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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Walroß.
und schmelzen es in ungeheuren Kesseln bei schwachem Feuer aus, bis der helle, geruchlose, kurz, in
jeder Hinsicht vortreffliche Thran in die bereit liegenden Tonnen gefaßt wird. Diese Arbeit geht so
schnell von Statten, daß zehn Mann täglich, die auf die Jagd zu verwendende Zeit ungerechnet,
dreißig Centner Thran herrichten können. Jn England bezahlt man die Gallone oder acht Pfund
dieses köstlichen Fettes mit zwei Thalern unseres Geldes. Dieser zu allen Mühen der Jagd ganz
unverhältnißmäßige Gewinn führt die Seeelefanten ihrem sicheren Untergange entgegen. Die armen
Thiere können sich vor ihrem grausamen Feinde nicht einmal in die unzugänglichen Theile des Meeres
zurückziehen, wie die Walfische: sie müssen ausharren bis das letzte Stück der Vertilgungswuth des
abscheulichsten Raubthieres, Mensch genannt, erlegen sein wird.

Die Robbenschläger hausen in fürchterlicher Weise unter den wehrlosen Geschöpfen. "Um
zwölf Uhr Mittags," sagt Corcal, "ging ich mit vierzig Mann aus Land. Wir umringten die
Meerwölfe und in einer halben Stunde hatten wir vierhundert von ihnen erschlagen." Mortimers
Leute tödteten binnen acht Tagen an zwölfhundert Robben; sie hätten aber leicht einige Tausend
bekommen, wenn sie die Schlächterei fortgesetzt haben würden. Diese Angaben gelten für Jagden,
welche Anfangs unseres Jahrhunderts gemacht wurden. Gegenwärtig sind die Thiere schon derart
zusammengeschmolzen, daß ein Schiff recht froh ist, wenn es auf seiner ganzen Reise ein- bis
zweihundert Rüsselrobben zusammenbringt.



Jn verschiedenen Gegenden des nördlichen Eismeeres und den mit ihm verbundenen Straßen,
Golfen und Buchten findet sich ein den Robben sehr ähnliches, ungeheuerliches Seethier, welches
man seines merkwürdigen Zahnbaues halber von jenen getrennt und zum Vertreter einer eigenen
Familie erhoben hat: das Walroß (Trichechus Rosmarus).

Wenn es vollkommen erwachsen ist, erreicht dieses Thier eine Läuge von 18 bis 20 Fuß, bei
einem Umfang über den Schultern von 10 bis 12 Fuß und einem Gewicht von 1500 bis 3000
Pfund; doch sind dermalen so große und schwere Walrosse bereits selten geworden: gewöhnlich fin-
det man sie nur von 10 bis 12 Fuß Länge und entsprechendem Umfang. Der langgestreckte Leib
erreicht seine größte Dicke in der Mitte, wie bei dem Seehund, spitzt sich aber nicht so stark nach
hinten zu, als bei den Robben. Der Hals ist kurz, mit dem Kopf von gleicher Dicke. Die Glied-
maßen ragen wie große Lappen nach außen und unten aus dem Körper hervor, so daß sowohl
das Ellbogen- wie das Kniegelenk zu erkennen ist. Alle Füße haben fünf Zehen und diese kurze,
stumpfe Krallen, welche hinter jeder Zehenspitze liegen. Der Schwanz erscheint wie ein unbedeu-
tender Hautlappen. Allein nicht der Leib, sondern der Kopf kennzeichnet das Walroß. Er ist ver-
hältnißmäßig klein, rund und durch zwei kugelig aufgetriebene Zahnhöhlen am Oberkiefer unförmlich
verdickt. Die Schnauze ist sehr kurz, breit und stumpf, die Oberlippe fleischig, nach beiden Seiten
zu bogig, die untere Lippe dagegen ist wulstig. Zu beiden Seiten der Schnauze stehen elf bis
zwölf Querreihen runder, abgeflachter, horniger Schnurrborsten, von denen die stärksten Raben-
kieldicke und zwei bis drei Zoll Länge haben. Von vorn nach rückwärts nehmen diese Borsten
an Länge zu. Die Nasenlöcher sind halbmondförmig, die weit zurückliegenden Augen klein, glän-
zend, mit rundem Stern, durch vorragende Augenlider geschützt. Die Ohren, denen jede
äußere Muschel fehlt, liegen weit hinten am Kopfe. Das Merkwürdigste ist das Gebiß. Am vor-
deren Theile der Schnauze verdrängen zwei ungeheure, d. h. 24 bis 30 Zoll lange Eckzähne,
welche weit aus dem Maule herausragen, die sechs Vorder- und die zwei Eckzähne, welche sehr
junge Thiere hier tragen. Schon in den ersten Lebenstagen des Walrosses fallen die unteren
Schneidezähne aus, dann folgen die oberen, und nur die Eckzähne bilden sich fort; denn auch im

