macht auch er sich wie unser Sperling durch Aufzehren von Kerbthieren ungemein nützlich, und des- halb verdient er wenigstens bis zu dem Zeitpunkte, wo er als schädlicher Vogel auftritt, geschont zu werden.
Es scheint, als ob der Haß, mit welchem der Landmann den Paperling betrachtet, wesentlich dazu beitrüge, daß man den so unterhaltenden Vogel selten im Käfig hält. Erst in den letzten Jahren ist er wiederholt lebend nach Europa herübergekommen und gegenwärtig wohl in jedem Thiergarten oder bei jedem Händler zu finden. Jch darf ihn allen Liebhabern als einen höchst angenehmen, unterhal- tenden Stubenvogel empfehlen. Er singt sehr eifrig, nur während der eigentlichen Mauser nicht, sonst das ganze Jahr hindurch und gewährt durch seine Lebendigkeit und Regsamkeit viel Freude. Für einen größeren Gesellschaftsbauer ist er nach meinen Ansichten geradezu unentbehrlich.
Fast ebenso häufig ist der Rothflügel, ein bei aller Einfachheit sehr schöner Vogel. Er bildet mit Verwandten die Sippe der Sumpftrupiale (Agelaius). Der Schnabel ist lang, gestreckt- kegelförmig, sehr spitzig und etwas zusammengedrückt, der Leib kräftig, der Flügel mittellang, die zweite und dritte Schwinge über den andern verlängert, der Schwanz ziemlich lang und abgerundet, das Gefieder weich und glänzend. Jm Hochzeitskleid ist der männliche Rothflügel (Agelaius phoeni- ceus) tief schwarz, auf der Schulter aber prächtig scharlachroth. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel und die Füße sind bläulichschwarz. Die Länge beträgt 81/2 Zoll, die Breite 131/2 Zoll, die Fittiglänge 41/2 Zoll, die Schwanzlänge 31/4 Zoll. Das Weibchen ist auf der Oberseite schwärzlich- braun, auf der Unterseite graulichbraun, jede Feder hier mehr oder weniger gilblichgrau gesäumt; die Kehle und die Wangen sind auf lichtgraufahlem Grunde dunkler in die Länge gestrichelt.
Die Lebensgeschichte des Rothflügels ähnelt in vieler Hinsicht der seiner beschriebenen Verwandten. Auch er ist über ganz Nordamerika verbreitet und wo er vorkommt, häufig. Jn den nördlichen Thei- len der vereinigten Staaten ist er ein regelmäßiger Sommergast, in den südlichen hingegen ein nur zeitweilig massenhaft auftretender Vogel. Audubon's Schilderung gibt ein so vortreffliches Bild seiner Lebensweise, daß es genügt, wenn ich das Wesentlichste derselben hier folgen lasse.
Wenn der Frühling erscheint, verläßt der Rothflügel die südlichen Staaten, in denen er während der kalten Jahreszeit Herberge genommen, und wandert in kleineren oder größeren Flügen dem Norden zu. Die Männchen ziehen singend voran, gleichsam als wollten sie durch ihre Lieder die Weibchen einladen, ihnen zu folgen. Die Wandergäste verweilen unterwegs nicht selten auf mittelhohen Bäu- men, spreizen ihren Schwanz, lüften das Gefieder und lassen ihre klaren und wohlklingenden Laute vernehmen, namentlich am frühen Morgen, bevor sie die Plätze verlassen, auf denen sie die Nacht verbrachten; denn sie wandern nur bei Tage.
