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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Haide- und Feldlerche.
Gebirges nicht verschont wird. Hunderte der nirgends häufigen Vögel werden während ihrer Reise
gefangen und getödtet. Dieses Loos würde ihr werden, selbst wenn der Lerchenstreicher sie freilassen
wollte, weil der Fang bekanntlich des Nachts geschieht, und die in die Netze gekommenen Lerchen sofort
umgebracht werden!

Den für die Zimmer gefangenen Haidelerchen gibt man einen langen, mit Leinwand bedeckten
Käfig ohne Springhölzer, belegt den Boden mit Löschpapier, streut etwas Kies in den Winkel und
füttert die Gefangenen mit Mohnsamen, Scheuergesäme und Nachtigallfutter. Dabei erhält man
die Haidelerche aber höchstens zwei oder drei Jahre. Das Gebirgskind kann die Gefangenschaft
nicht länger ertragen.



Die Feldlerche, auch Brach-, Korn-, Saat-, Tag-, Saug- und Himmelslerche
genannt (Alauda arvensis) kennzeichnet sich durch verhältnißmäßig schlanken Leibesbau, schwachen,
kegelförmigen, ziemlich kurzen Schnabel, mittellange, ziemlich spitze Flügel, in denen die dritte Schwinge
die längste ist, einen mittellaugen, ausgeschnittenen Schwanz und zarte Füße mit ziemlich kurzen
Zehen. Die Länge beträgt 63/4 Zoll, die Breite 121/4 Zoll; der Fittig mißt 31/4 bis 4 Zoll, der
Schwanz 21/2 bis 23/4 Zoll. Das Gefieder ist auf der Oberseite echt lerchenfarbig, auf der Unter-
seite weißlich, am Kopfe stark braun gefleckt, an den Seiten durch dunkle Längsstriche gezeichnet.
Der Zügel und die Halsseiten sind lichter, die äußern Schwanzsedern und die Außenfahne der zweiten
sind weiß. Das Auge ist kaffeebraun, der Schnabel blaugrau, der Fuß röthlichhornfarben.

Die Feldlerche und ihre Verwandten, welche von vielen Naturforschern höchstens als Spielarten
ein und derselben Art angesehen werden, bewohnen ganz Europa mit seinen Jnseln und den größten
Theil Asiens bis nach Kamtschatka hin und zwar vorzugsweise die ebenen Gegenden. Jn Jndien
wird die bei uns lebende Art durch verwandte Arten vertreten; im Norden Amerikas hingegen fehlen
solche gänzlich, und Audubon ließ deshalb einmal eine Menge deutscher Lerchen, welche er mit sich
von Europa herüberbrachte, in seiner geliebten Heimat frei, um diese durch einen neuen geschätzten
Sänger zu bereichern. Jn Deutschland fehlt die Feldlerche nirgends; sie wohnt hier selbst auf niede-
ren Bergen und hart an der Sceküste. "Kein Vogel", sagt Naumann, "ist häufiger als sie, keiner
so gemein; denn selbst der Haussperling bewohnt nur Gegenden, wo der Ackerbau blüht, und ver-
schwindet, wo dieser aufhört. Nicht so unsere Lerche: sie bewohnt alle Gegenden."

Bei uns ist die Lerche, wie bekannt, ein Sommervogel, welcher die liebe Heimat während der
eigentlichen Wintermonate verläßt und eine regelmäßige Wanderung nach Süden hin antritt. Diese
erstreckt sich übrigens nicht weit: schon in Egypten gehören die Feldlerchen zu den seltenen Erscheinun-
gen. Große Scharen traf ich im Winter auf der kastilischen Hochebene an; ebenso häufig soll man
ihr in den kalten Monaten in Algier und in Griechenland begegnen.

