Jn diesen Mittheilungen, welche ich theilweise aus meinen "Ergebnissen u. s. w." wiederholt habe, ist Alles enthalten, was mir auch außerdem über das Freileben der Helmvögel bekannt gewor- den ist; denn alle Beobachtungen anderer Naturforscher stimmen mit den meinigen überein.
Das Gefangenleben der Helmvögel haben wir namentlich seit Errichtung der Thiergärten kennen gelernt, doch liegen auch ältere Forschungen vor. Die abissinische Art ist allerdings noch nicht lebend nach Europa gekommen; dagegen gehört eine westafrikanische Art nicht eben zu den Seltenheiten in größe- ren Sammlungen lebender Thiere. Auch der hamburger Thiergarten besaß jahrelang zwei Helm- vögel (Corythaix persa), und einer von ihnen lebt noch jetzt, während ich diese Zeilen schreibe. Ueber diese Art hat Ploß bereits vor vierzig Jahren berichtet. "Mein Gefangener", sagt er, "ist ein aufgeweckter, munterer Vogel, welcher fast den ganzen Tag in Bewegung ist, den Kopf bald rechts, bald links wendet, bei jedem Stückchen Futter, welches er aufnimmt, die Flügel und den Schwanz ausbreitet und vorwärts nickt. Er ist so zahm, daß er mir aus der Hand frißt, und läuft frei im Zimmer herum. Dabei thut er oft Sprünge von mehreren Ellen, wobei er sich mit ausge- breiteten Flügeln, jedoch ohne Flügelschlag, hilft und den Hals weit vorstreckt. Nach dem Sprunge läuft er in derselben Stellung mehrere Schritte fort. Sein Gang ist sehr geschickt und schnell, das Klettern hingegen versteht er gar nicht, und am Drahtgitter seines Käfigs vermag er sich nur mit Mühe zu erhalten. Sein Lockton ist ein leises Grunzen, welches er manchmal, vorzüglich, wenn ihm ein fremder Gegenstand von fern zu Gesicht kommt, in abgerissenen Sätzen acht-bis zehnmal wiederholt und so steigert, daß man das Geschrei durch mehrere verschlossene Thüren hören kann. Gewöhnlich fliegt er alsdann von dem Punkte, auf dem er gesessen hat, nach einigen Flügelschlägen ab."
"Nähere ich mich ihm, indem ich die Lippen bewege, so richtet er sich hoch empor, bläst Kropf und Kehle auf und bringt von dem genossenen Futter etwas aus dem Kropfe heraus, um mich zu ätzen, ein Beweis, daß er seine Jungen aus dem Kropfe füttert *) und sich auch wahr- scheinlich beide Gatten dieselbe Liebkosung erweisen. Seine Haube trägt er stets emporgehoben und nur im Schlafe, des Nachts oder wenn man ihn streichelt, legt er dieselbe nieder. Jch erhalte ihn mit in Wasser geweichtem Weißbrod, geriebenem gelben Futter und klein geschnitte- nem Obst, wie es gerade die Jahreszeit darbietet, im Winter mit Aepfeln und Birnen, in andern Jahreszeiten mit Erdbeeren, süßen Kirschen, Himbeeren, Pflaumen, Weinbeeren u. dgl. Obst ist ihm zu seiner Gesundheit unentbehrlich. Sand und kleine Steine verschluckt er in beträcht- licher Menge. Er badet sich gern und macht sich dabei sehr naß. Jm ganzen ist dieser Vogel leicht zu halten, er befindet sich bei mir nun bald vier Jahre sehr wohl."
"Am 17. Juni (1825) legte er in sein Freßgeschirr ein Ei, dem am 5. Juli ein zweites folgte. Er bediente sich eines offenen, ihm zugänglichen Lachtaubennestes nicht, sondern kroch vor dem Legen des Eies in den dunkelsten Winkel, woraus ich schließe, daß er im Freien in Höhlen nistet. Das Eierlegen griff ihn sehr an. Er war sterbenskrank und trank dann außerordentlich viel Wasser."
