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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Knacker. Die Papageien.
sie eben über die Hindernisse wegkommen -- wenn auch nicht immer; denn mehrere Nächte nach einan-
der wurden Papageien gefunden, welche gegen Mauern und andere feste Gegenstände angeflogen und
in Folge davon getödtet worden waren."

Eine sehr lebendige Schilderung des Lebens und Treibens an solchem Schlafplatze gibt Layard
von dem Alerandersittich, welcher auf Ceylon sehr häufig ist. "Zu Chilaw habe ich solch
massenhafte Flüge von Papageien zu ihren Schlafplätzen, Kokosnußbäumen, welche den Markt
beschatteten, kommen sehen, daß das durch sie hervorgebrachte Geräusch das babylonische Stimmen-
verwirrsal der Käufer vollständig verschlang. Man hatte mir vorher von den Schwärmen erzählt,
welche zu diesem Platze kämen, und ich stellte mich deshalb eines Abends auf einer nahe gelege-
nen Brücke auf, in der Absicht, diejenigen Flüge, welche von einer einzigen Richtung herkämen,
zu zählen. Ungefähr um vier Uhr nachmittags begann der Zuzug: zerstreute Schwärme wendeten sich
heimwärts. Jhnen folgten bald stärkere, und im Verlauf einer halben Stunde war der Zug in vollem
Gange. Jch fand sehr bald, daß es mir unmöglich wurde, die Flüge noch zu zählen; denn sie ver-
einigten sich zu einem lebendigen brausenden Strome. Einzelne flogen hoch in der Luft bis gerade
über ihre Schlafplätze und stürzten sich dann plötzlich unter verschiedenen Wendungen bis auf die
Kronen der Bäume herab; andere schwärmten längs des Bodens dahin, so dicht über ihn, daß
sie fast mein Antlitz streiften. Sie eilten vorüber mit der Schnelligkeit des Gedankens, und ihr
glänzendes Gefieder leuchtete mit prächtigem Schimmer im Strahl der Sonne. Jch wartete auf
meinem Schaupunkte, bis der Abend hereinbrach und konnte, nachdem ich Nichts mehr zu sehen
vermochte, noch lange die ihrer Herberge zufliegenden Vögel vernehmen. Als ich einen Schuß ab-
feuerte, erhoben sie sich mit einem Geräusch, gleich dem Rauschen eines gewaltigen Windes; bald
aber setzten sie sich wieder fest, und es begann nun solch ein Getöse, daß ich es niemals ver-
gessen werde. Das schrillende Geschrei der Vögel, das flatternde Geräusch ihrer Schwingen, das
Rasseln der Blätter auf den Palmen war so betäubend, daß ich mich herzlich freute, als ich, glück-
lich entronnen, mein Haus wieder erreicht hatte."

Nächst einem gesicherten Schlafplatze sind dichte Baumkronen ein Haupterforderniß für das
Wohlbehagen der Papageien. Es kommt ihnen weniger auf Schutz gegen die Witterung, als auf
gute Versteckplätze an. Allerdings lieben sie die Wärme vor Allem; sie scheuen jedoch auch die
Kühle nicht gerade und noch weniger die Nässe, wenigstens zeitweilig. "Bei den heftigen tropi-
schen Gewitterregen, welche zuweilen die Luft verdunkeln", sagt der Prinz, "sieht man die
Papageien oft unbeweglich auf den höchsten dürren Astspitzen der Bäume sitzen, und munter erschallt
ihre Stimme, während das Wasser von ihnen herabfließt. Dichtes Laub und dicke Baumäste, wo sie
Schutz finden könnten, mögen in der Nähe sein; allein sie ziehen den warmen Gewitterregen vor und
scheinen sich darin zu gefallen. Sobald aber der Regen vorüber ist, suchen sie sogleich ihre festen
Federn von der Nässe zu befreien." Anders ist es bei gutem Wetter. Dann bevorzugen sie die dich-
testen Bäume entschieden, sei es, um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen, sei es, um sich zu verber-
gen. Das letztere thun sie gewiß, sobald sie irgend welche Gefahr ahnen. Sie wissen, welchen
Schutz ihnen, den in die Blattfarbe Gekleideten, eine dichtbelaubte Baumkrone gewährt. Es ist gar
nicht leicht, in ihr Papageien zu bemerken. Man weiß, daß vielleicht ihrer funfzig auf einem Baume
versammelt sind und sieht keinen einzigen! Beim Versteckenspielen kommt nicht blos die Blätterfarbe
des Gefieders, sondern auch die fast allen Papageien eigene List zur Geltung. Sie wollen nicht ge-
sehen werden. Einer der Gesellschaft hat den sich nahenden Feind rechtzeitig bemerkt; er gibt ein
Zeichen, alle übrigen schweigen sofort still, ziehen sich in die Mitte der Krone zurück, gewinnen, laut-
los weiter kletternd, die dem Feinde entgegengesetzte Seite des Wipfels, fliegen weg und lassen erst,
wenn sie bereits gegen hundert Schritte zurückgelegt haben, ihre Stimme vernehmen, -- wie es
scheinen will, mehr zum Hohne des glücklich getäuschten Widersachers, als um Andere der Gesellschaft
zu locken. Solch feines Spiel treiben sie namentlich dann, wenn sie sich, um zu fressen, auf einem

Knacker. Die Papageien.
