Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Glanzkrähe.
selbst der aufsteigende Rauch sie augenblicklich herbeizieht und in der Nähe festhält, falls die Anzeichen
auf zu erwartendes Futter günstig sind. Jn der Zeit zwischen den regelmäßigen Mahlzeiten gibt es jedoch
auch für die Krähen versprechende Jagdbeute. Sie fliegen dann vielleicht nach einer Ebene, welche
überflutet worden ist; dort kann ein Krebs, ein Frosch, ein Fisch, ein Kerbthier gefunden werden.
Andere jagen nach Engerlingen im gepflügten Lande, wieder andere auf den Weideplätzen unter den
Herden oder selbst auf dem Rücken des Viehes nach Kerbthieren; einige beschäftigen sich am Ufer eines
Flusses oder Teiches, und andere, obwohl wenige, machen sich in der Nachbarschaft der großen Ströme
zu thun, folgen den Booten und beeinträchtigen das Gewerbe der Möven und Seeschwalben;
nicht wenige endlich finden in der Nähe Kalkuttas, und anderer größerer Städte reichliche Mahlzeiten auf
den Leichnamen der dem heiligen Strom übergebenen Jndier oder auf dem Aase eines Rindes. Eine
Banane oder ein anderer Baum mit reifen Früchten wird selbstverständlich von vielen Krähen besucht,
und wenn ein Schwarm geflügelter Termiten sich erhebt in der Kühle des Morgens oder des Abends,
da sind die Vögel gar schnell zur Hand und jagen mit den Bienenfressern, Milanen, den
Raken und unter Umständen selbst mit den Fledermäusen um die Wette."

"Um die heiße Jahreszeit halten die Glanzkrähen längere Zeit Mittagsruhe. Man sieht sie dann im
schattigen Gelaube sitzen mit weit aufgesperrtem Schnabel, förmlich schmachtend nach einem Maulvoll
kühler Luft. Sind ihre eigentlichen Beschäftigungen vorüber, so wandern sie wieder den gedachten
Plätzen zu und nehmen unterwegs die vereinzelten mit sich fort."

"Die Glanzkrähen brüten in den Monaten April bis Juli, je nach der Oertlichkeit, gewöhnlich
einzeln, gelegentlich aber zu zweit oder dritt auf demselben Baume. Manchmal erwählen sie sich die
Ecke eines Hauses oder einen andern passenden Platz zum Standorte des Nestes aus; im allgemeinen
aber bevorzugen sie Bäume. Das Nest wird aus Reisern aufgebaut und mit weicheren Stoffen aus-
gefüttert. Das Gelege besteht aus vier grünlichblauen, braun gefleckten und gepunkteten Eiern.
Gar nicht selten findet man in ihm die Eier des indischen Kukuks, welcher unsere Krähen regelmäßig
zu Pflegeeltern seiner Nachkommen erwählt. Bei Vertheidigung ihrer Jungen beweist die Glanzkrähe
großen Muth: mich selbst hat eine auf den Kopf gestoßen, als ich ein Junges, welches aus dem Neste
gefallen war, aufnehmen wollte."

"Der Flug dieser Krähe ist leicht und ziemlich rasch. Verfolgt von einem Raubvogel, kann sie
sehr schnell dahineilen, und dann zeigt sie eine wundervolle Behendigkeit und Gewandtheit. Jhre
Dreistigkeit, Klugheit und List ist so groß, daß man Seiten mit Erzählungen darüber füllen könnte.
Jhre große Häufigkeit und Menschenfreundlichkeit macht, daß sie zuerst die Aufmerksamkeit des in
Jndien ankommenden Fremden auf sich zieht, zumal wenn sie, wie es oft genug geschieht, in dessen
Zimmer hereingeflogen kommt, um etwas Futter oder irgend einen andern Gegenstand, welcher ihr
behagt, wegzunehmen. Man braucht sie gar nicht sehr zu ermuthigen, wenn man sie dahin bringen
will, daß sie regelmäßig Besuche im Zimmer abstattet und das Futter aus der Hand nimmt."

