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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Flossenfüßer. -- Die Seehunde. Allgemeines.
ist, ist, daß weder die Bewegung des Ruders, noch das Fortschießen des Botes bedeutenden Lärm
machen müssen; denn Dies würde den Seehund in seiner Ruhe stören. Jndessen gehört hierzu nicht
wenig Behendigkeit und Uebung, theils durch lange und tiefe Ruderschläge, theils auch indem man
das Bot mit dem Körper selbst fortbewegt, und Viele sind hierin so ausgelernt, daß sie den See-
hund an die Seite des Botes bekommen können, ohne daß er es merkte. Jst es dagegen einer von
den Vorsichtigen, der sich umsieht, so hat es größere Schwierigkeiten; doch verliert man nicht alle
Hoffnung, sondern gibt Acht, wenn er untertaucht und eilt dann vorwärts. Wenn der Kopf dage-
gen über dem Wasser ist, hält man sich stille und bückt sich nieder oder legt sich aufs Bot zurück, um
für etwas Todtes, auf dem Wasser Treibendes gehalten zu werden. Plätschert der Seehund im Was-
ser und ist er in seiner spielenden Verwirrung, in welcher er zuweilen den Fänger ansieht, so pfeift
dieser mit dem Munde, um ihn noch sicherer zu machen. Sollte er gleichwohl untertauchen, ehe man
ihn auf der Schußweite hatte, so gibt man beim Untertauchen Acht darauf, wohin er seinen Lauf
richtet, verändert in etwas den Ort und sieht sich beständig nach der Stelle um, wo er wieder auf-
kommt und so ferner; denn es würde zu weitläufig sein, hier Alles zu beschreiben. Wenn man dann
endlich in Schußnähe gekommen ist, so wirft man den Harpunstock, an welchem früher eine Harpune
befestigt worden, nach ihm hin, und die Leine folgt mit, die sonst auf dem Kabatstuhl aufgewunden
lag. Da die Harpune Widerhaken hat, so zeigt es sich gleich, ob der Seehund getroffen ist oder
nicht; denn dieser kann im ersten Falle nicht leicht davon kommen, sondern muß mehr und mehr von
dem Seile ausziehen. Hier ist nun keine Zeit zu verlieren, sondern der Fänger muß, wenn er den
Seehund getroffen sieht, gleich die Blase aus dem Bote werfen; denn es würde sonst, wenn die
Leine ausgeworfen wäre, von dem Seehund mit Gewalt angezogen und leicht umgeworfen werden
können. Dies sind die beiden Ursachen, warum oft ein Grönländer sein Leben verlieren muß; dann
schleppt der Seehund ihn erst mit sich fort, und ist kein anderer Fänger in der Nähe, der ihm zu
Hilfe kommen kann, so ist selten Rettung für ihn. Wird er aber hingegen die Blase gut los, so ist
die größte Gefahr vorbei. Doch trifft man zuweilen einen Seehund an, der so muthig ist, daß er
sich gegen das dünne, aus Fellen gemachte Bot wendet und ein Loch hinein beißt, wodurch der Fän-
ger in Gefahr geräth, zu sinken. Man kann Dies daher in mehreren Rücksichten einen gefährlichen
Fang nennen, zu welchem sich auch viele Grönländer nicht ohne Bedenklichkeit erdreisten. Schleppt
der getroffene Seehund die Blase mit sich fort, die er selten unter das Wasser zu ziehen vermag, so
gibt man Acht, wohin sich die Blase wendet, folgt dahin nach und sucht den Seehund mit Lanzen
vollends zu tödten; denn die Lanzen haben keine Widerhaken, sondern gleiten aus der Wunde aus
und schwimmen auf dem Wasser, so oft man sie auf den Seehund wirft. Durch diese häusigen
Wunden und durch das Fortschleppen der großen, ausgeblasenen Blase wird er abgemattet. Wenn
man ihm dann endlich ganz nahe kommt, so gibt man ihm den letzten, tödtlichen Schlag mit der ge-
ballten Faust über die Nase, wodurch er gleich betäubt wird, ja, man sticht ihn auch wohl mit dem
Fangmesser, wenn es nöthig sein sollte, todt. Nun teiankert man ihn, um ihn nach Hause zu
schleppen. Erst verstopft man alle Wunden mit Holzpfröpfchen, damit das Blut nicht verloren gehen
soll (denn auch dieses hat seinen Nutzen), zugleich bläst man ihm Luft zwischen Haut und Fleisch, da-
mit er desto besser oben schwimmt. Jst der Seehund nur klein, so legt man ihn hinten auf das Bot,
nachdem man ihn vorher ungefähr in der Gegend des Nabels mit einer kleinen Blase versehen hat, an
der er oben schwimmen muß, wenn er etwa herabfallen sollte. Jst der Seehund aber groß, so muß
man ihn im Wasser an der Seite des Botes herschleppen lassen und eine so große Blase an ihn be-
festigt haben, daß man ihn ohne Gefahr von sich lassen könnte, wenn sich etwa noch ein Seehund
zeigen sollte. Fängt man mehrere, so werden diese an die vorigen befestigt und ein glücklicher Fänger
kann 4 bis 5 Seehunde auf ein Mal nach Hause schleppen."

