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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge.
erzväterlicher Sitte, von Ochsen, Pferden und Maulthieren, die man an einer Leine im Kreise umher-
treibt, mit den Füßen ausgetreten wird. Dergleichen Tennen sind ein Sammelplatz vieler körner-
fressenden Vögel, die sich massenhaft daselbst einfinden, um in dem zertretenen Stroh nach übrig-
gebliebenem Getreide zu suchen. Der Ueberfluß an Nahrung hat nun auch die Sperlinge hierher
eingeladen, und sie brüten jetzt gesellschaftlich, wie die unserigen Das in dicht verzweigten Bäumen
oft genug zu thun pflegen, in den Orangenkronen des Gartens oder auch hin und wieder in einzelnen
Mauerlöchern, die gar nicht einmal sehr hoch zu sein brauchen." An einer andern Stelle sah Bolle
Sumpfsperlinge, welche sich zu Hunderten unter dem Dache einer Kirche angesiedelt hatten.

Es ist nicht eben leicht, im übrigen das Betragen des Sumpfsperlings zu schildern; denn er
ähnelt dem Haussperling in seinem Leben und Treiben sehr. Doch muß ich Homeyer beistimmen,
wenn er sagt, daß der Flug unserer Vögel schneller ist, als der unseres Spatzes, und namentlich, daß
sich der Sumpfsperling im Fluge dicht geschlossen hält, was kein anderer Sperling thut. Jn Egypten
bildet er, wenn er von den Reisfeldern aufschwirrt, förmliche Wolken. Die einzelnen Vögel fliegen
so dicht neben einander, daß man mit einem einzigen Schusse Massen herabdonnern kann. Jch selbst
erlegte aus einem auffliegenden Schwarm mit einem Doppelschusse 56 Stück von ihm, d. h. ich fand
so viel von den herabgestürzten auf und verwundete vielleicht noch ein paar Dutzend mehr. Auch die
Stimme unterscheidet den Sumpfsperling von seinem hausliebenden Verwandten, ich fühle mich aber
außer Stande, diesen Unterschied mit Worten auszudrücken. Homeyer, welcher hierfür entschieden ein
feineres Ohr besitzt, als ich, gibt an, daß die Stimme des Sumpfsperlings stärker, reiner und wohl
auch manchfaltiger sei, als das bekannte Geschelte des Haussperlings, daß ihr aber auch wieder ein-
zelne, dem letzteren eigenthümliche Laute fehlten. "Eine große Verschiedenheit derselben", sagt er, "ist
aus bekannten Gründen bei allen Sperlingen überhaupt nicht zu erwarten; doch glaube ich, der
Stimme nach, unsern Vogel sicherer vom Hausspatz unterscheiden zu können, als manche andere nahe
stehenden Finken, so z. B. die hiesigen Kreuzschnäbel, welche dennoch als unbestrittene Arten be-
trachtet werden. Jch kann insofern genau über diesen Unterschied urtheilen, als ich zwei Sumpfsper-
linge aus Algier, einen Haussperling und einen Feldsperling zusammen im Käfig habe."

Jn geistiger Hinsicht dürfte der Sumpfsperling seinem Vetter wohl ziemlich gleichkommen. Mir
ist aufgefallen, daß der erstere immer scheuer und ängstlicher war, als der Hausspatz, wahrscheinlich
blos aus dem Grunde, weil dieser sich inniger mit dem Menschen vertraut gemacht hat.

Auf den kanarischen Jnseln und in Egypten beginnt die Brutzeit des Sumpfsperlings im Fe-
bruar, spätestens zu Anfang des März. Jm Delta waren in den angegebenen Monaten alle Palmen-
kronen mit Nestern bedeckt, aber auch alle Höhlungen in den Stämmen dieser Bäume von nistenden
Sumpfsperlingen bevölkert. Das Nest unterscheidet sich von dem unseres Haussperlings nicht: es ist
ein ebenso liederlicher und willkürlicher Bau, wie ihn der Hausspatz aufzutragen und zu schichten
pflegt. Die Eier ähneln denen unseres Feldsperlings in so hohem Grade, daß diejenigen, welche ich
mitbrachte, von den tüchtigsten Kennern mit Feldsperlingseiern verwechselt werden konnten. Jm Mai
ist die erste Brut bereits selbständig geworden, und die Alten schreiten dann zu einer zweiten und viel-
leicht später noch zu einer dritten.

