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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Sperlingsvögel. Papageifinken.

Bald nach seiner Ankunft sieht man ihn gepaart, und nun beginnen eifersüchtige Kämpfe zwischen
den Männchen. Sie sind so streitlustig, daß sie sich mit Wuth auf jeden Eindringling in ihr Gehege
stürzen, ihm unter schrillem Geschrei von Busch zu Busch folgen, heftig in der Luft mit ihm fechten
und nicht eher ruhen, als bis der Fremde ihr Gehege verlassen hat. Dann pflegen sie zurückzukehren
und ihrer Freude in schmetterndem Gesang Ausdruck zu geben. Die Anhänglichkeit der Gatten ist
sehr groß. "Als ich", sagt Audubon, "gegen Abend eines Februartages das Männchen eines
Paares im Stellbauer gefangen hatte, saß am andern Morgen das Weibchen dicht neben dem Gefan-
genen, und später fing es sich auch noch."

Der Nistplatz ist ein Busch, ein Baum nahe am Gehöft, inmitten des Feldes, am Waldrande
oder im Dickicht, je nach Gelegenheit. Ein Flußufer scheint zu den erwünschtesten Brutorten zu
gehören. Nicht selten findet man das Rest in unmittelbarer Nähe eines Bauernhauses und oft nur
wenige Ellen entfernt von dem eines Spottvogels. Es besteht aus trockenen Blättern und Zweigen,
namentlich stacheligen Reisern, welche mit Halmen und Rebenschlingen verbunden sind. Die Mulde
wird mit zarten Grashalmen ausgelegt. Vier bis sechs Eier von schmuzig weißer Farbe, über und
über mit olivenbraunen Flecken gezeichnet, bilden das Gelege. Sie haben Aehnlichkeit in der Färbung
mit denen der Kalanderlerche oder mit denen unseres gemeinen Haussperlings, ändern aber
sehr ab: Gerhardt versichert, daß man fast niemals ein Gelege finde, in welchem alle von gleicher
Färbung wären.

Jn den nördlicheren Staaten brütet der Kardinal selten mehr als ein Mal, in den südlichen zu-
weilen drei Mal im Jahre. Die Jungen werden nur wenige Tage von ihren Eltern geführt, dann
aber ihrem Schicksale überlassen. Allerlei Körner, Getreide- und Grassämereien, Beeren und wahr-
scheinlich auch Kerbthiere bilden ihre Nahrung. Jm Frühling verzehren sie die Blüthen des Zucker-
ahorns, im Sommer Holderbeeren, nebenbei jagen sie eifrig nach Käfern, Schmetterlingen, Heuschrecken,
Raupen und andern Kerbthieren. Nach Wilson soll Mais ihre Hauptnahrung sein, und sie außer-
dem den Kirschen, Aepfeln und Beeren der Kerne wegen sehr nachgehen, auch den Bienen zuweilen in
unerwünschter Weise nachstellen.

Die amerikanischen Forscher rühmen ziemlich einstimmig den Gesang unseres Kernbeißers, die
europäischen Beobachter hingegen und zumal die deutschen finden nicht, daß das Lied des Vogels
begeistern könne. "Die Meinung", sagt Wilson, "welche so gewöhnlich in Europa ist, daß der
Sang in den Wäldern Amerikas sich mit den Vogelliedern der europäischen Waldungen nicht ver-
gleichen ließ, kann ich nicht für richtig halten. Wir können keinen Vergleich ziehen zwischen der Tiefe
der Waldungen Amerikas und den bebauten Feldern Englands; denn es ist eine wohlbekannte Sache,
daß die Singvögel sich selten in ersteren finden. Laßt uns aber gleiche Oertlichkeiten der vereinigten
Staaten und Europas mit einander vergleichen, und man wird finden, daß gerade die Westhälfte be-
vorzugt ist. Die wenigen von unsern Singvögeln, welche nach Europa hinüber gebracht worden sind,
haben dort die besten Kenner wegen ihres Gesangs in Verwunderung gesetzt."

"Die Töne des Kardinals sind denen der Nachtigall vollständig gleich, und diese Töne, so klar
und ausgezeichnet sie auch sein mögen, stehen doch noch weit unter denen der Walddrossel und ebenso
unter denen der Braundrossel. Unser unnachahmlicher Spottvogel ist ebenso der Nachtigall eben-
bürtig anerkannt, und sie alle sind noch nicht der zehnte Theil unserer Singvögel. Könnten die
Europäer an einem Maiabend gegen Sonnenuntergang an unsern Waldsäumen auf den Vogelgesang
lauschen: sie würden wahrhaftig zufrieden sein. Man hat den Kernbeißer oft die virginische Nach-
tigall
genannt, und er verdient seinen Namen wegen der Klarheit und Verschiedenheit seiner Töne,
welche ebenso wechselnd, als klangvoll sind und vom März bis zum September vernommen werden."

"Der Gesang", sagt Audubon, "ist zuerst laut und klar und erinnert an die schönsten Töne
des Flagoletts, mehr und mehr aber sinkt er herab, bis er gänzlich erstirbt. Während der Zeit der
Liebe wird das Lied dieses prachtvollen Sängers mit großer Macht vorgetragen. Er ist sich seiner
Kraft bewußt, schwellt seine Brust, breitet seinen rosigen Schwanz, schlägt mit seinen Flügeln und

Die Knacker. Sperlingsvögel. Papageifinken.

