Jch weiß nicht, wie groß der Einfluß unpassender Nahrung auf solches Gebahren ist, habe aber nie- mals beobachtet, daß Papageien, denen man einfaches Futter vorsetzt, gegen sich selbst wüthen, halte jene Behauptung also nicht für unwahrscheinlich. Erfahrungsmäßig genügen den meisten größeren Pa- pageiarten Hanf, hartgekochter Reis, Hafer, Mais, Salat, Kohl und Früchte, den kleineren Hirse, Kanariensamen, Salat und Pflanzenblätter. Bei solchem Futter befinden sie sich wohl und gedeihen. Bittere Mandeln und, nach Versicherung Rüte's, auch Petersilie werden ihnen verderblich; sie ster- ben rasch nach dem Genusse dieser Stoffe, welche für sie Gift sind.
Wie unter allen hochstehenden Thieren gibt es auch unter den Papageien, ich meine innerhalb ein und derselben Art, mehr oder minder Gelehrige oder, was dasselbe sagen will, höher oder gerin- ger Begabte. Der Eine lernt rasch und viel, der Andere langsam und wenig, der Dritte gar Nichts. Doch vermag ein regelrechter Unterricht viel, sehr viel. Jhr vortreffliches Gedächtniß kommt ihnen dabei sehr zu statten. Sie bewahren sich empfangene Eindrücke jahrelang auf. Jhr Gedächtniß ist für das Sprechenlernen ebenso wesentlich, als die Beweglichkeit ihrer Zunge, welche ihnen das Nach- ahmen menschlicher Laute ermöglicht. Sie erfassen einen Begriff, erlernen ein Wort; zu dem einen erwerben sie sich mehrere, und ihre Fähigkeit wächst, jemehr sie dieselbe beanspruchen. So nimmt das Kind des Urwaldes im Umgange mit dem Menschen mehr und mehr von diesem an und wird nach und nach zu einem Wesen, welchem wir eine gewisse Achtung zollen, Anerkennung mindestens nicht versagen. Der Papagei wird gewissermaßen menschlich im Umgange mit Menschen, sowie ein Hund durch Erziehung gebildet, ich möchte sagen, gesittet wird. Aber ebenso wie jedes andere Wesen, welches von einem höher stehenden Lehre annehmen soll, verlangt er einen regelmäßigen Un- terricht und bei aller Liebe in der Behandlung auch milden Ernst. Sonst läßt er sich wohl verziehen, nicht aber erziehen. Uebergroße Zärtlichkeit in der Behandlung verdirbt ihn ebenso sicher, als über- große Strenge. Einzeln stehende Frauen, welche Papageien pflegen, ziehen sich oft in ihnen ganz unleidliche Thiere heran, weil sie ihre Zöglinge allzugut, allzunachsichtig behandeln. Bedingung zur Erziehung ist, daß der betreffende Vogel anfangs in engem Gewahrsam bleibe, damit sein Pfle- ger im Stande ist, sich jederzeit mit ihm zu beschäftigen. Läßt man ihn frei in einem größeren Raume umherfliegen, so wird er selten zahm und lernt noch seltener sprechen. Große Freiheit darf man ihm erst gestatten, wenn der ihm gewordene Unterricht fast beendet ist.
Dagegen verlangen die Papageien eine gewisse Freibeit, wenn sie einem Wunsche der wahren Liebhaber entsprechen, nämlich brüten sollen. Letzteres geschieht in der Gefangenschaft gewiß einzig und allein aus dem Grunde selten, weil man den Vögeln die erforderlichen Bedingungen nicht ge- währt. Es liegen gerade genug Erfahrungen vor, um zu beweisen, daß es eigentlich gar nicht so schwer ist, gefangene Papageien zur Fortpflanzung zu bringen. Erstes Erforderniß ist und bleibt, dem Pärchen, von welchem man erfuhr, daß es sich verträgt, Raum, Ruhe und einen genügenden Nistbaum zu geben. Ein halbwegs geräumiges Zimmer, in welchem die Vögel jahraus, jahrein ungestört verweilen können und ein ausgehöhlter mit entsprechendem Schlupfloch versehener, sonst aber geschlossener Baumstrunk einer weichen Holzart: das sind die Bedingungen, welche erfüllt sein müssen, bevor man hoffen darf, Papageien zur Fortpflanzung schreiten zu sehen. Sie sind gewiß leicht befriedigt, diese Vögel, welche sich, mehr als andere, in die verschiedenste Lage des Lebens zu finden wissen!
