Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Wüstentrompeter.
men geflochten, innen mit größeren Federn oder Wollflocken leicht gepolstert sein und drei bis fünf
Eier enthalten. Wahrscheinlich nistet das Paar zwei Mal im Jahre und schließt sich erst nach Erfül-
lung seiner ehelichen Obliegenheiten den früher entflogenen Jungen an, welche einstweilen in Trupps
umherstreifen. Jm Herbst und Winter scheinen die Wüstentrompeter größere Wanderungen zu unter-
nehmen; auf den kanarischen Jnseln kommen dann viele an, welche aus Afrika herübergeflogen sind.
Man hat auch schon ermüdete Flugreisende dieser Art an Bord der Fahrzeuge sich niederlassen sehen.

Der Mensch befehdet den Wüstentrompeter weder in Afrika, noch auf den kanarischen Jnseln,
und wären nicht Wildkatzen, Mangusten und Bandiltisse, die kleinen Edelfalken und
Weihen, welche letztere namentlich auf ihren winterlichen Reisen den harmlosen Wüstenbewohnern
gefährlich werden, sie könnten nach Herzenslust ein sorgenfreies Leben führen. Mit dem häufigsten
Vogel der Kanaren und Nilländer, dem Thurmfalk, scheint der Wüstentrompeter nach Bolle's
Beobachtung im guten Einverständniß zu leben, und vor dem so überaus häufigen Milan braucht er
sich wenigstens in Egypten nicht zu fürchten. Der Naturforscher erlegt die Thierchen leicht an der
Tränke, aber auch zwischen den Steinen ohne Mühe so viele von ihnen, als er will. Schwieriger ist es,
die Vögel zu fangen; denn dazu bedarf man eines Lockvogels derselben Art. "Diesen fesselt man in
einem wüsten Thalgrunde oder am Rande eines Stoppelfeldes möglichst fern von Baum und Busch,
wo man weiß, daß dergleichen Vögel umherstreifen, zu ebener Erde an. Bald wird sein unaufhörlich
ausgestoßener Lockton die wilden Kameraden herbeirufen. Sie lassen sich aus der Luft nieder; sie
hüpfen, wie tanzend, von einem Steine zum andern. Einen Augenblick noch zaudern sie, aber schon
sind sie so nahe, daß man ihre Farben erkennen, ihre Augen glänzen sehen kann. Sie picken von
dem rings um den Lockvogel herum ausgestreuten Futter, und wenige Stunden später klappt das Netz
über ihnen zusammen: sie sind gefangen! Anfangs trotzig und wild, bequemen sie sich doch bald, den
Kanariensamen, welchen man ihnen vorlegt, als Nahrung anzunehmen. Dieser Fang ist ein Vergnügen,
das ich mich wohl rühmen darf, vor andern Vogelkundigen vorausgehabt und in vollem Maße genossen
zu haben. Welch eine Lust, so in früher Morgenstunde mit der Fangschnur in der Hand hinter einem
Felsblock oder auch, in angemessener Entfernung, ganz frei dazuliegen und durch reichliche Beute seine
Mühe belohnt zu sehen."

"Da ich zehn Wüstentrompeter mit nach Deutschland gebracht habe und deren noch mehrere be-
sitze, bin ich im Stande, über ihr Verhalten als Stubenvögel Auskunft zu geben. Als wir über die
Nordsee fuhren und während eines mehrtägigen Sturmes, bei schon winterlicher Jahreszeit, in großer
Gefahr schwebten, ließen die Moros, der Kälte trotzend, fortwährend ihr Lied vernehmen. Nie werde
ich es vergessen: wir lagen in unsern vom Seewasser durchnäßten Kojen, von oben schlugen die
Sturzwellen von Zeit zu Zeit in die Kajüte, seit Nächten war kaum Schlaf in unseren Augen, seit
Tagen nichts Warmes über unsere Lippen gekommen. Jch war kaum im Stande, des Morgens auf-
zustehen, den Vögeln ihr Futter zu reichen und ihren Käfig, der beim Schwanken des Schiffs Gefahr
lief, zertrümmert zu werden, aufs neue zu befestigen. Oben schaute man sich -- immer vergeblich --
nach dem rettenden rothen Felsen von Helgoland um, der uns heimkehrenden Deutschen den ersten
Gruß vom Vaterlande bringt. Die nächste Zukunft lag dunkel genug vor uns. Da hörte ich die
junge und schöne Frau eines unserer Reisegefährten mit schwacher Stimme sagen: "Solange die
kleinen Rothschnäbel noch trompeten, habe ich Hoffnung; sind die aber still -- dann wird wohl keine
mehr für uns sein!". So hatte ich sie denn aus ihrer sonnigen Heimat übers Meer gebracht, um ein
deutsches Herz in Nöthen mit Trost zu erfüllen, noch ehe die Vögel selbst deutschen Boden betraten.
