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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge.
man von Zeit zu Zeit, nimmt alle flüggen Vögel aus, bratet sie an dünnen Spießen und schätzt sie als
Leckerbissen.

Zur Zeit des alten Geßner wußte man den Sperling noch ganz anders zu benutzen; auch er
wurde, wie so viele andere Thiere, vielfach in der Heilwissenschaft verwandt. "Zween Löffel voll
Aschen von gebrennten Spatzen auß Wassermät getrunken, genehrt die Gelbsucht. Diese von jungen
mit Essig auff die Zän geriben, benimbt den schmertzen derselbigen, als Plinius außweiset. -- Die
Hirn so man in der Arznei braucht, söllen von den Vögeln die in Häuser nisten, genommen werden zu
Herbstzeit, oder im Frühling, welche man enthäuptet, ihr Hirn auß ihnen nimbt, und in ein rein Ge-
schirr legt; man reinigt aber die von jrem vmbgehenden Häutlein; man thut auch allwegen zu zehen
Hirnen ein Eyerdotter von einem newen Henneney, so erst vom Hauen bedeckt ist worden. Vnd so du
diß vermischet hast, so trockne es in einer Blatten auf warmer Aschen, darnach derr es an der Sonnen,
oder stell es wiederumb zu dem Fewer. Etliche machen diese Artzney ohn Eyerdotter, Andere brauchen
gantz frische Hirn. Vber dieß thun etliche vnder die Hirn vnd Eier ein wenig Honig, vnd stellen diß
also dick zum Fewer, als Bulcasis ausweiset. Die Hirn nimbt man von denen Spatzen so newlich
getödt sind, die wascht vnd seubert man. Auß diesen werden zehen mit einem Eyerdotter vermengt,
ein wenig ob dem Fewer gekocht, darnach an der Sonnen oder ob dem Fewer gederrt, vnd ein wenig
Honig, wenn du wilt, darzu gethan. Spatzenmist benimmt die Laubflecken des Angesichts. Dieser
Koot mit öl gewärmet, in das nechst rat darbey gegossen, benimbt das Zanwehe, es kützelt aber dich
sehr, sagt Plinius. Der mit Schweinenschmaltz auffgestrichen, benimbt die Hauptsucht, darvon das
Haar außfällt, vnd bricht das Wildfewer, sagt Rasis. Für die Würm der Habichen vermischen
etliche Spatzenmist vnder ein Artzney."

Es ist nicht eben leicht, den Sperling zu erbeuten. So zudringlich er sich zeigt, so sorgfältig
achtet er seiner Sicherheit. Er kennt seine Feinde sehr wohl und weiß, daß der Feinde schlimmster
sein Brodherr ist; deshalb ist all seine Zuneigung und Freundschaft zu letzterem blos eine scheinbare:
er traut ihm nie. Kein anderer Vogel gibt sich so große Mühe, das Wesen des Menschen zu ergrün-
den, als Dies der Sperling thut, welcher auch bei dem vertraulichsten Umgang mit dem Gebieter der
Erde sein Heil zu wahren weiß. Der Verstand des Vogels und sein merkwürdiges Gedächtniß hilft
ihm über so Vieles hinweg, was Andern verderblich wird. Er fürchtet beständige Tücke und Hinterlist
und betrachtet das einfachste Ding mit scheelem Auge, bis er sich überzeugt hat, ob wohl eine Falle
dahinterstecke oder nicht. Eine seiner Art angethane Unbill läuft überlieferungsweise unter dem Volke
fort und wird so leicht nicht vergessen, wiederholte Beweise von freundschaftlicher Gesinnung dagegen
werden dankbar anerkannt, jedoch keineswegs mit rücksichtslosem Vertrauen erwiedert. Man kann
die Sperlinge dahin bringen, daß sie Futter vor den Fenstern auflesen, gewiß aber nicht gewöhnen, daß
sie das Futter aus der Hand des Gebers nehmen. Gestellte Fallen weiß der Spatz sicher zu meiden;
leere Drohungen verachtet er nicht minder: der Strohmann oder die Klappermühle, bunte Federn und
Lappen, welche über die Beete gespannt sind, halten ihn wohl ein oder zwei Tage ab, durchaus aber
nicht für immer. Es ist unverkennbar, daß der Sperling sich anders benimmt, je nach der Oertlich-
keit, welche er bewohnt und je nach den Menschen, mit denen er es zu thun hat. Man muß also, will
man des Vogels in Menge habhaft werden, neue Listen und Kniffe ersinnen. Demungeachtet kommt
man durch Zufall oft genug in Besitz der häufigen Vögel: ihre Dreistigkeit oder die Unvorsichtigkeit
der Jungen wird ihnen zum Verderben.

