ſagen darf, wodurch ſich der Weih vor allen<lb/>
andern Raubvögeln unſeres Vaterlandes auszeichnet. Höchſt ſelten ſchwingt ſich der Vogel zu beträcht-<lb/>
lichen Höhen empor; man ſieht ihn vielmehr regelmäßig dicht über den Boden dahineilen. Ueber die<lb/>
Felder fliegt er oft in Bogenkreiſen, gewöhnlich aber in geradem, nur durch ſeitliche Ausbiegung unter-<lb/>
brochenen Zuge. <hirendition="#g">Naumann</hi>ſagt, daß der Kornweih die Bäume verabſcheue und nur im höchſten<lb/>
Nothfall auf der Spitze eines ſolchen übernachte, für gewöhnlich aber auf einem kleinen Stein oder<lb/>
kleinen Hügel ſich niederlaſſe und nachts im langen Gras, Schilf oder Getreide ſich verſtecke. Dieſe<lb/>
Angabe iſt wenigſtens nicht für alle Arten richtig. Der Steppenweih z. B. bäumt ſehr regelmäßig,<lb/>
wenn er ruhen will; er wählt hierzu aber niemals die Krone eines Baumes, ſondern immer die untern<lb/>
Aeſte und hier wie die Eulen die Nähe des Stammes; er ſchläft auch auf Bäumen. Auf dem<lb/>
Boden bewegt ſich der Kornweih mit verhältnißmäßiger Geſchicklichkeit. Er läuft und ſpringt ſehr<lb/>ſchnell, jagt auch laufend hinter Mäuſen und noch nicht flugfähigen Vögeln her. Alle Weihen ſind<lb/>
mit Ausnahme der Mittagszeit den ganzen Tag über in Bewegung und jagen auch noch in der Däm-<lb/>
merung. Jhr ſcharfes Geſicht und ihre großen, faſt wie bei den Eulen gebildeten Ohren unterſtützen<lb/>ſich bei ihren Jagden gegenſeitig: die Weihen können auch durch das Gehör eine Beute auskund-<lb/>ſchaften. Geſicht und Gehör ſind unzweifelhaft die ausgebildetſten Sinne, aber auch das Gefühl ſcheint<lb/>ſehr fein zu ſein. Ueber den Verſtand ein Urtheil zu fällen, iſt ſchwer. Die Weihen ſind ſcheu, aber<lb/>
ohne dabei zu unterſcheiden; denn ſie weichen vor dem Landmanne ebenſogut aus, als vor dem Schützen;<lb/>ſie ſind neugierig, laſſen ſich durch auffallende Dinge herbeilocken und dann oft leicht übertölpeln;<lb/>ſie ſind frech und feig, vereinigen ſich aber doch zuweilen mit Krähen, wenn es gilt, einen größeren<lb/>
Räuber zu verfolgen; ſie laſſen ſich leicht zähmen, auch wenn ſie als alte Vögel in die Gewalt des<lb/><fwplace="bottom"type="sig">32*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[499/0531]
Korn-, Steppen- und Wieſenweih.
Beim alten Männchen ſind Kopf, die ganze Oberſeite, der Hals und die Vorderbruſt aſchblau,
der Bauch und die Schenkel weiß mit roſtrothen Schaftſtrichen, die Schwingen erſter Ordnung ganz
ſchwarz, die der zweiten licht aſchblau mit einem ſchwarzen Querbande durch die Mitte, welches auf dem
Außenflügel eine deutliche Binde bildet. Der Schwanz iſt vier- bis fünfmal dunkel gebändert. Alte
Weibchen und jüngere Männchen ſind braungrau, auf dem Scheitel roſtroth und ſchwarz geſtreift, auf der
Unterſeite weiß mit kleinen undeutlichen roſtfarbenen Flecken, junge Vögel auf der Unterſeite roſtfarben
ohne Flecken, auf der Oberſeite dunkelbraun mit roſtbraunen Spitzenſäumen an den Federn und mit einem
weißen Fleck unter dem Auge, welcher von einem großen dunkelbraunen theilweiſe umgeben wird. Der
Bürzel iſt weiß, die Schwung- und Steuerfedern ſind durch dunkle Querflecken gezeichnet. Bei den
alten Männchen iſt das Auge hochgelb, bei den Weibchen blaßgelb, bei den Jungen dunkelbraun; der
Schnabel iſt ſchwarz, die Füße ſind gelb.