Sobald die Weibchen angekommen sind, beginnt das Brutgeschäft. Mehrere Männchen verfol- gen ein Weibchen, bis dieses den Rechten sich erwählt und mit ihm zum Bau des Nestes schreitet. Das glückliche Paar zieht sich vom Hausen zurück und sucht am Rande eines einsamen Teiches oder einer sumpfigen Wiese nach einem geeigneten Nestplatze. Ein niedriger Strauch, ein dichter Rohr- oder Grasbusch wird erkoren und hier eine Menge trockenes Rohr zusammen getragen, die Nestmulde in ihm geformt und das Jnnere dann mit feineren Gräsern oder Pferdehaaren ausgekleidet. Hier findet man die vier bis sechs auf lichtbraunem Grunde sparsam dunkler gefleckten Eier. "Jetzt", sagt Audubon, "kann man alle Treue und allen Muth beobachten, welche in dem Herzen des Männchens wohnt. Es bewacht ängstlich seine brütende Gattin. Jeder Eindringling, welcher dem Neste sich nähert, wird unter lautem Rufen, welches Furcht und Verwünschungen auszudrücken scheint, ange- griffen, und gar nicht selten stößt der Vogel dicht selbst neben dem Menschen vorbei, welcher wissentlich oder unwissentlich den Frieden stören wollte, oder er setzt sich auf einen Zweig über dem Nest und stößt so klägliche Töne aus, daß nur ein Gefühlloser daran denken kann, das Paar weiter zu stören."
Die Knacker. Rabenvögel. Stärlinge.
macht auch er ſich wie unſer Sperling durch Aufzehren von Kerbthieren ungemein nützlich, und des- halb verdient er wenigſtens bis zu dem Zeitpunkte, wo er als ſchädlicher Vogel auftritt, geſchont zu werden.
Es ſcheint, als ob der Haß, mit welchem der Landmann den Paperling betrachtet, weſentlich dazu beitrüge, daß man den ſo unterhaltenden Vogel ſelten im Käfig hält. Erſt in den letzten Jahren iſt er wiederholt lebend nach Europa herübergekommen und gegenwärtig wohl in jedem Thiergarten oder bei jedem Händler zu finden. Jch darf ihn allen Liebhabern als einen höchſt angenehmen, unterhal- tenden Stubenvogel empfehlen. Er ſingt ſehr eifrig, nur während der eigentlichen Mauſer nicht, ſonſt das ganze Jahr hindurch und gewährt durch ſeine Lebendigkeit und Regſamkeit viel Freude. Für einen größeren Geſellſchaftsbauer iſt er nach meinen Anſichten geradezu unentbehrlich.
Faſt ebenſo häufig iſt der Rothflügel, ein bei aller Einfachheit ſehr ſchöner Vogel. Er bildet mit Verwandten die Sippe der Sumpftrupiale (Agelaius). Der Schnabel iſt lang, geſtreckt- kegelförmig, ſehr ſpitzig und etwas zuſammengedrückt, der Leib kräftig, der Flügel mittellang, die zweite und dritte Schwinge über den andern verlängert, der Schwanz ziemlich lang und abgerundet, das Gefieder weich und glänzend. Jm Hochzeitskleid iſt der männliche Rothflügel (Agelaius phoeni- ceus) tief ſchwarz, auf der Schulter aber prächtig ſcharlachroth. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel und die Füße ſind bläulichſchwarz. Die Länge beträgt 8½ Zoll, die Breite 13½ Zoll, die Fittiglänge 4½ Zoll, die Schwanzlänge 3¼ Zoll. Das Weibchen iſt auf der Oberſeite ſchwärzlich- braun, auf der Unterſeite graulichbraun, jede Feder hier mehr oder weniger gilblichgrau geſäumt; die Kehle und die Wangen ſind auf lichtgraufahlem Grunde dunkler in die Länge geſtrichelt.
Die Lebensgeſchichte des Rothflügels ähnelt in vieler Hinſicht der ſeiner beſchriebenen Verwandten. Auch er iſt über ganz Nordamerika verbreitet und wo er vorkommt, häufig. Jn den nördlichen Thei- len der vereinigten Staaten iſt er ein regelmäßiger Sommergaſt, in den ſüdlichen hingegen ein nur zeitweilig maſſenhaft auftretender Vogel. Audubon’s Schilderung gibt ein ſo vortreffliches Bild ſeiner Lebensweiſe, daß es genügt, wenn ich das Weſentlichſte derſelben hier folgen laſſe.
