Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.Die Bartenwale. -- Der Walfisch. soll der Wal andere seines Gleichen in erstaunlicher Entfernung wahrnehmen können; über Wasserdagegen soll sein Auge nicht weit reichen. Das Gehör ist so stumpf, daß er nach Scoresby einen lauten Schrei, selbst in der Entfernung einer Schiffslänge, nicht vernimmt; dagegen macht ihn bei ruhigem Wetter ein geringes Plätschern im Wasser aufmerksam und spornt ihn zur Flucht an. Ein Vogel, welcher sich ihm auf die Haut setzt, erregt sein Entsetzen; er taucht dann gewöhnlich mit größter Schnelligkeit in die Tiefe. Vögel erscheinen blos deshalb auf ihm, um die Unmassen von Schmarotzerthieren, welche sich in seiner Haut eingefressen haben, abzulesen, und das Hacken und das Ausleeren dieser Thiere vermittelst des Schnabels mag dem Walfisch nicht eben behagen. Die Ober- haut des Thieres scheint überhaupt ziemlich gefühlvoll zu sein. So merkt es eine Witterungs- veränderung im voraus; denn vor jedem Sturm oder Gewitter überfällt es eine große Un- ruhe, und es tobt dann heftig in den Fluthen umher. Unter seinen geistigen Eigenschaften dürfte blos seine Anhänglichkeit an andere und die Mutterliebe erwähnenswerth sein. Andere Anzeigen des Verstandes hat man nicht beobachtet. Der Walfisch rächt sich nicht einmal für die ihm angethane Be- leidigung oder die ihm beigebrachten Verwundungen. Die Nahrung besteht in Weich- und Krustenthieren, zumal Flossenfüßern und vor allen der Wenn der Wal sich vollkommen ungestört weiß, nähert er sich alle zwei bis drei Minuten der Eine Stimme hat man von dem Walfisch noch niemals wahrgenommen, und Scoresby Bei recht gutem Wetter hat man den Walfisch auch während seines Schlafes beobachtet. Er Jn den nordischen Meeren paaren sich Walfische zwischen Anfang Junis und Ende Julis. Um Die Bartenwale. — Der Walfiſch. ſoll der Wal andere ſeines Gleichen in erſtaunlicher Entfernung wahrnehmen können; über Waſſerdagegen ſoll ſein Auge nicht weit reichen. Das Gehör iſt ſo ſtumpf, daß er nach Scoresby einen lauten Schrei, ſelbſt in der Entfernung einer Schiffslänge, nicht vernimmt; dagegen macht ihn bei ruhigem Wetter ein geringes Plätſchern im Waſſer aufmerkſam und ſpornt ihn zur Flucht an. Ein Vogel, welcher ſich ihm auf die Haut ſetzt, erregt ſein Entſetzen; er taucht dann gewöhnlich mit größter Schnelligkeit in die Tiefe. Vögel erſcheinen blos deshalb auf ihm, um die Unmaſſen von Schmarotzerthieren, welche ſich in ſeiner Haut eingefreſſen haben, abzuleſen, und das Hacken und das Ausleeren dieſer Thiere vermittelſt des Schnabels mag dem Walfiſch nicht eben behagen. Die Ober- haut des Thieres ſcheint überhaupt ziemlich gefühlvoll zu ſein. So merkt es eine Witterungs- veränderung im voraus; denn vor jedem Sturm oder Gewitter überfällt es eine große Un- ruhe, und es tobt dann heftig in den Fluthen umher. Unter ſeinen geiſtigen Eigenſchaften dürfte blos ſeine Anhänglichkeit an andere und die Mutterliebe erwähnenswerth ſein. Andere Anzeigen des Verſtandes hat man nicht beobachtet. Der Walfiſch rächt ſich nicht einmal für die ihm angethane Be- leidigung oder die ihm beigebrachten Verwundungen. Die Nahrung beſteht in Weich- und Kruſtenthieren, zumal Floſſenfüßern und vor allen der Wenn der Wal ſich vollkommen ungeſtört weiß, nähert er ſich alle zwei bis drei Minuten der Eine Stimme hat man von dem Walfiſch noch niemals wahrgenommen, und Scoresby Bei recht gutem Wetter hat man den Walfiſch auch während ſeines Schlafes beobachtet. Er Jn den nordiſchen Meeren paaren ſich Walfiſche zwiſchen Anfang Junis und Ende Julis. 