Die Lerche gilt uns als Frühlingsbote. Sie erscheint bereits mit der Schneeschmelze, oft
noch vor ihr, in manchen Jahren schon Anfangs Februar. Je nachdem die Witterung günstig ist,
währt der eigentliche Zug länger oder kürzer. Ende Februars aber haben die meisten Lerchen bereits
ihre Wohnplätze eingenommen, und im März hört man das bekannte Lied allüberall.

Nach dem auf den vorstehenden Seiten über andere Mitglieder der Familie Berichteten kann das
Betragen der Feldlerche mit wenigen Worten geschildert werden. Sie ist ein unsteter Vogel, welcher
selten lange an ein und demselben Orte verweilt, vielmehr beständig hin und herläuft, hin und
wiederfliegt, sich mit anderen ihrer Art streitet und zankt und dazwischen lockt und singt. Sie geht gut,
bei langsamem Gange nickend, bei raschem fast wie ein Strandläufer, fliegt ausgezeichnet, aber sehr
verschiedenartig, je nach dem Zweck, welchen sie zu erfüllen trachtet, bei eiligem Flug mit bald angezo-
genen, bald wieder schwirrend bewegten Schwingen, in großen Bogenlinien dahin, im Singen endlich
in der allbekannten langsamen, oft schwebenden Weise mit gleichmäßigen Flügelschlägen, welche den

Haide- und Feldlerche.
Gebirges nicht verſchont wird. Hunderte der nirgends häufigen Vögel werden während ihrer Reiſe
gefangen und getödtet. Dieſes Loos würde ihr werden, ſelbſt wenn der Lerchenſtreicher ſie freilaſſen
wollte, weil der Fang bekanntlich des Nachts geſchieht, und die in die Netze gekommenen Lerchen ſofort
umgebracht werden!

Den für die Zimmer gefangenen Haidelerchen gibt man einen langen, mit Leinwand bedeckten
Käfig ohne Springhölzer, belegt den Boden mit Löſchpapier, ſtreut etwas Kies in den Winkel und
füttert die Gefangenen mit Mohnſamen, Scheuergeſäme und Nachtigallfutter. Dabei erhält man
die Haidelerche aber höchſtens zwei oder drei Jahre. Das Gebirgskind kann die Gefangenſchaft
nicht länger ertragen.



Die Feldlerche, auch Brach-, Korn-, Saat-, Tag-, Saug- und Himmelslerche
genannt (Alauda arvensis) kennzeichnet ſich durch verhältnißmäßig ſchlanken Leibesbau, ſchwachen,
kegelförmigen, ziemlich kurzen Schnabel, mittellange, ziemlich ſpitze Flügel, in denen die dritte Schwinge
die längſte iſt, einen mittellaugen, ausgeſchnittenen Schwanz und zarte Füße mit ziemlich kurzen
Zehen. Die Länge beträgt 6¾ Zoll, die Breite 12¼ Zoll; der Fittig mißt 3¼ bis 4 Zoll, der
Schwanz 2½ bis 2¾ Zoll. Das Gefieder iſt auf der Oberſeite echt lerchenfarbig, auf der Unter-
ſeite weißlich, am Kopfe ſtark braun gefleckt, an den Seiten durch dunkle Längsſtriche gezeichnet.
Der Zügel und die Halsſeiten ſind lichter, die äußern Schwanzſedern und die Außenfahne der zweiten
ſind weiß. Das Auge iſt kaffeebraun, der Schnabel blaugrau, der Fuß röthlichhornfarben.

Die Feldlerche und ihre Verwandten, welche von vielen Naturforſchern höchſtens als Spielarten
ein und derſelben Art angeſehen werden, bewohnen ganz Europa mit ſeinen Jnſeln und den größten
Theil Aſiens bis nach Kamtſchatka hin und zwar vorzugsweiſe die ebenen Gegenden. Jn Jndien
wird die bei uns lebende Art durch verwandte Arten vertreten; im Norden Amerikas hingegen fehlen
ſolche gänzlich, und Audubon ließ deshalb einmal eine Menge deutſcher Lerchen, welche er mit ſich
von Europa herüberbrachte, in ſeiner geliebten Heimat frei, um dieſe durch einen neuen geſchätzten
Sänger zu bereichern. Jn Deutſchland fehlt die Feldlerche nirgends; ſie wohnt hier ſelbſt auf niede-
ren Bergen und hart an der Sceküſte. „Kein Vogel‟, ſagt Naumann, „iſt häufiger als ſie, keiner
ſo gemein; denn ſelbſt der Hausſperling bewohnt nur Gegenden, wo der Ackerbau blüht, und ver-
ſchwindet, wo dieſer aufhört. Nicht ſo unſere Lerche: ſie bewohnt alle Gegenden.‟