Das Walroß.
und ſchmelzen es in ungeheuren Keſſeln bei ſchwachem Feuer aus, bis der helle, geruchloſe, kurz, in
jeder Hinſicht vortreffliche Thran in die bereit liegenden Tonnen gefaßt wird. Dieſe Arbeit geht ſo
ſchnell von Statten, daß zehn Mann täglich, die auf die Jagd zu verwendende Zeit ungerechnet,
dreißig Centner Thran herrichten können. Jn England bezahlt man die Gallone oder acht Pfund
dieſes köſtlichen Fettes mit zwei Thalern unſeres Geldes. Dieſer zu allen Mühen der Jagd ganz
unverhältnißmäßige Gewinn führt die Seeelefanten ihrem ſicheren Untergange entgegen. Die armen
Thiere können ſich vor ihrem grauſamen Feinde nicht einmal in die unzugänglichen Theile des Meeres
zurückziehen, wie die Walfiſche: ſie müſſen ausharren bis das letzte Stück der Vertilgungswuth des
abſcheulichſten Raubthieres, Menſch genannt, erlegen ſein wird.

Die Robbenſchläger hauſen in fürchterlicher Weiſe unter den wehrloſen Geſchöpfen. „Um
zwölf Uhr Mittags,‟ ſagt Corcal, „ging ich mit vierzig Mann aus Land. Wir umringten die
Meerwölfe und in einer halben Stunde hatten wir vierhundert von ihnen erſchlagen.‟ Mortimers
Leute tödteten binnen acht Tagen an zwölfhundert Robben; ſie hätten aber leicht einige Tauſend
bekommen, wenn ſie die Schlächterei fortgeſetzt haben würden. Dieſe Angaben gelten für Jagden,
welche Anfangs unſeres Jahrhunderts gemacht wurden. Gegenwärtig ſind die Thiere ſchon derart
zuſammengeſchmolzen, daß ein Schiff recht froh iſt, wenn es auf ſeiner ganzen Reiſe ein- bis
zweihundert Rüſſelrobben zuſammenbringt.



Jn verſchiedenen Gegenden des nördlichen Eismeeres und den mit ihm verbundenen Straßen,
Golfen und Buchten findet ſich ein den Robben ſehr ähnliches, ungeheuerliches Seethier, welches
man ſeines merkwürdigen Zahnbaues halber von jenen getrennt und zum Vertreter einer eigenen
Familie erhoben hat: das Walroß (Trichechus Rosmarus).

Wenn es vollkommen erwachſen iſt, erreicht dieſes Thier eine Läuge von 18 bis 20 Fuß, bei
einem Umfang über den Schultern von 10 bis 12 Fuß und einem Gewicht von 1500 bis 3000
Pfund; doch ſind dermalen ſo große und ſchwere Walroſſe bereits ſelten geworden: gewöhnlich fin-
det man ſie nur von 10 bis 12 Fuß Länge und entſprechendem Umfang. Der langgeſtreckte Leib
erreicht ſeine größte Dicke in der Mitte, wie bei dem Seehund, ſpitzt ſich aber nicht ſo ſtark nach
hinten zu, als bei den Robben. Der Hals iſt kurz, mit dem Kopf von gleicher Dicke. Die Glied-
maßen ragen wie große Lappen nach außen und unten aus dem Körper hervor, ſo daß ſowohl
das Ellbogen- wie das Kniegelenk zu erkennen iſt. Alle Füße haben fünf Zehen und dieſe kurze,
ſtumpfe Krallen, welche hinter jeder Zehenſpitze liegen. Der Schwanz erſcheint wie ein unbedeu-
tender Hautlappen. Allein nicht der Leib, ſondern der Kopf kennzeichnet das Walroß. Er iſt ver-
hältnißmäßig klein, rund und durch zwei kugelig aufgetriebene Zahnhöhlen am Oberkiefer unförmlich
verdickt. Die Schnauze iſt ſehr kurz, breit und ſtumpf, die Oberlippe fleiſchig, nach beiden Seiten
zu bogig, die untere Lippe dagegen iſt wulſtig. Zu beiden Seiten der Schnauze ſtehen elf bis
zwölf Querreihen runder, abgeflachter, horniger Schnurrborſten, von denen die ſtärkſten Raben-
kieldicke und zwei bis drei Zoll Länge haben. Von vorn nach rückwärts nehmen dieſe Borſten
an Länge zu. Die Naſenlöcher ſind halbmondförmig, die weit zurückliegenden Augen klein, glän-
zend, mit rundem Stern, durch vorragende Augenlider geſchützt. Die Ohren, denen jede
äußere Muſchel fehlt, liegen weit hinten am Kopfe. Das Merkwürdigſte iſt das Gebiß. Am vor-
deren Theile der Schnauze verdrängen zwei ungeheure, d. h. 24 bis 30 Zoll lange Eckzähne,
welche weit aus dem Maule herausragen, die ſechs Vorder- und die zwei Eckzähne, welche ſehr
junge Thiere hier tragen. Schon in den erſten Lebenstagen des Walroſſes fallen die unteren
Schneidezähne aus, dann folgen die oberen, und nur die Eckzähne bilden ſich fort; denn auch im