Jch meinestheils gestehe gern, daß mir Papageien, welche im bunten Durcheinander einen großen wohnlichen Gesellschaftsraum beleben, ungleich lieber sind, als die im engen Käfig eingesperr- ten, selbst wenn diese prächtig sprechen sollten. Während ich diese Zeilen schreibe, kann ich beobach- tende Blicke thun in einen derartigen Raum, in welchem mindestens zwanzig und sehr verschiedene Papageien mit doppelt so vielen Finken, Lerchen, Drosseln und anderem Kleingeflügel gemeinschaftlich hausen, und ich muß sagen, daß dieses Gesellschaftszimmer für mich ungemein anziehend ist. Jch habe die Wahl der Papageiarten allerdings mit großer Sorgfalt getroffen und lauter Verträgliche zu- sammengesperrt. Deshalb auch lebt die ganze Einwohnerschaft des Raumes in Frieden und Freund-
Knacker. Die Papageien.
Jch weiß nicht, wie groß der Einfluß unpaſſender Nahrung auf ſolches Gebahren iſt, habe aber nie- mals beobachtet, daß Papageien, denen man einfaches Futter vorſetzt, gegen ſich ſelbſt wüthen, halte jene Behauptung alſo nicht für unwahrſcheinlich. Erfahrungsmäßig genügen den meiſten größeren Pa- pageiarten Hanf, hartgekochter Reis, Hafer, Mais, Salat, Kohl und Früchte, den kleineren Hirſe, Kanarienſamen, Salat und Pflanzenblätter. Bei ſolchem Futter befinden ſie ſich wohl und gedeihen. Bittere Mandeln und, nach Verſicherung Rüte’s, auch Peterſilie werden ihnen verderblich; ſie ſter- ben raſch nach dem Genuſſe dieſer Stoffe, welche für ſie Gift ſind.
Wie unter allen hochſtehenden Thieren gibt es auch unter den Papageien, ich meine innerhalb ein und derſelben Art, mehr oder minder Gelehrige oder, was daſſelbe ſagen will, höher oder gerin- ger Begabte. Der Eine lernt raſch und viel, der Andere langſam und wenig, der Dritte gar Nichts. Doch vermag ein regelrechter Unterricht viel, ſehr viel. Jhr vortreffliches Gedächtniß kommt ihnen dabei ſehr zu ſtatten. Sie bewahren ſich empfangene Eindrücke jahrelang auf. Jhr Gedächtniß iſt für das Sprechenlernen ebenſo weſentlich, als die Beweglichkeit ihrer Zunge, welche ihnen das Nach- ahmen menſchlicher Laute ermöglicht. Sie erfaſſen einen Begriff, erlernen ein Wort; zu dem einen erwerben ſie ſich mehrere, und ihre Fähigkeit wächſt, jemehr ſie dieſelbe beanſpruchen. So nimmt das Kind des Urwaldes im Umgange mit dem Menſchen mehr und mehr von dieſem an und wird nach und nach zu einem Weſen, welchem wir eine gewiſſe Achtung zollen, Anerkennung mindeſtens nicht verſagen. Der Papagei wird gewiſſermaßen menſchlich im Umgange mit Menſchen, ſowie ein Hund durch Erziehung gebildet, ich möchte ſagen, geſittet wird. Aber ebenſo wie jedes andere Weſen, welches von einem höher ſtehenden Lehre annehmen ſoll, verlangt er einen regelmäßigen Un- terricht und bei aller Liebe in der Behandlung auch milden Ernſt. Sonſt läßt er ſich wohl verziehen, nicht aber erziehen. Uebergroße Zärtlichkeit in der Behandlung verdirbt ihn ebenſo ſicher, als über- große Strenge. Einzeln ſtehende Frauen, welche Papageien pflegen, ziehen ſich oft in ihnen ganz unleidliche Thiere heran, weil ſie ihre Zöglinge allzugut, allzunachſichtig behandeln. Bedingung zur Erziehung iſt, daß der betreffende Vogel anfangs in engem Gewahrſam bleibe, damit ſein Pfle- ger im Stande iſt, ſich jederzeit mit ihm zu beſchäftigen. Läßt man ihn frei in einem größeren Raume umherfliegen, ſo wird er ſelten zahm und lernt noch ſeltener ſprechen. Große Freiheit darf man ihm erſt geſtatten, wenn der ihm gewordene Unterricht faſt beendet iſt.
