mitten im Winter schon um vier Uhr zur Ruhe gingen und des Morgens um sieben Uhr erst und bei düsteren Tagen noch später das Nest verließen."
Den übrigen Beobachtungen Schlegel's entnehme ich das Folgende: "Das Gefieder der jungen Elstervögel ist in der Färbung durchaus abweichend von dem der Eltern. Es ist fast gleichmäßig chokoladenbraun, obenher ein wenig dunkler, auf der Unterseite leicht, kaum merkbar, gestrichelt. Von den weißen und den schönen metallgrün glänzenden Federn der Erwachsenen ist bei den Jungen keine Andeutung zu sehen. Der bei den Alten blaugrüne Unterkiefer ist bei den Jungen mit dem Oberkiefer gleich bläulichschwarz, die Färbung des Schnabels aber im ganzen wenig dunkler. Die Umwandlung des Jugendkleides geschieht nicht durch Mauserung, sondern einfach durch Verfärbung und zwar höchst langsam. Auch die Alten sind schwer zu unterscheiden. Jch habe mir viel Mühe gegeben, den Unterschied der Geschlechter ausfindig zu machen. Fast durchgängig schien das Weibchen eher etwas größer, denn kleiner, als das Männchen zu sein. Ein besseres Zeichen scheint mir die Ver- schiedenheit des metallgrün glänzenden Flecken an den Bauchseiten, der bei den Weibchen weniger schön und weniger ausgebreitet ist. Das sicherste Kennzeichen ist aber das Tanzen und Krächzen, welches ich sogleich beschreiben werde, und das man nur bei dem vollständig ausgefärbten Vogel beobachtet."
"Jhre gegenseitigen Liebeserklärungen sind eigenthümlich und oft geradezu komisch. Sehr gerne sitzen sie traulich beisammen und rücken öfters an einander, als wenn ihnen die dichteste Berührung noch nicht dicht genug wäre. Unter unermüdlichem Locken nesteln sie sich gegenseitig im Gefieder. Ab- wechselnd krächzt das Männchen mit weit aufgesperrtem Schnabel und hebt sich im Takte seines Ge- sanges (die Nachtigall wird mir verzeihen) tänzelnd auf und nieder. Jm Zustande der höchsten Erregung hüpft das Männchen nach jenem Tanze von der Seite auf den Rücken seines neben ihm auf dem Zweig kauernden Weibchens, bleibt frei mit erhobenen Füßen einen Augenblick stehen, hüpft ebenso seitlich zur anderen Seite herab, gefallsüchtig nach rechts und links sich drehend, nestelt ihm im Kopfputz, springt immerzu lockend wieder hinauf und ebenso zur anderen Seite herunter, stets wieder in dem Kopfputz seines Weibchens nestelnd und sofort dasselbe Spiel 6 bis 8 Mal wiederholend, bis endlich die Begattung erfolgt."
"Alt wie jung lieben sie die Sonne außerordentlich. Stets suchten meine Elstervögel in ihrem Käfig den Erker zum Ruheplätzchen aus, wo sie unmittelbar von den Strahlen der Sonne getroffen wurden. Die Bandvögel dagegen wählten stets den Erker, wo sie die Sonne im Rücken hatten. Zu- weilen drehte ich den Käfig so, daß letztere von den Strahlen der Sonne getroffen wurden, immer aber, so oft ich den Versuch machte, verließen sie alsbald den Erker und kauerten sich in den Schatten des anderen Erkers."
"Beim Brüten oder Füttern der Jungen ließen sie sich durch Nichts stören. Es kümmerte sie wenig, daß ich den Bauer, den Strahlen der Wintersonne nach, bald hier, bald dorthin versetzte. We- der meine oft anhaltende Beobachtung aus so großer Nähe, daß ich den Draht des Käfigs mit dem Kopf berührte, noch das neugierige Belauschen oft ganz fremder Leute, ja selbst durch Frauenköpfe mit Hüten und Kopfputz aller Art, störte sie nicht im geringsten."