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Fiſche ſcheint er nur<lb/> zufällig mit aufzunehmen und große kann er, ſeines engen Schlundes wegen, gar nicht ver-<lb/> ſchlingen.</p><lb/> <p>Wenn der Wal ſich vollkommen ungeſtört weiß, nähert er ſich alle zwei bis drei Minuten der<lb/> Oberfläche, um zu athmen und nimmt dann raſch nach einander vier bis ſechs Mal Luft ein. Der<lb/> Strahl, welchen er auswirft, ſteigt nicht ſelten bis vierzig Fuß in die Höhe und kann ſomit auf eine<lb/> Entfernung von einer oder anderthalb Seemeile geſehen werden. Seefahrer vergleichen die Strahlen<lb/> einer Herde von Walfiſchen mit den rauchenden Schornſteinen einer Fabrikſtadt, laſſen aber dabei frei-<lb/> lich ihrer Einbildungskraft völlig freien Spielraum. <hi rendition="#g">Scoresby</hi> gibt an, daß der Wal, auch wenn<lb/> er auf Nahrung ausgeht, funfzehn bis zwanzig Minuten, wenn er verwundet, aber ſogar eine halbe<lb/> bis beinahe eine ganze Stunde unter Waſſer verweilen könne. Die Angabe ſcheint mir zu hoch gegriffen<lb/> zu ſein. Der genannte Beobachter fügt hinzu, daß ein Wal, welcher etwa 40 Minuten lang unter<lb/> Waſſer verweilte, ganz erſchöpft wieder an die Oberfläche komme, wahrſcheinlich in Folge des unge-<lb/> heuren Waſſerdruckes, den er in der Tiefe des Meeres aushalten mußte, eines Druckes, welcher mehr<lb/> als 100,000 Centner betragen ſoll.</p><lb/> <p>Eine Stimme hat man von dem Walfiſch noch niemals wahrgenommen, und <hi rendition="#g">Scoresby</hi><lb/> glaubt, daß er gar nicht im Stande wäre, Töne auszuſtoßen. Der Naturforſcher kann dieſer Mei-<lb/> nung nicht beipflichten, weil der Kehlkopf des Wales wie der des Finnfiſches gebaut iſt und man<lb/> von dieſem ſchon mehr als ein Mal ein Gebrüll gehört hat.</p><lb/> <p>Bei recht gutem Wetter hat man den Walfiſch auch während ſeines Schlafes beobachtet. 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Sie folgen ihrer Mutter über ein Jahr lang, bis die Barten<lb/> ſo weit gewachſen ſind, daß ſie ſelbſt ihre Nahrung ſich erwerben können. „Ohngeachtet des<lb/> Stumpfſinnes der Wale,‟ ſagt <hi rendition="#g">Scoresby,</hi> „iſt doch die mütterliche Liebe außerordentlich groß.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [870/0920]
Die Bartenwale. — Der Walfiſch.
ſoll der Wal andere ſeines Gleichen in erſtaunlicher Entfernung wahrnehmen können; über Waſſer
dagegen ſoll ſein Auge nicht weit reichen. Das Gehör iſt ſo ſtumpf, daß er nach Scoresby einen
lauten Schrei, ſelbſt in der Entfernung einer Schiffslänge, nicht vernimmt; dagegen macht ihn bei
ruhigem Wetter ein geringes Plätſchern im Waſſer aufmerkſam und ſpornt ihn zur Flucht an. Ein
Vogel, welcher ſich ihm auf die Haut ſetzt, erregt ſein Entſetzen; er taucht dann gewöhnlich mit
größter Schnelligkeit in die Tiefe. Vögel erſcheinen blos deshalb auf ihm, um die Unmaſſen von
Schmarotzerthieren, welche ſich in ſeiner Haut eingefreſſen haben, abzuleſen, und das Hacken und das
Ausleeren dieſer Thiere vermittelſt des Schnabels mag dem Walfiſch nicht eben behagen. Die Ober-
haut des Thieres ſcheint überhaupt ziemlich gefühlvoll zu ſein. So merkt es eine Witterungs-
veränderung im voraus; denn vor jedem Sturm oder Gewitter überfällt es eine große Un-
ruhe, und es tobt dann heftig in den Fluthen umher. Unter ſeinen geiſtigen Eigenſchaften dürfte
blos ſeine Anhänglichkeit an andere und die Mutterliebe erwähnenswerth ſein. Andere Anzeigen des
Verſtandes hat man nicht beobachtet. Der Walfiſch rächt ſich nicht einmal für die ihm angethane Be-
leidigung oder die ihm beigebrachten Verwundungen.
