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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Sittichgrünling. Papageigimpel. Hakengimpel.

Meiner Ansicht nach gebührt in dieser Familie die erste Stelle dem Papageigimpel (Para-
doxornis flavirostris
), einem, wie schon sein Name besagt, sehr auffallenden, noch wenig bekannten
Vogel, welcher mit vier andern bis jetzt bekannten Arten in Südasien lebt und etwa unseren Haken-
gimpel
vertreten mag. Mit diesem dürfte er wohl größere Verwandtschaft bekunden, als mit den
Lärmdrosseln (Timaliae), zu denen er neuerdings gezogen worden ist. So viel ist freilich gewiß,
daß die Forscher über den Verwandtschaftsgrad des Papageigimpels mit andern Vögeln noch nicht
einig sind. Mit Ausnahme des Schnabels ist der räthselhafte Vogel allerdings gestaltet wie gewisse
Lärmdrosseln: die starken Füße, die gerundeten Schwingen, der abgestufte Schwanz und das lockere
Gefieder erinnern an Mitglieder dieser Familie; alle diese Merkmale sind aber auch der Gimpelfamilie
eigen. Und dieser Familie entspricht entschieden die Lebensweise, welche mit dem Bau des Schnabels
durchaus im Einklang steht. Einen eigentlichen Gimpelschnabel hat der Papageigimpel freilich nicht:
dieses für die Bestimmung der Verwandtschaftsgrade so wichtige Werkzeug läßt den Vogel höchstens als
ein Verbindungsglied der Papageien und Gimpel erscheinen. Der Schnabel ist sehr kurz und dick;
beide Kiefern haben ungefähr dieselbe Länge, und der Oberschnabel springt nicht wesentlich über den
unteren vor, schweift sich aber seitlich bogig nach unten aus, ganz in ähnlicher Weise, wie Dies bei
vielen Papageien der Fall ist. Jm Verhältniß zur Größe des Vogels erscheint er überaus kräftig und
stark. Die Schwingen sind schwächlich und sehr stark abgerundet; denn die sechste Schwungfeder ist
die längste von allen; der Schwanz ist lang und abgestuft, aber kräftig; die Beine und Füße sind sehr
stark, die Zehen mittellang, die Nägel stark gebogen. Das lockere und weiche Gefieder ist im allge-
meinen graubraun, unten etwas lichter, auf Hinterkopf und Nacken rothbraun, auf dem Mantel
olivenfarbig; das Kehlband und die Ohrdecken sind tiefschwarz, Gesicht, Scheitel, Wangen und Kehle
weiß, dunkel gefleckt oder gebändert; die fahle Unterseite wird seitlich röther. Bei einem (wahrschein-
lich jungen) Weibchen ist der Mangel des dunklern Brustbandes aufgefallen. Der Schnabel ist glän-
zend gelb, der Fuß bleigrau, der Augenring rothbraun. Jn der Größe kommt die beschriebene Art
etwa unserm gemeinen Gimpel gleich. Die Länge beträgt reichlich 8 Zoll, wovon 3 Zoll auf den
Schwanz gerechnet werden müssen; der Fittig mißt vom Bug bis zur Spitze 3 Zoll.

Alle Papageigimpel, welche bis jetzt bekannt wurden, bewohnen die Waldungen des Himalaya.
Unsere Art findet sich vorzugsweise in Assam und Nepal. Ueber Lebensweise und Betragen fehlen
zur Zeit noch ausführliche Beobachtungen. Jerdon, welcher Alles zusammenfaßt, was wir über die
merkwürdigen Thiere wissen, berichtet, daß die beschriebene Art von ihm in den Khasia-Bergen und
zwar in einer Höhe von 5000 Fuß über dem Meere erlegt, von Anderen aber in Assam und Nepal
beobachtet wurde. "Jch fand, daß sie sich von verschiedenem Gesäme ernährten. Jn der Gesellschaft
der Alten waren zwei oder drei Junge, welche im Gefieder den Ausgefärbten fast gleich kamen. Die
Vögel waren ziemlich scheu, versteckten sich jedoch nicht, sondern flogen von Baum zu Baum." Eine
andere Art der Gruppe traf derselbe Forscher in den Rohrwäldern hügeliger Gegenden Nepals, Sik-
kims, Butans etc., wo sie sich allerlei Gesäme aufsuchten. Sie hielten sich in kleinen Trupps zusam-
men, ließen sich beobachten, versteckten sich aber sofort, als sie sich verfolgt sahen. Tickell erfuhr, daß
sie sich gern auch von Getreide, Mais, Reis und Haidekorn ernähren. "Nach dem Fressen", sagt
dieser Beobachter, "setzen sie sich auf die Spitzen der Bäume und Gebüsche und bekunden in ihrem
Wesen durchaus Nichts von dem Dickichtleben und verborgenen Treiben der Lärmdrosseln." Sie be-
tragen sich also wie andere Gimpel auch. -- Jm Uebrigen fehlt uns von dem Leben und Treiben der
Papageigimpel zur Zeit noch jede Kunde.