"Jn den großen Städten", sagt Blyth, "laufen die Glanzkrähen wie Hausvögel umher und weichen
den Vorübergehenden eben gerade aus, als wären sie unachtsam auf das allgemeine Gedränge. Aber
auch sie besitzen die ganze Verschmitztheit und Vorsicht ihres Geschlechts. Sie sind sehr wachsam und
erheben sich bei der geringsten verdächtigen Bewegung, ja wenn der Fremde nur ein Auge auf sie
wirft. Jhr Geschrei ist unversieglich, und wenn irgend Etwas, z. B. der Anblick einer todten
Krähe sie erregt, geradezu unerträglich. Eifrig, hurtig, geschäftig, sind sie in beständiger Eile, als ob
die Zeit ein Gegenstand von Bedeutung für sie wäre. Um kurz zu sein: alle Eigenschaften des
Krähengeschlechts sind hervorstechend ausgebildet in ihnen. Der Knall eines Gewehrs ruft die größte
Bewegung unter einer Krähengemeinde hervor. Sie kreisen dann heftig hin und her, die meisten aber,
selbstverständlich außer Schußweite, lustig krächzend und ausweichend, wenn das Gewehr auf sie
gerichtet ist, während andere auf den benachbarten Hausgiebeln beobachtend sitzen. Beim nächsten
Schuß erheben sich alle mit kläglichem Geschrei; aber eine nach der andern kehrt allgemach zu ihrer
Warte zurück."

Glanzkrähe.
ſelbſt der aufſteigende Rauch ſie augenblicklich herbeizieht und in der Nähe feſthält, falls die Anzeichen
auf zu erwartendes Futter günſtig ſind. Jn der Zeit zwiſchen den regelmäßigen Mahlzeiten gibt es jedoch
auch für die Krähen verſprechende Jagdbeute. Sie fliegen dann vielleicht nach einer Ebene, welche
überflutet worden iſt; dort kann ein Krebs, ein Froſch, ein Fiſch, ein Kerbthier gefunden werden.
Andere jagen nach Engerlingen im gepflügten Lande, wieder andere auf den Weideplätzen unter den
Herden oder ſelbſt auf dem Rücken des Viehes nach Kerbthieren; einige beſchäftigen ſich am Ufer eines
Fluſſes oder Teiches, und andere, obwohl wenige, machen ſich in der Nachbarſchaft der großen Ströme
zu thun, folgen den Booten und beeinträchtigen das Gewerbe der Möven und Seeſchwalben;
nicht wenige endlich finden in der Nähe Kalkuttas, und anderer größerer Städte reichliche Mahlzeiten auf
den Leichnamen der dem heiligen Strom übergebenen Jndier oder auf dem Aaſe eines Rindes. Eine
Banane oder ein anderer Baum mit reifen Früchten wird ſelbſtverſtändlich von vielen Krähen beſucht,
und wenn ein Schwarm geflügelter Termiten ſich erhebt in der Kühle des Morgens oder des Abends,
da ſind die Vögel gar ſchnell zur Hand und jagen mit den Bienenfreſſern, Milanen, den
Raken und unter Umſtänden ſelbſt mit den Fledermäuſen um die Wette.‟

„Um die heiße Jahreszeit halten die Glanzkrähen längere Zeit Mittagsruhe. Man ſieht ſie dann im
ſchattigen Gelaube ſitzen mit weit aufgeſperrtem Schnabel, förmlich ſchmachtend nach einem Maulvoll
kühler Luft. Sind ihre eigentlichen Beſchäftigungen vorüber, ſo wandern ſie wieder den gedachten
Plätzen zu und nehmen unterwegs die vereinzelten mit ſich fort.‟

„Die Glanzkrähen brüten in den Monaten April bis Juli, je nach der Oertlichkeit, gewöhnlich
einzeln, gelegentlich aber zu zweit oder dritt auf demſelben Baume. Manchmal erwählen ſie ſich die
Ecke eines Hauſes oder einen andern paſſenden Platz zum Standorte des Neſtes aus; im allgemeinen
aber bevorzugen ſie Bäume. Das Neſt wird aus Reiſern aufgebaut und mit weicheren Stoffen aus-
gefüttert. Das Gelege beſteht aus vier grünlichblauen, braun gefleckten und gepunkteten Eiern.
Gar nicht ſelten findet man in ihm die Eier des indiſchen Kukuks, welcher unſere Krähen regelmäßig
zu Pflegeeltern ſeiner Nachkommen erwählt. Bei Vertheidigung ihrer Jungen beweiſt die Glanzkrähe
großen Muth: mich ſelbſt hat eine auf den Kopf geſtoßen, als ich ein Junges, welches aus dem Neſte
gefallen war, aufnehmen wollte.‟