Dagegen verlangen die Papageien eine gewiſſe Freibeit, wenn ſie einem Wunſche der wahren Liebhaber entſprechen, nämlich brüten ſollen. Letzteres geſchieht in der Gefangenſchaft gewiß einzig und allein aus dem Grunde ſelten, weil man den Vögeln die erforderlichen Bedingungen nicht ge- währt. Es liegen gerade genug Erfahrungen vor, um zu beweiſen, daß es eigentlich gar nicht ſo ſchwer iſt, gefangene Papageien zur Fortpflanzung zu bringen. Erſtes Erforderniß iſt und bleibt, dem Pärchen, von welchem man erfuhr, daß es ſich verträgt, Raum, Ruhe und einen genügenden Niſtbaum zu geben. Ein halbwegs geräumiges Zimmer, in welchem die Vögel jahraus, jahrein ungeſtört verweilen können und ein ausgehöhlter mit entſprechendem Schlupfloch verſehener, ſonſt aber geſchloſſener Baumſtrunk einer weichen Holzart: das ſind die Bedingungen, welche erfüllt ſein müſſen, bevor man hoffen darf, Papageien zur Fortpflanzung ſchreiten zu ſehen. Sie ſind gewiß leicht befriedigt, dieſe Vögel, welche ſich, mehr als andere, in die verſchiedenſte Lage des Lebens zu finden wiſſen!
Jch meinestheils geſtehe gern, daß mir Papageien, welche im bunten Durcheinander einen großen wohnlichen Geſellſchaftsraum beleben, ungleich lieber ſind, als die im engen Käfig eingeſperr- ten, ſelbſt wenn dieſe prächtig ſprechen ſollten. Während ich dieſe Zeilen ſchreibe, kann ich beobach- tende Blicke thun in einen derartigen Raum, in welchem mindeſtens zwanzig und ſehr verſchiedene Papageien mit doppelt ſo vielen Finken, Lerchen, Droſſeln und anderem Kleingeflügel gemeinſchaftlich hauſen, und ich muß ſagen, daß dieſes Geſellſchaftszimmer für mich ungemein anziehend iſt. Jch habe die Wahl der Papageiarten allerdings mit großer Sorgfalt getroffen und lauter Verträgliche zu- ſammengeſperrt. Deshalb auch lebt die ganze Einwohnerſchaft des Raumes in Frieden und Freund-
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[18/0030]
Knacker. Die Papageien.
Jch weiß nicht, wie groß der Einfluß unpaſſender Nahrung auf ſolches Gebahren iſt, habe aber nie-
mals beobachtet, daß Papageien, denen man einfaches Futter vorſetzt, gegen ſich ſelbſt wüthen, halte
jene Behauptung alſo nicht für unwahrſcheinlich. Erfahrungsmäßig genügen den meiſten größeren Pa-
pageiarten Hanf, hartgekochter Reis, Hafer, Mais, Salat, Kohl und Früchte, den kleineren Hirſe,
Kanarienſamen, Salat und Pflanzenblätter. Bei ſolchem Futter befinden ſie ſich wohl und gedeihen.
Bittere Mandeln und, nach Verſicherung Rüte’s, auch Peterſilie werden ihnen verderblich; ſie ſter-
ben raſch nach dem Genuſſe dieſer Stoffe, welche für ſie Gift ſind.
Wie unter allen hochſtehenden Thieren gibt es auch unter den Papageien, ich meine innerhalb
ein und derſelben Art, mehr oder minder Gelehrige oder, was daſſelbe ſagen will, höher oder gerin-
ger Begabte. Der Eine lernt raſch und viel, der Andere langſam und wenig, der Dritte gar Nichts.