Für das Gebauer eignen sich solche Gefangene nicht. Von den guten Eigenschaften der frei-
lebenden Sperlinge bemerkt man an den Gefangenen wenig oder Nichts. Sie werden niemals ordent-
lich zahm und können auch nicht wohl in den Gesellschaftsbauer gebracht werden, weil sie ihre Mit-
gefangenen in der rohesten Weise zu mißhandeln pflegen. --

Lichtenstein scheint der erste Vogelkundige gewesen zu sein, welcher die Meinung aufgestellt
hat, daß alle Sperlinge, welche südlichere Gegenden der alten Welt bewohnen, nur als Abänderungen
unseres Hausspatzes betrachtet werden müßten. Naumann, welcher nicht selbst im Stande war, die

Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge.
man von Zeit zu Zeit, nimmt alle flüggen Vögel aus, bratet ſie an dünnen Spießen und ſchätzt ſie als
Leckerbiſſen.

Zur Zeit des alten Geßner wußte man den Sperling noch ganz anders zu benutzen; auch er
wurde, wie ſo viele andere Thiere, vielfach in der Heilwiſſenſchaft verwandt. „Zween Löffel voll
Aſchen von gebrennten Spatzen auß Waſſermät getrunken, genehrt die Gelbſucht. Dieſe von jungen
mit Eſſig auff die Zän geriben, benimbt den ſchmertzen derſelbigen, als Plinius außweiſet. — Die
Hirn ſo man in der Arznei braucht, ſöllen von den Vögeln die in Häuſer niſten, genommen werden zu
Herbſtzeit, oder im Frühling, welche man enthäuptet, ihr Hirn auß ihnen nimbt, und in ein rein Ge-
ſchirr legt; man reinigt aber die von jrem vmbgehenden Häutlein; man thut auch allwegen zu zehen
Hirnen ein Eyerdotter von einem newen Henneney, ſo erſt vom Hauen bedeckt iſt worden. Vnd ſo du
diß vermiſchet haſt, ſo trockne es in einer Blatten auf warmer Aſchen, darnach derr es an der Sonnen,
oder ſtell es wiederumb zu dem Fewer. Etliche machen dieſe Artzney ohn Eyerdotter, Andere brauchen
gantz friſche Hirn. Vber dieß thun etliche vnder die Hirn vnd Eier ein wenig Honig, vnd ſtellen diß
alſo dick zum Fewer, als Bulcaſis ausweiſet. Die Hirn nimbt man von denen Spatzen ſo newlich
getödt ſind, die waſcht vnd ſeubert man. Auß dieſen werden zehen mit einem Eyerdotter vermengt,
ein wenig ob dem Fewer gekocht, darnach an der Sonnen oder ob dem Fewer gederrt, vnd ein wenig
Honig, wenn du wilt, darzu gethan. Spatzenmiſt benimmt die Laubflecken des Angeſichts. Dieſer
Koot mit öl gewärmet, in das nechſt rat darbey gegoſſen, benimbt das Zanwehe, es kützelt aber dich
ſehr, ſagt Plinius. Der mit Schweinenſchmaltz auffgeſtrichen, benimbt die Hauptſucht, darvon das
Haar außfällt, vnd bricht das Wildfewer, ſagt Raſis. Für die Würm der Habichen vermiſchen
etliche Spatzenmiſt vnder ein Artzney.‟