Wenn der Frühling erſcheint, verläßt der Rothflügel die ſüdlichen Staaten, in denen er während der kalten Jahreszeit Herberge genommen, und wandert in kleineren oder größeren Flügen dem Norden zu. Die Männchen ziehen ſingend voran, gleichſam als wollten ſie durch ihre Lieder die Weibchen einladen, ihnen zu folgen. Die Wandergäſte verweilen unterwegs nicht ſelten auf mittelhohen Bäu- men, ſpreizen ihren Schwanz, lüften das Gefieder und laſſen ihre klaren und wohlklingenden Laute vernehmen, namentlich am frühen Morgen, bevor ſie die Plätze verlaſſen, auf denen ſie die Nacht verbrachten; denn ſie wandern nur bei Tage.
Sobald die Weibchen angekommen ſind, beginnt das Brutgeſchäft. Mehrere Männchen verfol- gen ein Weibchen, bis dieſes den Rechten ſich erwählt und mit ihm zum Bau des Neſtes ſchreitet. Das glückliche Paar zieht ſich vom Hauſen zurück und ſucht am Rande eines einſamen Teiches oder einer ſumpfigen Wieſe nach einem geeigneten Neſtplatze. Ein niedriger Strauch, ein dichter Rohr- oder Grasbuſch wird erkoren und hier eine Menge trockenes Rohr zuſammen getragen, die Neſtmulde in ihm geformt und das Jnnere dann mit feineren Gräſern oder Pferdehaaren ausgekleidet. Hier findet man die vier bis ſechs auf lichtbraunem Grunde ſparſam dunkler gefleckten Eier. „Jetzt‟, ſagt Audubon, „kann man alle Treue und allen Muth beobachten, welche in dem Herzen des Männchens wohnt. Es bewacht ängſtlich ſeine brütende Gattin. Jeder Eindringling, welcher dem Neſte ſich nähert, wird unter lautem Rufen, welches Furcht und Verwünſchungen auszudrücken ſcheint, ange- griffen, und gar nicht ſelten ſtößt der Vogel dicht ſelbſt neben dem Menſchen vorbei, welcher wiſſentlich oder unwiſſentlich den Frieden ſtören wollte, oder er ſetzt ſich auf einen Zweig über dem Neſt und ſtößt ſo klägliche Töne aus, daß nur ein Gefühlloſer daran denken kann, das Paar weiter zu ſtören.‟
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[282/0304]
Die Knacker. Rabenvögel. Stärlinge.
macht auch er ſich wie unſer Sperling durch Aufzehren von Kerbthieren ungemein nützlich, und des-
halb verdient er wenigſtens bis zu dem Zeitpunkte, wo er als ſchädlicher Vogel auftritt, geſchont
zu werden.
Es ſcheint, als ob der Haß, mit welchem der Landmann den Paperling betrachtet, weſentlich dazu
beitrüge, daß man den ſo unterhaltenden Vogel ſelten im Käfig hält. Erſt in den letzten Jahren iſt
er wiederholt lebend nach Europa herübergekommen und gegenwärtig wohl in jedem Thiergarten oder
bei jedem Händler zu finden. Jch darf ihn allen Liebhabern als einen höchſt angenehmen, unterhal-
tenden Stubenvogel empfehlen. Er ſingt ſehr eifrig, nur während der eigentlichen Mauſer nicht, ſonſt
das ganze Jahr hindurch und gewährt durch ſeine Lebendigkeit und Regſamkeit viel Freude. Für
einen größeren Geſellſchaftsbauer iſt er nach meinen Anſichten geradezu unentbehrlich.
