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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Knacker. Die Papageien.

Beide Eltern tragen den Jungen Nahrung zu und äzen sie auch einige Zeit nach dem Aus-
fliegen noch. Die Nahrung wird, wenn sie aus Körnern besteht, vor dem Verfüttern im Kropfe der
Alten aufgeweicht und den Jungen in den Schnabel gespieen. Schomburgk beobachtete, daß ein
Paar, welches in der Nähe seines Lagerplatzes im Walde genistet hatte, seine Jungen nur zwei Mal
des Tages fütterte und zwar um 11 Uhr Vormittags und um 5 Uhr Nachmittags. "Sobald sie an-
kamen, setzten sie sich erst auf einen Ast in der Nähe des Loches, und bemerkten sie, daß sie beobachtet
wurden, so blieben sie ruhig sitzen, bis ihnen die Gelegenheit günstig schien, unvermerkt in die Oeff-
nung zu schlüpfen". An zärtlicher Sorge für das Wohl ihrer Kinder lassen es die Eltern nicht
mangeln. Sie vertheidigen ihre Sprossen bei drohender Gefahr mit aufopferndem Muthe auch in der
Gefangenschaft und gegen den sonst von ihnen geliebten Pfleger. Einzelne Arten nehmen sich mit
derselben Zärtlichkeit, welche sie ihren eigenen Kindern widmen, Verwaister an, und nicht blos Hilf-
loser ihrer eigenen Art, sondern auch Fremder. "Der Wundarzt des Schiffes Triton, unser Reise-
gefährte zwischen Neuholland und England", so erzählte Cunningham, "besaß einen blauen
Bergpapagei und einen anderen sehr schönen, kleineren, welchen er so jung aus dem Neste gehoben
hatte, daß er seine Nahrung noch nicht selbst zu sich nehmen konnte. Der Aeltere übernahm es, ihn
zu füttern, sorgte eifrig für seine Bedürfnisse und bewachte ihn mit der größten Zärtlichkeit. Die
gegenseitige Freundschaft der Vögel schien mit der Zeit zuzunehmen; sie brachten den größten Theil
des Tages mit Liebkosen zu, schnäbelten sich, und der Aeltere breitete seine Flügel aufs zärtlichste
über den kleinen Schützling aus. Jhre Freundschaftsbezeugungen wurden aber am Ende so laut, daß
man sie trennte, um den Reisenden keinen Anlaß zur Klage zu geben. Der Jüngere wurde also zu
mehreren anderen in meine Kajüte versetzt. Nach einer zweimonatlichen Trennung gelang es dem
blauen Bergpapagei, zu entkommen, und siehe da, die Stimme seines jungen Freundes leitete ihn
gerade in meine Kajüte, wo er sich an jenen Käfig anklammerte. Nunmehr wurden die beiden
Freunde nicht wieder getrennt; aber vierzehn Tage später starb der Jüngere an den Folgen einer Ver-
letzung, welche der Fall des Käfigs ihm verursacht hatte. Sein Freund war seitdem stumm und
folgte ihm bald nach." -- Freilich wird auch das gerade Gegentheil solcher Freundschaft beobachtet: ich
selbst erfuhr, daß ein von uns gezüchteter Wellenpapagei sofort nach seinem Eintritt in die Welt des
Gesellschaftsbauers von Anderen seiner Art überfallen und so arg gebissen wurde, daß er in Folge
dieser Mißhandlung zu Grunde ging!

