Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Finnfisch.
Die Berichte stimmen darin überein, daß er an Wildheit und Kühnheit kaum hinter dem bösartigsten
aller Wale zurücksteht. Nicht blos die Mutterliebe ist bei ihm außerordentlich groß, sondern auch
die Liebe zu seinen Genoffen, welche er bei Gefahr nach Kräften zu vertheidigen sucht.

Der Finnfisch liebt eine kräftigere Nahrung, als der Wal. Sie besteht größtentheils aus
kleinen Fischen, welche er oft scharenweise vor sich hertreibt und in dem weiten Rachen schockweise auf
ein Mal fängt; nebenbei werden auch schalenlose Weichthiere und andere kleine Meeresbewohner mit
aufgenommen, ja, er soll sich selbst von Tangen nähren und zwar nicht blos von solchen, welche
zufällig ihm in das Maul gerathen, er soll vielmehr diese Wasserpflanzen förmlich abweiden. Es ist
thatsächlich erwiesen, daß er sich auf seinen Zügen nur solange in ein und derselben Gegend aufhält,
als noch Tange in ihr vorhanden sind, dann aber andere pflanzenreichere Orte aufsucht. Freilich ist
hierbei immer festzuhalten, daß die Tange es sind, welche auch seine Nahrung herbeiziehen, und
deshalb noch nicht zweifellos erwiesen, daß die Pflanzen den Hauptbestand seiner Nahrung ausmachten.
Dagegen läßt sich nun wieder einwenden, daß kein anderer Wal freiwillig so nahe an die gefährlichen
Küsten herankommt, als gerade der Finnfisch. Er allein ist es, welcher sich in den engen Fjorden
Norwegens umhertreibt und die übrigen schmalen Buchten des Meeres besucht; er ist es aber auch,
welcher am häufigsten strandet. Man kennt allein vom Jahre 1819 an mehr als zwanzig Beispiele,
daß Finnfische auf den Strand europäischer Küsten geworfen wurden und elendiglich umkamen.

Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Trächtigkeit weiß man nichts Gewisses. Man
nimmt an, daß jene im Sommer stattfindet und diese etwa 9 bis 10 Monate in Anspruch nimmt. Auch
über die Anzahl der Jungen sind die Angaben nicht übereinstimmend. Die Meisten sagen, daß der
Finnfisch nur ein Junges werfe, während Andere von zweien reden. Die Mutter liebt ihren
Sprossen ungemein. Er schwimmt stets an ihrer Seite, und wenn er säugt, erfaßt er die
Zitze und läßt sich von der Mutter ruhig nachschleifen. Bei Gefahr sucht sie ihn auf alle mögliche
Weise zu schützen. Sie fährt wüthend unter die Bote ihrer Verfolger, schlägt mit dem Schwanze
und den Brustfinnen um sich und achtet keine Wunde, wenn es gilt, ihr Theuerstes zu schützen.

Die Jagd des Finnfisches ist wegen der großen Schnelligkeit und Heftigkeit des Thieres schwie-
riger, und der Nutzen, welchen das erlegte Thier gewährt, weit geringer, als bei dem eigentlichen
Walfisch. Deshalb stellt man ihm auch nicht regelmäßig nach, wie diesem. Man sucht zwar
jedes Finnfisches, den man bemerkt, habhaft zu werden, aber doch nur dann, wenn keine Wal-
fische in der Nähe sind. Jagd und Fang sind genau dieselben, wie bei den übrigen Walen, aber
mit größerer Gefahr verbunden, als beim Wal. Wenn der Finnfisch die Harpune erhält, fährt er
mit rasender Heftigkeit zur Tiefe hinab, so daß gar nicht selten das Bot unter das Wasser gezo-
gen wird. Falls er längs der Oberfläche fortschwimmt, sind die Fänger schon zufrieden, ob-
gleich er sie oft sieben bis acht Meilen hinter sich nachschleppt, ehe er ermüdet. Uebrigens ist die
Gefahr, durch ihn das Bot zu verlieren, nicht die geringste; denn nicht selten kommt es vor, daß
er sich plötzlich gegen seine Angreifer wendet und durch einen Schlag mit dem Schwanze Bot und
Mannschaft vernichtet. Anderson berichtet, daß andere Finnfische, welche in der Nähe sich
befinden, ihrem angegriffenen Gefährten zu Hilfe eilen, und ein alter Seemann erzählt, daß die
Verwundeten ein fürchterliches Gebrüll ausstoßen, welches alle Wale im Umkreise herbeilockt. So-
viel scheint festzustehen, daß die Anhänglichkeit dieser Thiere an ihre Gefährten groß ist. Wie
andere Wale, geht auch der Finnfisch bald zu Grunde, wenn die Harpune so gut geschlendert wurde,
daß sie durch den Speck in das Fleisch eindrang; ein edler Theil des Leibes braucht nicht verletzt
zu werden: die sehr bald beginnende Eiterung führt den Tod herbei.