Die Gefahr ging vorüber, kurz darauf sahen sie ihn, schneebedeckt an der Mündung der Elbe."

"Aus dem Gesagten geht hervor, daß die Moros harte und dauerhafte Vögel sind, die, obwohl
sie die Wärme, im Norden zur Winterzeit die Nähe des Ofens suchen, doch auch ziemlich niedrige
Wärmegrade zu ertragen vermögen. Jch verlor während der Seereise, der andere Vögel so leicht
unterliegen, keinen einzigen von ihnen. Man kann sie in Deutschland recht gut vom April bis

Wüſtentrompeter.
men geflochten, innen mit größeren Federn oder Wollflocken leicht gepolſtert ſein und drei bis fünf
Eier enthalten. Wahrſcheinlich niſtet das Paar zwei Mal im Jahre und ſchließt ſich erſt nach Erfül-
lung ſeiner ehelichen Obliegenheiten den früher entflogenen Jungen an, welche einſtweilen in Trupps
umherſtreifen. Jm Herbſt und Winter ſcheinen die Wüſtentrompeter größere Wanderungen zu unter-
nehmen; auf den kanariſchen Jnſeln kommen dann viele an, welche aus Afrika herübergeflogen ſind.
Man hat auch ſchon ermüdete Flugreiſende dieſer Art an Bord der Fahrzeuge ſich niederlaſſen ſehen.

Der Menſch befehdet den Wüſtentrompeter weder in Afrika, noch auf den kanariſchen Jnſeln,
und wären nicht Wildkatzen, Manguſten und Bandiltiſſe, die kleinen Edelfalken und
Weihen, welche letztere namentlich auf ihren winterlichen Reiſen den harmloſen Wüſtenbewohnern
gefährlich werden, ſie könnten nach Herzensluſt ein ſorgenfreies Leben führen. Mit dem häufigſten
Vogel der Kanaren und Nilländer, dem Thurmfalk, ſcheint der Wüſtentrompeter nach Bolle’s
Beobachtung im guten Einverſtändniß zu leben, und vor dem ſo überaus häufigen Milan braucht er
ſich wenigſtens in Egypten nicht zu fürchten. Der Naturforſcher erlegt die Thierchen leicht an der
Tränke, aber auch zwiſchen den Steinen ohne Mühe ſo viele von ihnen, als er will. Schwieriger iſt es,
die Vögel zu fangen; denn dazu bedarf man eines Lockvogels derſelben Art. „Dieſen feſſelt man in
einem wüſten Thalgrunde oder am Rande eines Stoppelfeldes möglichſt fern von Baum und Buſch,
wo man weiß, daß dergleichen Vögel umherſtreifen, zu ebener Erde an. Bald wird ſein unaufhörlich
ausgeſtoßener Lockton die wilden Kameraden herbeirufen. Sie laſſen ſich aus der Luft nieder; ſie
hüpfen, wie tanzend, von einem Steine zum andern. Einen Augenblick noch zaudern ſie, aber ſchon
ſind ſie ſo nahe, daß man ihre Farben erkennen, ihre Augen glänzen ſehen kann. Sie picken von
dem rings um den Lockvogel herum ausgeſtreuten Futter, und wenige Stunden ſpäter klappt das Netz
über ihnen zuſammen: ſie ſind gefangen! Anfangs trotzig und wild, bequemen ſie ſich doch bald, den
Kanarienſamen, welchen man ihnen vorlegt, als Nahrung anzunehmen. Dieſer Fang iſt ein Vergnügen,
das ich mich wohl rühmen darf, vor andern Vogelkundigen vorausgehabt und in vollem Maße genoſſen
zu haben. Welch eine Luſt, ſo in früher Morgenſtunde mit der Fangſchnur in der Hand hinter einem
Felsblock oder auch, in angemeſſener Entfernung, ganz frei dazuliegen und durch reichliche Beute ſeine
Mühe belohnt zu ſehen.‟

„Da ich zehn Wüſtentrompeter mit nach Deutſchland gebracht habe und deren noch mehrere be-
