Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Bartenwale. -- Der südliche Wal.
armen Riesen befallen. Auch Meereicheln bedecken ihn nicht selten in großer Menge und geben wieder
mancherlei Seepflanzen die geeigneten Anhaltspunkte her, so daß es Wale gibt, welche eine ganze
Welt von Thieren und Pflanzen mit sich herumtragen müssen.

Der südliche Wal (Balaena australis) ist kleiner als sein nordischer Verwandter, klein-
köpfiger und spitzschnäuziger. Die Flossen sind größer und spitzer, die Barten kürzer, als bei
jenem; die Färbung ist mit Ausnahme einer kleinen weißen Stelle am Unterleibe tiefschwarz. Er
liebt mehr gemäßigte Breiten, als die Länder nahe an den Polen. Jm Frühjahre sucht er die Buch-
ten an der Westküste Amerikas auf und gibt nun den Fischern Gelegenheit zum Fang. Auch an
der Südspitze Afrikas und in Neuholland kommt er vor; man hat ihn aber auch bei Japan und
Kamtschatka, ja selbst im nördlichen Eismeere gefangen. Jn den südlichen Gewässern um Amerika
und Neuholland ist er nicht selten, im südlichen Eismeer am häusigsten.

Er scheint regelmäßig und zwar in größeren Gesellschaften zu wandern. Ein Reisender sah
einmal gegen 800 Stück nach dem ochotzkischen Meere ziehen.

Merkwürdigerweise sucht dieser Wal zur Fortpflanzungszeit die seichteren Gewässer auf; wenig-
stens hat man in diesen nur Weibchen und Junge, niemals Männchen gefunden. Am Vorgebirge
der guten Hoffnung erscheinen die trächtigen Weibchen im Juni oder Juli regelmäßig, verweilen in
der Nähe der Küste bis zum September, und kehren dann mit ihren Jungen in die offene See
zurück.

Auch der Fang des südlichen Walfisches ist ergiebig, obwohl er gegen früherhin bedeutend ab-
genommen hat. Jn den letzten Jahren haben die Engländer wiederholt gar keine Walfische in der
Südsee verfolgt, sondern den Fang einzig und allein den Amerikanern überlassen. Nächst diesen
stellen die Japanesen dem südlichen Wale, wenn er in die Nähe ihrer Küsten kommt, eifrig nach.
Wahrscheinlich wird auch er das Schicksal seines nordischen Verwandten theilen müssen. Er wird
schließlich auch in den abgelegensten und unzugänglichsten Meerestheilen aufgesucht werden und mit
der Zeit wahrscheinlich ganz von der Erde verschwinden.



Die Bartenwale. — Der ſüdliche Wal.
armen Rieſen befallen. Auch Meereicheln bedecken ihn nicht ſelten in großer Menge und geben wieder
mancherlei Seepflanzen die geeigneten Anhaltspunkte her, ſo daß es Wale gibt, welche eine ganze
Welt von Thieren und Pflanzen mit ſich herumtragen müſſen.

Der ſüdliche Wal (Balaena australis) iſt kleiner als ſein nordiſcher Verwandter, klein-
köpfiger und ſpitzſchnäuziger. Die Floſſen ſind größer und ſpitzer, die Barten kürzer, als bei
jenem; die Färbung iſt mit Ausnahme einer kleinen weißen Stelle am Unterleibe tiefſchwarz. Er
liebt mehr gemäßigte Breiten, als die Länder nahe an den Polen. Jm Frühjahre ſucht er die Buch-
ten an der Weſtküſte Amerikas auf und gibt nun den Fiſchern Gelegenheit zum Fang. Auch an
der Südſpitze Afrikas und in Neuholland kommt er vor; man hat ihn aber auch bei Japan und
Kamtſchatka, ja ſelbſt im nördlichen Eismeere gefangen. Jn den ſüdlichen Gewäſſern um Amerika
und Neuholland iſt er nicht ſelten, im ſüdlichen Eismeer am häuſigſten.

Er ſcheint regelmäßig und zwar in größeren Geſellſchaften zu wandern. Ein Reiſender ſah
einmal gegen 800 Stück nach dem ochotzkiſchen Meere ziehen.

