gegen den Gleicher hin oder von Westen nach Osten und zurück unternehmen. Ungeachtet ihrer unge- heuren Massigkeit bewegen sie sich im Wasser rasch und gewandt; ja, die meisten durchziehen die Fluth fast mit der Schnelligkeit eines Dampfschiffes. Sie schwimmen geradeaus, aber in beständigen Bogenlinien fort, indem sie bald bis zur und theilweise bis über die Oberfläche des Wassers empor- kommen, bald wieder unter ihr fortsegeln. Nach eigenen Beobachtungen kommen sie, wenn sie un- gestört sich bewegen, durchschnittlich alle 40 Sekunden mit dem ungeheuren Kopf und einem Theile des Rückens über den Meeresspiegel empor, um Luft zu schöpfen. Unter schnaubendem, hörbarem Geräusch treiben sie das in die Nasenlöcher eingedrungene Wasser mit großer Kraft heraus.
Bei Gefahr verschwinden sie in der Tiefe und hier können sie unter Umständen lange verweilen, wenn auch die gewöhnlich angeführten Schätzungen, nach welchen sie halbe oder ganze Stunden lang unter Wasser zu bleiben vermögen, übertrieben sein dürften.
Ungestört verweilen sie immer an der Oberfläche. Hier legen sie sich bisweilen auf den Wasser- spiegel, bald auf den Rücken, bald auf die Seite, wälzen sich, stellen sich senkrecht und treiben an- dere Spiele. Manchmal schnellen sie sogar mit halbem Leibe über den Wasserspiegel heraus. Bei ruhiger See überlassen sie sich wohl auch dem Schlafe auf den Wellen, welche sie hin- und hertragen.
Die Nahrung der größten Thiere der Erde besteht aus kleinen, unbedeutenden Weich- und Schalenthierchen, Sepien, Seeauemonen, Quallen und Würmern; darunter befinden sich gar viele, welche dem bloßen Auge kaum sichtbar sind. Aber von diesen Geschöpfen nehmen die Wale freilich Millionen mit einem Schluck zu sich. Den ungeheuren, weitgespaltenen Rachen aufge- sperrt, streicht der Wal rasch durch die Fluth, füllt das ganze Mundgewölbe mit Wasser und den in ihm schwimmenden und lebenden niederen Thieren an und schließt, wenn das Gewimmel derselben seiner gar nicht unempfindlichen Zunge fühlbar wird, endlich die Falle. Alle Fasern der Bar- ten stehen senkrecht nach unten und bilden so eine Art von Sieb oder Reuße, durch welche beim Schließen des Maules das Wasser zwar entweichen kann, die sämmtlichen kleinen Geschöpfe aber zurückgehalten werden. Ein einziger Druck der plumpen, kaum beweglichen Zunge treibt nun die ganze Gallerte durch die Mundröhre hinab in den Magen. Die Falle wird von neuem geöffnet, und weiter streicht der Wal durch die Fluth. Ein kleiner Fisch, welcher zufällig in diesen Naturhamen gelangen sollte, wird wahrscheinlich auch mit verschluckt, für größere aber ist der Schlund zu eng. Nebenbei fressen die Thiere auch Seetange mit, welche zufällig in den Rachen gekommen sind.
Hinsichtlich der Sinne stehen die echten Wale den früher beschriebenen Seefäugern ziemlich gleich. Gesicht und Gefühl sind ihre ausgebildetsten Sinne. Die geistigen Fähigkeiten sind aber noch schwächer, als bei den Pottwalen. Alle Bartenwale sind furchtsam, scheu und flüchtig; sie leben unter sich friedlich und harmlos und wohl auch mit den meisten anderen Seethieren in Frieden. Nur wenn sie sich angegriffen sehen, zeigt sich ihr natürlicher Muth, welcher selbst in Wildheit ausartet. Sie vertheidigen sich mit Heftigkeit und gar nicht selten mit Erfolg. Jhre Hauptwaffe ist der Schwanz, dessen ungeheure Kraft man sich vorstellen kann, wenn man erwägt, daß er das Hauptwerkzeug ist, vermittelst dessen der Wal seinen massigen Leib mit Dampferschnelle durch die Wogen treibt. Ein einziger Schlag des Walfischschwanzes genügt, um das stärkste Bot in Trümmer zu schlagen oder in die Luft zu schleudern; ein einziger Schlag ist hinreichend, schon ein sehr starkes Thier und somit auch den allerschlimmsten Feind der Wale, den Menschen nämlich, zu tödten.