Bei uns iſt die Lerche, wie bekannt, ein Sommervogel, welcher die liebe Heimat während der
eigentlichen Wintermonate verläßt und eine regelmäßige Wanderung nach Süden hin antritt. Dieſe
erſtreckt ſich übrigens nicht weit: ſchon in Egypten gehören die Feldlerchen zu den ſeltenen Erſcheinun-
gen. Große Scharen traf ich im Winter auf der kaſtiliſchen Hochebene an; ebenſo häufig ſoll man
ihr in den kalten Monaten in Algier und in Griechenland begegnen.

Die Lerche gilt uns als Frühlingsbote. Sie erſcheint bereits mit der Schneeſchmelze, oft
noch vor ihr, in manchen Jahren ſchon Anfangs Februar. Je nachdem die Witterung günſtig iſt,
währt der eigentliche Zug länger oder kürzer. Ende Februars aber haben die meiſten Lerchen bereits
ihre Wohnplätze eingenommen, und im März hört man das bekannte Lied allüberall.

Nach dem auf den vorſtehenden Seiten über andere Mitglieder der Familie Berichteten kann das
Betragen der Feldlerche mit wenigen Worten geſchildert werden. Sie iſt ein unſteter Vogel, welcher
ſelten lange an ein und demſelben Orte verweilt, vielmehr beſtändig hin und herläuft, hin und
wiederfliegt, ſich mit anderen ihrer Art ſtreitet und zankt und dazwiſchen lockt und ſingt. Sie geht gut,
bei langſamem Gange nickend, bei raſchem faſt wie ein Strandläufer, fliegt ausgezeichnet, aber ſehr
verſchiedenartig, je nach dem Zweck, welchen ſie zu erfüllen trachtet, bei eiligem Flug mit bald angezo-
genen, bald wieder ſchwirrend bewegten Schwingen, in großen Bogenlinien dahin, im Singen endlich
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[271/0293] Haide- und Feldlerche. Gebirges nicht verſchont wird. Hunderte der nirgends häufigen Vögel werden während ihrer Reiſe gefangen und getödtet. Dieſes Loos würde ihr werden, ſelbſt wenn der Lerchenſtreicher ſie freilaſſen wollte, weil der Fang bekanntlich des Nachts geſchieht, und die in die Netze gekommenen Lerchen ſofort umgebracht werden! Den für die Zimmer gefangenen Haidelerchen gibt man einen langen, mit Leinwand bedeckten Käfig ohne Springhölzer, belegt den Boden mit Löſchpapier, ſtreut etwas Kies in den Winkel und füttert die Gefangenen mit Mohnſamen, Scheuergeſäme und Nachtigallfutter. Dabei erhält man die Haidelerche aber höchſtens zwei oder drei Jahre. Das Gebirgskind kann die Gefangenſchaft nicht länger ertragen. Die Feldlerche, auch Brach-, Korn-, Saat-, Tag-, Saug- und Himmelslerche genannt (Alauda arvensis) kennzeichnet ſich durch verhältnißmäßig ſchlanken Leibesbau, ſchwachen, kegelförmigen, ziemlich kurzen Schnabel, mittellange, ziemlich ſpitze Flügel, in denen die dritte Schwinge die längſte iſt, einen mittellaugen, ausgeſchnittenen Schwanz und zarte Füße mit ziemlich kurzen Zehen. Die Länge beträgt 6¾ Zoll, die Breite 12¼ Zoll; der Fittig mißt 3¼ bis 4 Zoll, der Schwanz 2½ bis 2¾ Zoll. Das Gefieder iſt auf der Oberſeite echt lerchenfarbig, auf der Unter- ſeite weißlich, am Kopfe ſtark