Ein Finnfisch, dessen Geripp ich bei einem norwegischen Kaufmann und Naturforscher in
Vadsö liegen sah, war auf sonderbare Weise erlegt worden. Er hatte sich beim Besuchen des Va-
ranger Fjords zwischen Scheren festgearbeitet und zuletzt so zwischen die Felsen gezwängt, daß er
weder vorwärts, noch rückwärts konnte. Einige lappländische Fischer, welche ihn sahen, eilten her-
bei und suchten sich nun des Ungeheuers zu bemächtigen. Sie hatten keine andere Waffe, als ihre

Brehm, Thierleben. II. 55

Der Finnfiſch.
Die Berichte ſtimmen darin überein, daß er an Wildheit und Kühnheit kaum hinter dem bösartigſten
aller Wale zurückſteht. Nicht blos die Mutterliebe iſt bei ihm außerordentlich groß, ſondern auch
die Liebe zu ſeinen Genoffen, welche er bei Gefahr nach Kräften zu vertheidigen ſucht.

Der Finnfiſch liebt eine kräftigere Nahrung, als der Wal. Sie beſteht größtentheils aus
kleinen Fiſchen, welche er oft ſcharenweiſe vor ſich hertreibt und in dem weiten Rachen ſchockweiſe auf
ein Mal fängt; nebenbei werden auch ſchalenloſe Weichthiere und andere kleine Meeresbewohner mit
aufgenommen, ja, er ſoll ſich ſelbſt von Tangen nähren und zwar nicht blos von ſolchen, welche
zufällig ihm in das Maul gerathen, er ſoll vielmehr dieſe Waſſerpflanzen förmlich abweiden. Es iſt
thatſächlich erwieſen, daß er ſich auf ſeinen Zügen nur ſolange in ein und derſelben Gegend aufhält,
als noch Tange in ihr vorhanden ſind, dann aber andere pflanzenreichere Orte aufſucht. Freilich iſt
hierbei immer feſtzuhalten, daß die Tange es ſind, welche auch ſeine Nahrung herbeiziehen, und
deshalb noch nicht zweifellos erwieſen, daß die Pflanzen den Hauptbeſtand ſeiner Nahrung ausmachten.
Dagegen läßt ſich nun wieder einwenden, daß kein anderer Wal freiwillig ſo nahe an die gefährlichen
Küſten herankommt, als gerade der Finnfiſch. Er allein iſt es, welcher ſich in den engen Fjorden
Norwegens umhertreibt und die übrigen ſchmalen Buchten des Meeres beſucht; er iſt es aber auch,
welcher am häufigſten ſtrandet. Man kennt allein vom Jahre 1819 an mehr als zwanzig Beiſpiele,
daß Finnfiſche auf den Strand europäiſcher Küſten geworfen wurden und elendiglich umkamen.

Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Trächtigkeit weiß man nichts Gewiſſes. Man
nimmt an, daß jene im Sommer ſtattfindet und dieſe etwa 9 bis 10 Monate in Anſpruch nimmt. Auch
über die Anzahl der Jungen ſind die Angaben nicht übereinſtimmend. Die Meiſten ſagen, daß der
Finnfiſch nur ein Junges werfe, während Andere von zweien reden. Die Mutter liebt ihren
Sproſſen ungemein. Er ſchwimmt ſtets an ihrer Seite, und wenn er ſäugt, erfaßt er die
Zitze und läßt ſich von der Mutter ruhig nachſchleifen. Bei Gefahr ſucht ſie ihn auf alle mögliche
Weiſe zu ſchützen. Sie fährt wüthend unter die Bote ihrer Verfolger, ſchlägt mit dem Schwanze
und den Bruſtfinnen um ſich und achtet keine Wunde, wenn es gilt, ihr Theuerſtes zu ſchützen.