Faſt ebenſo häufig iſt der Rothflügel, ein bei aller Einfachheit ſehr ſchöner Vogel. Er bildet
mit Verwandten die Sippe der Sumpftrupiale (Agelaius). Der Schnabel iſt lang, geſtreckt-
kegelförmig, ſehr ſpitzig und etwas zuſammengedrückt, der Leib kräftig, der Flügel mittellang, die
zweite und dritte Schwinge über den andern verlängert, der Schwanz ziemlich lang und abgerundet,
das Gefieder weich und glänzend. Jm Hochzeitskleid iſt der männliche Rothflügel (Agelaius phoeni-
ceus) tief ſchwarz, auf der Schulter aber prächtig ſcharlachroth. Das Auge iſt dunkelbraun, der
Schnabel und die Füße ſind bläulichſchwarz. Die Länge beträgt 8½ Zoll, die Breite 13½ Zoll, die
Fittiglänge 4½ Zoll, die Schwanzlänge 3¼ Zoll. Das Weibchen iſt auf der Oberſeite ſchwärzlich-
braun, auf der Unterſeite graulichbraun, jede Feder hier mehr oder weniger gilblichgrau geſäumt;
die Kehle und die Wangen ſind auf lichtgraufahlem Grunde dunkler in die Länge geſtrichelt.
Die Lebensgeſchichte des Rothflügels ähnelt in vieler Hinſicht der ſeiner beſchriebenen Verwandten.
Auch er iſt über ganz Nordamerika verbreitet und wo er vorkommt, häufig. Jn den nördlichen Thei-
len der vereinigten Staaten iſt er ein regelmäßiger Sommergaſt, in den ſüdlichen hingegen ein nur
zeitweilig maſſenhaft auftretender Vogel. Audubon’s Schilderung gibt ein ſo vortreffliches Bild
ſeiner Lebensweiſe, daß es genügt, wenn ich das Weſentlichſte derſelben hier folgen laſſe.
Wenn der Frühling erſcheint, verläßt der Rothflügel die ſüdlichen Staaten, in denen er während
der kalten Jahreszeit Herberge genommen, und wandert in kleineren oder größeren Flügen dem Norden
zu. Die Männchen ziehen ſingend voran, gleichſam als wollten ſie durch ihre Lieder die Weibchen
einladen, ihnen zu folgen. Die Wandergäſte verweilen unterwegs nicht ſelten auf mittelhohen Bäu-
men, ſpreizen ihren Schwanz, lüften das Gefieder und laſſen ihre klaren und wohlklingenden Laute
vernehmen, namentlich am frühen Morgen, bevor ſie die Plätze verlaſſen, auf denen ſie die Nacht
verbrachten; denn ſie wandern nur bei Tage.
Sobald die Weibchen angekommen ſind, beginnt das Brutgeſchäft. Mehrere Männchen verfol-
gen ein Weibchen, bis dieſes den Rechten ſich erwählt und mit ihm zum Bau des Neſtes ſchreitet.
Das glückliche Paar zieht ſich vom Hauſen zurück und ſucht am Rande eines einſamen Teiches oder
einer ſumpfigen Wieſe nach einem geeigneten Neſtplatze. Ein niedriger Strauch, ein dichter Rohr-
oder Grasbuſch wird erkoren und hier eine Menge trockenes Rohr zuſammen getragen, die Neſtmulde
in ihm geformt und das Jnnere dann mit feineren Gräſern oder Pferdehaaren ausgekleidet. Hier
findet man die vier bis ſechs auf lichtbraunem Grunde ſparſam dunkler gefleckten Eier. „Jetzt‟, ſagt
Audubon, „kann man alle Treue und allen Muth beobachten, welche in dem Herzen des Männchens
wohnt. Es bewacht ängſtlich ſeine brütende Gattin. Jeder Eindringling, welcher dem Neſte ſich
nähert, wird unter lautem Rufen, welches Furcht und Verwünſchungen auszudrücken ſcheint, ange-
griffen, und gar nicht ſelten ſtößt der Vogel dicht ſelbſt neben dem Menſchen vorbei, welcher wiſſentlich
oder unwiſſentlich den Frieden ſtören wollte, oder er ſetzt ſich auf einen Zweig über dem Neſt und
ſtößt ſo klägliche Töne aus, daß nur ein Gefühlloſer daran denken kann, das Paar weiter zu ſtören.‟
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/304>, abgerufen am 23.11.2024.
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