Der Sumpfsperling ist nirgends beliebt, und man hat auch wohl Grund zu einer ungünstigen
Meinung über ihn. Jn den Reisfeldern Egyptens verursacht er, seiner erstaunlichen Menge wegen,
großen Schaden; auf den kanarischen Jnseln ärgert er die Leute in anderer Weise.

"Jm Sommer", sagt Bolle, "werden diese Sperlinge zu einer Plage für die Hauptstadt Cana-
rias. Es besitzt dieselbe einen anmuthigen, obwohl nicht großen, mit Platanen bepflanzten öffent-
lichen Spaziergang voller Springbrunnen und Blumen. Hier pflegt sich allabendlich die schöne Welt
zusammenzufinden, um sich zu ergehen und die Kühlung zu genießen. Ringsum tönt Musik aus er-
leuchteten Fenstern; das Wasser in den Marmorbecken, von Mirtenhecken umgeben, glänzt im Strahle
der Lichter. Man glaubt, den Schauplatz einer Romanze von Heinrich Heine verkörpert vor sich zu
sehen. Da regt es sich auf einmal in den hohen, geheimnißvoll flüsternden Baumwipfeln. Das Heer

Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge.
erzväterlicher Sitte, von Ochſen, Pferden und Maulthieren, die man an einer Leine im Kreiſe umher-
treibt, mit den Füßen ausgetreten wird. Dergleichen Tennen ſind ein Sammelplatz vieler körner-
freſſenden Vögel, die ſich maſſenhaft daſelbſt einfinden, um in dem zertretenen Stroh nach übrig-
gebliebenem Getreide zu ſuchen. Der Ueberfluß an Nahrung hat nun auch die Sperlinge hierher
eingeladen, und ſie brüten jetzt geſellſchaftlich, wie die unſerigen Das in dicht verzweigten Bäumen
oft genug zu thun pflegen, in den Orangenkronen des Gartens oder auch hin und wieder in einzelnen
Mauerlöchern, die gar nicht einmal ſehr hoch zu ſein brauchen.‟ An einer andern Stelle ſah Bolle
Sumpfſperlinge, welche ſich zu Hunderten unter dem Dache einer Kirche angeſiedelt hatten.

Es iſt nicht eben leicht, im übrigen das Betragen des Sumpfſperlings zu ſchildern; denn er
ähnelt dem Hausſperling in ſeinem Leben und Treiben ſehr. Doch muß ich Homeyer beiſtimmen,
wenn er ſagt, daß der Flug unſerer Vögel ſchneller iſt, als der unſeres Spatzes, und namentlich, daß
ſich der Sumpfſperling im Fluge dicht geſchloſſen hält, was kein anderer Sperling thut. Jn Egypten
bildet er, wenn er von den Reisfeldern aufſchwirrt, förmliche Wolken. Die einzelnen Vögel fliegen
ſo dicht neben einander, daß man mit einem einzigen Schuſſe Maſſen herabdonnern kann. Jch ſelbſt
erlegte aus einem auffliegenden Schwarm mit einem Doppelſchuſſe 56 Stück von ihm, d. h. ich fand
ſo viel von den herabgeſtürzten auf und verwundete vielleicht noch ein paar Dutzend mehr. Auch die
Stimme unterſcheidet den Sumpfſperling von ſeinem hausliebenden Verwandten, ich fühle mich aber
außer Stande, dieſen Unterſchied mit Worten auszudrücken. Homeyer, welcher hierfür entſchieden ein
feineres Ohr beſitzt, als ich, gibt an, daß die Stimme des Sumpfſperlings ſtärker, reiner und wohl
auch manchfaltiger ſei, als das bekannte Geſchelte des Hausſperlings, daß ihr aber auch wieder ein-
zelne, dem letzteren eigenthümliche Laute fehlten. „Eine große Verſchiedenheit derſelben‟, ſagt er, „iſt
aus bekannten Gründen bei allen Sperlingen überhaupt nicht zu erwarten; doch glaube ich, der
Stimme nach, unſern Vogel ſicherer vom Hausſpatz unterſcheiden zu können, als manche andere nahe
ſtehenden Finken, ſo z. B. die hieſigen Kreuzſchnäbel, welche dennoch als unbeſtrittene Arten be-
trachtet werden. Jch kann inſofern genau über dieſen Unterſchied urtheilen, als ich zwei Sumpfſper-
linge aus Algier, einen Hausſperling und einen Feldſperling zuſammen im Käfig habe.‟

Jn geiſtiger Hinſicht dürfte der Sumpfſperling ſeinem Vetter wohl ziemlich gleichkommen. Mir
iſt aufgefallen, daß der erſtere immer ſcheuer und ängſtlicher war, als der Hausſpatz, wahrſcheinlich
blos aus dem Grunde, weil dieſer ſich inniger mit dem Menſchen vertraut gemacht hat.