Durchschnittlich scheinen die Papageien bereits im zweiten Jahre ihres Lebens die volle Pracht
ihres Gefieders erlangt zu haben und fortpflanzungsfähig zu sein. Die kleineren Arten der Ordnung
sind erfahrungsmäßig schon im ersten Jahre ihres Lebens zeugungsfähig. Dem ungeachtet leben sie
lange Jahre. Man hat an Gefangenen wunderbare Erfahrungen gemacht. Sie haben die Familie,
in deren Mitte sie die Jugendzeit ihres Lebens verbrachten, lange überdauert; sie haben, wie in
Amerika eine Sage geht, ein ganzes Volk dahinsterben und vergehen sehen. "Es ist wahrscheinlich",
bemerkt Humboldt, "daß die letzte Familie der Aturer erst spät ausgestorben sei. Denn in May-
pures lebt noch ein alter Papagei, von dem die Eingebornen behaupten, daß man ihn darum nicht
verstehe, weil er die Sprache der Aturer rede. Dieser Aturenpapagei ist der Gegenstand eines lieb-
lichen Gedichtes geworden" -- eines Gedichtes, von welchem wenigstens einige Verse hier folgen
mögen, weil es vielleicht nicht allen meinen Lesern bekannt sein dürfte:

"Jn der Orinokowildniß
Sitzt ein alter Papagei,
Kalt und starr, als ob sein Bildniß
Aus dem Stein gehauen sei.
Unten, wo die Wogen brandett,
Hält ein Volk die ew'ge Ruh,
Fortgedrängt aus seinen Landen
Floh er diesen Klippen zu.
Knacker. Die Papageien.

Beide Eltern tragen den Jungen Nahrung zu und äzen ſie auch einige Zeit nach dem Aus-
fliegen noch. Die Nahrung wird, wenn ſie aus Körnern beſteht, vor dem Verfüttern im Kropfe der
Alten aufgeweicht und den Jungen in den Schnabel geſpieen. Schomburgk beobachtete, daß ein
Paar, welches in der Nähe ſeines Lagerplatzes im Walde geniſtet hatte, ſeine Jungen nur zwei Mal
des Tages fütterte und zwar um 11 Uhr Vormittags und um 5 Uhr Nachmittags. „Sobald ſie an-
kamen, ſetzten ſie ſich erſt auf einen Aſt in der Nähe des Loches, und bemerkten ſie, daß ſie beobachtet
wurden, ſo blieben ſie ruhig ſitzen, bis ihnen die Gelegenheit günſtig ſchien, unvermerkt in die Oeff-
nung zu ſchlüpfen‟. An zärtlicher Sorge für das Wohl ihrer Kinder laſſen es die Eltern nicht
mangeln. Sie vertheidigen ihre Sproſſen bei drohender Gefahr mit aufopferndem Muthe auch in der
Gefangenſchaft und gegen den ſonſt von ihnen geliebten Pfleger. Einzelne Arten nehmen ſich mit
derſelben Zärtlichkeit, welche ſie ihren eigenen Kindern widmen, Verwaiſter an, und nicht blos Hilf-
loſer ihrer eigenen Art, ſondern auch Fremder. „Der Wundarzt des Schiffes Triton, unſer Reiſe-
gefährte zwiſchen Neuholland und England‟, ſo erzählte Cunningham, „beſaß einen blauen
Bergpapagei und einen anderen ſehr ſchönen, kleineren, welchen er ſo jung aus dem Neſte gehoben
hatte, daß er ſeine Nahrung noch nicht ſelbſt zu ſich nehmen konnte. Der Aeltere übernahm es, ihn
zu füttern, ſorgte eifrig für ſeine Bedürfniſſe und bewachte ihn mit der größten Zärtlichkeit. Die
gegenſeitige Freundſchaft der Vögel ſchien mit der Zeit zuzunehmen; ſie brachten den größten Theil
des Tages mit Liebkoſen zu, ſchnäbelten ſich, und der Aeltere breitete ſeine Flügel aufs zärtlichſte
über den kleinen Schützling aus. Jhre Freundſchaftsbezeugungen wurden aber am Ende ſo laut, daß
man ſie trennte, um den Reiſenden keinen Anlaß zur Klage zu geben. Der Jüngere wurde alſo zu
mehreren anderen in meine Kajüte verſetzt. Nach einer zweimonatlichen Trennung gelang es dem
blauen Bergpapagei, zu entkommen, und ſiehe da, die Stimme ſeines jungen Freundes leitete ihn
gerade in meine Kajüte, wo er ſich an jenen Käfig anklammerte. Nunmehr wurden die beiden
Freunde nicht wieder getrennt; aber vierzehn Tage ſpäter ſtarb der Jüngere an den Folgen einer Ver-
letzung, welche der Fall des Käfigs ihm verurſacht hatte. Sein Freund war ſeitdem ſtumm und
folgte ihm bald nach.‟ — Freilich wird auch das gerade Gegentheil ſolcher Freundſchaft beobachtet: ich
ſelbſt erfuhr, daß ein von uns gezüchteter Wellenpapagei ſofort nach ſeinem Eintritt in die Welt des
Geſellſchaftsbauers von Anderen ſeiner Art überfallen und ſo arg gebiſſen wurde, daß er in Folge
dieſer Mißhandlung zu Grunde ging!