Der Kornweih verbreitet ſich über den größten Theil Europas und über ganz Mittelaſien, geht
aber nicht weit nach Süden. Jn Jndien iſt er ein ſeltener Wintergaſt; in Afrika kommt er wahr-
ſcheinlich nicht vor. Hier vertritt ihn der Steppenweih, welcher von Egypten an bis in das Jnnere
oder bis zur Weſtküſte ungemein häufig vorkommt und, wie es ſcheint, nur ausnahmsweiſe im Süden
und Südweſten Europas ſich anſiedelt. Der Wieſenweih endlich bewohnt hauptſächlich den Süd-
oſten Europas, Ungarn, die Donautiefländer, ganz Nußland und den größten Theil Aſiens, iſt in
Jndien gemein und gehört auch in Amerika zu den häufigen Erſcheinungen.
Hinſichtlich der Lebensweiſe ähneln ſich alle drei Arten in ſo hohem Grade, daß es für uns voll-
ſtändig genügen wird, wenn wir einen der drei Vögel, den Kornweih, ins Auge faſſen. Die Namen
der drei Arten deuten darauf hin, daß der eine Vogel die Felder, der andere die Wieſen und der dritte
endlich die Steppen bevorzugt. Jnnerhalb dieſer Gebiete aber treibt es einer wie der andere. Die
Weihen ſind bewegungsfähige und bewegungsluſtige, dreiſte, kühne und ſchlaue, aber ziemlich unedle
Raubvögel. Jhr Flug iſt ſanft, ſchwankend und unſicher, oft ſchwimmend, ſelten durch Flügel-
ſchläge beſchleunigt. Die Schwingen werden dabei hoch nach oben getragen, die Spitzen derſelben weit
über den Körper gehalten; der Schwanz wird wenig gebreitet. Oft ſchwebt der Weih ohne Flügel-
ſchläge große Strecken dahin, und die einzige Bewegung, welche man wahrnimmt, iſt ein eigenthümlich
ſeitliches Drehen des Leibes, ein Schaukeln, wenn man ſo ſagen darf, wodurch ſich der Weih vor allen
andern Raubvögeln unſeres Vaterlandes auszeichnet. Höchſt ſelten ſchwingt ſich der Vogel zu beträcht-
lichen Höhen empor; man ſieht ihn vielmehr regelmäßig dicht über den Boden dahineilen. Ueber die
Felder fliegt er oft in Bogenkreiſen, gewöhnlich aber in geradem, nur durch ſeitliche Ausbiegung unter-
brochenen Zuge. Naumann ſagt, daß der Kornweih die Bäume verabſcheue und nur im höchſten
Nothfall auf der Spitze eines ſolchen übernachte, für gewöhnlich aber auf einem kleinen Stein oder
kleinen Hügel ſich niederlaſſe und nachts im langen Gras, Schilf oder Getreide ſich verſtecke. Dieſe
Angabe iſt wenigſtens nicht für alle Arten richtig. Der Steppenweih z. B. bäumt ſehr regelmäßig,
wenn er ruhen will; er wählt hierzu aber niemals die Krone eines Baumes, ſondern immer die untern
Aeſte und hier wie die Eulen die Nähe des Stammes; er ſchläft auch auf Bäumen. Auf dem
Boden bewegt ſich der Kornweih mit verhältnißmäßiger Geſchicklichkeit. Er läuft und ſpringt ſehr
ſchnell, jagt auch laufend hinter Mäuſen und noch nicht flugfähigen Vögeln her. Alle Weihen ſind
mit Ausnahme der Mittagszeit den ganzen Tag über in Bewegung und jagen auch noch in der Däm-
merung. Jhr ſcharfes Geſicht und ihre großen, faſt wie bei den Eulen gebildeten Ohren unterſtützen
ſich bei ihren Jagden gegenſeitig: die Weihen können auch durch das Gehör eine Beute auskund-
ſchaften. Geſicht und Gehör ſind unzweifelhaft die ausgebildetſten Sinne, aber auch das Gefühl ſcheint
ſehr fein zu ſein. Ueber den Verſtand ein Urtheil zu fällen, iſt ſchwer. Die Weihen ſind ſcheu, aber
ohne dabei zu unterſcheiden; denn ſie weichen vor dem Landmanne ebenſogut aus, als vor dem Schützen;
ſie ſind neugierig, laſſen ſich durch auffallende Dinge herbeilocken und dann oft leicht übertölpeln;
ſie ſind frech und feig, vereinigen ſich aber doch zuweilen mit Krähen, wenn es gilt, einen größeren
Räuber zu verfolgen; ſie laſſen ſich leicht zähmen, auch wenn ſie als alte Vögel in die Gewalt des
32*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/531>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.