Weit besser, jedoch immerhin noch nicht genügend, sind wir über eine zweite Sippe der Familie
unterrichtet. Jhr gehört ein Europäer zu, der Hakengimpel (Pinicola Enucleator), welcher in
manchen Jahren auch in Deutschland beobachtet wird. Der Vogel verdient schon aus dem Grunde
Beachtung, weil er der größte aller unserer Finken ist. Daß er durch Erscheinung und Wesen Jedem

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Sittichgrünling. Papageigimpel. Hakengimpel.

Meiner Anſicht nach gebührt in dieſer Familie die erſte Stelle dem Papageigimpel (Para-
doxornis flavirostris
), einem, wie ſchon ſein Name beſagt, ſehr auffallenden, noch wenig bekannten
Vogel, welcher mit vier andern bis jetzt bekannten Arten in Südaſien lebt und etwa unſeren Haken-
gimpel
vertreten mag. Mit dieſem dürfte er wohl größere Verwandtſchaft bekunden, als mit den
Lärmdroſſeln (Timaliae), zu denen er neuerdings gezogen worden iſt. So viel iſt freilich gewiß,
daß die Forſcher über den Verwandtſchaftsgrad des Papageigimpels mit andern Vögeln noch nicht
einig ſind. Mit Ausnahme des Schnabels iſt der räthſelhafte Vogel allerdings geſtaltet wie gewiſſe
Lärmdroſſeln: die ſtarken Füße, die gerundeten Schwingen, der abgeſtufte Schwanz und das lockere
Gefieder erinnern an Mitglieder dieſer Familie; alle dieſe Merkmale ſind aber auch der Gimpelfamilie
eigen. Und dieſer Familie entſpricht entſchieden die Lebensweiſe, welche mit dem Bau des Schnabels
durchaus im Einklang ſteht. Einen eigentlichen Gimpelſchnabel hat der Papageigimpel freilich nicht:
dieſes für die Beſtimmung der Verwandtſchaftsgrade ſo wichtige Werkzeug läßt den Vogel höchſtens als
ein Verbindungsglied der Papageien und Gimpel erſcheinen. Der Schnabel iſt ſehr kurz und dick;
beide Kiefern haben ungefähr dieſelbe Länge, und der Oberſchnabel ſpringt nicht weſentlich über den
unteren vor, ſchweift ſich aber ſeitlich bogig nach unten aus, ganz in ähnlicher Weiſe, wie Dies bei
vielen Papageien der Fall iſt. Jm Verhältniß zur Größe des Vogels erſcheint er überaus kräftig und
ſtark. Die Schwingen ſind ſchwächlich und ſehr ſtark abgerundet; denn die ſechste Schwungfeder iſt
die längſte von allen; der Schwanz iſt lang und abgeſtuft, aber kräftig; die Beine und Füße ſind ſehr
ſtark, die Zehen mittellang, die Nägel ſtark gebogen. Das lockere und weiche Gefieder iſt im allge-
meinen graubraun, unten etwas lichter, auf Hinterkopf und Nacken rothbraun, auf dem Mantel
olivenfarbig; das Kehlband und die Ohrdecken ſind tiefſchwarz, Geſicht, Scheitel, Wangen und Kehle
weiß, dunkel gefleckt oder gebändert; die fahle Unterſeite wird ſeitlich röther. Bei einem (wahrſchein-
lich jungen) Weibchen iſt der Mangel des dunklern Bruſtbandes aufgefallen. Der Schnabel iſt glän-
zend gelb, der Fuß bleigrau, der Augenring rothbraun. Jn der Größe kommt die beſchriebene Art
etwa unſerm gemeinen Gimpel gleich. Die Länge beträgt reichlich 8 Zoll, wovon 3 Zoll auf den
Schwanz gerechnet werden müſſen; der Fittig mißt vom Bug bis zur Spitze 3 Zoll.