"Seine Mauser findet einmal im Jahre statt."
Unsere beiden Gefangenen haben mir bewiesen, daß vorstehende Beobachtungen richtig sind; doch glaube ich, ihnen noch Einiges hinzufügen zu müssen. Wir beherbergen die Helmvögel in einer Abtheilung unseres Hühnerhauses, welche im Jnnern einen ziemlich dunkeln Raum, vor demsel- ben aber einen Ausflugskäfig hat. Jn letzterem verweilen sie nur in den Früh- und Abendstunden; bei größerer Tageshelle ziehen sie sich stets in das Dunkel zurück, setzen sich auf einer hohen Sprung- stange nieder und verharren hier ziemlich regungslos, bis es dem einen einfällt, sich die bunte Welt der Besucher des Gartens einmal näher zu betrachten. Dann treiben sie sich sehr munter außen umher. Sie scheuen sich übrigens hauptsächlich vor der Sonne, nicht gerade vor der Tageshelle; denn an reg- nerischen Tagen machen sie sich viel im Außenkäfig zu schaffen. Doch ist es auch möglich, daß Dies
*) Diese Angabe dürfte schwerlich begründet sein, weil der Helmvogel keinen eigentlichen Kropf besitzt.
Die Knacker. Rabenvögel. Piſangfreſſer.
Jn dieſen Mittheilungen, welche ich theilweiſe aus meinen „Ergebniſſen u. ſ. w.‟ wiederholt habe, iſt Alles enthalten, was mir auch außerdem über das Freileben der Helmvögel bekannt gewor- den iſt; denn alle Beobachtungen anderer Naturforſcher ſtimmen mit den meinigen überein.
Das Gefangenleben der Helmvögel haben wir namentlich ſeit Errichtung der Thiergärten kennen gelernt, doch liegen auch ältere Forſchungen vor. Die abiſſiniſche Art iſt allerdings noch nicht lebend nach Europa gekommen; dagegen gehört eine weſtafrikaniſche Art nicht eben zu den Seltenheiten in größe- ren Sammlungen lebender Thiere. Auch der hamburger Thiergarten beſaß jahrelang zwei Helm- vögel (Corythaix persa), und einer von ihnen lebt noch jetzt, während ich dieſe Zeilen ſchreibe. Ueber dieſe Art hat Ploß bereits vor vierzig Jahren berichtet. „Mein Gefangener‟, ſagt er, „iſt ein aufgeweckter, munterer Vogel, welcher faſt den ganzen Tag in Bewegung iſt, den Kopf bald rechts, bald links wendet, bei jedem Stückchen Futter, welches er aufnimmt, die Flügel und den Schwanz ausbreitet und vorwärts nickt. Er iſt ſo zahm, daß er mir aus der Hand frißt, und läuft frei im Zimmer herum. Dabei thut er oft Sprünge von mehreren Ellen, wobei er ſich mit ausge- breiteten Flügeln, jedoch ohne Flügelſchlag, hilft und den Hals weit vorſtreckt. Nach dem Sprunge läuft er in derſelben Stellung mehrere Schritte fort. Sein Gang iſt ſehr geſchickt und ſchnell, das Klettern hingegen verſteht er gar nicht, und am Drahtgitter ſeines Käfigs vermag er ſich nur mit Mühe zu erhalten. Sein Lockton iſt ein leiſes Grunzen, welches er manchmal, vorzüglich, wenn ihm ein fremder Gegenſtand von fern zu Geſicht kommt, in abgeriſſenen Sätzen acht-bis zehnmal wiederholt und ſo ſteigert, daß man das Geſchrei durch mehrere verſchloſſene Thüren hören kann. Gewöhnlich fliegt er alsdann von dem Punkte, auf dem er geſeſſen hat, nach einigen Flügelſchlägen ab.‟