ſitze, bin ich im Stande, über ihr Verhalten als Stubenvögel Auskunft zu geben. Als wir über die
Nordſee fuhren und während eines mehrtägigen Sturmes, bei ſchon winterlicher Jahreszeit, in großer
Gefahr ſchwebten, ließen die Moros, der Kälte trotzend, fortwährend ihr Lied vernehmen. Nie werde
ich es vergeſſen: wir lagen in unſern vom Seewaſſer durchnäßten Kojen, von oben ſchlugen die
Sturzwellen von Zeit zu Zeit in die Kajüte, ſeit Nächten war kaum Schlaf in unſeren Augen, ſeit
Tagen nichts Warmes über unſere Lippen gekommen. Jch war kaum im Stande, des Morgens auf-
zuſtehen, den Vögeln ihr Futter zu reichen und ihren Käfig, der beim Schwanken des Schiffs Gefahr
lief, zertrümmert zu werden, aufs neue zu befeſtigen. Oben ſchaute man ſich — immer vergeblich —
nach dem rettenden rothen Felſen von Helgoland um, der uns heimkehrenden Deutſchen den erſten
Gruß vom Vaterlande bringt. Die nächſte Zukunft lag dunkel genug vor uns. Da hörte ich die
junge und ſchöne Frau eines unſerer Reiſegefährten mit ſchwacher Stimme ſagen: „Solange die
kleinen Rothſchnäbel noch trompeten, habe ich Hoffnung; ſind die aber ſtill — dann wird wohl keine
mehr für uns ſein!‟. So hatte ich ſie denn aus ihrer ſonnigen Heimat übers Meer gebracht, um ein
deutſches Herz in Nöthen mit Troſt zu erfüllen, noch ehe die Vögel ſelbſt deutſchen Boden betraten.
Die Gefahr ging vorüber, kurz darauf ſahen ſie ihn, ſchneebedeckt an der Mündung der Elbe.‟

„Aus dem Geſagten geht hervor, daß die Moros harte und dauerhafte Vögel ſind, die, obwohl
ſie die Wärme, im Norden zur Winterzeit die Nähe des Ofens ſuchen, doch auch ziemlich niedrige
Wärmegrade zu ertragen vermögen. Jch verlor während der Seereiſe, der andere Vögel ſo leicht
unterliegen, keinen einzigen von ihnen. Man kann ſie in Deutſchland recht gut vom April bis

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="109"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">&#x017F;tentrompeter.</hi></fw><lb/>
men geflochten, innen mit größeren Federn oder Wollflocken leicht gepol&#x017F;tert &#x017F;ein und drei bis fünf<lb/>
Eier enthalten. Wahr&#x017F;cheinlich ni&#x017F;tet das Paar zwei Mal im Jahre und &#x017F;chließt &#x017F;ich er&#x017F;t nach Erfül-<lb/>
lung &#x017F;einer ehelichen Obliegenheiten den früher entflogenen Jungen an, welche ein&#x017F;tweilen in Trupps<lb/>
umher&#x017F;treifen. Jm Herb&#x017F;t und Winter &#x017F;cheinen die Wü&#x017F;tentrompeter größere Wanderungen zu unter-<lb/>
nehmen; auf den kanari&#x017F;chen Jn&#x017F;eln kommen dann viele an, welche aus Afrika herübergeflogen &#x017F;ind.<lb/>
Man hat auch &#x017F;chon ermüdete Flugrei&#x017F;ende die&#x017F;er Art an Bord der Fahrzeuge &#x017F;ich niederla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Der Men&#x017F;ch befehdet den Wü&#x017F;tentrompeter weder in Afrika, noch auf den kanari&#x017F;chen Jn&#x017F;eln,<lb/>
und wären nicht <hi rendition="#g">Wildkatzen, Mangu&#x017F;ten</hi> und <hi rendition="#g">Bandilti&#x017F;&#x017F;e,</hi> die kleinen <hi rendition="#g">Edelfalken</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Weihen,</hi> welche letztere namentlich auf ihren winterlichen Rei&#x017F;en den harmlo&#x017F;en Wü&#x017F;tenbewohnern<lb/>