Durchſchnittlich ſcheinen die Papageien bereits im zweiten Jahre ihres Lebens die volle Pracht
ihres Gefieders erlangt zu haben und fortpflanzungsfähig zu ſein. Die kleineren Arten der Ordnung
ſind erfahrungsmäßig ſchon im erſten Jahre ihres Lebens zeugungsfähig. Dem ungeachtet leben ſie
lange Jahre. Man hat an Gefangenen wunderbare Erfahrungen gemacht. Sie haben die Familie,
in deren Mitte ſie die Jugendzeit ihres Lebens verbrachten, lange überdauert; ſie haben, wie in
Amerika eine Sage geht, ein ganzes Volk dahinſterben und vergehen ſehen. „Es iſt wahrſcheinlich‟,
bemerkt Humboldt, „daß die letzte Familie der Aturer erſt ſpät ausgeſtorben ſei. Denn in May-
pures lebt noch ein alter Papagei, von dem die Eingebornen behaupten, daß man ihn darum nicht
verſtehe, weil er die Sprache der Aturer rede. Dieſer Aturenpapagei iſt der Gegenſtand eines lieb-
lichen Gedichtes geworden‟ — eines Gedichtes, von welchem wenigſtens einige Verſe hier folgen
mögen, weil es vielleicht nicht allen meinen Leſern bekannt ſein dürfte:

„Jn der Orinokowildniß
Sitzt ein alter Papagei,
Kalt und ſtarr, als ob ſein Bildniß
Aus dem Stein gehauen ſei.
Unten, wo die Wogen brandett,
Hält ein Volk die ew’ge Ruh,
Fortgedrängt aus ſeinen Landen
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[14/0026] Knacker. Die Papageien. Beide Eltern tragen den Jungen Nahrung zu und äzen ſie auch einige Zeit nach dem Aus- fliegen noch. Die Nahrung wird, wenn ſie aus Körnern beſteht, vor dem Verfüttern im Kropfe der Alten aufgeweicht und den Jungen in den Schnabel geſpieen. Schomburgk beobachtete, daß ein Paar, welches in der Nähe ſeines Lagerplatzes im Walde geniſtet hatte, ſeine Jungen nur zwei Mal des Tages fütterte und zwar um 11 Uhr Vormittags und um 5 Uhr Nachmittags. „Sobald ſie an- kamen, ſetzten ſie ſich erſt auf einen Aſt in der Nähe des Loches, und bemerkten ſie, daß ſie beobachtet wurden, ſo blieben ſie ruhig ſitzen, bis ihnen die Gelegenheit günſtig ſchien, unvermerkt in die Oeff- nung zu ſchlüpfen‟. An zärtlicher Sorge für das Wohl ihrer Kinder laſſen es die Eltern nicht mangeln. Sie vertheidigen ihre Sproſſen bei drohender Gefahr mit aufopferndem Muthe auch in der Gefangenſchaft und gegen den ſonſt von ihnen geliebten Pfleger. Einzelne Arten nehmen ſich mit derſelben Zärtlichkeit, welche ſie ihren eigenen Kindern widmen, Verwaiſter an, und nicht blos Hilf- loſer ihrer eigenen Art, ſondern auch Fremder. „Der Wundarzt des Schiffes Triton, unſer Reiſe- gefährte zwiſchen Neuholland und England‟, ſo erzählte Cunningham, „beſaß einen blauen Bergpapagei und einen anderen ſehr ſchönen, kleineren, welchen er ſo jung aus dem Neſte gehoben hatte, daß er ſeine Nahrung noch nicht