„Nähere ich mich ihm, indem ich die Lippen bewege, ſo richtet er ſich hoch empor, bläſt Kropf und Kehle auf und bringt von dem genoſſenen Futter etwas aus dem Kropfe heraus, um mich zu ätzen, ein Beweis, daß er ſeine Jungen aus dem Kropfe füttert *) und ſich auch wahr- ſcheinlich beide Gatten dieſelbe Liebkoſung erweiſen. Seine Haube trägt er ſtets emporgehoben und nur im Schlafe, des Nachts oder wenn man ihn ſtreichelt, legt er dieſelbe nieder. Jch erhalte ihn mit in Waſſer geweichtem Weißbrod, geriebenem gelben Futter und klein geſchnitte- nem Obſt, wie es gerade die Jahreszeit darbietet, im Winter mit Aepfeln und Birnen, in andern Jahreszeiten mit Erdbeeren, ſüßen Kirſchen, Himbeeren, Pflaumen, Weinbeeren u. dgl. Obſt iſt ihm zu ſeiner Geſundheit unentbehrlich. Sand und kleine Steine verſchluckt er in beträcht- licher Menge. Er badet ſich gern und macht ſich dabei ſehr naß. Jm ganzen iſt dieſer Vogel leicht zu halten, er befindet ſich bei mir nun bald vier Jahre ſehr wohl.‟
„Am 17. Juni (1825) legte er in ſein Freßgeſchirr ein Ei, dem am 5. Juli ein zweites folgte. Er bediente ſich eines offenen, ihm zugänglichen Lachtaubenneſtes nicht, ſondern kroch vor dem Legen des Eies in den dunkelſten Winkel, woraus ich ſchließe, daß er im Freien in Höhlen niſtet. Das Eierlegen griff ihn ſehr an. Er war ſterbenskrank und trank dann außerordentlich viel Waſſer.‟
„Seine Mauſer findet einmal im Jahre ſtatt.‟
Unſere beiden Gefangenen haben mir bewieſen, daß vorſtehende Beobachtungen richtig ſind; doch glaube ich, ihnen noch Einiges hinzufügen zu müſſen. Wir beherbergen die Helmvögel in einer Abtheilung unſeres Hühnerhauſes, welche im Jnnern einen ziemlich dunkeln Raum, vor demſel- ben aber einen Ausflugskäfig hat. Jn letzterem verweilen ſie nur in den Früh- und Abendſtunden; bei größerer Tageshelle ziehen ſie ſich ſtets in das Dunkel zurück, ſetzen ſich auf einer hohen Sprung- ſtange nieder und verharren hier ziemlich regungslos, bis es dem einen einfällt, ſich die bunte Welt der Beſucher des Gartens einmal näher zu betrachten. Dann treiben ſie ſich ſehr munter außen umher. Sie ſcheuen ſich übrigens hauptſächlich vor der Sonne, nicht gerade vor der Tageshelle; denn an reg- neriſchen Tagen machen ſie ſich viel im Außenkäfig zu ſchaffen. Doch iſt es auch möglich, daß Dies
*) Dieſe Angabe dürfte ſchwerlich begründet ſein, weil der Helmvogel keinen eigentlichen Kropf beſitzt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0420"n="392"/><fwplace="top"type="header">Die Knacker. Rabenvögel. Piſangfreſſer.</fw><lb/><p>Jn dieſen Mittheilungen, welche ich theilweiſe aus meinen „Ergebniſſen u. ſ. w.‟ wiederholt<lb/>