Auch über die Fortpflanzung der Bartenwale ist man noch nicht ganz im Reinen. Man weiß, daß die Weibchen oder "Kühe", wie die Grönländer sie zu nennen pflegen, ein einziges (Andere sagen zwei) Junge zur Welt bringen, welches sie lange säugen, sehr lieben, mit Muth und Aus- dauer vertheidigen, bei Gefahr unter einer der Finnen verbergen und solange führen, bis der junge Wal selbständig geworden. Ueber die Zeit der Trächtigkeit aber fehlen genaue Beobachtungen durchaus. Es ist wahrscheinlich, daß die Bartenwale verhältnißmäßig schnell wachsen; dennoch ge- hört eine größere Reihe von Jahren dazu, ehe sie ihre volle Größe erlangt. Gegenwärtig trifft man nur selten vollständig erwachsene Wale an: Speck, Thran und Fischbein sind so gewinnbringende
Die Bartenwale.
gegen den Gleicher hin oder von Weſten nach Oſten und zurück unternehmen. Ungeachtet ihrer unge- heuren Maſſigkeit bewegen ſie ſich im Waſſer raſch und gewandt; ja, die meiſten durchziehen die Fluth faſt mit der Schnelligkeit eines Dampfſchiffes. Sie ſchwimmen geradeaus, aber in beſtändigen Bogenlinien fort, indem ſie bald bis zur und theilweiſe bis über die Oberfläche des Waſſers empor- kommen, bald wieder unter ihr fortſegeln. Nach eigenen Beobachtungen kommen ſie, wenn ſie un- geſtört ſich bewegen, durchſchnittlich alle 40 Sekunden mit dem ungeheuren Kopf und einem Theile des Rückens über den Meeresſpiegel empor, um Luft zu ſchöpfen. Unter ſchnaubendem, hörbarem Geräuſch treiben ſie das in die Naſenlöcher eingedrungene Waſſer mit großer Kraft heraus.
Bei Gefahr verſchwinden ſie in der Tiefe und hier können ſie unter Umſtänden lange verweilen, wenn auch die gewöhnlich angeführten Schätzungen, nach welchen ſie halbe oder ganze Stunden lang unter Waſſer zu bleiben vermögen, übertrieben ſein dürften.
Ungeſtört verweilen ſie immer an der Oberfläche. Hier legen ſie ſich bisweilen auf den Waſſer- ſpiegel, bald auf den Rücken, bald auf die Seite, wälzen ſich, ſtellen ſich ſenkrecht und treiben an- dere Spiele. Manchmal ſchnellen ſie ſogar mit halbem Leibe über den Waſſerſpiegel heraus. Bei ruhiger See überlaſſen ſie ſich wohl auch dem Schlafe auf den Wellen, welche ſie hin- und hertragen.
Die Nahrung der größten Thiere der Erde beſteht aus kleinen, unbedeutenden Weich- und Schalenthierchen, Sepien, Seeauemonen, Quallen und Würmern; darunter befinden ſich gar viele, welche dem bloßen Auge kaum ſichtbar ſind. Aber von dieſen Geſchöpfen nehmen die Wale freilich Millionen mit einem Schluck zu ſich. Den ungeheuren, weitgeſpaltenen Rachen aufge- ſperrt, ſtreicht der Wal raſch durch die Fluth, füllt das ganze Mundgewölbe mit Waſſer und den in ihm ſchwimmenden und lebenden niederen Thieren an und ſchließt, wenn das Gewimmel derſelben ſeiner gar nicht unempfindlichen Zunge fühlbar wird, endlich die Falle. Alle Faſern der Bar- ten ſtehen ſenkrecht nach unten und bilden ſo eine Art von Sieb oder Reuße, durch welche beim Schließen des Maules das Waſſer zwar entweichen kann, die ſämmtlichen kleinen Geſchöpfe aber zurückgehalten werden. Ein einziger Druck der plumpen, kaum beweglichen Zunge treibt nun die ganze Gallerte durch die Mundröhre hinab in den Magen. Die Falle wird von neuem geöffnet, und weiter ſtreicht der Wal durch die Fluth. Ein kleiner Fiſch, welcher zufällig in dieſen Naturhamen gelangen ſollte, wird wahrſcheinlich auch mit verſchluckt, für größere aber iſt der Schlund zu eng. Nebenbei freſſen die Thiere auch Seetange mit, welche zufällig in den Rachen gekommen ſind.