Die Jagd des Finnfiſches iſt wegen der großen Schnelligkeit und Heftigkeit des Thieres ſchwie-
riger, und der Nutzen, welchen das erlegte Thier gewährt, weit geringer, als bei dem eigentlichen
Walfiſch. Deshalb ſtellt man ihm auch nicht regelmäßig nach, wie dieſem. Man ſucht zwar
jedes Finnfiſches, den man bemerkt, habhaft zu werden, aber doch nur dann, wenn keine Wal-
fiſche in der Nähe ſind. Jagd und Fang ſind genau dieſelben, wie bei den übrigen Walen, aber
mit größerer Gefahr verbunden, als beim Wal. Wenn der Finnfiſch die Harpune erhält, fährt er
mit raſender Heftigkeit zur Tiefe hinab, ſo daß gar nicht ſelten das Bot unter das Waſſer gezo-
gen wird. Falls er längs der Oberfläche fortſchwimmt, ſind die Fänger ſchon zufrieden, ob-
gleich er ſie oft ſieben bis acht Meilen hinter ſich nachſchleppt, ehe er ermüdet. Uebrigens iſt die
Gefahr, durch ihn das Bot zu verlieren, nicht die geringſte; denn nicht ſelten kommt es vor, daß
er ſich plötzlich gegen ſeine Angreifer wendet und durch einen Schlag mit dem Schwanze Bot und
Mannſchaft vernichtet. Anderſon berichtet, daß andere Finnfiſche, welche in der Nähe ſich
befinden, ihrem angegriffenen Gefährten zu Hilfe eilen, und ein alter Seemann erzählt, daß die
Verwundeten ein fürchterliches Gebrüll ausſtoßen, welches alle Wale im Umkreiſe herbeilockt. So-
viel ſcheint feſtzuſtehen, daß die Anhänglichkeit dieſer Thiere an ihre Gefährten groß iſt. Wie
andere Wale, geht auch der Finnfiſch bald zu Grunde, wenn die Harpune ſo gut geſchlendert wurde,
daß ſie durch den Speck in das Fleiſch eindrang; ein edler Theil des Leibes braucht nicht verletzt
zu werden: die ſehr bald beginnende Eiterung führt den Tod herbei.

Ein Finnfiſch, deſſen Geripp ich bei einem norwegiſchen Kaufmann und Naturforſcher in
Vadſö liegen ſah, war auf ſonderbare Weiſe erlegt worden. Er hatte ſich beim Beſuchen des Va-
ranger Fjords zwiſchen Scheren feſtgearbeitet und zuletzt ſo zwiſchen die Felſen gezwängt, daß er
weder vorwärts, noch rückwärts konnte. Einige lappländiſche Fiſcher, welche ihn ſahen, eilten her-
bei und ſuchten ſich nun des Ungeheuers zu bemächtigen. Sie hatten keine andere Waffe, als ihre