habe, iſt Alles enthalten, was mir auch außerdem über das Freileben der Helmvögel bekannt gewor-<lb/>
den iſt; denn alle Beobachtungen anderer Naturforſcher ſtimmen mit den meinigen überein.</p><lb/><p>Das Gefangenleben der Helmvögel haben wir namentlich ſeit Errichtung der Thiergärten kennen<lb/>
gelernt, doch liegen auch ältere Forſchungen vor. Die abiſſiniſche Art iſt allerdings noch nicht lebend<lb/>
nach Europa gekommen; dagegen gehört eine weſtafrikaniſche Art nicht eben zu den Seltenheiten in größe-<lb/>
ren Sammlungen lebender Thiere. Auch der hamburger Thiergarten beſaß jahrelang zwei <hirendition="#g">Helm-<lb/>
vögel</hi> (<hirendition="#aq">Corythaix persa</hi>), und einer von ihnen lebt noch jetzt, während ich dieſe Zeilen ſchreibe.<lb/>
Ueber dieſe Art hat <hirendition="#g">Ploß</hi> bereits vor vierzig Jahren berichtet. „Mein Gefangener‟, ſagt er, „iſt ein<lb/>
aufgeweckter, munterer Vogel, welcher faſt den ganzen Tag in Bewegung iſt, den Kopf bald rechts,<lb/>
bald links wendet, bei jedem Stückchen Futter, welches er aufnimmt, die Flügel und den Schwanz<lb/>
ausbreitet und vorwärts nickt. Er iſt ſo zahm, daß er mir aus der Hand frißt, und läuft frei<lb/>
im Zimmer herum. Dabei thut er oft Sprünge von mehreren Ellen, wobei er ſich mit ausge-<lb/>
breiteten Flügeln, jedoch ohne Flügelſchlag, hilft und den Hals weit vorſtreckt. Nach dem Sprunge<lb/>
läuft er in derſelben Stellung mehrere Schritte fort. Sein Gang iſt ſehr geſchickt und ſchnell,<lb/>
das Klettern hingegen verſteht er gar nicht, und am Drahtgitter ſeines Käfigs vermag er ſich nur<lb/>
mit Mühe zu erhalten. Sein Lockton iſt ein leiſes Grunzen, welches er manchmal, vorzüglich,<lb/>
wenn ihm ein fremder Gegenſtand von fern zu Geſicht kommt, in abgeriſſenen Sätzen acht-bis<lb/>
zehnmal wiederholt und ſo ſteigert, daß man das Geſchrei durch mehrere verſchloſſene Thüren<lb/>
hören kann. Gewöhnlich fliegt er alsdann von dem Punkte, auf dem er geſeſſen hat, nach einigen<lb/>
Flügelſchlägen ab.‟</p><lb/><p>„Nähere ich mich ihm, indem ich die Lippen bewege, ſo richtet er ſich hoch empor, bläſt<lb/>
Kropf und Kehle auf und bringt von dem genoſſenen Futter etwas aus dem Kropfe heraus, um<lb/>
mich zu ätzen, ein Beweis, daß er ſeine Jungen aus dem Kropfe füttert <noteplace="foot"n="*)">Dieſe Angabe dürfte ſchwerlich begründet ſein, weil der Helmvogel keinen eigentlichen Kropf beſitzt.</note> und ſich auch wahr-<lb/>ſcheinlich beide Gatten dieſelbe Liebkoſung erweiſen. Seine Haube trägt er ſtets emporgehoben<lb/>
und nur im Schlafe, des Nachts oder wenn man ihn ſtreichelt, legt er dieſelbe nieder. Jch<lb/>
erhalte ihn mit in Waſſer geweichtem Weißbrod, geriebenem gelben Futter und klein geſchnitte-<lb/>