Die Nahrung beſteht in Weich- und Kruſtenthieren, zumal Floſſenfüßern und vor allen der
nördlichen Klio, welche in Unmenge das Eismeer überdeckt. Außerdem verzehrt er noch Ringel-
würmer und zwar diejenigen Arten, welche frei im Meere herumſchwimmen. Fiſche ſcheint er nur
zufällig mit aufzunehmen und große kann er, ſeines engen Schlundes wegen, gar nicht ver-
ſchlingen.
Wenn der Wal ſich vollkommen ungeſtört weiß, nähert er ſich alle zwei bis drei Minuten der
Oberfläche, um zu athmen und nimmt dann raſch nach einander vier bis ſechs Mal Luft ein. Der
Strahl, welchen er auswirft, ſteigt nicht ſelten bis vierzig Fuß in die Höhe und kann ſomit auf eine
Entfernung von einer oder anderthalb Seemeile geſehen werden. Seefahrer vergleichen die Strahlen
einer Herde von Walfiſchen mit den rauchenden Schornſteinen einer Fabrikſtadt, laſſen aber dabei frei-
lich ihrer Einbildungskraft völlig freien Spielraum. Scoresby gibt an, daß der Wal, auch wenn
er auf Nahrung ausgeht, funfzehn bis zwanzig Minuten, wenn er verwundet, aber ſogar eine halbe
bis beinahe eine ganze Stunde unter Waſſer verweilen könne. Die Angabe ſcheint mir zu hoch gegriffen
zu ſein. Der genannte Beobachter fügt hinzu, daß ein Wal, welcher etwa 40 Minuten lang unter
Waſſer verweilte, ganz erſchöpft wieder an die Oberfläche komme, wahrſcheinlich in Folge des unge-
heuren Waſſerdruckes, den er in der Tiefe des Meeres aushalten mußte, eines Druckes, welcher mehr
als 100,000 Centner betragen ſoll.
Eine Stimme hat man von dem Walfiſch noch niemals wahrgenommen, und Scoresby
glaubt, daß er gar nicht im Stande wäre, Töne auszuſtoßen. Der Naturforſcher kann dieſer Mei-
nung nicht beipflichten, weil der Kehlkopf des Wales wie der des Finnfiſches gebaut iſt und man
von dieſem ſchon mehr als ein Mal ein Gebrüll gehört hat.
Bei recht gutem Wetter hat man den Walfiſch auch während ſeines Schlafes beobachtet. Er
liegt dann wie ein Leichnam auf der Oberfläche, ohne ſich zu rühren, hält ſich aber durch die Bruſt-
floſſen immer im Gleichgewicht.
Jn den nordiſchen Meeren paaren ſich Walfiſche zwiſchen Anfang Junis und Ende Julis. Um
dieſe Zeit zeigen beide Geſchlechter große Erregung und treiben alle die Künſte und Spiele, welche ich
ſchon oben beſchrieben habe. Nach zehn Monaten, möglicherweiſe aber auch nach zweiundzwanzig
oder gar vierunddreißig, im März und April nämlich, bringt das Weibchen ein einziges Junge,
höchſt ſelten auch Zwillinge zur Welt. Dieſes iſt ſchon ein recht tüchtiges Thier von zehn bis vierzehn
Fuß Länge und entſprechendem Umfang und Gewicht. Die Jungen wachſen außerordentlich raſch; noch
als Säuglinge haben ſie bereits eine Länge von etwa 20 Fuß, einen Umfang von 15 Fuß und fünf
Tonnen oder 11,200 Pfund erreicht. Sie folgen ihrer Mutter über ein Jahr lang, bis die Barten
ſo weit gewachſen ſind, daß ſie ſelbſt ihre Nahrung ſich erwerben können. „Ohngeachtet des
Stumpfſinnes der Wale,‟ ſagt Scoresby, „iſt doch die mütterliche Liebe außerordentlich groß.
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