„Der Flug dieſer Krähe iſt leicht und ziemlich raſch. Verfolgt von einem Raubvogel, kann ſie
ſehr ſchnell dahineilen, und dann zeigt ſie eine wundervolle Behendigkeit und Gewandtheit. Jhre
Dreiſtigkeit, Klugheit und Liſt iſt ſo groß, daß man Seiten mit Erzählungen darüber füllen könnte.
Jhre große Häufigkeit und Menſchenfreundlichkeit macht, daß ſie zuerſt die Aufmerkſamkeit des in
Jndien ankommenden Fremden auf ſich zieht, zumal wenn ſie, wie es oft genug geſchieht, in deſſen
Zimmer hereingeflogen kommt, um etwas Futter oder irgend einen andern Gegenſtand, welcher ihr
behagt, wegzunehmen. Man braucht ſie gar nicht ſehr zu ermuthigen, wenn man ſie dahin bringen
will, daß ſie regelmäßig Beſuche im Zimmer abſtattet und das Futter aus der Hand nimmt.‟

„Jn den großen Städten‟, ſagt Blyth, „laufen die Glanzkrähen wie Hausvögel umher und weichen
den Vorübergehenden eben gerade aus, als wären ſie unachtſam auf das allgemeine Gedränge. Aber
auch ſie beſitzen die ganze Verſchmitztheit und Vorſicht ihres Geſchlechts. Sie ſind ſehr wachſam und
erheben ſich bei der geringſten verdächtigen Bewegung, ja wenn der Fremde nur ein Auge auf ſie
wirft. Jhr Geſchrei iſt unverſieglich, und wenn irgend Etwas, z. B. der Anblick einer todten
Krähe ſie erregt, geradezu unerträglich. Eifrig, hurtig, geſchäftig, ſind ſie in beſtändiger Eile, als ob
die Zeit ein Gegenſtand von Bedeutung für ſie wäre. Um kurz zu ſein: alle Eigenſchaften des
Krähengeſchlechts ſind hervorſtechend ausgebildet in ihnen. Der Knall eines Gewehrs ruft die größte
Bewegung unter einer Krähengemeinde hervor. Sie kreiſen dann heftig hin und her, die meiſten aber,
ſelbſtverſtändlich außer Schußweite, luſtig krächzend und ausweichend, wenn das Gewehr auf ſie
gerichtet iſt, während andere auf den benachbarten Hausgiebeln beobachtend ſitzen. Beim nächſten
Schuß erheben ſich alle mit kläglichem Geſchrei; aber eine nach der andern kehrt allgemach zu ihrer
Warte zurück.‟