Alle Papageigimpel, welche bis jetzt bekannt wurden, bewohnen die Waldungen des Himalaya.
Unſere Art findet ſich vorzugsweiſe in Aſſam und Nepal. Ueber Lebensweiſe und Betragen fehlen
zur Zeit noch ausführliche Beobachtungen. Jerdon, welcher Alles zuſammenfaßt, was wir über die
merkwürdigen Thiere wiſſen, berichtet, daß die beſchriebene Art von ihm in den Khaſia-Bergen und
zwar in einer Höhe von 5000 Fuß über dem Meere erlegt, von Anderen aber in Aſſam und Nepal
beobachtet wurde. „Jch fand, daß ſie ſich von verſchiedenem Geſäme ernährten. Jn der Geſellſchaft
der Alten waren zwei oder drei Junge, welche im Gefieder den Ausgefärbten faſt gleich kamen. Die
Vögel waren ziemlich ſcheu, verſteckten ſich jedoch nicht, ſondern flogen von Baum zu Baum.‟ Eine
andere Art der Gruppe traf derſelbe Forſcher in den Rohrwäldern hügeliger Gegenden Nepals, Sik-
kims, Butans ꝛc., wo ſie ſich allerlei Geſäme aufſuchten. Sie hielten ſich in kleinen Trupps zuſam-
men, ließen ſich beobachten, verſteckten ſich aber ſofort, als ſie ſich verfolgt ſahen. Tickell erfuhr, daß
ſie ſich gern auch von Getreide, Mais, Reis und Haidekorn ernähren. „Nach dem Freſſen‟, ſagt
dieſer Beobachter, „ſetzen ſie ſich auf die Spitzen der Bäume und Gebüſche und bekunden in ihrem
Weſen durchaus Nichts von dem Dickichtleben und verborgenen Treiben der Lärmdroſſeln.‟ Sie be-
tragen ſich alſo wie andere Gimpel auch. — Jm Uebrigen fehlt uns von dem Leben und Treiben der
Papageigimpel zur Zeit noch jede Kunde.



Weit beſſer, jedoch immerhin noch nicht genügend, ſind wir über eine zweite Sippe der Familie
unterrichtet. Jhr gehört ein Europäer zu, der Hakengimpel (Pinicola Enucleator), welcher in
manchen Jahren auch in Deutſchland beobachtet wird. Der Vogel verdient ſchon aus dem Grunde
Beachtung, weil er der größte aller unſerer Finken iſt. Daß er durch Erſcheinung und Weſen Jedem

