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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Walthiere. -- Der Narwal.

Es darf uns nicht Wunder nehmen, daß die Alten über den Narwal alles Mögliche gefabelt
haben. Ein so auffallend gestaltetes Thier erregt nothwendigerweise die Verwunderung des Menschen,
und so lange die Wissenschaft nicht ihr entscheidendes Wort gesprochen, ist die liebe Fantasie beschäf-
tigt. Namentlich über den Zahn hat man Allerlei gemuthmaßt und, um offen zu sein, muthmaßt
man noch; denn bis zum heutigen Tag geben sich die Zweckmäßigkeitsprediger alle Mühe, seinen
Nutzen zu erklären. Schon der alte Strabo spricht von einem Oryr des Meeres, welcher sehr groß
sei und sich häufig in Gesellschaft des Walfisches in der Nähe von Spanien herumtreibe. Albertus
Magnus
erzählt mehr von diesem Thiere. Er nennt es einen Fisch, welcher ein Horn an der Stirn
trägt, womit er Fische und gewisse Schiffe durchbohren könne; aber er sei so faul, daß diejenigen,

[Abbildung] Der Narwal (Monodon Monoceros).
welche er angreife, leicht entfliehen könnten. Ein späterer, unbekannter Schriftsteller versichert, daß
gedachtes Meerungeheuer große Schiffe durchbohren, zerstören und dadurch viele Menschen zu Grunde
richten könne; doch habe die Liebe des Schöpfers das Thier so langsam erschaffen, daß die Schiffe,
wenn sie es sähen, Zeit hätten, zu entfliehen. Roggefort gibt die erste gute Abbildung und er-
zählt, daß der Narwal sein Horn zum Kampfe gegen andere Walfische gebrauche, damit aber auch
das Eis zertrümmere. Deswegen finde man mehrere mit abgebrochenen Zähnen. Erst Fabricius
bezweifelt, daß der Narwal die Schollen und andere Fische, welche seine Nahrung bilden, mit dem
Zahne ansteche und denselben dann in die Höhe richte, bis seine Beute allmählich gegen das Maul
rutsche, so daß er sie endlich mit der Zunge einziehen könne. Scoresby endlich stimmt mit denen

Walthiere. — Der Narwal.

Es darf uns nicht Wunder nehmen, daß die Alten über den Narwal alles Mögliche gefabelt
haben. Ein ſo auffallend geſtaltetes Thier erregt nothwendigerweiſe die Verwunderung des Menſchen,
und ſo lange die Wiſſenſchaft nicht ihr entſcheidendes Wort geſprochen, iſt die liebe Fantaſie beſchäf-
tigt. Namentlich über den Zahn hat man Allerlei gemuthmaßt und, um offen zu ſein, muthmaßt
man noch; denn bis zum heutigen Tag geben ſich die Zweckmäßigkeitsprediger alle Mühe, ſeinen
Nutzen zu erklären. Schon der alte Strabo ſpricht von einem Oryr des Meeres, welcher ſehr groß
ſei und ſich häufig in Geſellſchaft des Walfiſches in der Nähe von Spanien herumtreibe. Albertus
Magnus
erzählt mehr von dieſem Thiere. Er nennt es einen Fiſch, welcher ein Horn an der Stirn
trägt, womit er Fiſche und gewiſſe Schiffe durchbohren könne; aber er ſei ſo faul, daß diejenigen,

[Abbildung] Der Narwal (Monodon Monoceros).
welche er angreife, leicht entfliehen könnten. Ein ſpäterer, unbekannter Schriftſteller verſichert, daß
gedachtes Meerungeheuer große Schiffe durchbohren, zerſtören und dadurch viele Menſchen zu Grunde
richten könne; doch habe die Liebe des Schöpfers das Thier ſo langſam erſchaffen, daß die Schiffe,
wenn ſie es ſähen, Zeit hätten, zu entfliehen. Roggefort gibt die erſte gute Abbildung und er-
zählt, daß der Narwal ſein Horn zum Kampfe gegen andere Walfiſche gebrauche, damit aber auch
das Eis zertrümmere. Deswegen finde man mehrere mit abgebrochenen Zähnen. Erſt Fabricius
bezweifelt, daß der Narwal die Schollen und andere Fiſche, welche ſeine Nahrung bilden, mit dem
Zahne anſteche und denſelben dann in die Höhe richte, bis ſeine Beute allmählich gegen das Maul
rutſche, ſo daß er ſie endlich mit der Zunge einziehen könne. Scoresby endlich ſtimmt mit denen

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[832/0880] Walthiere. — Der Narwal. Es darf uns nicht Wunder nehmen, daß die Alten über den Narwal alles Mögliche gefabelt haben. Ein ſo auffallend geſtaltetes Thier erregt nothwendigerweiſe die Verwunderung des Menſchen, und ſo lange die Wiſſenſchaft nicht ihr entſcheidendes Wort geſprochen, iſt die liebe Fantaſie beſchäf- tigt. Namentlich über den Zahn hat man Allerlei gemuthmaßt und, um offen zu ſein, muthmaßt man noch; denn bis zum heutigen Tag geben ſich die Zweckmäßigkeitsprediger alle Mühe, ſeinen Nutzen zu erklären. Schon der alte Strabo ſpricht von einem Oryr des Meeres, welcher ſehr groß ſei und ſich häufig in Geſellſchaft des Walfiſches in der Nähe von Spanien herumtreibe. Albertus Magnus erzählt mehr von dieſem Thiere. Er nennt es einen Fiſch, welcher ein Horn an der Stirn trägt, womit er Fiſche und gewiſſe Schiffe durchbohren könne; aber er ſei ſo faul, daß diejenigen, [Abbildung Der Narwal (Monodon Monoceros).] welche er angreife, leicht entfliehen könnten. Ein ſpäterer, unbekannter Schriftſteller verſichert, daß gedachtes Meerungeheuer große Schiffe durchbohren, zerſtören und dadurch viele Menſchen zu Grunde richten könne; doch habe die Liebe des Schöpfers das Thier ſo langſam erſchaffen, daß die Schiffe, wenn ſie es ſähen, Zeit hätten, zu entfliehen. Roggefort gibt die erſte gute Abbildung und er- zählt, daß der Narwal ſein Horn zum Kampfe gegen andere Walfiſche gebrauche, damit aber auch das Eis zertrümmere. Deswegen finde man mehrere mit abgebrochenen Zähnen. Erſt Fabricius bezweifelt, daß der Narwal die Schollen und andere Fiſche, welche ſeine Nahrung bilden, mit dem Zahne anſteche und denſelben dann in die Höhe richte, bis ſeine Beute allmählich gegen das Maul rutſche, ſo daß er ſie endlich mit der Zunge einziehen könne. Scoresby endlich ſtimmt mit denen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 832. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/880>, abgerufen am 23.11.2024.