Es iſt nicht eben leicht, den Sperling zu erbeuten. So zudringlich er ſich zeigt, ſo ſorgfältig
achtet er ſeiner Sicherheit. Er kennt ſeine Feinde ſehr wohl und weiß, daß der Feinde ſchlimmſter
ſein Brodherr iſt; deshalb iſt all ſeine Zuneigung und Freundſchaft zu letzterem blos eine ſcheinbare:
er traut ihm nie. Kein anderer Vogel gibt ſich ſo große Mühe, das Weſen des Menſchen zu ergrün-
den, als Dies der Sperling thut, welcher auch bei dem vertraulichſten Umgang mit dem Gebieter der
Erde ſein Heil zu wahren weiß. Der Verſtand des Vogels und ſein merkwürdiges Gedächtniß hilft
ihm über ſo Vieles hinweg, was Andern verderblich wird. Er fürchtet beſtändige Tücke und Hinterliſt
und betrachtet das einfachſte Ding mit ſcheelem Auge, bis er ſich überzeugt hat, ob wohl eine Falle
dahinterſtecke oder nicht. Eine ſeiner Art angethane Unbill läuft überlieferungsweiſe unter dem Volke
fort und wird ſo leicht nicht vergeſſen, wiederholte Beweiſe von freundſchaftlicher Geſinnung dagegen
werden dankbar anerkannt, jedoch keineswegs mit rückſichtsloſem Vertrauen erwiedert. Man kann
die Sperlinge dahin bringen, daß ſie Futter vor den Fenſtern aufleſen, gewiß aber nicht gewöhnen, daß
ſie das Futter aus der Hand des Gebers nehmen. Geſtellte Fallen weiß der Spatz ſicher zu meiden;
leere Drohungen verachtet er nicht minder: der Strohmann oder die Klappermühle, bunte Federn und
Lappen, welche über die Beete geſpannt ſind, halten ihn wohl ein oder zwei Tage ab, durchaus aber
nicht für immer. Es iſt unverkennbar, daß der Sperling ſich anders benimmt, je nach der Oertlich-
keit, welche er bewohnt und je nach den Menſchen, mit denen er es zu thun hat. Man muß alſo, will
man des Vogels in Menge habhaft werden, neue Liſten und Kniffe erſinnen. Demungeachtet kommt
man durch Zufall oft genug in Beſitz der häufigen Vögel: ihre Dreiſtigkeit oder die Unvorſichtigkeit
der Jungen wird ihnen zum Verderben.

Für das Gebauer eignen ſich ſolche Gefangene nicht. Von den guten Eigenſchaften der frei-
lebenden Sperlinge bemerkt man an den Gefangenen wenig oder Nichts. Sie werden niemals ordent-
lich zahm und können auch nicht wohl in den Geſellſchaftsbauer gebracht werden, weil ſie ihre Mit-
gefangenen in der roheſten Weiſe zu mißhandeln pflegen. —

Lichtenſtein ſcheint der erſte Vogelkundige geweſen zu ſein, welcher die Meinung aufgeſtellt
hat, daß alle Sperlinge, welche ſüdlichere Gegenden der alten Welt bewohnen, nur als Abänderungen
unſeres Hausſpatzes betrachtet werden müßten. Naumann, welcher nicht ſelbſt im Stande war, die