ſie eben über die Hinderniſſe wegkommen — wenn auch nicht immer; denn mehrere Nächte nach einan-
der wurden Papageien gefunden, welche gegen Mauern und andere feſte Gegenſtände angeflogen und
in Folge davon getödtet worden waren.‟

Eine ſehr lebendige Schilderung des Lebens und Treibens an ſolchem Schlafplatze gibt Layard
von dem Aleranderſittich, welcher auf Ceylon ſehr häufig iſt. „Zu Chilaw habe ich ſolch
maſſenhafte Flüge von Papageien zu ihren Schlafplätzen, Kokosnußbäumen, welche den Markt
beſchatteten, kommen ſehen, daß das durch ſie hervorgebrachte Geräuſch das babyloniſche Stimmen-
verwirrſal der Käufer vollſtändig verſchlang. Man hatte mir vorher von den Schwärmen erzählt,
welche zu dieſem Platze kämen, und ich ſtellte mich deshalb eines Abends auf einer nahe gelege-
nen Brücke auf, in der Abſicht, diejenigen Flüge, welche von einer einzigen Richtung herkämen,
zu zählen. Ungefähr um vier Uhr nachmittags begann der Zuzug: zerſtreute Schwärme wendeten ſich
heimwärts. Jhnen folgten bald ſtärkere, und im Verlauf einer halben Stunde war der Zug in vollem
Gange. Jch fand ſehr bald, daß es mir unmöglich wurde, die Flüge noch zu zählen; denn ſie ver-
einigten ſich zu einem lebendigen brauſenden Strome. Einzelne flogen hoch in der Luft bis gerade
über ihre Schlafplätze und ſtürzten ſich dann plötzlich unter verſchiedenen Wendungen bis auf die
Kronen der Bäume herab; andere ſchwärmten längs des Bodens dahin, ſo dicht über ihn, daß
ſie faſt mein Antlitz ſtreiften. Sie eilten vorüber mit der Schnelligkeit des Gedankens, und ihr
glänzendes Gefieder leuchtete mit prächtigem Schimmer im Strahl der Sonne. Jch wartete auf
meinem Schaupunkte, bis der Abend hereinbrach und konnte, nachdem ich Nichts mehr zu ſehen
vermochte, noch lange die ihrer Herberge zufliegenden Vögel vernehmen. Als ich einen Schuß ab-
feuerte, erhoben ſie ſich mit einem Geräuſch, gleich dem Rauſchen eines gewaltigen Windes; bald
aber ſetzten ſie ſich wieder feſt, und es begann nun ſolch ein Getöſe, daß ich es niemals ver-
geſſen werde. Das ſchrillende Geſchrei der Vögel, das flatternde Geräuſch ihrer Schwingen, das
Raſſeln der Blätter auf den Palmen war ſo betäubend, daß ich mich herzlich freute, als ich, glück-
lich entronnen, mein Haus wieder erreicht hatte.‟

Nächſt einem geſicherten Schlafplatze ſind dichte Baumkronen ein Haupterforderniß für das
Wohlbehagen der Papageien. Es kommt ihnen weniger auf Schutz gegen die Witterung, als auf
gute Verſteckplätze an. Allerdings lieben ſie die Wärme vor Allem; ſie ſcheuen jedoch auch die
Kühle nicht gerade und noch weniger die Näſſe, wenigſtens zeitweilig. „Bei den heftigen tropi-
ſchen Gewitterregen, welche zuweilen die Luft verdunkeln‟, ſagt der Prinz, „ſieht man die
Papageien oft unbeweglich auf den höchſten dürren Aſtſpitzen der Bäume ſitzen, und munter erſchallt
ihre Stimme, während das Waſſer von ihnen herabfließt. Dichtes Laub und dicke Baumäſte, wo ſie