nem Obſt, wie es gerade die Jahreszeit darbietet, im Winter mit Aepfeln und Birnen, in<lb/>
andern Jahreszeiten mit Erdbeeren, ſüßen Kirſchen, Himbeeren, Pflaumen, Weinbeeren u. dgl.<lb/>
Obſt iſt ihm zu ſeiner Geſundheit unentbehrlich. Sand und kleine Steine verſchluckt er in beträcht-<lb/>
licher Menge. Er badet ſich gern und macht ſich dabei ſehr naß. Jm ganzen iſt dieſer Vogel leicht<lb/>
zu halten, er befindet ſich bei mir nun bald vier Jahre ſehr wohl.‟</p><lb/><p>„Am 17. Juni (1825) legte er in ſein Freßgeſchirr ein Ei, dem am 5. Juli ein zweites folgte.<lb/>
Er bediente ſich eines offenen, ihm zugänglichen Lachtaubenneſtes nicht, ſondern kroch vor dem Legen<lb/>
des Eies in den dunkelſten Winkel, woraus ich ſchließe, daß er im Freien in Höhlen niſtet. Das<lb/>
Eierlegen griff ihn ſehr an. Er war ſterbenskrank und trank dann außerordentlich viel Waſſer.‟</p><lb/><p>„Seine Mauſer findet einmal im Jahre ſtatt.‟</p><lb/><p>Unſere beiden Gefangenen haben mir bewieſen, daß vorſtehende Beobachtungen richtig ſind;<lb/>
doch glaube ich, ihnen noch Einiges hinzufügen zu müſſen. Wir beherbergen die Helmvögel in<lb/>
einer Abtheilung unſeres Hühnerhauſes, welche im Jnnern einen ziemlich dunkeln Raum, vor demſel-<lb/>
ben aber einen Ausflugskäfig hat. Jn letzterem verweilen ſie nur in den Früh- und Abendſtunden;<lb/>
bei größerer Tageshelle ziehen ſie ſich ſtets in das Dunkel zurück, ſetzen ſich auf einer hohen Sprung-<lb/>ſtange nieder und verharren hier ziemlich regungslos, bis es dem einen einfällt, ſich die bunte Welt der<lb/>
Beſucher des Gartens einmal näher zu betrachten. Dann treiben ſie ſich ſehr munter außen umher.<lb/>
Sie ſcheuen ſich übrigens hauptſächlich vor der Sonne, nicht gerade vor der Tageshelle; denn an reg-<lb/>
neriſchen Tagen machen ſie ſich viel im Außenkäfig zu ſchaffen. Doch iſt es auch möglich, daß Dies<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[392/0420]
Die Knacker. Rabenvögel. Piſangfreſſer.
Jn dieſen Mittheilungen, welche ich theilweiſe aus meinen „Ergebniſſen u. ſ. w.‟ wiederholt
habe, iſt Alles enthalten, was mir auch außerdem über das Freileben der Helmvögel bekannt gewor-
den iſt; denn alle Beobachtungen anderer Naturforſcher ſtimmen mit den meinigen überein.
Das Gefangenleben der Helmvögel haben wir namentlich ſeit Errichtung der Thiergärten kennen
gelernt, doch liegen auch ältere Forſchungen vor. Die abiſſiniſche Art iſt allerdings noch nicht lebend
nach Europa gekommen; dagegen gehört eine weſtafrikaniſche Art nicht eben zu den Seltenheiten in größe-
ren Sammlungen lebender Thiere. Auch der hamburger Thiergarten beſaß jahrelang zwei Helm-
vögel (Corythaix persa), und einer von ihnen lebt noch jetzt, während ich dieſe Zeilen ſchreibe.