gefährlich werden, &#x017F;ie könnten nach Herzenslu&#x017F;t ein &#x017F;orgenfreies Leben führen. Mit dem häufig&#x017F;ten<lb/>
Vogel der Kanaren und Nilländer, dem <hi rendition="#g">Thurmfalk,</hi> &#x017F;cheint der Wü&#x017F;tentrompeter nach <hi rendition="#g">Bolle&#x2019;s</hi><lb/>
Beobachtung im guten Einver&#x017F;tändniß zu leben, und vor dem &#x017F;o überaus häufigen <hi rendition="#g">Milan</hi> braucht er<lb/>
&#x017F;ich wenig&#x017F;tens in Egypten nicht zu fürchten. Der Naturfor&#x017F;cher erlegt die Thierchen leicht an der<lb/>
Tränke, aber auch zwi&#x017F;chen den Steinen ohne Mühe &#x017F;o viele von ihnen, als er will. Schwieriger i&#x017F;t es,<lb/>
die Vögel zu fangen; denn dazu bedarf man eines Lockvogels der&#x017F;elben Art. &#x201E;Die&#x017F;en fe&#x017F;&#x017F;elt man in<lb/>
einem wü&#x017F;ten Thalgrunde oder am Rande eines Stoppelfeldes möglich&#x017F;t fern von Baum und Bu&#x017F;ch,<lb/>
wo man weiß, daß dergleichen Vögel umher&#x017F;treifen, zu ebener Erde an. Bald wird &#x017F;ein unaufhörlich<lb/>
ausge&#x017F;toßener Lockton die wilden Kameraden herbeirufen. Sie la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich aus der Luft nieder; &#x017F;ie<lb/>
hüpfen, wie tanzend, von einem Steine zum andern. Einen Augenblick noch zaudern &#x017F;ie, aber &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie &#x017F;o nahe, daß man ihre Farben erkennen, ihre Augen glänzen &#x017F;ehen kann. Sie picken von<lb/>
dem rings um den Lockvogel herum ausge&#x017F;treuten Futter, und wenige Stunden &#x017F;päter klappt das Netz<lb/>
über ihnen zu&#x017F;ammen: &#x017F;ie &#x017F;ind gefangen! Anfangs trotzig und wild, bequemen &#x017F;ie &#x017F;ich doch bald, den<lb/>
Kanarien&#x017F;amen, welchen man ihnen vorlegt, als Nahrung anzunehmen. Die&#x017F;er Fang i&#x017F;t ein Vergnügen,<lb/>
das ich mich wohl rühmen darf, vor andern Vogelkundigen vorausgehabt und in vollem Maße geno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zu haben. Welch eine Lu&#x017F;t, &#x017F;o in früher Morgen&#x017F;tunde mit der Fang&#x017F;chnur in der Hand hinter einem<lb/>
Felsblock oder auch, in angeme&#x017F;&#x017F;ener Entfernung, ganz frei dazuliegen und durch reichliche Beute &#x017F;eine<lb/>
Mühe belohnt zu &#x017F;ehen.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Da ich zehn Wü&#x017F;tentrompeter mit nach Deut&#x017F;chland gebracht habe und deren noch mehrere be-<lb/>
&#x017F;itze, bin ich im Stande, über ihr Verhalten als Stubenvögel Auskunft zu geben. Als wir über die<lb/>
Nord&#x017F;ee fuhren und während eines mehrtägigen Sturmes, bei &#x017F;chon winterlicher Jahreszeit, in großer<lb/>
Gefahr &#x017F;chwebten, ließen die Moros, der Kälte trotzend, fortwährend ihr Lied vernehmen. Nie werde<lb/>
ich es verge&#x017F;&#x017F;en: wir lagen in un&#x017F;ern vom Seewa&#x017F;&#x017F;er durchnäßten Kojen, von oben &#x017F;chlugen die<lb/>
Sturzwellen von Zeit zu Zeit in die Kajüte, &#x017F;eit Nächten war kaum Schlaf in un&#x017F;eren Augen, &#x017F;eit<lb/>
Tagen nichts Warmes über un&#x017F;ere Lippen gekommen. Jch war kaum im Stande, des Morgens auf-<lb/>