Brehm, Thierleben. II. 55
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0913" n="865"/><fw place="top" type="header">Der Finnfi&#x017F;ch.</fw><lb/>
Die Berichte &#x017F;timmen darin überein, daß er an Wildheit und Kühnheit kaum hinter dem bösartig&#x017F;ten<lb/>
aller Wale zurück&#x017F;teht. Nicht blos die Mutterliebe i&#x017F;t bei ihm außerordentlich groß, &#x017F;ondern auch<lb/>
die Liebe zu &#x017F;einen Genoffen, welche er bei Gefahr nach Kräften zu vertheidigen &#x017F;ucht.</p><lb/>
              <p>Der Finnfi&#x017F;ch liebt eine kräftigere Nahrung, als der Wal. Sie be&#x017F;teht größtentheils aus<lb/>
kleinen Fi&#x017F;chen, welche er oft &#x017F;charenwei&#x017F;e vor &#x017F;ich hertreibt und in dem weiten Rachen &#x017F;chockwei&#x017F;e auf<lb/>
ein Mal fängt; nebenbei werden auch &#x017F;chalenlo&#x017F;e Weichthiere und andere kleine Meeresbewohner mit<lb/>
aufgenommen, ja, er &#x017F;oll &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t von Tangen nähren und zwar nicht blos von &#x017F;olchen, welche<lb/>
zufällig ihm in das Maul gerathen, er &#x017F;oll vielmehr die&#x017F;e Wa&#x017F;&#x017F;erpflanzen förmlich abweiden. Es i&#x017F;t<lb/>
that&#x017F;ächlich erwie&#x017F;en, daß er &#x017F;ich auf &#x017F;einen Zügen nur &#x017F;olange in ein und der&#x017F;elben Gegend aufhält,<lb/>
als noch Tange in ihr vorhanden &#x017F;ind, dann aber andere pflanzenreichere Orte auf&#x017F;ucht. Freilich i&#x017F;t<lb/>
hierbei immer fe&#x017F;tzuhalten, daß die Tange es &#x017F;ind, welche auch &#x017F;eine Nahrung herbeiziehen, und<lb/>
deshalb noch nicht zweifellos erwie&#x017F;en, daß die Pflanzen den Hauptbe&#x017F;tand &#x017F;einer Nahrung ausmachten.<lb/>
Dagegen läßt &#x017F;ich nun wieder einwenden, daß kein anderer Wal freiwillig &#x017F;o nahe an die gefährlichen<lb/>&#x017F;ten herankommt, als gerade der Finnfi&#x017F;ch. Er allein i&#x017F;t es, welcher &#x017F;ich in den engen Fjorden<lb/>
Norwegens umhertreibt und die übrigen &#x017F;chmalen Buchten des Meeres be&#x017F;ucht; er i&#x017F;t es aber auch,<lb/>
welcher am häufig&#x017F;ten &#x017F;trandet. Man kennt allein vom Jahre 1819 an mehr als zwanzig Bei&#x017F;piele,<lb/>
daß Finnfi&#x017F;che auf den Strand europäi&#x017F;cher Kü&#x017F;ten geworfen wurden und elendiglich umkamen.</p><lb/>
              <p>Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Trächtigkeit weiß man nichts Gewi&#x017F;&#x017F;es. Man<lb/>
nimmt an, daß jene im Sommer &#x017F;tattfindet und die&#x017F;e etwa 9 bis 10 Monate in An&#x017F;pruch nimmt. Auch<lb/>
über die Anzahl der Jungen &#x017F;ind die Angaben nicht überein&#x017F;timmend. Die Mei&#x017F;ten &#x017F;agen, daß der<lb/>
Finnfi&#x017F;ch nur ein Junges werfe, während Andere von zweien reden. Die Mutter liebt ihren<lb/>
Spro&#x017F;&#x017F;en ungemein. Er &#x017F;chwimmt &#x017F;tets an ihrer Seite, und wenn er &#x017F;äugt, erfaßt er die<lb/>
Zitze und läßt &#x017F;ich von der Mutter ruhig nach&#x017F;chleifen. Bei Gefahr &#x017F;ucht &#x017F;ie ihn auf alle mögliche<lb/>
Wei&#x017F;e zu &#x017F;chützen. Sie fährt wüthend unter die Bote ihrer Verfolger, &#x017F;chlägt mit dem Schwanze<lb/>
und den Bru&#x017F;tfinnen um &#x017F;ich und achtet keine Wunde, wenn es gilt, ihr Theuer&#x017F;tes zu &#x017F;chützen.</p><lb/>
              <p>Die Jagd des Finnfi&#x017F;ches i&#x017F;t wegen der großen Schnelligkeit und Heftigkeit des Thieres &#x017F;chwie-<lb/>
riger, und der Nutzen, welchen das erlegte Thier gewährt, weit geringer, als bei dem eigentlichen<lb/>
Walfi&#x017F;ch. Deshalb &#x017F;tellt man ihm auch nicht regelmäßig nach, wie die&#x017F;em. Man &#x017F;ucht zwar<lb/>