Schutz finden könnten, mögen in der Nähe ſein; allein ſie ziehen den warmen Gewitterregen vor und
ſcheinen ſich darin zu gefallen. Sobald aber der Regen vorüber iſt, ſuchen ſie ſogleich ihre feſten
Federn von der Näſſe zu befreien.‟ Anders iſt es bei gutem Wetter. Dann bevorzugen ſie die dich-
teſten Bäume entſchieden, ſei es, um ſich vor den Sonnenſtrahlen zu ſchützen, ſei es, um ſich zu verber-
gen. Das letztere thun ſie gewiß, ſobald ſie irgend welche Gefahr ahnen. Sie wiſſen, welchen
Schutz ihnen, den in die Blattfarbe Gekleideten, eine dichtbelaubte Baumkrone gewährt. Es iſt gar
nicht leicht, in ihr Papageien zu bemerken. Man weiß, daß vielleicht ihrer funfzig auf einem Baume
verſammelt ſind und ſieht keinen einzigen! Beim Verſteckenſpielen kommt nicht blos die Blätterfarbe
des Gefieders, ſondern auch die faſt allen Papageien eigene Liſt zur Geltung. Sie wollen nicht ge-
ſehen werden. Einer der Geſellſchaft hat den ſich nahenden Feind rechtzeitig bemerkt; er gibt ein
Zeichen, alle übrigen ſchweigen ſofort ſtill, ziehen ſich in die Mitte der Krone zurück, gewinnen, laut-
los weiter kletternd, die dem Feinde entgegengeſetzte Seite des Wipfels, fliegen weg und laſſen erſt,
wenn ſie bereits gegen hundert Schritte zurückgelegt haben, ihre Stimme vernehmen, — wie es
ſcheinen will, mehr zum Hohne des glücklich getäuſchten Widerſachers, als um Andere der Geſellſchaft
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[10/0022] Knacker. Die Papageien. ſie eben über die Hinderniſſe wegkommen — wenn auch nicht immer; denn mehrere Nächte nach einan- der wurden Papageien gefunden, welche gegen Mauern und andere feſte Gegenſtände angeflogen und in Folge davon getödtet worden waren.‟ Eine ſehr lebendige Schilderung des Lebens und Treibens an ſolchem Schlafplatze gibt Layard von dem Aleranderſittich, welcher auf Ceylon ſehr häufig iſt. „Zu Chilaw habe ich ſolch maſſenhafte Flüge von Papageien zu ihren Schlafplätzen, Kokosnußbäumen, welche den Markt beſchatteten, kommen ſehen, daß das durch ſie hervorgebrachte Geräuſch das babyloniſche Stimmen- verwirrſal der Käufer vollſtändig verſchlang. Man hatte mir vorher von den Schwärmen erzählt, welche zu dieſem Platze kämen, und ich ſtellte mich deshalb eines Abends auf einer nahe gelege- nen Brücke auf, in der Abſicht, diejenigen Flüge, welche von einer einzigen Richtung herkämen, zu zählen. Ungefähr um vier Uhr nachmittags begann der Zuzug: zerſtreute Schwärme wendeten ſich heimwärts. Jhnen folgten bald ſtärkere, und im Verlauf einer halben Stunde war der Zug in vollem Gange. Jch fand ſehr bald, daß es mir unmöglich wurde, die Flüge noch zu zählen; denn ſie ver- einigten ſich zu einem lebendigen brauſenden Strome. Einzelne flogen hoch in der Luft bis gerade über ihre Schlafplätze und ſtürzten ſich dann plötzlich unter verſchiedenen Wendungen bis auf die Kronen der Bäume herab; andere ſchwärmten längs des Bodens dahin, ſo dicht über ihn, daß ſie faſt mein Antlitz ſtreiften. Sie eilten vorüber mit der Schnelligkeit