ſelbſt zu ſich nehmen konnte. Der Aeltere übernahm es, ihn zu füttern, ſorgte eifrig für ſeine Bedürfniſſe und bewachte ihn mit der größten Zärtlichkeit. Die gegenſeitige Freundſchaft der Vögel ſchien mit der Zeit zuzunehmen; ſie brachten den größten Theil des Tages mit Liebkoſen zu, ſchnäbelten ſich, und der Aeltere breitete ſeine Flügel aufs zärtlichſte über den kleinen Schützling aus. Jhre Freundſchaftsbezeugungen wurden aber am Ende ſo laut, daß man ſie trennte, um den Reiſenden keinen Anlaß zur Klage zu geben. Der Jüngere wurde alſo zu mehreren anderen in meine Kajüte verſetzt. Nach einer zweimonatlichen Trennung gelang es dem blauen Bergpapagei, zu entkommen, und ſiehe da, die Stimme ſeines jungen Freundes leitete ihn gerade in meine Kajüte, wo er ſich an jenen Käfig anklammerte. Nunmehr wurden die beiden Freunde nicht wieder getrennt; aber vierzehn Tage ſpäter ſtarb der Jüngere an den Folgen einer Ver- letzung, welche der Fall des Käfigs ihm verurſacht hatte. Sein Freund war ſeitdem ſtumm und folgte ihm bald nach.‟ — Freilich wird auch das gerade Gegentheil ſolcher Freundſchaft beobachtet: ich ſelbſt erfuhr, daß ein von uns gezüchteter Wellenpapagei ſofort nach ſeinem Eintritt in die Welt des Geſellſchaftsbauers von Anderen ſeiner Art überfallen und ſo arg gebiſſen wurde, daß er in Folge dieſer Mißhandlung zu Grunde ging! Durchſchnittlich ſcheinen die Papageien bereits im zweiten Jahre ihres Lebens die volle Pracht ihres Gefieders erlangt zu haben und fortpflanzungsfähig zu ſein. Die kleineren Arten der Ordnung ſind erfahrungsmäßig ſchon im erſten Jahre ihres Lebens zeugungsfähig. Dem ungeachtet leben ſie lange Jahre. Man hat an Gefangenen wunderbare Erfahrungen gemacht. Sie haben die Familie, in deren Mitte ſie die Jugendzeit ihres Lebens verbrachten, lange überdauert; ſie haben, wie in Amerika eine Sage geht, ein ganzes Volk dahinſterben und vergehen ſehen. „Es iſt wahrſcheinlich‟, bemerkt Humboldt, „daß die letzte Familie der Aturer erſt ſpät ausgeſtorben ſei. Denn in May- pures lebt noch ein alter Papagei, von dem die Eingebornen behaupten, daß man ihn darum nicht verſtehe, weil er die Sprache der Aturer rede. Dieſer Aturenpapagei iſt der Gegenſtand eines lieb- lichen Gedichtes geworden‟ — eines Gedichtes, von welchem wenigſtens einige Verſe hier folgen mögen, weil es vielleicht nicht allen meinen Leſern bekannt ſein dürfte: „Jn der Orinokowildniß Sitzt ein alter Papagei, Kalt und ſtarr, als ob ſein Bildniß Aus dem Stein gehauen ſei. Unten, wo die Wogen brandett, Hält ein Volk die ew’ge Ruh, Fortgedrängt aus ſeinen Landen Floh er dieſen Klippen zu.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/26>, abgerufen am 18.04.2024.