jedes Finnfi&#x017F;ches, den man bemerkt, habhaft zu werden, aber doch nur dann, wenn keine Wal-<lb/>
fi&#x017F;che in der Nähe &#x017F;ind. Jagd und Fang &#x017F;ind genau die&#x017F;elben, wie bei den übrigen Walen, aber<lb/>
mit größerer Gefahr verbunden, als beim Wal. Wenn der Finnfi&#x017F;ch die Harpune erhält, fährt er<lb/>
mit ra&#x017F;ender Heftigkeit zur Tiefe hinab, &#x017F;o daß gar nicht &#x017F;elten das Bot unter das Wa&#x017F;&#x017F;er gezo-<lb/>
gen wird. Falls er längs der Oberfläche fort&#x017F;chwimmt, &#x017F;ind die Fänger &#x017F;chon zufrieden, ob-<lb/>
gleich er &#x017F;ie oft &#x017F;ieben bis acht Meilen hinter &#x017F;ich nach&#x017F;chleppt, ehe er ermüdet. Uebrigens i&#x017F;t die<lb/>
Gefahr, durch ihn das Bot zu verlieren, nicht die gering&#x017F;te; denn nicht &#x017F;elten kommt es vor, daß<lb/>
er &#x017F;ich plötzlich gegen &#x017F;eine Angreifer wendet und durch einen Schlag mit dem Schwanze Bot und<lb/>
Mann&#x017F;chaft vernichtet. <hi rendition="#g">Ander&#x017F;on</hi> berichtet, daß andere Finnfi&#x017F;che, welche in der Nähe &#x017F;ich<lb/>
befinden, ihrem angegriffenen Gefährten zu Hilfe eilen, und ein alter Seemann erzählt, daß die<lb/>
Verwundeten ein fürchterliches Gebrüll aus&#x017F;toßen, welches alle Wale im Umkrei&#x017F;e herbeilockt. So-<lb/>
viel &#x017F;cheint fe&#x017F;tzu&#x017F;tehen, daß die Anhänglichkeit die&#x017F;er Thiere an ihre Gefährten groß i&#x017F;t. Wie<lb/>
andere Wale, geht auch der Finnfi&#x017F;ch bald zu Grunde, wenn die Harpune &#x017F;o gut ge&#x017F;chlendert wurde,<lb/>
daß &#x017F;ie durch den Speck in das Flei&#x017F;ch eindrang; ein edler Theil des Leibes braucht nicht verletzt<lb/>
zu werden: die &#x017F;ehr bald beginnende Eiterung führt den Tod herbei.</p><lb/>
              <p>Ein Finnfi&#x017F;ch, de&#x017F;&#x017F;en Geripp ich bei einem norwegi&#x017F;chen Kaufmann und Naturfor&#x017F;cher in<lb/>
Vad&#x017F;ö liegen &#x017F;ah, war auf &#x017F;onderbare Wei&#x017F;e erlegt worden. Er hatte &#x017F;ich beim Be&#x017F;uchen des Va-<lb/>
ranger Fjords zwi&#x017F;chen Scheren fe&#x017F;tgearbeitet und zuletzt &#x017F;o zwi&#x017F;chen die Fel&#x017F;en gezwängt, daß er<lb/>
weder vorwärts, noch rückwärts konnte. Einige lappländi&#x017F;che Fi&#x017F;cher, welche ihn &#x017F;ahen, eilten her-<lb/>
bei und &#x017F;uchten &#x017F;ich nun des Ungeheuers zu bemächtigen. Sie hatten keine andere Waffe, als ihre<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hi rendition="#aq">II.</hi> 55</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[865/0913] Der Finnfiſch. Die Berichte ſtimmen darin überein, daß er an Wildheit und Kühnheit kaum hinter dem bösartigſten aller Wale zurückſteht. Nicht blos die Mutterliebe iſt bei ihm außerordentlich groß, ſondern auch die Liebe zu ſeinen Genoffen, welche er bei Gefahr nach Kräften zu vertheidigen ſucht. Der Finnfiſch liebt eine kräftigere Nahrung, als der Wal. Sie beſteht größtentheils aus kleinen Fiſchen, welche er oft ſcharenweiſe vor ſich hertreibt und in dem weiten Rachen ſchockweiſe auf ein Mal fängt; nebenbei werden auch ſchalenloſe Weichthiere und andere kleine Meeresbewohner mit aufgenommen, ja, er ſoll ſich ſelbſt von Tangen nähren und zwar nicht blos von ſolchen, welche zufällig ihm in das Maul gerathen, er ſoll vielmehr dieſe Waſſerpflanzen förmlich abweiden. Es iſt thatſächlich erwieſen, daß er ſich auf ſeinen Zügen nur ſolange in ein und derſelben Gegend aufhält, als noch Tange in ihr vorhanden ſind, dann aber andere pflanzenreichere Orte aufſucht. Freilich iſt hierbei immer feſtzuhalten, daß die Tange es ſind, welche auch ſeine Nahrung herbeiziehen, und deshalb noch nicht