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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Walthiere.
Knochen, auch selbst nach längerem Bleichen, immer noch ein fettiges, gelbliches Aussehen behalten;
dagegen fehlen allen Knochen die Markhöhlen. An dem gewaltigen Schädel, welcher nur bei den
wenigsten in einem regelrechten Verhältniß zum Leibe steht, sind die Kopfknochen sonderbar verscho-
ben, liegen lose auf einander oder hängen nur durch weiche Theile mit anderen Knochen zusammen;
einzelne von ihnen sind verkümmert, andere auffallend vergrößert, und fast jede Regelmäßigkeit
scheint aufgehoben zu sein. Jn der Wirbelsäule fällt der Hals besonders auf. Noch ist die gewöhn-
liche Zahl der Wirbel vorhanden; allein diese gleichen nur dünnen, platten Ringen und verwachsen
in Folge der geringen Beweglichkeit gar nicht selten theilweise so fest unter einander, daß man die
Siebenzahl blos aus den Röhren erkennt, durch welche die Halsnervenpaare hervortreten. Die Ver-
wachsung trifft meistens die vorderen Wirbel; doch kommt es ausnahmsweise vor, daß ihrer sechs
oder sämmtliche Wirbel mit einander verschmelzen. Außer den Halswirbeln besitzen die Wale 11
bis 19 Brustwirbel, 10 bis 24 Lendenwirbel, -- mehr als alle übrigen Säugethiere, -- und 22
bis 24 Schwanzwirbel. Die Zahl der wahren Rippen dagegen ist sehr gering: die echten Wale haben
nur eine einzige, und mehr als ihrer sechs scheinen bei keinem Mitgliede der Ordnung vorzukommen.
Falsche Rippen sind immer in größerer Zahl vorhanden, als wahre. Kürze und Plattheit aller
Knochen und eine auffallend hohe Gliederzahl der Finger zeichnen die Vorderglieder aus. Während
bei anderen Säugethieren drei Fingerglieder vorhanden sind, besitzen einige Wale an manchen Fingern
sechs, neun und zwölf Glieder. Der Zahnbau ändert auffallend ab. Gewöhnlich finden sich in
beiden Kiefern sehr gleichartig gestaltete Zähne in großer Zahl; einige Wale stehen auch hierin un-
übertroffen da. Die Muskeln sind einfach, der Größe der Thiere angemessen und ungemein kräftig.
Die Nervenmasse ist äußerst gering: bei einem elftaufend Pfund schweren Walfisch von neunzehn
Fuß Länge wog das Gehirn noch nicht vier Pfund, nicht mehr als bei dem selten über zweihundert
Pfund schweren Menschen!

Alle Sinneswerkzeuge stehen auf tiefer Stufe. Die Augen sind klein, die Ohren, so zu sagen,
nur angedeutet. Die Nase hat ihre Bedeutung ganz verloren und ist ausschließlich Luftweg ge-
worden; Riechnerven hat man noch bei keiner Art gefunden. Ueber den Geschmack vermögen wir
nicht zu urtheilen; vom Gefühl aber wissen wir, daß es einigermaßen entwickelt ist.