"Schon dieser seltenen Zutraulichkeit willen empfehlen sich die Elstervögelchen als Stubenbrüter ganz besonders, zumal ihnen jeder kleine Käfig mit der nöthigen Nisthöhle genügt. Auf dem Schreib- pult und auf dem Nähtisch sind sie heimisch zu machen, und führen sie uns, während es draußen friert und schneit, das anziehende Bild eines innigen Familienlebens in immer neuen Scenen vor und zau- bern die zwitschernden Jungen den Frühling in unser winterliches Stubenleben. Es wäre gewiß eine dankenswerthe Aufgabe, diese lieben Vögelchen bei uns heimisch, d. h. zu Hausthieren zu machen, die, wenn sie auch keinen eigentlichen Gesang haben, doch durch die Jnnigkeit der Gattenliebe, durch die Leichtigkeit, mit welcher sie und zwar im Winter brüten, gewiß Jeden, der Sinn für das Leben und Treiben der Thiere hat, ergötzen und eine reiche Quelle von überraschenden Beobachtungen bieten."
Die Knacker. Sperlingsvögel. Prachtfinken.
mitten im Winter ſchon um vier Uhr zur Ruhe gingen und des Morgens um ſieben Uhr erſt und bei düſteren Tagen noch ſpäter das Neſt verließen.‟
Den übrigen Beobachtungen Schlegel’s entnehme ich das Folgende: „Das Gefieder der jungen Elſtervögel iſt in der Färbung durchaus abweichend von dem der Eltern. Es iſt faſt gleichmäßig chokoladenbraun, obenher ein wenig dunkler, auf der Unterſeite leicht, kaum merkbar, geſtrichelt. Von den weißen und den ſchönen metallgrün glänzenden Federn der Erwachſenen iſt bei den Jungen keine Andeutung zu ſehen. Der bei den Alten blaugrüne Unterkiefer iſt bei den Jungen mit dem Oberkiefer gleich bläulichſchwarz, die Färbung des Schnabels aber im ganzen wenig dunkler. Die Umwandlung des Jugendkleides geſchieht nicht durch Mauſerung, ſondern einfach durch Verfärbung und zwar höchſt langſam. Auch die Alten ſind ſchwer zu unterſcheiden. Jch habe mir viel Mühe gegeben, den Unterſchied der Geſchlechter ausfindig zu machen. Faſt durchgängig ſchien das Weibchen eher etwas größer, denn kleiner, als das Männchen zu ſein. Ein beſſeres Zeichen ſcheint mir die Ver- ſchiedenheit des metallgrün glänzenden Flecken an den Bauchſeiten, der bei den Weibchen weniger ſchön und weniger ausgebreitet iſt. Das ſicherſte Kennzeichen iſt aber das Tanzen und Krächzen, welches ich ſogleich beſchreiben werde, und das man nur bei dem vollſtändig ausgefärbten Vogel beobachtet.‟
„Jhre gegenſeitigen Liebeserklärungen ſind eigenthümlich und oft geradezu komiſch. Sehr gerne ſitzen ſie traulich beiſammen und rücken öfters an einander, als wenn ihnen die dichteſte Berührung noch nicht dicht genug wäre. Unter unermüdlichem Locken neſteln ſie ſich gegenſeitig im Gefieder. Ab- wechſelnd krächzt das Männchen mit weit aufgeſperrtem Schnabel und hebt ſich im Takte ſeines Ge- ſanges (die Nachtigall wird mir verzeihen) tänzelnd auf und nieder. Jm Zuſtande der höchſten Erregung hüpft das Männchen nach jenem