Hinſichtlich der Sinne ſtehen die echten Wale den früher beſchriebenen Seefäugern ziemlich gleich. Geſicht und Gefühl ſind ihre ausgebildetſten Sinne. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind aber noch ſchwächer, als bei den Pottwalen. Alle Bartenwale ſind furchtſam, ſcheu und flüchtig; ſie leben unter ſich friedlich und harmlos und wohl auch mit den meiſten anderen Seethieren in Frieden. Nur wenn ſie ſich angegriffen ſehen, zeigt ſich ihr natürlicher Muth, welcher ſelbſt in Wildheit ausartet. Sie vertheidigen ſich mit Heftigkeit und gar nicht ſelten mit Erfolg. Jhre Hauptwaffe iſt der Schwanz, deſſen ungeheure Kraft man ſich vorſtellen kann, wenn man erwägt, daß er das Hauptwerkzeug iſt, vermittelſt deſſen der Wal ſeinen maſſigen Leib mit Dampferſchnelle durch die Wogen treibt. Ein einziger Schlag des Walfiſchſchwanzes genügt, um das ſtärkſte Bot in Trümmer zu ſchlagen oder in die Luft zu ſchleudern; ein einziger Schlag iſt hinreichend, ſchon ein ſehr ſtarkes Thier und ſomit auch den allerſchlimmſten Feind der Wale, den Menſchen nämlich, zu tödten.
Auch über die Fortpflanzung der Bartenwale iſt man noch nicht ganz im Reinen. Man weiß, daß die Weibchen oder „Kühe‟, wie die Grönländer ſie zu nennen pflegen, ein einziges (Andere ſagen zwei) Junge zur Welt bringen, welches ſie lange ſäugen, ſehr lieben, mit Muth und Aus- dauer vertheidigen, bei Gefahr unter einer der Finnen verbergen und ſolange führen, bis der junge Wal ſelbſtändig geworden. Ueber die Zeit der Trächtigkeit aber fehlen genaue Beobachtungen durchaus. Es iſt wahrſcheinlich, daß die Bartenwale verhältnißmäßig ſchnell wachſen; dennoch ge- hört eine größere Reihe von Jahren dazu, ehe ſie ihre volle Größe erlangt. Gegenwärtig trifft man nur ſelten vollſtändig erwachſene Wale an: Speck, Thran und Fiſchbein ſind ſo gewinnbringende
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Die Bartenwale.
gegen den Gleicher hin oder von Weſten nach Oſten und zurück unternehmen. Ungeachtet ihrer unge-
heuren Maſſigkeit bewegen ſie ſich im Waſſer raſch und gewandt; ja, die meiſten durchziehen die
Fluth faſt mit der Schnelligkeit eines Dampfſchiffes. Sie ſchwimmen geradeaus, aber in beſtändigen
Bogenlinien fort, indem ſie bald bis zur und theilweiſe bis über die Oberfläche des Waſſers empor-
kommen, bald wieder unter ihr fortſegeln. Nach eigenen Beobachtungen kommen ſie, wenn ſie un-
geſtört ſich bewegen, durchſchnittlich alle 40 Sekunden mit dem ungeheuren Kopf und einem Theile
des Rückens über den Meeresſpiegel empor, um Luft zu ſchöpfen. Unter ſchnaubendem, hörbarem
Geräuſch treiben ſie das in die Naſenlöcher eingedrungene Waſſer mit großer Kraft heraus.
Bei Gefahr verſchwinden ſie in der Tiefe und hier können ſie unter Umſtänden lange verweilen,
wenn auch die gewöhnlich angeführten Schätzungen, nach welchen ſie halbe oder ganze Stunden lang
unter Waſſer zu bleiben vermögen, übertrieben ſein dürften.
Ungeſtört verweilen ſie immer an der Oberfläche. Hier legen ſie ſich bisweilen auf den Waſſer-
ſpiegel, bald auf den Rücken, bald auf die Seite, wälzen ſich, ſtellen ſich ſenkrecht und treiben an-
dere Spiele. Manchmal ſchnellen ſie ſogar mit halbem Leibe über den Waſſerſpiegel heraus. Bei
ruhiger See überlaſſen ſie ſich wohl auch dem Schlafe auf den Wellen, welche ſie hin- und hertragen.