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0391" n="363"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Glanzkrähe.</hi></fw><lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t der auf&#x017F;teigende Rauch &#x017F;ie augenblicklich herbeizieht und in der Nähe fe&#x017F;thält, falls die Anzeichen<lb/>
auf zu erwartendes Futter gün&#x017F;tig &#x017F;ind. Jn der Zeit zwi&#x017F;chen den regelmäßigen Mahlzeiten gibt es jedoch<lb/>
auch für die Krähen ver&#x017F;prechende Jagdbeute. Sie fliegen dann vielleicht nach einer Ebene, welche<lb/>
überflutet worden i&#x017F;t; dort kann ein Krebs, ein Fro&#x017F;ch, ein Fi&#x017F;ch, ein Kerbthier gefunden werden.<lb/>
Andere jagen nach Engerlingen im gepflügten Lande, wieder andere auf den Weideplätzen unter den<lb/>
Herden oder &#x017F;elb&#x017F;t auf dem Rücken des Viehes nach Kerbthieren; einige be&#x017F;chäftigen &#x017F;ich am Ufer eines<lb/>
Flu&#x017F;&#x017F;es oder Teiches, und andere, obwohl wenige, machen &#x017F;ich in der Nachbar&#x017F;chaft der großen Ströme<lb/>
zu thun, folgen den Booten und beeinträchtigen das Gewerbe der <hi rendition="#g">Möven</hi> und <hi rendition="#g">See&#x017F;chwalben;</hi><lb/>
nicht wenige endlich finden in der Nähe Kalkuttas, und anderer größerer Städte reichliche Mahlzeiten auf<lb/>
den Leichnamen der dem heiligen Strom übergebenen Jndier oder auf dem Aa&#x017F;e eines Rindes. Eine<lb/>
Banane oder ein anderer Baum mit reifen Früchten wird &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich von vielen Krähen be&#x017F;ucht,<lb/>
und wenn ein Schwarm geflügelter Termiten &#x017F;ich erhebt in der Kühle des Morgens oder des Abends,<lb/>
da &#x017F;ind die Vögel gar &#x017F;chnell zur Hand und jagen mit den <hi rendition="#g">Bienenfre&#x017F;&#x017F;ern, Milanen,</hi> den<lb/><hi rendition="#g">Raken</hi> und unter Um&#x017F;tänden &#x017F;elb&#x017F;t mit den <hi rendition="#g">Fledermäu&#x017F;en</hi> um die Wette.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Um die heiße Jahreszeit halten die Glanzkrähen längere Zeit Mittagsruhe. Man &#x017F;ieht &#x017F;ie dann im<lb/>
&#x017F;chattigen Gelaube &#x017F;itzen mit weit aufge&#x017F;perrtem Schnabel, förmlich &#x017F;chmachtend nach einem Maulvoll<lb/>
kühler Luft. Sind ihre eigentlichen Be&#x017F;chäftigungen vorüber, &#x017F;o wandern &#x017F;ie wieder den gedachten<lb/>
Plätzen zu und nehmen unterwegs die vereinzelten mit &#x017F;ich fort.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Glanzkrähen brüten in den Monaten April bis Juli, je nach der Oertlichkeit, gewöhnlich<lb/>
einzeln, gelegentlich aber zu zweit oder dritt auf dem&#x017F;elben Baume. Manchmal erwählen &#x017F;ie &#x017F;ich die<lb/>
Ecke eines Hau&#x017F;es oder einen andern pa&#x017F;&#x017F;enden Platz zum Standorte des Ne&#x017F;tes aus; im allgemeinen<lb/>
aber bevorzugen &#x017F;ie Bäume. Das Ne&#x017F;t wird aus Rei&#x017F;ern aufgebaut und mit weicheren Stoffen aus-<lb/>
gefüttert. Das Gelege be&#x017F;teht aus vier grünlichblauen, braun gefleckten und gepunkteten Eiern.<lb/>
Gar nicht &#x017F;elten findet man in ihm die Eier des indi&#x017F;chen Kukuks, welcher un&#x017F;ere Krähen regelmäßig<lb/>
zu Pflegeeltern &#x017F;einer Nachkommen erwählt. Bei Vertheidigung ihrer Jungen bewei&#x017F;t die Glanzkrähe<lb/>
großen Muth: mich &#x017F;elb&#x017F;t hat eine auf den Kopf ge&#x017F;toßen, als ich ein Junges, welches aus dem Ne&#x017F;te<lb/>