braun gefleckt, an den Seiten durch dunkle Längsſtriche gezeichnet. Der Zügel und die Halsſeiten ſind lichter, die äußern Schwanzſedern und die Außenfahne der zweiten ſind weiß. Das Auge iſt kaffeebraun, der Schnabel blaugrau, der Fuß röthlichhornfarben. Die Feldlerche und ihre Verwandten, welche von vielen Naturforſchern höchſtens als Spielarten ein und derſelben Art angeſehen werden, bewohnen ganz Europa mit ſeinen Jnſeln und den größten Theil Aſiens bis nach Kamtſchatka hin und zwar vorzugsweiſe die ebenen Gegenden. Jn Jndien wird die bei uns lebende Art durch verwandte Arten vertreten; im Norden Amerikas hingegen fehlen ſolche gänzlich, und Audubon ließ deshalb einmal eine Menge deutſcher Lerchen, welche er mit ſich von Europa herüberbrachte, in ſeiner geliebten Heimat frei, um dieſe durch einen neuen geſchätzten Sänger zu bereichern. Jn Deutſchland fehlt die Feldlerche nirgends; ſie wohnt hier ſelbſt auf niede- ren Bergen und hart an der Sceküſte. „Kein Vogel‟, ſagt Naumann, „iſt häufiger als ſie, keiner ſo gemein; denn ſelbſt der Hausſperling bewohnt nur Gegenden, wo der Ackerbau blüht, und ver- ſchwindet, wo dieſer aufhört. Nicht ſo unſere Lerche: ſie bewohnt alle Gegenden.‟ Bei uns iſt die Lerche, wie bekannt, ein Sommervogel, welcher die liebe Heimat während der eigentlichen Wintermonate verläßt und eine regelmäßige Wanderung nach Süden hin antritt. Dieſe erſtreckt ſich übrigens nicht weit: ſchon in Egypten gehören die Feldlerchen zu den ſeltenen Erſcheinun- gen. Große Scharen traf ich im Winter auf der kaſtiliſchen Hochebene an; ebenſo häufig ſoll man ihr in den kalten Monaten in Algier und in Griechenland begegnen. Die Lerche gilt uns als Frühlingsbote. Sie erſcheint bereits mit der Schneeſchmelze, oft noch vor ihr, in manchen Jahren ſchon Anfangs Februar. Je nachdem die Witterung günſtig iſt, währt der eigentliche Zug länger oder kürzer. Ende Februars aber haben die meiſten Lerchen bereits ihre Wohnplätze eingenommen, und im März hört man das bekannte Lied allüberall. Nach dem auf den vorſtehenden Seiten über andere Mitglieder der Familie Berichteten kann das Betragen der Feldlerche mit wenigen Worten geſchildert werden. Sie iſt ein unſteter Vogel, welcher ſelten lange an ein und demſelben Orte verweilt, vielmehr beſtändig hin und herläuft, hin und wiederfliegt, ſich mit anderen ihrer Art ſtreitet und zankt und dazwiſchen lockt und ſingt. Sie geht gut, bei langſamem Gange nickend, bei raſchem faſt wie ein Strandläufer, fliegt ausgezeichnet, aber ſehr verſchiedenartig, je nach dem Zweck, welchen ſie zu erfüllen trachtet, bei eiligem Flug mit bald angezo- genen, bald wieder ſchwirrend bewegten Schwingen, in großen Bogenlinien dahin, im Singen endlich in der allbekannten langſamen, oft ſchwebenden Weiſe mit gleichmäßigen Flügelſchlägen, welche den

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/293>, abgerufen am 22.11.2024.