zu&#x017F;tehen, den Vögeln ihr Futter zu reichen und ihren Käfig, der beim Schwanken des Schiffs Gefahr<lb/>
lief, zertrümmert zu werden, aufs neue zu befe&#x017F;tigen. Oben &#x017F;chaute man &#x017F;ich &#x2014; immer vergeblich &#x2014;<lb/>
nach dem rettenden rothen Fel&#x017F;en von Helgoland um, der uns heimkehrenden Deut&#x017F;chen den er&#x017F;ten<lb/>
Gruß vom Vaterlande bringt. Die näch&#x017F;te Zukunft lag dunkel genug vor uns. Da hörte ich die<lb/>
junge und &#x017F;chöne Frau eines un&#x017F;erer Rei&#x017F;egefährten mit &#x017F;chwacher Stimme &#x017F;agen: &#x201E;Solange die<lb/>
kleinen Roth&#x017F;chnäbel noch trompeten, habe ich Hoffnung; &#x017F;ind die aber &#x017F;till &#x2014; dann wird wohl keine<lb/>
mehr für uns &#x017F;ein!&#x201F;. So hatte ich &#x017F;ie denn aus ihrer &#x017F;onnigen Heimat übers Meer gebracht, um ein<lb/>
deut&#x017F;ches Herz in Nöthen mit Tro&#x017F;t zu erfüllen, noch ehe die Vögel &#x017F;elb&#x017F;t deut&#x017F;chen Boden betraten.<lb/>
Die Gefahr ging vorüber, kurz darauf &#x017F;ahen &#x017F;ie ihn, &#x017F;chneebedeckt an der Mündung der Elbe.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Aus dem Ge&#x017F;agten geht hervor, daß die Moros harte und dauerhafte Vögel &#x017F;ind, die, obwohl<lb/>
&#x017F;ie die Wärme, im Norden zur Winterzeit die Nähe des Ofens &#x017F;uchen, doch auch ziemlich niedrige<lb/>
Wärmegrade zu ertragen vermögen. Jch verlor während der Seerei&#x017F;e, der andere Vögel &#x017F;o leicht<lb/>
unterliegen, keinen einzigen von ihnen. Man kann &#x017F;ie in Deut&#x017F;chland recht gut vom April bis<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0127] Wüſtentrompeter. men geflochten, innen mit größeren Federn oder Wollflocken leicht gepolſtert ſein und drei bis fünf Eier enthalten. Wahrſcheinlich niſtet das Paar zwei Mal im Jahre und ſchließt ſich erſt nach Erfül- lung ſeiner ehelichen Obliegenheiten den früher entflogenen Jungen an, welche einſtweilen in Trupps umherſtreifen. Jm Herbſt und Winter ſcheinen die Wüſtentrompeter größere Wanderungen zu unter- nehmen; auf den kanariſchen Jnſeln kommen dann viele an, welche aus Afrika herübergeflogen ſind. Man hat auch ſchon ermüdete Flugreiſende dieſer Art an Bord der Fahrzeuge ſich niederlaſſen ſehen. Der Menſch befehdet den Wüſtentrompeter weder in Afrika, noch auf den kanariſchen Jnſeln, und wären nicht Wildkatzen, Manguſten und Bandiltiſſe, die kleinen Edelfalken und Weihen, welche letztere namentlich auf ihren winterlichen Reiſen den harmloſen Wüſtenbewohnern gefährlich werden, ſie könnten nach Herzensluſt ein ſorgenfreies Leben führen. Mit dem häufigſten Vogel der Kanaren und Nilländer, dem Thurmfalk, ſcheint der Wüſtentrompeter nach Bolle’s Beobachtung im guten Einverſtändniß zu leben, und vor dem ſo überaus häufigen Milan braucht er ſich wenigſtens in Egypten nicht zu fürchten. Der Naturforſcher erlegt die Thierchen leicht an der Tränke, aber auch zwiſchen den Steinen ohne Mühe ſo viele von ihnen, als er will. Schwieriger iſt es, die Vögel zu fangen; denn dazu bedarf man eines Lockvogels derſelben Art. „Dieſen