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[160/0180] Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge. man von Zeit zu Zeit, nimmt alle flüggen Vögel aus, bratet ſie an dünnen Spießen und ſchätzt ſie als Leckerbiſſen. Zur Zeit des alten Geßner wußte man den Sperling noch ganz anders zu benutzen; auch er wurde, wie ſo viele andere Thiere, vielfach in der Heilwiſſenſchaft verwandt. „Zween Löffel voll Aſchen von gebrennten Spatzen auß Waſſermät getrunken, genehrt die Gelbſucht. Dieſe von jungen mit Eſſig auff die Zän geriben, benimbt den ſchmertzen derſelbigen, als Plinius außweiſet. — Die Hirn ſo man in der Arznei braucht, ſöllen von den Vögeln die in Häuſer niſten, genommen werden zu Herbſtzeit, oder im Frühling, welche man enthäuptet, ihr Hirn auß ihnen nimbt, und in ein rein Ge- ſchirr legt; man reinigt aber die von jrem vmbgehenden Häutlein; man thut auch allwegen zu zehen Hirnen ein Eyerdotter von einem newen Henneney, ſo erſt vom Hauen bedeckt iſt worden. Vnd ſo du diß vermiſchet haſt, ſo trockne es in einer Blatten auf warmer Aſchen, darnach derr es an der Sonnen, oder ſtell es wiederumb zu dem Fewer. Etliche machen dieſe Artzney ohn Eyerdotter, Andere brauchen gantz friſche Hirn. Vber dieß thun etliche vnder die Hirn vnd Eier ein wenig Honig, vnd ſtellen diß alſo dick zum Fewer, als Bulcaſis ausweiſet. Die Hirn nimbt man von denen Spatzen ſo newlich getödt ſind, die waſcht vnd ſeubert man. Auß dieſen werden zehen mit einem Eyerdotter vermengt, ein wenig ob dem Fewer gekocht, darnach an der Sonnen oder ob dem Fewer gederrt, vnd ein wenig Honig, wenn du wilt, darzu gethan. Spatzenmiſt benimmt die Laubflecken des Angeſichts. Dieſer Koot mit öl gewärmet, in das nechſt rat darbey gegoſſen, benimbt das Zanwehe, es kützelt aber dich ſehr, ſagt Plinius. Der mit Schweinenſchmaltz auffgeſtrichen, benimbt die Hauptſucht, darvon das Haar außfällt, vnd bricht das Wildfewer, ſagt Raſis. Für die Würm der Habichen vermiſchen etliche Spatzenmiſt vnder ein Artzney.‟ Es iſt nicht eben leicht, den Sperling zu erbeuten. So zudringlich er ſich zeigt, ſo ſorgfältig achtet er ſeiner Sicherheit. Er kennt ſeine Feinde ſehr wohl und weiß, daß der Feinde ſchlimmſter ſein Brodherr iſt; deshalb iſt all ſeine Zuneigung und Freundſchaft zu letzterem blos eine ſcheinbare: er traut ihm nie. Kein anderer Vogel gibt ſich ſo große Mühe, das Weſen des Menſchen zu ergrün- den, als Dies der Sperling thut, welcher auch bei dem vertraulichſten Umgang mit dem Gebieter der Erde ſein Heil zu wahren weiß. Der Verſtand des Vogels und ſein merkwürdiges Gedächtniß hilft ihm über ſo Vieles hinweg, was Andern verderblich wird. Er fürchtet beſtändige Tücke und Hinterliſt und betrachtet das einfachſte Ding mit ſcheelem Auge, bis er ſich überzeugt hat, ob wohl eine Falle dahinterſtecke oder nicht. Eine ſeiner Art angethane Unbill läuft überlieferungsweiſe unter dem Volke fort und wird ſo leicht nicht vergeſſen, wiederholte Beweiſe von freundſchaftlicher Geſinnung dagegen werden dankbar anerkannt, jedoch keineswegs mit rückſichtsloſem Vertrauen erwiedert. Man kann die Sperlinge dahin bringen, daß ſie Futter vor den Fenſtern aufleſen, gewiß aber nicht gewöhnen, daß ſie das Futter aus der Hand des Gebers nehmen. Geſtellte Fallen weiß der Spatz ſicher zu meiden; leere Drohungen verachtet er nicht minder: der Strohmann oder die Klappermühle, bunte Federn und Lappen, welche über die Beete geſpannt ſind, halten ihn wohl ein oder zwei Tage ab, durchaus aber nicht für immer. Es iſt unverkennbar, daß der Sperling ſich anders benimmt, je nach der Oertlich- keit, welche er bewohnt und je nach den Menſchen, mit denen er es zu thun hat. Man muß alſo, will man des Vogels in Menge habhaft werden, neue Liſten und Kniffe erſinnen. Demungeachtet kommt man durch Zufall oft genug in Beſitz der häufigen Vögel: ihre Dreiſtigkeit oder die Unvorſichtigkeit der Jungen wird ihnen zum Verderben. Für das Gebauer eignen ſich ſolche Gefangene nicht. Von den guten Eigenſchaften der frei- lebenden Sperlinge bemerkt man an den Gefangenen wenig oder Nichts. Sie werden niemals ordent- lich zahm und können auch nicht wohl in den Geſellſchaftsbauer gebracht werden, weil ſie ihre Mit- gefangenen in der roheſten Weiſe zu mißhandeln pflegen. — Lichtenſtein ſcheint der erſte Vogelkundige geweſen zu ſein, welcher die Meinung aufgeſtellt hat, daß alle Sperlinge, welche ſüdlichere Gegenden der alten Welt bewohnen, nur als Abänderungen unſeres Hausſpatzes betrachtet werden müßten. Naumann, welcher nicht ſelbſt im Stande war, die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/180>, abgerufen am 28.04.2024.