Ueber dieſe Art hat Ploß bereits vor vierzig Jahren berichtet. „Mein Gefangener‟, ſagt er, „iſt ein
aufgeweckter, munterer Vogel, welcher faſt den ganzen Tag in Bewegung iſt, den Kopf bald rechts,
bald links wendet, bei jedem Stückchen Futter, welches er aufnimmt, die Flügel und den Schwanz
ausbreitet und vorwärts nickt. Er iſt ſo zahm, daß er mir aus der Hand frißt, und läuft frei
im Zimmer herum. Dabei thut er oft Sprünge von mehreren Ellen, wobei er ſich mit ausge-
breiteten Flügeln, jedoch ohne Flügelſchlag, hilft und den Hals weit vorſtreckt. Nach dem Sprunge
läuft er in derſelben Stellung mehrere Schritte fort. Sein Gang iſt ſehr geſchickt und ſchnell,
das Klettern hingegen verſteht er gar nicht, und am Drahtgitter ſeines Käfigs vermag er ſich nur
mit Mühe zu erhalten. Sein Lockton iſt ein leiſes Grunzen, welches er manchmal, vorzüglich,
wenn ihm ein fremder Gegenſtand von fern zu Geſicht kommt, in abgeriſſenen Sätzen acht-bis
zehnmal wiederholt und ſo ſteigert, daß man das Geſchrei durch mehrere verſchloſſene Thüren
hören kann. Gewöhnlich fliegt er alsdann von dem Punkte, auf dem er geſeſſen hat, nach einigen
Flügelſchlägen ab.‟
„Nähere ich mich ihm, indem ich die Lippen bewege, ſo richtet er ſich hoch empor, bläſt
Kropf und Kehle auf und bringt von dem genoſſenen Futter etwas aus dem Kropfe heraus, um
mich zu ätzen, ein Beweis, daß er ſeine Jungen aus dem Kropfe füttert *) und ſich auch wahr-
ſcheinlich beide Gatten dieſelbe Liebkoſung erweiſen. Seine Haube trägt er ſtets emporgehoben
und nur im Schlafe, des Nachts oder wenn man ihn ſtreichelt, legt er dieſelbe nieder. Jch
erhalte ihn mit in Waſſer geweichtem Weißbrod, geriebenem gelben Futter und klein geſchnitte-
nem Obſt, wie es gerade die Jahreszeit darbietet, im Winter mit Aepfeln und Birnen, in
andern Jahreszeiten mit Erdbeeren, ſüßen Kirſchen, Himbeeren, Pflaumen, Weinbeeren u. dgl.
Obſt iſt ihm zu ſeiner Geſundheit unentbehrlich. Sand und kleine Steine verſchluckt er in beträcht-
licher Menge. Er badet ſich gern und macht ſich dabei ſehr naß. Jm ganzen iſt dieſer Vogel leicht
zu halten, er befindet ſich bei mir nun bald vier Jahre ſehr wohl.‟
„Am 17. Juni (1825) legte er in ſein Freßgeſchirr ein Ei, dem am 5. Juli ein zweites folgte.
Er bediente ſich eines offenen, ihm zugänglichen Lachtaubenneſtes nicht, ſondern kroch vor dem Legen
des Eies in den dunkelſten Winkel, woraus ich ſchließe, daß er im Freien in Höhlen niſtet. Das
Eierlegen griff ihn ſehr an. Er war ſterbenskrank und trank dann außerordentlich viel Waſſer.‟
„Seine Mauſer findet einmal im Jahre ſtatt.‟
Unſere beiden Gefangenen haben mir bewieſen, daß vorſtehende Beobachtungen richtig ſind;
doch glaube ich, ihnen noch Einiges hinzufügen zu müſſen. Wir beherbergen die Helmvögel in
einer Abtheilung unſeres Hühnerhauſes, welche im Jnnern einen ziemlich dunkeln Raum, vor demſel-
ben aber einen Ausflugskäfig hat. Jn letzterem verweilen ſie nur in den Früh- und Abendſtunden;
bei größerer Tageshelle ziehen ſie ſich ſtets in das Dunkel zurück, ſetzen ſich auf einer hohen Sprung-
ſtange nieder und verharren hier ziemlich regungslos, bis es dem einen einfällt, ſich die bunte Welt der
Beſucher des Gartens einmal näher zu betrachten. Dann treiben ſie ſich ſehr munter außen umher.
Sie ſcheuen ſich übrigens hauptſächlich vor der Sonne, nicht gerade vor der Tageshelle; denn an reg-
neriſchen Tagen machen ſie ſich viel im Außenkäfig zu ſchaffen. Doch iſt es auch möglich, daß Dies
*) Dieſe Angabe dürfte ſchwerlich begründet ſein, weil der Helmvogel keinen eigentlichen Kropf beſitzt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/420>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.