Merkwürdigerweiſe ſucht dieſer Wal zur Fortpflanzungszeit die ſeichteren Gewäſſer auf; wenig-
ſtens hat man in dieſen nur Weibchen und Junge, niemals Männchen gefunden. Am Vorgebirge
der guten Hoffnung erſcheinen die trächtigen Weibchen im Juni oder Juli regelmäßig, verweilen in
der Nähe der Küſte bis zum September, und kehren dann mit ihren Jungen in die offene See
zurück.

Auch der Fang des ſüdlichen Walfiſches iſt ergiebig, obwohl er gegen früherhin bedeutend ab-
genommen hat. Jn den letzten Jahren haben die Engländer wiederholt gar keine Walfiſche in der
Südſee verfolgt, ſondern den Fang einzig und allein den Amerikanern überlaſſen. Nächſt dieſen
ſtellen die Japaneſen dem ſüdlichen Wale, wenn er in die Nähe ihrer Küſten kommt, eifrig nach.
Wahrſcheinlich wird auch er das Schickſal ſeines nordiſchen Verwandten theilen müſſen. Er wird
ſchließlich auch in den abgelegenſten und unzugänglichſten Meerestheilen aufgeſucht werden und mit
der Zeit wahrſcheinlich ganz von der Erde verſchwinden.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0922" n="872"/><fw place="top" type="header">Die Bartenwale. &#x2014; Der &#x017F;üdliche Wal.</fw><lb/>
armen Rie&#x017F;en befallen. Auch Meereicheln bedecken ihn nicht &#x017F;elten in großer Menge und geben wieder<lb/>
mancherlei Seepflanzen die geeigneten Anhaltspunkte her, &#x017F;o daß es Wale gibt, welche eine ganze<lb/>
Welt von Thieren und Pflanzen mit &#x017F;ich herumtragen mü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
              <p>Der <hi rendition="#g">&#x017F;üdliche Wal</hi> (<hi rendition="#aq">Balaena australis</hi>) i&#x017F;t kleiner als &#x017F;ein nordi&#x017F;cher Verwandter, klein-<lb/>
köpfiger und &#x017F;pitz&#x017F;chnäuziger. Die Flo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind größer und &#x017F;pitzer, die Barten kürzer, als bei<lb/>
jenem; die Färbung i&#x017F;t mit Ausnahme einer kleinen weißen Stelle am Unterleibe tief&#x017F;chwarz. Er<lb/>
liebt mehr gemäßigte Breiten, als die Länder nahe an den Polen. Jm Frühjahre &#x017F;ucht er die Buch-<lb/>
ten an der We&#x017F;tkü&#x017F;te Amerikas auf und gibt nun den Fi&#x017F;chern Gelegenheit zum Fang. Auch an<lb/>
der Süd&#x017F;pitze Afrikas und in Neuholland kommt er vor; man hat ihn aber auch bei Japan und<lb/>
Kamt&#x017F;chatka, ja &#x017F;elb&#x017F;t im nördlichen Eismeere gefangen. Jn den &#x017F;üdlichen Gewä&#x017F;&#x017F;ern um Amerika<lb/>
und Neuholland i&#x017F;t er nicht &#x017F;elten, im &#x017F;üdlichen Eismeer am häu&#x017F;ig&#x017F;ten.</p><lb/>
              <p>Er &#x017F;cheint regelmäßig und zwar in größeren Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften zu wandern. Ein Rei&#x017F;ender &#x017F;ah<lb/>
einmal gegen 800 Stück nach dem ochotzki&#x017F;chen Meere ziehen.</p><lb/>
              <p>Merkwürdigerwei&#x017F;e &#x017F;ucht die&#x017F;er Wal zur Fortpflanzungszeit die &#x017F;eichteren Gewä&#x017F;&#x017F;er auf; wenig-<lb/>
&#x017F;tens hat man in die&#x017F;en nur Weibchen und Junge, niemals Männchen gefunden. Am Vorgebirge<lb/>
der guten Hoffnung er&#x017F;cheinen die trächtigen Weibchen im Juni oder Juli regelmäßig, verweilen in<lb/>
der Nähe der Kü&#x017F;te bis zum September, und kehren dann mit ihren Jungen in die offene See<lb/>