Wie sich erwarten läßt, sind die Athmungswerkzeuge der Heimat unserer Thiere entsprechend
gebildet. Der Kehlkopf ist nicht geeignet, eine wohllautende Stimme hervorzubringen, wohl aber
eine große Menge Luft mit einem Male durchgehen zu lassen. Die Luftröhre ist sehr weit, die
Lunge hat einen beträchtlichen Umfang, und alle Luftröhrenäste stehen unter einander in Verbindung,
so daß von einem aus die ganze Lunge gefüllt werden kann. Dazu kommen noch andere Hilfs-
mittel, welche die Athmungsfähigkeit erhöhen: so besitzen die Herz- und Lungenschlagader weite
Säcke, in welchen sich gereinigtes und der Reinigung bedürftiges Blut ansammeln kann. Jn den
Verdauungswerkzeugen fällt der Mangel an Speicheldrüsen auf. Die Zunge ist außerordentlich groß,
der Magen meist getheilt, die Leber klein, der Darmschlauch selbst verschieden. Eine glatte, nur
ausnahmsweise an sehr wenig Stellen mit wenigen Borsten bedeckte Haut bekleidet den Körper. Sie
ist weich, sammtartig anzufühlen und fettig. Jhre Dicke ist gering; unter ihr aber liegt eine
sehr starke Fettschicht.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß solcher Leibesbau für das Wasserleben der Wale
durchaus geeignet ist. Die Glätte der Haut erleichtert die Fortbewegung der ungeheuren Masse,
die Fettlage verringert ihr Gewicht, ersetzt das wärmende Haarkleid und gibt zugleich den nöthigen
Widerstand für den kaum zu berechnenden Druck, welchen ein Wal auszuhalten hat, wenn er in die
Tiefen des Meeres hinabsteigt. Die sehr große Lunge ermöglicht es den Thieren, ziemlich lange
unter dem Wasser zu verweilen, und die erweiterten Schlagadern, welche Herz und Lunge verbin-
den, bewahren noch eine große Menge gereinigten Blutes in sich auf, welches verwendet werden
kann, wenn die Wale längere Zeit als gewöhnlich verhindert werden, die zur Blutreinigung nöthige

Walthiere.
Knochen, auch ſelbſt nach längerem Bleichen, immer noch ein fettiges, gelbliches Ausſehen behalten;
dagegen fehlen allen Knochen die Markhöhlen. An dem gewaltigen Schädel, welcher nur bei den
wenigſten in einem regelrechten Verhältniß zum Leibe ſteht, ſind die Kopfknochen ſonderbar verſcho-
ben, liegen loſe auf einander oder hängen nur durch weiche Theile mit anderen Knochen zuſammen;
einzelne von ihnen ſind verkümmert, andere auffallend vergrößert, und faſt jede Regelmäßigkeit
ſcheint aufgehoben zu ſein. Jn der Wirbelſäule fällt der Hals beſonders auf. Noch iſt die gewöhn-
liche Zahl der Wirbel vorhanden; allein dieſe gleichen nur dünnen, platten Ringen und verwachſen
in Folge der geringen Beweglichkeit gar nicht ſelten theilweiſe ſo feſt unter einander, daß man die
Siebenzahl blos aus den Röhren erkennt, durch welche die Halsnervenpaare hervortreten. Die Ver-
wachſung trifft meiſtens die vorderen Wirbel; doch kommt es ausnahmsweiſe vor, daß ihrer ſechs
oder ſämmtliche Wirbel mit einander verſchmelzen. Außer den Halswirbeln beſitzen die Wale 11
bis 19 Bruſtwirbel, 10 bis 24 Lendenwirbel, — mehr als alle übrigen Säugethiere, — und 22
bis 24 Schwanzwirbel. Die Zahl der wahren Rippen dagegen iſt ſehr gering: die echten Wale haben
nur eine einzige, und mehr als ihrer ſechs ſcheinen bei keinem Mitgliede der Ordnung vorzukommen.
Falſche Rippen ſind immer in größerer Zahl vorhanden, als wahre. Kürze und Plattheit aller
Knochen und eine auffallend hohe Gliederzahl der Finger zeichnen die Vorderglieder aus. Während
bei anderen Säugethieren drei Fingerglieder vorhanden ſind, beſitzen einige Wale an manchen Fingern
ſechs, neun und zwölf Glieder. Der Zahnbau ändert auffallend ab. Gewöhnlich finden ſich in
beiden Kiefern ſehr gleichartig geſtaltete Zähne in großer Zahl; einige Wale ſtehen auch hierin un-
übertroffen da. Die Muskeln ſind einfach, der Größe der Thiere angemeſſen und ungemein kräftig.
Die Nervenmaſſe iſt äußerſt gering: bei einem elftaufend Pfund ſchweren Walfiſch von neunzehn
Fuß Länge wog das Gehirn noch nicht vier Pfund, nicht mehr als bei dem ſelten über zweihundert
Pfund ſchweren Menſchen!