Die Nahrung der größten Thiere der Erde beſteht aus kleinen, unbedeutenden Weich- und
Schalenthierchen, Sepien, Seeauemonen, Quallen und Würmern; darunter befinden
ſich gar viele, welche dem bloßen Auge kaum ſichtbar ſind. Aber von dieſen Geſchöpfen nehmen die
Wale freilich Millionen mit einem Schluck zu ſich. Den ungeheuren, weitgeſpaltenen Rachen aufge-
ſperrt, ſtreicht der Wal raſch durch die Fluth, füllt das ganze Mundgewölbe mit Waſſer und den in
ihm ſchwimmenden und lebenden niederen Thieren an und ſchließt, wenn das Gewimmel derſelben
ſeiner gar nicht unempfindlichen Zunge fühlbar wird, endlich die Falle. Alle Faſern der Bar-
ten ſtehen ſenkrecht nach unten und bilden ſo eine Art von Sieb oder Reuße, durch welche beim
Schließen des Maules das Waſſer zwar entweichen kann, die ſämmtlichen kleinen Geſchöpfe aber
zurückgehalten werden. Ein einziger Druck der plumpen, kaum beweglichen Zunge treibt nun die
ganze Gallerte durch die Mundröhre hinab in den Magen. Die Falle wird von neuem geöffnet, und
weiter ſtreicht der Wal durch die Fluth. Ein kleiner Fiſch, welcher zufällig in dieſen Naturhamen
gelangen ſollte, wird wahrſcheinlich auch mit verſchluckt, für größere aber iſt der Schlund zu eng.
Nebenbei freſſen die Thiere auch Seetange mit, welche zufällig in den Rachen gekommen ſind.
Hinſichtlich der Sinne ſtehen die echten Wale den früher beſchriebenen Seefäugern ziemlich
gleich. Geſicht und Gefühl ſind ihre ausgebildetſten Sinne. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind aber noch
ſchwächer, als bei den Pottwalen. Alle Bartenwale ſind furchtſam, ſcheu und flüchtig; ſie leben
unter ſich friedlich und harmlos und wohl auch mit den meiſten anderen Seethieren in Frieden. Nur
wenn ſie ſich angegriffen ſehen, zeigt ſich ihr natürlicher Muth, welcher ſelbſt in Wildheit ausartet.
Sie vertheidigen ſich mit Heftigkeit und gar nicht ſelten mit Erfolg. Jhre Hauptwaffe iſt der Schwanz,
deſſen ungeheure Kraft man ſich vorſtellen kann, wenn man erwägt, daß er das Hauptwerkzeug iſt,
vermittelſt deſſen der Wal ſeinen maſſigen Leib mit Dampferſchnelle durch die Wogen treibt. Ein
einziger Schlag des Walfiſchſchwanzes genügt, um das ſtärkſte Bot in Trümmer zu ſchlagen oder in
die Luft zu ſchleudern; ein einziger Schlag iſt hinreichend, ſchon ein ſehr ſtarkes Thier und ſomit auch
den allerſchlimmſten Feind der Wale, den Menſchen nämlich, zu tödten.
Auch über die Fortpflanzung der Bartenwale iſt man noch nicht ganz im Reinen. Man weiß,
daß die Weibchen oder „Kühe‟, wie die Grönländer ſie zu nennen pflegen, ein einziges (Andere
ſagen zwei) Junge zur Welt bringen, welches ſie lange ſäugen, ſehr lieben, mit Muth und Aus-
dauer vertheidigen, bei Gefahr unter einer der Finnen verbergen und ſolange führen, bis der junge
Wal ſelbſtändig geworden. Ueber die Zeit der Trächtigkeit aber fehlen genaue Beobachtungen
durchaus. Es iſt wahrſcheinlich, daß die Bartenwale verhältnißmäßig ſchnell wachſen; dennoch ge-
hört eine größere Reihe von Jahren dazu, ehe ſie ihre volle Größe erlangt. Gegenwärtig trifft man
nur ſelten vollſtändig erwachſene Wale an: Speck, Thran und Fiſchbein ſind ſo gewinnbringende
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 862. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/910>, abgerufen am 23.11.2024.
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