zurück.</p><lb/>
              <p>Auch der Fang des &#x017F;üdlichen Walfi&#x017F;ches i&#x017F;t ergiebig, obwohl er gegen früherhin bedeutend ab-<lb/>
genommen hat. Jn den letzten Jahren haben die Engländer wiederholt gar keine Walfi&#x017F;che in der<lb/>
Süd&#x017F;ee verfolgt, &#x017F;ondern den Fang einzig und allein den Amerikanern überla&#x017F;&#x017F;en. Näch&#x017F;t die&#x017F;en<lb/>
&#x017F;tellen die Japane&#x017F;en dem &#x017F;üdlichen Wale, wenn er in die Nähe ihrer Kü&#x017F;ten kommt, eifrig nach.<lb/>
Wahr&#x017F;cheinlich wird auch er das Schick&#x017F;al &#x017F;eines nordi&#x017F;chen Verwandten theilen mü&#x017F;&#x017F;en. Er wird<lb/>
&#x017F;chließlich auch in den abgelegen&#x017F;ten und unzugänglich&#x017F;ten Meerestheilen aufge&#x017F;ucht werden und mit<lb/>
der Zeit wahr&#x017F;cheinlich ganz von der Erde ver&#x017F;chwinden.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[872/0922] Die Bartenwale. — Der ſüdliche Wal. armen Rieſen befallen. Auch Meereicheln bedecken ihn nicht ſelten in großer Menge und geben wieder mancherlei Seepflanzen die geeigneten Anhaltspunkte her, ſo daß es Wale gibt, welche eine ganze Welt von Thieren und Pflanzen mit ſich herumtragen müſſen. Der ſüdliche Wal (Balaena australis) iſt kleiner als ſein nordiſcher Verwandter, klein- köpfiger und ſpitzſchnäuziger. Die Floſſen ſind größer und ſpitzer, die Barten kürzer, als bei jenem; die Färbung iſt mit Ausnahme einer kleinen weißen Stelle am Unterleibe tiefſchwarz. Er liebt mehr gemäßigte Breiten, als die Länder nahe an den Polen. Jm Frühjahre ſucht er die Buch- ten an der Weſtküſte Amerikas auf und gibt nun den Fiſchern Gelegenheit zum Fang. Auch an der Südſpitze Afrikas und in Neuholland kommt er vor; man hat ihn aber auch bei Japan und Kamtſchatka, ja ſelbſt im nördlichen Eismeere gefangen. Jn den ſüdlichen Gewäſſern um Amerika und Neuholland iſt er nicht ſelten, im ſüdlichen Eismeer am häuſigſten. Er ſcheint regelmäßig und zwar in größeren Geſellſchaften zu wandern. Ein Reiſender ſah einmal gegen 800 Stück nach dem ochotzkiſchen Meere ziehen. Merkwürdigerweiſe ſucht dieſer Wal zur Fortpflanzungszeit die ſeichteren Gewäſſer auf; wenig- ſtens hat man in dieſen nur Weibchen und Junge, niemals Männchen gefunden. Am Vorgebirge der guten Hoffnung erſcheinen die trächtigen Weibchen im Juni oder Juli regelmäßig, verweilen in der Nähe der Küſte bis zum September, und kehren dann mit ihren Jungen in die offene See zurück. Auch der Fang des ſüdlichen Walfiſches iſt ergiebig, obwohl er gegen früherhin bedeutend ab- genommen hat. Jn den letzten Jahren haben die Engländer wiederholt gar keine Walfiſche in der Südſee verfolgt, ſondern den Fang einzig und allein den Amerikanern überlaſſen. Nächſt dieſen ſtellen die Japaneſen dem ſüdlichen Wale, wenn er in die Nähe ihrer Küſten kommt, eifrig nach. Wahrſcheinlich wird auch er das Schickſal ſeines nordiſchen Verwandten theilen müſſen. Er wird ſchließlich auch in den abgelegenſten und unzugänglichſten Meerestheilen aufgeſucht werden und mit der Zeit wahrſcheinlich ganz von der Erde verſchwinden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/922
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 872. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/922>, abgerufen am 11.05.2024.