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[807/0855] Das Walroß. und ſchmelzen es in ungeheuren Keſſeln bei ſchwachem Feuer aus, bis der helle, geruchloſe, kurz, in jeder Hinſicht vortreffliche Thran in die bereit liegenden Tonnen gefaßt wird. Dieſe Arbeit geht ſo ſchnell von Statten, daß zehn Mann täglich, die auf die Jagd zu verwendende Zeit ungerechnet, dreißig Centner Thran herrichten können. Jn England bezahlt man die Gallone oder acht Pfund dieſes köſtlichen Fettes mit zwei Thalern unſeres Geldes. Dieſer zu allen Mühen der Jagd ganz unverhältnißmäßige Gewinn führt die Seeelefanten ihrem ſicheren Untergange entgegen. Die armen Thiere können ſich vor ihrem grauſamen Feinde nicht einmal in die unzugänglichen Theile des Meeres zurückziehen, wie die Walfiſche: ſie müſſen ausharren bis das letzte Stück der Vertilgungswuth des abſcheulichſten Raubthieres, Menſch genannt, erlegen ſein wird. Die Robbenſchläger hauſen in fürchterlicher Weiſe unter den wehrloſen Geſchöpfen. „Um zwölf Uhr Mittags,‟ ſagt Corcal, „ging ich mit vierzig Mann aus Land. Wir umringten die Meerwölfe und in einer halben Stunde hatten wir vierhundert von ihnen erſchlagen.‟ Mortimers Leute tödteten binnen acht Tagen an zwölfhundert Robben; ſie hätten aber leicht einige Tauſend bekommen, wenn ſie die Schlächterei fortgeſetzt haben würden. Dieſe Angaben gelten für Jagden, welche Anfangs unſeres Jahrhunderts gemacht wurden. Gegenwärtig ſind die Thiere ſchon derart zuſammengeſchmolzen, daß ein Schiff recht froh iſt, wenn es auf ſeiner ganzen Reiſe ein- bis zweihundert Rüſſelrobben zuſammenbringt. Jn verſchiedenen Gegenden des nördlichen Eismeeres und den mit ihm verbundenen Straßen, Golfen und Buchten findet ſich ein den Robben ſehr ähnliches, ungeheuerliches Seethier, welches man ſeines merkwürdigen Zahnbaues halber von jenen getrennt und zum Vertreter einer eigenen Familie erhoben hat: das Walroß (Trichechus Rosmarus). Wenn es vollkommen erwachſen iſt, erreicht dieſes Thier eine Läuge von 18 bis 20 Fuß, bei einem Umfang über den Schultern von 10 bis 12 Fuß und einem Gewicht von 1500 bis 3000 Pfund; doch ſind dermalen ſo große und ſchwere Walroſſe bereits ſelten geworden: gewöhnlich fin- det man ſie nur von 10 bis 12 Fuß Länge und entſprechendem Umfang. Der langgeſtreckte Leib erreicht ſeine größte Dicke in der Mitte, wie bei dem Seehund, ſpitzt ſich aber nicht ſo ſtark nach hinten zu, als bei den Robben. Der Hals iſt kurz, mit dem Kopf von gleicher Dicke. Die Glied- maßen ragen wie große Lappen nach außen und unten aus dem Körper hervor, ſo daß ſowohl das Ellbogen- wie das Kniegelenk zu erkennen iſt. Alle Füße haben fünf Zehen und dieſe kurze, ſtumpfe Krallen, welche hinter jeder Zehenſpitze liegen. Der Schwanz erſcheint wie ein unbedeu- tender Hautlappen. Allein nicht der Leib, ſondern der Kopf kennzeichnet das Walroß. Er iſt ver- hältnißmäßig klein, rund und durch zwei kugelig aufgetriebene Zahnhöhlen am Oberkiefer unförmlich verdickt. Die Schnauze iſt ſehr kurz, breit und ſtumpf, die Oberlippe fleiſchig, nach beiden Seiten zu bogig, die untere Lippe dagegen iſt wulſtig. Zu beiden Seiten der Schnauze ſtehen elf bis zwölf Querreihen runder, abgeflachter, horniger Schnurrborſten, von denen die ſtärkſten Raben- kieldicke und zwei bis drei Zoll Länge haben. Von vorn nach rückwärts nehmen dieſe Borſten an Länge zu. Die Naſenlöcher ſind halbmondförmig, die weit zurückliegenden Augen klein, glän- zend, mit rundem Stern, durch vorragende Augenlider geſchützt. Die Ohren, denen jede äußere Muſchel fehlt, liegen weit hinten am Kopfe. Das Merkwürdigſte iſt das Gebiß. Am vor- deren Theile der Schnauze verdrängen zwei ungeheure, d. h. 24 bis 30 Zoll lange Eckzähne, welche weit aus dem Maule herausragen, die ſechs Vorder- und die zwei Eckzähne, welche ſehr junge Thiere hier tragen. Schon in den erſten Lebenstagen des Walroſſes fallen die unteren Schneidezähne aus, dann folgen die oberen, und nur die Eckzähne bilden ſich fort; denn auch im

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 807. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/855>, abgerufen am 12.05.2024.