Doch vermag ein regelrechter Unterricht viel, ſehr viel. Jhr vortreffliches Gedächtniß kommt ihnen
dabei ſehr zu ſtatten. Sie bewahren ſich empfangene Eindrücke jahrelang auf. Jhr Gedächtniß iſt
für das Sprechenlernen ebenſo weſentlich, als die Beweglichkeit ihrer Zunge, welche ihnen das Nach-
ahmen menſchlicher Laute ermöglicht. Sie erfaſſen einen Begriff, erlernen ein Wort; zu dem einen
erwerben ſie ſich mehrere, und ihre Fähigkeit wächſt, jemehr ſie dieſelbe beanſpruchen. So nimmt
das Kind des Urwaldes im Umgange mit dem Menſchen mehr und mehr von dieſem an und wird nach
und nach zu einem Weſen, welchem wir eine gewiſſe Achtung zollen, Anerkennung mindeſtens
nicht verſagen. Der Papagei wird gewiſſermaßen menſchlich im Umgange mit Menſchen, ſowie ein
Hund durch Erziehung gebildet, ich möchte ſagen, geſittet wird. Aber ebenſo wie jedes andere
Weſen, welches von einem höher ſtehenden Lehre annehmen ſoll, verlangt er einen regelmäßigen Un-
terricht und bei aller Liebe in der Behandlung auch milden Ernſt. Sonſt läßt er ſich wohl verziehen,
nicht aber erziehen. Uebergroße Zärtlichkeit in der Behandlung verdirbt ihn ebenſo ſicher, als über-
große Strenge. Einzeln ſtehende Frauen, welche Papageien pflegen, ziehen ſich oft in ihnen ganz
unleidliche Thiere heran, weil ſie ihre Zöglinge allzugut, allzunachſichtig behandeln. Bedingung
zur Erziehung iſt, daß der betreffende Vogel anfangs in engem Gewahrſam bleibe, damit ſein Pfle-
ger im Stande iſt, ſich jederzeit mit ihm zu beſchäftigen. Läßt man ihn frei in einem größeren Raume
umherfliegen, ſo wird er ſelten zahm und lernt noch ſeltener ſprechen. Große Freiheit darf man ihm
erſt geſtatten, wenn der ihm gewordene Unterricht faſt beendet iſt.
Dagegen verlangen die Papageien eine gewiſſe Freibeit, wenn ſie einem Wunſche der wahren
Liebhaber entſprechen, nämlich brüten ſollen. Letzteres geſchieht in der Gefangenſchaft gewiß einzig
und allein aus dem Grunde ſelten, weil man den Vögeln die erforderlichen Bedingungen nicht ge-
währt. Es liegen gerade genug Erfahrungen vor, um zu beweiſen, daß es eigentlich gar nicht ſo
ſchwer iſt, gefangene Papageien zur Fortpflanzung zu bringen. Erſtes Erforderniß iſt und bleibt,
dem Pärchen, von welchem man erfuhr, daß es ſich verträgt, Raum, Ruhe und einen genügenden
Niſtbaum zu geben. Ein halbwegs geräumiges Zimmer, in welchem die Vögel jahraus, jahrein
ungeſtört verweilen können und ein ausgehöhlter mit entſprechendem Schlupfloch verſehener, ſonſt
aber geſchloſſener Baumſtrunk einer weichen Holzart: das ſind die Bedingungen, welche erfüllt ſein
müſſen, bevor man hoffen darf, Papageien zur Fortpflanzung ſchreiten zu ſehen. Sie ſind gewiß
leicht befriedigt, dieſe Vögel, welche ſich, mehr als andere, in die verſchiedenſte Lage des Lebens zu
finden wiſſen!
Jch meinestheils geſtehe gern, daß mir Papageien, welche im bunten Durcheinander einen
großen wohnlichen Geſellſchaftsraum beleben, ungleich lieber ſind, als die im engen Käfig eingeſperr-
ten, ſelbſt wenn dieſe prächtig ſprechen ſollten. Während ich dieſe Zeilen ſchreibe, kann ich beobach-
tende Blicke thun in einen derartigen Raum, in welchem mindeſtens zwanzig und ſehr verſchiedene
Papageien mit doppelt ſo vielen Finken, Lerchen, Droſſeln und anderem Kleingeflügel gemeinſchaftlich
hauſen, und ich muß ſagen, daß dieſes Geſellſchaftszimmer für mich ungemein anziehend iſt. Jch
habe die Wahl der Papageiarten allerdings mit großer Sorgfalt getroffen und lauter Verträgliche zu-
ſammengeſperrt. Deshalb auch lebt die ganze Einwohnerſchaft des Raumes in Frieden und Freund-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/30>, abgerufen am 24.11.2024.
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