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[99/0117] Sittichgrünling. Papageigimpel. Hakengimpel. Meiner Anſicht nach gebührt in dieſer Familie die erſte Stelle dem Papageigimpel (Para- doxornis flavirostris), einem, wie ſchon ſein Name beſagt, ſehr auffallenden, noch wenig bekannten Vogel, welcher mit vier andern bis jetzt bekannten Arten in Südaſien lebt und etwa unſeren Haken- gimpel vertreten mag. Mit dieſem dürfte er wohl größere Verwandtſchaft bekunden, als mit den Lärmdroſſeln (Timaliae), zu denen er neuerdings gezogen worden iſt. So viel iſt freilich gewiß, daß die Forſcher über den Verwandtſchaftsgrad des Papageigimpels mit andern Vögeln noch nicht einig ſind. Mit Ausnahme des Schnabels iſt der räthſelhafte Vogel allerdings geſtaltet wie gewiſſe Lärmdroſſeln: die ſtarken Füße, die gerundeten Schwingen, der abgeſtufte Schwanz und das lockere Gefieder erinnern an Mitglieder dieſer Familie; alle dieſe Merkmale ſind aber auch der Gimpelfamilie eigen. Und dieſer Familie entſpricht entſchieden die Lebensweiſe, welche mit dem Bau des Schnabels durchaus im Einklang ſteht. Einen eigentlichen Gimpelſchnabel hat der Papageigimpel freilich nicht: dieſes für die Beſtimmung der Verwandtſchaftsgrade ſo wichtige Werkzeug läßt den Vogel höchſtens als ein Verbindungsglied der Papageien und Gimpel erſcheinen. Der Schnabel iſt ſehr kurz und dick; beide Kiefern haben ungefähr dieſelbe Länge, und der Oberſchnabel ſpringt nicht weſentlich über den unteren vor, ſchweift ſich aber ſeitlich bogig nach unten aus, ganz in ähnlicher Weiſe, wie Dies bei vielen Papageien der Fall iſt. Jm Verhältniß zur Größe des Vogels erſcheint er überaus kräftig und ſtark. Die Schwingen ſind ſchwächlich und ſehr ſtark abgerundet; denn die ſechste Schwungfeder iſt die längſte von allen; der Schwanz iſt lang und abgeſtuft, aber kräftig; die Beine und Füße ſind ſehr ſtark, die Zehen mittellang, die Nägel ſtark gebogen. Das lockere und weiche Gefieder iſt im allge- meinen graubraun, unten etwas lichter, auf Hinterkopf und Nacken rothbraun, auf dem Mantel olivenfarbig; das Kehlband und die Ohrdecken ſind tiefſchwarz, Geſicht, Scheitel, Wangen und Kehle weiß, dunkel gefleckt oder gebändert; die fahle Unterſeite wird ſeitlich röther. Bei einem (wahrſchein- lich jungen) Weibchen iſt der Mangel des dunklern Bruſtbandes aufgefallen. Der Schnabel iſt glän- zend gelb, der Fuß bleigrau, der Augenring rothbraun. Jn der Größe kommt die beſchriebene Art etwa unſerm gemeinen Gimpel gleich. Die Länge beträgt reichlich 8 Zoll, wovon 3 Zoll auf den Schwanz gerechnet werden müſſen; der Fittig mißt vom Bug bis zur Spitze 3 Zoll. Alle Papageigimpel, welche bis jetzt bekannt wurden, bewohnen die Waldungen des Himalaya. Unſere Art findet ſich vorzugsweiſe in Aſſam und Nepal. Ueber Lebensweiſe und Betragen fehlen zur Zeit noch ausführliche Beobachtungen. Jerdon, welcher Alles zuſammenfaßt, was wir über die merkwürdigen Thiere wiſſen, berichtet, daß die beſchriebene Art von ihm in den Khaſia-Bergen und zwar in einer Höhe von 5000 Fuß über dem Meere erlegt, von Anderen aber in Aſſam und Nepal beobachtet wurde. „Jch fand, daß ſie ſich von verſchiedenem Geſäme ernährten. Jn der Geſellſchaft der Alten waren zwei oder drei Junge, welche im Gefieder den Ausgefärbten faſt gleich kamen. Die Vögel waren ziemlich ſcheu, verſteckten ſich jedoch nicht, ſondern flogen von Baum zu Baum.‟ Eine andere Art der Gruppe traf derſelbe Forſcher in den Rohrwäldern hügeliger Gegenden Nepals, Sik- kims, Butans ꝛc., wo ſie ſich allerlei Geſäme aufſuchten. Sie hielten ſich in kleinen Trupps zuſam- men, ließen ſich beobachten, verſteckten ſich aber ſofort, als ſie ſich verfolgt ſahen. Tickell erfuhr, daß ſie ſich gern auch von Getreide, Mais, Reis und Haidekorn ernähren. „Nach dem Freſſen‟, ſagt dieſer Beobachter, „ſetzen ſie ſich auf die Spitzen der Bäume und Gebüſche und bekunden in ihrem Weſen durchaus Nichts von dem Dickichtleben und verborgenen Treiben der Lärmdroſſeln.‟ Sie be- tragen ſich alſo wie andere Gimpel auch. — Jm Uebrigen fehlt uns von dem Leben und Treiben der Papageigimpel zur Zeit noch jede Kunde. Weit beſſer, jedoch immerhin noch nicht genügend, ſind wir über eine zweite Sippe der Familie unterrichtet. Jhr gehört ein Europäer zu, der Hakengimpel (Pinicola Enucleator), welcher in manchen Jahren auch in Deutſchland beobachtet wird. Der Vogel verdient ſchon aus dem Grunde Beachtung, weil er der größte aller unſerer Finken iſt. Daß er durch Erſcheinung und Weſen Jedem 7*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/117>, abgerufen am 06.05.2024.