gefallen war, aufnehmen wollte.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Flug die&#x017F;er Krähe i&#x017F;t leicht und ziemlich ra&#x017F;ch. Verfolgt von einem Raubvogel, kann &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;chnell dahineilen, und dann zeigt &#x017F;ie eine wundervolle Behendigkeit und Gewandtheit. Jhre<lb/>
Drei&#x017F;tigkeit, Klugheit und Li&#x017F;t i&#x017F;t &#x017F;o groß, daß man Seiten mit Erzählungen darüber füllen könnte.<lb/>
Jhre große Häufigkeit und Men&#x017F;chenfreundlichkeit macht, daß &#x017F;ie zuer&#x017F;t die Aufmerk&#x017F;amkeit des in<lb/>
Jndien ankommenden Fremden auf &#x017F;ich zieht, zumal wenn &#x017F;ie, wie es oft genug ge&#x017F;chieht, in de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Zimmer hereingeflogen kommt, um etwas Futter oder irgend einen andern Gegen&#x017F;tand, welcher ihr<lb/>
behagt, wegzunehmen. Man braucht &#x017F;ie gar nicht &#x017F;ehr zu ermuthigen, wenn man &#x017F;ie dahin bringen<lb/>
will, daß &#x017F;ie regelmäßig Be&#x017F;uche im Zimmer ab&#x017F;tattet und das Futter aus der Hand nimmt.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jn den großen Städten&#x201F;, &#x017F;agt <hi rendition="#g">Blyth,</hi> &#x201E;laufen die Glanzkrähen wie Hausvögel umher und weichen<lb/>
den Vorübergehenden eben gerade aus, als wären &#x017F;ie unacht&#x017F;am auf das allgemeine Gedränge. Aber<lb/>
auch &#x017F;ie be&#x017F;itzen die ganze Ver&#x017F;chmitztheit und Vor&#x017F;icht ihres Ge&#x017F;chlechts. Sie &#x017F;ind &#x017F;ehr wach&#x017F;am und<lb/>
erheben &#x017F;ich bei der gering&#x017F;ten verdächtigen Bewegung, ja wenn der Fremde nur ein Auge auf &#x017F;ie<lb/>
wirft. Jhr Ge&#x017F;chrei i&#x017F;t unver&#x017F;ieglich, und wenn irgend Etwas, z. B. der Anblick einer todten<lb/>
Krähe &#x017F;ie erregt, geradezu unerträglich. Eifrig, hurtig, ge&#x017F;chäftig, &#x017F;ind &#x017F;ie in be&#x017F;tändiger Eile, als ob<lb/>
die Zeit ein Gegen&#x017F;tand von Bedeutung für &#x017F;ie wäre. Um kurz zu &#x017F;ein: alle Eigen&#x017F;chaften des<lb/>
Krähenge&#x017F;chlechts &#x017F;ind hervor&#x017F;techend ausgebildet in ihnen. Der Knall eines Gewehrs ruft die größte<lb/>
Bewegung unter einer Krähengemeinde hervor. Sie krei&#x017F;en dann heftig hin und her, die mei&#x017F;ten aber,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich außer Schußweite, lu&#x017F;tig krächzend und ausweichend, wenn das Gewehr auf &#x017F;ie<lb/>
gerichtet i&#x017F;t, während andere auf den benachbarten Hausgiebeln beobachtend &#x017F;itzen. Beim näch&#x017F;ten<lb/>
Schuß erheben &#x017F;ich alle mit kläglichem Ge&#x017F;chrei; aber eine nach der andern kehrt allgemach zu ihrer<lb/>
Warte zurück.&#x201F;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0391] Glanzkrähe. ſelbſt der aufſteigende Rauch ſie augenblicklich herbeizieht und in der Nähe feſthält, falls die Anzeichen auf zu erwartendes Futter günſtig ſind. Jn der Zeit zwiſchen den regelmäßigen Mahlzeiten gibt es jedoch auch für die Krähen verſprechende Jagdbeute. Sie fliegen dann vielleicht nach einer Ebene, welche überflutet worden iſt; dort kann ein Krebs, ein Froſch, ein Fiſch, ein Kerbthier gefunden werden. Andere jagen nach Engerlingen im gepflügten Lande, wieder andere auf den Weideplätzen unter den Herden oder ſelbſt auf dem Rücken des Viehes nach Kerbthieren; einige beſchäftigen ſich am Ufer eines Fluſſes oder Teiches, und andere, obwohl wenige, machen ſich in der Nachbarſchaft der großen Ströme zu thun, folgen den Booten und beeinträchtigen das Gewerbe der Möven und Seeſchwalben; nicht wenige endlich finden in der Nähe Kalkuttas, und anderer größerer Städte reichliche Mahlzeiten auf den Leichnamen der dem heiligen Strom übergebenen Jndier oder auf dem Aaſe eines Rindes. Eine Banane oder ein anderer Baum mit reifen Früchten wird ſelbſtverſtändlich von vielen Krähen beſucht, und wenn ein Schwarm geflügelter Termiten ſich erhebt in der Kühle des Morgens oder des Abends, da ſind die Vögel gar ſchnell zur Hand und jagen mit den Bienenfreſſern, Milanen, den Raken und unter Umſtänden ſelbſt mit den Fledermäuſen um die Wette.