Auf den kanariſchen Jnſeln und in Egypten beginnt die Brutzeit des Sumpfſperlings im Fe-
bruar, ſpäteſtens zu Anfang des März. Jm Delta waren in den angegebenen Monaten alle Palmen-
kronen mit Neſtern bedeckt, aber auch alle Höhlungen in den Stämmen dieſer Bäume von niſtenden
Sumpfſperlingen bevölkert. Das Neſt unterſcheidet ſich von dem unſeres Hausſperlings nicht: es iſt
ein ebenſo liederlicher und willkürlicher Bau, wie ihn der Hausſpatz aufzutragen und zu ſchichten
pflegt. Die Eier ähneln denen unſeres Feldſperlings in ſo hohem Grade, daß diejenigen, welche ich
mitbrachte, von den tüchtigſten Kennern mit Feldſperlingseiern verwechſelt werden konnten. Jm Mai
iſt die erſte Brut bereits ſelbſtändig geworden, und die Alten ſchreiten dann zu einer zweiten und viel-
leicht ſpäter noch zu einer dritten.

Der Sumpfſperling iſt nirgends beliebt, und man hat auch wohl Grund zu einer ungünſtigen
Meinung über ihn. Jn den Reisfeldern Egyptens verurſacht er, ſeiner erſtaunlichen Menge wegen,
großen Schaden; auf den kanariſchen Jnſeln ärgert er die Leute in anderer Weiſe.

„Jm Sommer‟, ſagt Bolle, „werden dieſe Sperlinge zu einer Plage für die Hauptſtadt Cana-
rias. Es beſitzt dieſelbe einen anmuthigen, obwohl nicht großen, mit Platanen bepflanzten öffent-
lichen Spaziergang voller Springbrunnen und Blumen. Hier pflegt ſich allabendlich die ſchöne Welt
zuſammenzufinden, um ſich zu ergehen und die Kühlung zu genießen. Ringsum tönt Muſik aus er-
leuchteten Fenſtern; das Waſſer in den Marmorbecken, von Mirtenhecken umgeben, glänzt im Strahle
der Lichter. Man glaubt, den Schauplatz einer Romanze von Heinrich Heine verkörpert vor ſich zu
ſehen. Da regt es ſich auf einmal in den hohen, geheimnißvoll flüſternden Baumwipfeln. Das Heer