Alle Sinneswerkzeuge ſtehen auf tiefer Stufe. Die Augen ſind klein, die Ohren, ſo zu ſagen,
nur angedeutet. Die Naſe hat ihre Bedeutung ganz verloren und iſt ausſchließlich Luftweg ge-
worden; Riechnerven hat man noch bei keiner Art gefunden. Ueber den Geſchmack vermögen wir
nicht zu urtheilen; vom Gefühl aber wiſſen wir, daß es einigermaßen entwickelt iſt.

Wie ſich erwarten läßt, ſind die Athmungswerkzeuge der Heimat unſerer Thiere entſprechend
gebildet. Der Kehlkopf iſt nicht geeignet, eine wohllautende Stimme hervorzubringen, wohl aber
eine große Menge Luft mit einem Male durchgehen zu laſſen. Die Luftröhre iſt ſehr weit, die
Lunge hat einen beträchtlichen Umfang, und alle Luftröhrenäſte ſtehen unter einander in Verbindung,
ſo daß von einem aus die ganze Lunge gefüllt werden kann. Dazu kommen noch andere Hilfs-
mittel, welche die Athmungsfähigkeit erhöhen: ſo beſitzen die Herz- und Lungenſchlagader weite
Säcke, in welchen ſich gereinigtes und der Reinigung bedürftiges Blut anſammeln kann. Jn den
Verdauungswerkzeugen fällt der Mangel an Speicheldrüſen auf. Die Zunge iſt außerordentlich groß,
der Magen meiſt getheilt, die Leber klein, der Darmſchlauch ſelbſt verſchieden. Eine glatte, nur
ausnahmsweiſe an ſehr wenig Stellen mit wenigen Borſten bedeckte Haut bekleidet den Körper. Sie
iſt weich, ſammtartig anzufühlen und fettig. Jhre Dicke iſt gering; unter ihr aber liegt eine
ſehr ſtarke Fettſchicht.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß ſolcher Leibesbau für das Waſſerleben der Wale
durchaus geeignet iſt. Die Glätte der Haut erleichtert die Fortbewegung der ungeheuren Maſſe,
die Fettlage verringert ihr Gewicht, erſetzt das wärmende Haarkleid und gibt zugleich den nöthigen
Widerſtand für den kaum zu berechnenden Druck, welchen ein Wal auszuhalten hat, wenn er in die
Tiefen des Meeres hinabſteigt. Die ſehr große Lunge ermöglicht es den Thieren, ziemlich lange
unter dem Waſſer zu verweilen, und die erweiterten Schlagadern, welche Herz und Lunge verbin-
den, bewahren noch eine große Menge gereinigten Blutes in ſich auf, welches verwendet werden
kann, wenn die Wale längere Zeit als gewöhnlich verhindert werden, die zur Blutreinigung nöthige