zweifellos erwieſen, daß die Pflanzen den Hauptbeſtand ſeiner Nahrung ausmachten. Dagegen läßt ſich nun wieder einwenden, daß kein anderer Wal freiwillig ſo nahe an die gefährlichen Küſten herankommt, als gerade der Finnfiſch. Er allein iſt es, welcher ſich in den engen Fjorden Norwegens umhertreibt und die übrigen ſchmalen Buchten des Meeres beſucht; er iſt es aber auch, welcher am häufigſten ſtrandet. Man kennt allein vom Jahre 1819 an mehr als zwanzig Beiſpiele, daß Finnfiſche auf den Strand europäiſcher Küſten geworfen wurden und elendiglich umkamen. Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Trächtigkeit weiß man nichts Gewiſſes. Man nimmt an, daß jene im Sommer ſtattfindet und dieſe etwa 9 bis 10 Monate in Anſpruch nimmt. Auch über die Anzahl der Jungen ſind die Angaben nicht übereinſtimmend. Die Meiſten ſagen, daß der Finnfiſch nur ein Junges werfe, während Andere von zweien reden. Die Mutter liebt ihren Sproſſen ungemein. Er ſchwimmt ſtets an ihrer Seite, und wenn er ſäugt, erfaßt er die Zitze und läßt ſich von der Mutter ruhig nachſchleifen. Bei Gefahr ſucht ſie ihn auf alle mögliche Weiſe zu ſchützen. Sie fährt wüthend unter die Bote ihrer Verfolger, ſchlägt mit dem Schwanze und den Bruſtfinnen um ſich und achtet keine Wunde, wenn es gilt, ihr Theuerſtes zu ſchützen. Die Jagd des Finnfiſches iſt wegen der großen Schnelligkeit und Heftigkeit des Thieres ſchwie- riger, und der Nutzen, welchen das erlegte Thier gewährt, weit geringer, als bei dem eigentlichen Walfiſch. Deshalb ſtellt man ihm auch nicht regelmäßig nach, wie dieſem. Man ſucht zwar jedes Finnfiſches, den man bemerkt, habhaft zu werden, aber doch nur dann, wenn keine Wal- fiſche in der Nähe ſind. Jagd und Fang ſind genau dieſelben, wie bei den übrigen Walen, aber mit größerer Gefahr verbunden, als beim Wal. Wenn der Finnfiſch die Harpune erhält, fährt er mit raſender Heftigkeit zur Tiefe hinab, ſo daß gar nicht ſelten das Bot unter das Waſſer gezo- gen wird. Falls er längs der Oberfläche fortſchwimmt, ſind die Fänger ſchon zufrieden, ob- gleich er ſie oft ſieben bis acht Meilen hinter ſich nachſchleppt, ehe er ermüdet. Uebrigens iſt die Gefahr, durch ihn das Bot zu verlieren, nicht die geringſte; denn nicht ſelten kommt es vor, daß er ſich plötzlich gegen ſeine Angreifer wendet und durch einen Schlag mit dem Schwanze Bot und Mannſchaft vernichtet. Anderſon berichtet, daß andere Finnfiſche, welche in der Nähe ſich befinden, ihrem angegriffenen Gefährten zu Hilfe eilen, und ein alter Seemann erzählt, daß die Verwundeten ein fürchterliches Gebrüll ausſtoßen, welches alle Wale im Umkreiſe herbeilockt. So- viel ſcheint feſtzuſtehen, daß die Anhänglichkeit dieſer Thiere an ihre Gefährten groß iſt. Wie andere Wale, geht auch der Finnfiſch bald zu Grunde, wenn die Harpune ſo gut geſchlendert wurde, daß ſie durch den Speck in das Fleiſch eindrang; ein edler Theil des Leibes braucht nicht verletzt zu werden: die ſehr bald beginnende Eiterung führt den Tod herbei. Ein Finnfiſch, deſſen Geripp ich bei einem norwegiſchen Kaufmann und Naturforſcher in Vadſö liegen ſah, war auf ſonderbare Weiſe erlegt worden. Er hatte ſich beim Beſuchen des Va- ranger Fjords zwiſchen Scheren feſtgearbeitet und zuletzt ſo zwiſchen die Felſen gezwängt, daß er weder vorwärts, noch rückwärts konnte. Einige lappländiſche Fiſcher, welche ihn ſahen, eilten her- bei und ſuchten ſich nun des Ungeheuers zu bemächtigen. Sie hatten keine andere Waffe, als ihre Brehm, Thierleben. II. 55

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/913
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 865. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/913>, abgerufen am 11.05.2024.