Tanze von der Seite auf den Rücken ſeines neben ihm auf dem Zweig kauernden Weibchens, bleibt frei mit erhobenen Füßen einen Augenblick ſtehen, hüpft ebenſo ſeitlich zur anderen Seite herab, gefallſüchtig nach rechts und links ſich drehend, neſtelt ihm im Kopfputz, ſpringt immerzu lockend wieder hinauf und ebenſo zur anderen Seite herunter, ſtets wieder in dem Kopfputz ſeines Weibchens neſtelnd und ſofort daſſelbe Spiel 6 bis 8 Mal wiederholend, bis endlich die Begattung erfolgt.‟
„Alt wie jung lieben ſie die Sonne außerordentlich. Stets ſuchten meine Elſtervögel in ihrem Käfig den Erker zum Ruheplätzchen aus, wo ſie unmittelbar von den Strahlen der Sonne getroffen wurden. Die Bandvögel dagegen wählten ſtets den Erker, wo ſie die Sonne im Rücken hatten. Zu- weilen drehte ich den Käfig ſo, daß letztere von den Strahlen der Sonne getroffen wurden, immer aber, ſo oft ich den Verſuch machte, verließen ſie alsbald den Erker und kauerten ſich in den Schatten des anderen Erkers.‟
„Beim Brüten oder Füttern der Jungen ließen ſie ſich durch Nichts ſtören. Es kümmerte ſie wenig, daß ich den Bauer, den Strahlen der Winterſonne nach, bald hier, bald dorthin verſetzte. We- der meine oft anhaltende Beobachtung aus ſo großer Nähe, daß ich den Draht des Käfigs mit dem Kopf berührte, noch das neugierige Belauſchen oft ganz fremder Leute, ja ſelbſt durch Frauenköpfe mit Hüten und Kopfputz aller Art, ſtörte ſie nicht im geringſten.‟
„Schon dieſer ſeltenen Zutraulichkeit willen empfehlen ſich die Elſtervögelchen als Stubenbrüter ganz beſonders, zumal ihnen jeder kleine Käfig mit der nöthigen Niſthöhle genügt. Auf dem Schreib- pult und auf dem Nähtiſch ſind ſie heimiſch zu machen, und führen ſie uns, während es draußen friert und ſchneit, das anziehende Bild eines innigen Familienlebens in immer neuen Scenen vor und zau- bern die zwitſchernden Jungen den Frühling in unſer winterliches Stubenleben. Es wäre gewiß eine dankenswerthe Aufgabe, dieſe lieben Vögelchen bei uns heimiſch, d. h. zu Hausthieren zu machen, die, wenn ſie auch keinen eigentlichen Geſang haben, doch durch die Jnnigkeit der Gattenliebe, durch die Leichtigkeit, mit welcher ſie und zwar im Winter brüten, gewiß Jeden, der Sinn für das Leben und Treiben der Thiere hat, ergötzen und eine reiche Quelle von überraſchenden Beobachtungen bieten.‟
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[206/0226]
Die Knacker. Sperlingsvögel. Prachtfinken.
mitten im Winter ſchon um vier Uhr zur Ruhe gingen und des Morgens um ſieben Uhr erſt und bei
düſteren Tagen noch ſpäter das Neſt verließen.‟
Den übrigen Beobachtungen Schlegel’s entnehme ich das Folgende: „Das Gefieder der jungen
Elſtervögel iſt in der Färbung durchaus abweichend von dem der Eltern. Es iſt faſt gleichmäßig
chokoladenbraun, obenher ein wenig dunkler, auf der Unterſeite leicht, kaum merkbar, geſtrichelt.