feſſelt man in einem wüſten Thalgrunde oder am Rande eines Stoppelfeldes möglichſt fern von Baum und Buſch, wo man weiß, daß dergleichen Vögel umherſtreifen, zu ebener Erde an. Bald wird ſein unaufhörlich ausgeſtoßener Lockton die wilden Kameraden herbeirufen. Sie laſſen ſich aus der Luft nieder; ſie hüpfen, wie tanzend, von einem Steine zum andern. Einen Augenblick noch zaudern ſie, aber ſchon ſind ſie ſo nahe, daß man ihre Farben erkennen, ihre Augen glänzen ſehen kann. Sie picken von dem rings um den Lockvogel herum ausgeſtreuten Futter, und wenige Stunden ſpäter klappt das Netz über ihnen zuſammen: ſie ſind gefangen! Anfangs trotzig und wild, bequemen ſie ſich doch bald, den Kanarienſamen, welchen man ihnen vorlegt, als Nahrung anzunehmen. Dieſer Fang iſt ein Vergnügen, das ich mich wohl rühmen darf, vor andern Vogelkundigen vorausgehabt und in vollem Maße genoſſen zu haben. Welch eine Luſt, ſo in früher Morgenſtunde mit der Fangſchnur in der Hand hinter einem Felsblock oder auch, in angemeſſener Entfernung, ganz frei dazuliegen und durch reichliche Beute ſeine Mühe belohnt zu ſehen.‟ „Da ich zehn Wüſtentrompeter mit nach Deutſchland gebracht habe und deren noch mehrere be- ſitze, bin ich im Stande, über ihr Verhalten als Stubenvögel Auskunft zu geben. Als wir über die Nordſee fuhren und während eines mehrtägigen Sturmes, bei ſchon winterlicher Jahreszeit, in großer Gefahr ſchwebten, ließen die Moros, der Kälte trotzend, fortwährend ihr Lied vernehmen. Nie werde ich es vergeſſen: wir lagen in unſern vom Seewaſſer durchnäßten Kojen, von oben ſchlugen die Sturzwellen von Zeit zu Zeit in die Kajüte, ſeit Nächten war kaum Schlaf in unſeren Augen, ſeit Tagen nichts Warmes über unſere Lippen gekommen. Jch war kaum im Stande, des Morgens auf- zuſtehen, den Vögeln ihr Futter zu reichen und ihren Käfig, der beim Schwanken des Schiffs Gefahr lief, zertrümmert zu werden, aufs neue zu befeſtigen. Oben ſchaute man ſich — immer vergeblich — nach dem rettenden rothen Felſen von Helgoland um, der uns heimkehrenden Deutſchen den erſten Gruß vom Vaterlande bringt. Die nächſte Zukunft lag dunkel genug vor uns. Da hörte ich die junge und ſchöne Frau eines unſerer Reiſegefährten mit ſchwacher Stimme ſagen: „Solange die kleinen Rothſchnäbel noch trompeten, habe ich Hoffnung; ſind die aber ſtill — dann wird wohl keine mehr für uns ſein!‟. So hatte ich ſie denn aus ihrer ſonnigen Heimat übers Meer gebracht, um ein deutſches Herz in Nöthen mit Troſt zu erfüllen, noch ehe die Vögel ſelbſt deutſchen Boden betraten. Die Gefahr ging vorüber, kurz darauf ſahen ſie ihn, ſchneebedeckt an der Mündung der Elbe.‟ „Aus dem Geſagten geht hervor, daß die Moros harte und dauerhafte Vögel ſind, die, obwohl ſie die Wärme, im Norden zur Winterzeit die Nähe des Ofens ſuchen, doch auch ziemlich niedrige Wärmegrade zu ertragen vermögen. Jch verlor während der Seereiſe, der andere Vögel ſo leicht unterliegen, keinen einzigen von ihnen. Man kann ſie in Deutſchland recht gut vom April bis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/127
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/127>, abgerufen am 24.11.2024.