des Gedankens, und ihr glänzendes Gefieder leuchtete mit prächtigem Schimmer im Strahl der Sonne. Jch wartete auf meinem Schaupunkte, bis der Abend hereinbrach und konnte, nachdem ich Nichts mehr zu ſehen vermochte, noch lange die ihrer Herberge zufliegenden Vögel vernehmen. Als ich einen Schuß ab- feuerte, erhoben ſie ſich mit einem Geräuſch, gleich dem Rauſchen eines gewaltigen Windes; bald aber ſetzten ſie ſich wieder feſt, und es begann nun ſolch ein Getöſe, daß ich es niemals ver- geſſen werde. Das ſchrillende Geſchrei der Vögel, das flatternde Geräuſch ihrer Schwingen, das Raſſeln der Blätter auf den Palmen war ſo betäubend, daß ich mich herzlich freute, als ich, glück- lich entronnen, mein Haus wieder erreicht hatte.‟ Nächſt einem geſicherten Schlafplatze ſind dichte Baumkronen ein Haupterforderniß für das Wohlbehagen der Papageien. Es kommt ihnen weniger auf Schutz gegen die Witterung, als auf gute Verſteckplätze an. Allerdings lieben ſie die Wärme vor Allem; ſie ſcheuen jedoch auch die Kühle nicht gerade und noch weniger die Näſſe, wenigſtens zeitweilig. „Bei den heftigen tropi- ſchen Gewitterregen, welche zuweilen die Luft verdunkeln‟, ſagt der Prinz, „ſieht man die Papageien oft unbeweglich auf den höchſten dürren Aſtſpitzen der Bäume ſitzen, und munter erſchallt ihre Stimme, während das Waſſer von ihnen herabfließt. Dichtes Laub und dicke Baumäſte, wo ſie Schutz finden könnten, mögen in der Nähe ſein; allein ſie ziehen den warmen Gewitterregen vor und ſcheinen ſich darin zu gefallen. Sobald aber der Regen vorüber iſt, ſuchen ſie ſogleich ihre feſten Federn von der Näſſe zu befreien.‟ Anders iſt es bei gutem Wetter. Dann bevorzugen ſie die dich- teſten Bäume entſchieden, ſei es, um ſich vor den Sonnenſtrahlen zu ſchützen, ſei es, um ſich zu verber- gen. Das letztere thun ſie gewiß, ſobald ſie irgend welche Gefahr ahnen. Sie wiſſen, welchen Schutz ihnen, den in die Blattfarbe Gekleideten, eine dichtbelaubte Baumkrone gewährt. Es iſt gar nicht leicht, in ihr Papageien zu bemerken. Man weiß, daß vielleicht ihrer funfzig auf einem Baume verſammelt ſind und ſieht keinen einzigen! Beim Verſteckenſpielen kommt nicht blos die Blätterfarbe des Gefieders, ſondern auch die faſt allen Papageien eigene Liſt zur Geltung. Sie wollen nicht ge- ſehen werden. Einer der Geſellſchaft hat den ſich nahenden Feind rechtzeitig bemerkt; er gibt ein Zeichen, alle übrigen ſchweigen ſofort ſtill, ziehen ſich in die Mitte der Krone zurück, gewinnen, laut- los weiter kletternd, die dem Feinde entgegengeſetzte Seite des Wipfels, fliegen weg und laſſen erſt, wenn ſie bereits gegen hundert Schritte zurückgelegt haben, ihre Stimme vernehmen, — wie es ſcheinen will, mehr zum Hohne des glücklich getäuſchten Widerſachers, als um Andere der Geſellſchaft zu locken. Solch feines Spiel treiben ſie namentlich dann, wenn ſie ſich, um zu freſſen, auf einem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/22>, abgerufen am 25.11.2024.