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[826/0874] Walthiere. Knochen, auch ſelbſt nach längerem Bleichen, immer noch ein fettiges, gelbliches Ausſehen behalten; dagegen fehlen allen Knochen die Markhöhlen. An dem gewaltigen Schädel, welcher nur bei den wenigſten in einem regelrechten Verhältniß zum Leibe ſteht, ſind die Kopfknochen ſonderbar verſcho- ben, liegen loſe auf einander oder hängen nur durch weiche Theile mit anderen Knochen zuſammen; einzelne von ihnen ſind verkümmert, andere auffallend vergrößert, und faſt jede Regelmäßigkeit ſcheint aufgehoben zu ſein. Jn der Wirbelſäule fällt der Hals beſonders auf. Noch iſt die gewöhn- liche Zahl der Wirbel vorhanden; allein dieſe gleichen nur dünnen, platten Ringen und verwachſen in Folge der geringen Beweglichkeit gar nicht ſelten theilweiſe ſo feſt unter einander, daß man die Siebenzahl blos aus den Röhren erkennt, durch welche die Halsnervenpaare hervortreten. Die Ver- wachſung trifft meiſtens die vorderen Wirbel; doch kommt es ausnahmsweiſe vor, daß ihrer ſechs oder ſämmtliche Wirbel mit einander verſchmelzen. Außer den Halswirbeln beſitzen die Wale 11 bis 19 Bruſtwirbel, 10 bis 24 Lendenwirbel, — mehr als alle übrigen Säugethiere, — und 22 bis 24 Schwanzwirbel. Die Zahl der wahren Rippen dagegen iſt ſehr gering: die echten Wale haben nur eine einzige, und mehr als ihrer ſechs ſcheinen bei keinem Mitgliede der Ordnung vorzukommen. Falſche Rippen ſind immer in größerer Zahl vorhanden, als wahre. Kürze und Plattheit aller Knochen und eine auffallend hohe Gliederzahl der Finger zeichnen die Vorderglieder aus. Während bei anderen Säugethieren drei Fingerglieder vorhanden ſind, beſitzen einige Wale an manchen Fingern ſechs, neun und zwölf Glieder. Der Zahnbau ändert auffallend ab. Gewöhnlich finden ſich in beiden Kiefern ſehr gleichartig geſtaltete Zähne in großer Zahl; einige Wale ſtehen auch hierin un- übertroffen da. Die Muskeln ſind einfach, der Größe der Thiere angemeſſen und ungemein kräftig. Die Nervenmaſſe iſt äußerſt gering: bei einem elftaufend Pfund ſchweren Walfiſch von neunzehn Fuß Länge wog das Gehirn noch nicht vier Pfund, nicht mehr als bei dem ſelten über zweihundert Pfund ſchweren Menſchen! Alle Sinneswerkzeuge ſtehen auf tiefer Stufe. Die Augen ſind klein, die Ohren, ſo zu ſagen, nur angedeutet. Die Naſe hat ihre Bedeutung ganz verloren und iſt ausſchließlich Luftweg ge- worden; Riechnerven hat man noch bei keiner Art gefunden. Ueber den Geſchmack vermögen wir nicht zu urtheilen; vom Gefühl aber wiſſen wir, daß es einigermaßen entwickelt iſt. Wie ſich erwarten läßt, ſind die Athmungswerkzeuge der Heimat unſerer Thiere entſprechend gebildet. Der Kehlkopf iſt nicht geeignet, eine wohllautende Stimme hervorzubringen, wohl aber eine große Menge Luft mit einem Male durchgehen zu laſſen. Die Luftröhre iſt ſehr weit, die Lunge hat einen beträchtlichen Umfang, und alle Luftröhrenäſte ſtehen unter einander in Verbindung, ſo daß von einem aus die ganze Lunge gefüllt werden kann. Dazu kommen noch andere Hilfs- mittel, welche die Athmungsfähigkeit erhöhen: ſo beſitzen die Herz- und Lungenſchlagader weite Säcke, in welchen ſich gereinigtes und der Reinigung bedürftiges Blut anſammeln kann. Jn den Verdauungswerkzeugen fällt der Mangel an Speicheldrüſen auf. Die Zunge iſt außerordentlich groß, der Magen meiſt getheilt, die Leber klein, der Darmſchlauch ſelbſt verſchieden. Eine glatte, nur ausnahmsweiſe an ſehr wenig Stellen mit wenigen Borſten bedeckte Haut bekleidet den Körper. Sie iſt weich, ſammtartig anzufühlen und fettig. Jhre Dicke iſt gering; unter ihr aber liegt eine ſehr ſtarke Fettſchicht. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß ſolcher Leibesbau für das Waſſerleben der Wale durchaus geeignet iſt. Die Glätte der Haut erleichtert die Fortbewegung der ungeheuren Maſſe, die Fettlage verringert ihr Gewicht, erſetzt das wärmende Haarkleid und gibt zugleich den nöthigen Widerſtand für den kaum zu berechnenden Druck, welchen ein Wal auszuhalten hat, wenn er in die Tiefen des Meeres hinabſteigt. Die ſehr große Lunge ermöglicht es den Thieren, ziemlich lange unter dem Waſſer zu verweilen, und die erweiterten Schlagadern, welche Herz und Lunge verbin- den, bewahren noch eine große Menge gereinigten Blutes in ſich auf, welches verwendet werden kann, wenn die Wale längere Zeit als gewöhnlich verhindert werden, die zur Blutreinigung nöthige

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 826. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/874>, abgerufen am 23.11.2024.