Von den weißen und den ſchönen metallgrün glänzenden Federn der Erwachſenen iſt bei den Jungen
keine Andeutung zu ſehen. Der bei den Alten blaugrüne Unterkiefer iſt bei den Jungen mit dem
Oberkiefer gleich bläulichſchwarz, die Färbung des Schnabels aber im ganzen wenig dunkler. Die
Umwandlung des Jugendkleides geſchieht nicht durch Mauſerung, ſondern einfach durch Verfärbung
und zwar höchſt langſam. Auch die Alten ſind ſchwer zu unterſcheiden. Jch habe mir viel Mühe
gegeben, den Unterſchied der Geſchlechter ausfindig zu machen. Faſt durchgängig ſchien das Weibchen
eher etwas größer, denn kleiner, als das Männchen zu ſein. Ein beſſeres Zeichen ſcheint mir die Ver-
ſchiedenheit des metallgrün glänzenden Flecken an den Bauchſeiten, der bei den Weibchen weniger ſchön
und weniger ausgebreitet iſt. Das ſicherſte Kennzeichen iſt aber das Tanzen und Krächzen, welches ich
ſogleich beſchreiben werde, und das man nur bei dem vollſtändig ausgefärbten Vogel beobachtet.‟
„Jhre gegenſeitigen Liebeserklärungen ſind eigenthümlich und oft geradezu komiſch. Sehr gerne
ſitzen ſie traulich beiſammen und rücken öfters an einander, als wenn ihnen die dichteſte Berührung
noch nicht dicht genug wäre. Unter unermüdlichem Locken neſteln ſie ſich gegenſeitig im Gefieder. Ab-
wechſelnd krächzt das Männchen mit weit aufgeſperrtem Schnabel und hebt ſich im Takte ſeines Ge-
ſanges (die Nachtigall wird mir verzeihen) tänzelnd auf und nieder. Jm Zuſtande der höchſten
Erregung hüpft das Männchen nach jenem Tanze von der Seite auf den Rücken ſeines neben ihm auf
dem Zweig kauernden Weibchens, bleibt frei mit erhobenen Füßen einen Augenblick ſtehen, hüpft ebenſo
ſeitlich zur anderen Seite herab, gefallſüchtig nach rechts und links ſich drehend, neſtelt ihm im Kopfputz,
ſpringt immerzu lockend wieder hinauf und ebenſo zur anderen Seite herunter, ſtets wieder in dem
Kopfputz ſeines Weibchens neſtelnd und ſofort daſſelbe Spiel 6 bis 8 Mal wiederholend, bis endlich
die Begattung erfolgt.‟
„Alt wie jung lieben ſie die Sonne außerordentlich. Stets ſuchten meine Elſtervögel in ihrem
Käfig den Erker zum Ruheplätzchen aus, wo ſie unmittelbar von den Strahlen der Sonne getroffen
wurden. Die Bandvögel dagegen wählten ſtets den Erker, wo ſie die Sonne im Rücken hatten. Zu-
weilen drehte ich den Käfig ſo, daß letztere von den Strahlen der Sonne getroffen wurden, immer
aber, ſo oft ich den Verſuch machte, verließen ſie alsbald den Erker und kauerten ſich in den Schatten
des anderen Erkers.‟
„Beim Brüten oder Füttern der Jungen ließen ſie ſich durch Nichts ſtören. Es kümmerte ſie
wenig, daß ich den Bauer, den Strahlen der Winterſonne nach, bald hier, bald dorthin verſetzte. We-
der meine oft anhaltende Beobachtung aus ſo großer Nähe, daß ich den Draht des Käfigs mit dem
Kopf berührte, noch das neugierige Belauſchen oft ganz fremder Leute, ja ſelbſt durch Frauenköpfe mit
Hüten und Kopfputz aller Art, ſtörte ſie nicht im geringſten.‟
„Schon dieſer ſeltenen Zutraulichkeit willen empfehlen ſich die Elſtervögelchen als Stubenbrüter
ganz beſonders, zumal ihnen jeder kleine Käfig mit der nöthigen Niſthöhle genügt. Auf dem Schreib-
pult und auf dem Nähtiſch ſind ſie heimiſch zu machen, und führen ſie uns, während es draußen friert
und ſchneit, das anziehende Bild eines innigen Familienlebens in immer neuen Scenen vor und zau-
bern die zwitſchernden Jungen den Frühling in unſer winterliches Stubenleben. Es wäre gewiß eine
dankenswerthe Aufgabe, dieſe lieben Vögelchen bei uns heimiſch, d. h. zu Hausthieren zu machen, die,
wenn ſie auch keinen eigentlichen Geſang haben, doch durch die Jnnigkeit der Gattenliebe, durch die
Leichtigkeit, mit welcher ſie und zwar im Winter brüten, gewiß Jeden, der Sinn für das Leben und
Treiben der Thiere hat, ergötzen und eine reiche Quelle von überraſchenden Beobachtungen bieten.‟
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/226>, abgerufen am 24.11.2024.
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