‟ „Um die heiße Jahreszeit halten die Glanzkrähen längere Zeit Mittagsruhe. Man ſieht ſie dann im ſchattigen Gelaube ſitzen mit weit aufgeſperrtem Schnabel, förmlich ſchmachtend nach einem Maulvoll kühler Luft. Sind ihre eigentlichen Beſchäftigungen vorüber, ſo wandern ſie wieder den gedachten Plätzen zu und nehmen unterwegs die vereinzelten mit ſich fort.‟ „Die Glanzkrähen brüten in den Monaten April bis Juli, je nach der Oertlichkeit, gewöhnlich einzeln, gelegentlich aber zu zweit oder dritt auf demſelben Baume. Manchmal erwählen ſie ſich die Ecke eines Hauſes oder einen andern paſſenden Platz zum Standorte des Neſtes aus; im allgemeinen aber bevorzugen ſie Bäume. Das Neſt wird aus Reiſern aufgebaut und mit weicheren Stoffen aus- gefüttert. Das Gelege beſteht aus vier grünlichblauen, braun gefleckten und gepunkteten Eiern. Gar nicht ſelten findet man in ihm die Eier des indiſchen Kukuks, welcher unſere Krähen regelmäßig zu Pflegeeltern ſeiner Nachkommen erwählt. Bei Vertheidigung ihrer Jungen beweiſt die Glanzkrähe großen Muth: mich ſelbſt hat eine auf den Kopf geſtoßen, als ich ein Junges, welches aus dem Neſte gefallen war, aufnehmen wollte.‟ „Der Flug dieſer Krähe iſt leicht und ziemlich raſch. Verfolgt von einem Raubvogel, kann ſie ſehr ſchnell dahineilen, und dann zeigt ſie eine wundervolle Behendigkeit und Gewandtheit. Jhre Dreiſtigkeit, Klugheit und Liſt iſt ſo groß, daß man Seiten mit Erzählungen darüber füllen könnte. Jhre große Häufigkeit und Menſchenfreundlichkeit macht, daß ſie zuerſt die Aufmerkſamkeit des in Jndien ankommenden Fremden auf ſich zieht, zumal wenn ſie, wie es oft genug geſchieht, in deſſen Zimmer hereingeflogen kommt, um etwas Futter oder irgend einen andern Gegenſtand, welcher ihr behagt, wegzunehmen. Man braucht ſie gar nicht ſehr zu ermuthigen, wenn man ſie dahin bringen will, daß ſie regelmäßig Beſuche im Zimmer abſtattet und das Futter aus der Hand nimmt.‟ „Jn den großen Städten‟, ſagt Blyth, „laufen die Glanzkrähen wie Hausvögel umher und weichen den Vorübergehenden eben gerade aus, als wären ſie unachtſam auf das allgemeine Gedränge. Aber auch ſie beſitzen die ganze Verſchmitztheit und Vorſicht ihres Geſchlechts. Sie ſind ſehr wachſam und erheben ſich bei der geringſten verdächtigen Bewegung, ja wenn der Fremde nur ein Auge auf ſie wirft. Jhr Geſchrei iſt unverſieglich, und wenn irgend Etwas, z. B. der Anblick einer todten Krähe ſie erregt, geradezu unerträglich. Eifrig, hurtig, geſchäftig, ſind ſie in beſtändiger Eile, als ob die Zeit ein Gegenſtand von Bedeutung für ſie wäre. Um kurz zu ſein: alle Eigenſchaften des Krähengeſchlechts ſind hervorſtechend ausgebildet in ihnen. Der Knall eines Gewehrs ruft die größte Bewegung unter einer Krähengemeinde hervor. Sie kreiſen dann heftig hin und her, die meiſten aber, ſelbſtverſtändlich außer Schußweite, luſtig krächzend und ausweichend, wenn das Gewehr auf ſie gerichtet iſt, während andere auf den benachbarten Hausgiebeln beobachtend ſitzen. Beim nächſten Schuß erheben ſich alle mit kläglichem Geſchrei; aber eine nach der andern kehrt allgemach zu ihrer Warte zurück.‟

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/391
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/391>, abgerufen am 10.05.2024.