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[164/0184] Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge. erzväterlicher Sitte, von Ochſen, Pferden und Maulthieren, die man an einer Leine im Kreiſe umher- treibt, mit den Füßen ausgetreten wird. Dergleichen Tennen ſind ein Sammelplatz vieler körner- freſſenden Vögel, die ſich maſſenhaft daſelbſt einfinden, um in dem zertretenen Stroh nach übrig- gebliebenem Getreide zu ſuchen. Der Ueberfluß an Nahrung hat nun auch die Sperlinge hierher eingeladen, und ſie brüten jetzt geſellſchaftlich, wie die unſerigen Das in dicht verzweigten Bäumen oft genug zu thun pflegen, in den Orangenkronen des Gartens oder auch hin und wieder in einzelnen Mauerlöchern, die gar nicht einmal ſehr hoch zu ſein brauchen.‟ An einer andern Stelle ſah Bolle Sumpfſperlinge, welche ſich zu Hunderten unter dem Dache einer Kirche angeſiedelt hatten. Es iſt nicht eben leicht, im übrigen das Betragen des Sumpfſperlings zu ſchildern; denn er ähnelt dem Hausſperling in ſeinem Leben und Treiben ſehr. Doch muß ich Homeyer beiſtimmen, wenn er ſagt, daß der Flug unſerer Vögel ſchneller iſt, als der unſeres Spatzes, und namentlich, daß ſich der Sumpfſperling im Fluge dicht geſchloſſen hält, was kein anderer Sperling thut. Jn Egypten bildet er, wenn er von den Reisfeldern aufſchwirrt, förmliche Wolken. Die einzelnen Vögel fliegen ſo dicht neben einander, daß man mit einem einzigen Schuſſe Maſſen herabdonnern kann. Jch ſelbſt erlegte aus einem auffliegenden Schwarm mit einem Doppelſchuſſe 56 Stück von ihm, d. h. ich fand ſo viel von den herabgeſtürzten auf und verwundete vielleicht noch ein paar Dutzend mehr. Auch die Stimme unterſcheidet den Sumpfſperling von ſeinem hausliebenden Verwandten, ich fühle mich aber außer Stande, dieſen Unterſchied mit Worten auszudrücken. Homeyer, welcher hierfür entſchieden ein feineres Ohr beſitzt, als ich, gibt an, daß die Stimme des Sumpfſperlings ſtärker, reiner und wohl auch manchfaltiger ſei, als das bekannte Geſchelte des Hausſperlings, daß ihr aber auch wieder ein- zelne, dem letzteren eigenthümliche Laute fehlten. „Eine große Verſchiedenheit derſelben‟, ſagt er, „iſt aus bekannten Gründen bei allen Sperlingen überhaupt nicht zu erwarten; doch glaube ich, der Stimme nach, unſern Vogel ſicherer vom Hausſpatz unterſcheiden zu können, als manche andere nahe ſtehenden Finken, ſo z. B. die hieſigen Kreuzſchnäbel, welche dennoch als unbeſtrittene Arten be- trachtet werden. Jch kann inſofern genau über dieſen Unterſchied urtheilen, als ich zwei Sumpfſper- linge aus Algier, einen Hausſperling und einen Feldſperling zuſammen im Käfig habe.‟ Jn geiſtiger Hinſicht dürfte der Sumpfſperling ſeinem Vetter wohl ziemlich gleichkommen. Mir iſt aufgefallen, daß der erſtere immer ſcheuer und ängſtlicher war, als der Hausſpatz, wahrſcheinlich blos aus dem Grunde, weil dieſer ſich inniger mit dem Menſchen vertraut gemacht hat. Auf den kanariſchen Jnſeln und in Egypten beginnt die Brutzeit des Sumpfſperlings im Fe- bruar, ſpäteſtens zu Anfang des März. Jm Delta waren in den angegebenen Monaten alle Palmen- kronen mit Neſtern bedeckt, aber auch alle Höhlungen in den Stämmen dieſer Bäume von niſtenden Sumpfſperlingen bevölkert. Das Neſt unterſcheidet ſich von dem unſeres Hausſperlings nicht: es iſt ein ebenſo liederlicher und willkürlicher Bau, wie ihn der Hausſpatz aufzutragen und zu ſchichten pflegt. Die Eier ähneln denen unſeres Feldſperlings in ſo hohem Grade, daß diejenigen, welche ich mitbrachte, von den tüchtigſten Kennern mit Feldſperlingseiern verwechſelt werden konnten. Jm Mai iſt die erſte Brut bereits ſelbſtändig geworden, und die Alten ſchreiten dann zu einer zweiten und viel- leicht ſpäter noch zu einer dritten. Der Sumpfſperling iſt nirgends beliebt, und man hat auch wohl Grund zu einer ungünſtigen Meinung über ihn. Jn den Reisfeldern Egyptens verurſacht er, ſeiner erſtaunlichen Menge wegen, großen Schaden; auf den kanariſchen Jnſeln ärgert er die Leute in anderer Weiſe. „Jm Sommer‟, ſagt Bolle, „werden dieſe Sperlinge zu einer Plage für die Hauptſtadt Cana- rias. Es beſitzt dieſelbe einen anmuthigen, obwohl nicht großen, mit Platanen bepflanzten öffent- lichen Spaziergang voller Springbrunnen und Blumen. Hier pflegt ſich allabendlich die ſchöne Welt zuſammenzufinden, um ſich zu ergehen und die Kühlung zu genießen. Ringsum tönt Muſik aus er- leuchteten Fenſtern; das Waſſer in den Marmorbecken, von Mirtenhecken umgeben, glänzt im Strahle der Lichter. Man glaubt, den Schauplatz einer Romanze von Heinrich Heine verkörpert vor ſich zu ſehen. Da regt es ſich auf einmal in den hohen, geheimnißvoll flüſternden Baumwipfeln. Das Heer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/184>, abgerufen am 27.04.2024.