Bald nach ſeiner Ankunft ſieht man ihn gepaart, und nun beginnen eiferſüchtige Kämpfe zwiſchen
den Männchen. Sie ſind ſo ſtreitluſtig, daß ſie ſich mit Wuth auf jeden Eindringling in ihr Gehege
ſtürzen, ihm unter ſchrillem Geſchrei von Buſch zu Buſch folgen, heftig in der Luft mit ihm fechten
und nicht eher ruhen, als bis der Fremde ihr Gehege verlaſſen hat. Dann pflegen ſie zurückzukehren
und ihrer Freude in ſchmetterndem Geſang Ausdruck zu geben. Die Anhänglichkeit der Gatten iſt
ſehr groß. „Als ich‟, ſagt Audubon, „gegen Abend eines Februartages das Männchen eines
Paares im Stellbauer gefangen hatte, ſaß am andern Morgen das Weibchen dicht neben dem Gefan-
genen, und ſpäter fing es ſich auch noch.‟

Der Niſtplatz iſt ein Buſch, ein Baum nahe am Gehöft, inmitten des Feldes, am Waldrande
oder im Dickicht, je nach Gelegenheit. Ein Flußufer ſcheint zu den erwünſchteſten Brutorten zu
gehören. Nicht ſelten findet man das Reſt in unmittelbarer Nähe eines Bauernhauſes und oft nur
wenige Ellen entfernt von dem eines Spottvogels. Es beſteht aus trockenen Blättern und Zweigen,
namentlich ſtacheligen Reiſern, welche mit Halmen und Rebenſchlingen verbunden ſind. Die Mulde
wird mit zarten Grashalmen ausgelegt. Vier bis ſechs Eier von ſchmuzig weißer Farbe, über und
über mit olivenbraunen Flecken gezeichnet, bilden das Gelege. Sie haben Aehnlichkeit in der Färbung
mit denen der Kalanderlerche oder mit denen unſeres gemeinen Hausſperlings, ändern aber
ſehr ab: Gerhardt verſichert, daß man faſt niemals ein Gelege finde, in welchem alle von gleicher
Färbung wären.

Jn den nördlicheren Staaten brütet der Kardinal ſelten mehr als ein Mal, in den ſüdlichen zu-
weilen drei Mal im Jahre. Die Jungen werden nur wenige Tage von ihren Eltern geführt, dann
aber ihrem Schickſale überlaſſen. Allerlei Körner, Getreide- und Grasſämereien, Beeren und wahr-
ſcheinlich auch Kerbthiere bilden ihre Nahrung. Jm Frühling verzehren ſie die Blüthen des Zucker-
ahorns, im Sommer Holderbeeren, nebenbei jagen ſie eifrig nach Käfern, Schmetterlingen, Heuſchrecken,
Raupen und andern Kerbthieren. Nach Wilſon ſoll Mais ihre Hauptnahrung ſein, und ſie außer-
dem den Kirſchen, Aepfeln und Beeren der Kerne wegen ſehr nachgehen, auch den Bienen zuweilen in
unerwünſchter Weiſe nachſtellen.

Die amerikaniſchen Forſcher rühmen ziemlich einſtimmig den Geſang unſeres Kernbeißers, die
europäiſchen Beobachter hingegen und zumal die deutſchen finden nicht, daß das Lied des Vogels
begeiſtern könne. „Die Meinung‟, ſagt Wilſon, „welche ſo gewöhnlich in Europa iſt, daß der
Sang in den Wäldern Amerikas ſich mit den Vogelliedern der europäiſchen Waldungen nicht ver-
gleichen ließ, kann ich nicht für richtig halten. Wir können keinen Vergleich ziehen zwiſchen der Tiefe
der Waldungen Amerikas und den bebauten Feldern Englands; denn es iſt eine wohlbekannte Sache,
daß die Singvögel ſich ſelten in erſteren finden. Laßt uns aber gleiche Oertlichkeiten der vereinigten
Staaten und Europas mit einander vergleichen, und man wird finden, daß gerade die Weſthälfte be-
vorzugt iſt. Die wenigen von unſern Singvögeln, welche nach Europa hinüber gebracht worden ſind,
haben dort die beſten Kenner wegen ihres Geſangs in Verwunderung geſetzt.‟

„Die Töne des Kardinals ſind denen der Nachtigall vollſtändig gleich, und dieſe Töne, ſo klar
und ausgezeichnet ſie auch ſein mögen, ſtehen doch noch weit unter denen der Walddroſſel und ebenſo
unter denen der Braundroſſel. Unſer unnachahmlicher Spottvogel iſt ebenſo der Nachtigall eben-
bürtig anerkannt, und ſie alle ſind noch nicht der zehnte Theil unſerer Singvögel. Könnten die
Europäer an einem Maiabend gegen Sonnenuntergang an unſern Waldſäumen auf den Vogelgeſang
lauſchen: ſie würden wahrhaftig zufrieden ſein. Man hat den Kernbeißer oft die virginiſche Nach-
tigall
genannt, und er verdient ſeinen Namen wegen der Klarheit und Verſchiedenheit ſeiner Töne,
welche ebenſo wechſelnd, als klangvoll ſind und vom März bis zum September vernommen werden.‟

„Der Geſang‟, ſagt Audubon, „iſt zuerſt laut und klar und erinnert an die ſchönſten Töne
des Flagoletts, mehr und mehr aber ſinkt er herab, bis er gänzlich erſtirbt. Während der Zeit der
Liebe wird das Lied dieſes prachtvollen Sängers mit großer Macht vorgetragen. Er iſt ſich ſeiner
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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/202>, abgerufen am 22.11.2024.