Außer dem Menschen hat der Seehund einen schrecklichen Feind in dem Butskopf (Orcinus),
welchen die Grönlander und Normannen "Herr der Seehunde" nennen. Vor diesem Wale sieht man
die Seehunde oft mit entsetzlicher Angst sich flüchten. Sie versuchen kleine Meerengen und seichte

Floſſenfüßer. — Die Seehunde. Allgemeines.
iſt, iſt, daß weder die Bewegung des Ruders, noch das Fortſchießen des Botes bedeutenden Lärm
machen müſſen; denn Dies würde den Seehund in ſeiner Ruhe ſtören. Jndeſſen gehört hierzu nicht
wenig Behendigkeit und Uebung, theils durch lange und tiefe Ruderſchläge, theils auch indem man
das Bot mit dem Körper ſelbſt fortbewegt, und Viele ſind hierin ſo ausgelernt, daß ſie den See-
hund an die Seite des Botes bekommen können, ohne daß er es merkte. Jſt es dagegen einer von
den Vorſichtigen, der ſich umſieht, ſo hat es größere Schwierigkeiten; doch verliert man nicht alle
Hoffnung, ſondern gibt Acht, wenn er untertaucht und eilt dann vorwärts. Wenn der Kopf dage-
gen über dem Waſſer iſt, hält man ſich ſtille und bückt ſich nieder oder legt ſich aufs Bot zurück, um
für etwas Todtes, auf dem Waſſer Treibendes gehalten zu werden. Plätſchert der Seehund im Waſ-
ſer und iſt er in ſeiner ſpielenden Verwirrung, in welcher er zuweilen den Fänger anſieht, ſo pfeift
dieſer mit dem Munde, um ihn noch ſicherer zu machen. Sollte er gleichwohl untertauchen, ehe man
ihn auf der Schußweite hatte, ſo gibt man beim Untertauchen Acht darauf, wohin er ſeinen Lauf
richtet, verändert in etwas den Ort und ſieht ſich beſtändig nach der Stelle um, wo er wieder auf-
kommt und ſo ferner; denn es würde zu weitläufig ſein, hier Alles zu beſchreiben. Wenn man dann
endlich in Schußnähe gekommen iſt, ſo wirft man den Harpunſtock, an welchem früher eine Harpune
befeſtigt worden, nach ihm hin, und die Leine folgt mit, die ſonſt auf dem Kabatſtuhl aufgewunden
lag. Da die Harpune Widerhaken hat, ſo zeigt es ſich gleich, ob der Seehund getroffen iſt oder
nicht; denn dieſer kann im erſten Falle nicht leicht davon kommen, ſondern muß mehr und mehr von
dem Seile ausziehen. Hier iſt nun keine Zeit zu verlieren, ſondern der Fänger muß, wenn er den
Seehund getroffen ſieht, gleich die Blaſe aus dem Bote werfen; denn es würde ſonſt, wenn die
Leine ausgeworfen wäre, von dem Seehund mit Gewalt angezogen und leicht umgeworfen werden
können. Dies ſind die beiden Urſachen, warum oft ein Grönländer ſein Leben verlieren muß; dann
ſchleppt der Seehund ihn erſt mit ſich fort, und iſt kein anderer Fänger in der Nähe, der ihm zu
Hilfe kommen kann, ſo iſt ſelten Rettung für ihn. Wird er aber hingegen die Blaſe gut los, ſo iſt
die größte Gefahr vorbei. Doch trifft man zuweilen einen Seehund an, der ſo muthig iſt, daß er
ſich gegen das dünne, aus Fellen gemachte Bot wendet und ein Loch hinein beißt, wodurch der Fän-
ger in Gefahr geräth, zu ſinken. Man kann Dies daher in mehreren Rückſichten einen gefährlichen
Fang nennen, zu welchem ſich auch viele Grönländer nicht ohne Bedenklichkeit erdreiſten. Schleppt
der getroffene Seehund die Blaſe mit ſich fort, die er ſelten unter das Waſſer zu ziehen vermag, ſo
gibt man Acht, wohin ſich die Blaſe wendet, folgt dahin nach und ſucht den Seehund mit Lanzen
vollends zu tödten; denn die Lanzen haben keine Widerhaken, ſondern gleiten aus der Wunde aus
und ſchwimmen auf dem Waſſer, ſo oft man ſie auf den Seehund wirft. Durch dieſe häuſigen
Wunden und durch das Fortſchleppen der großen, ausgeblaſenen Blaſe wird er abgemattet. Wenn
man ihm dann endlich ganz nahe kommt, ſo gibt man ihm den letzten, tödtlichen Schlag mit der ge-
ballten Fauſt über die Naſe, wodurch er gleich betäubt wird, ja, man ſticht ihn auch wohl mit dem
Fangmeſſer, wenn es nöthig ſein ſollte, todt. Nun teiankert man ihn, um ihn nach Hauſe zu
ſchleppen. Erſt verſtopft man alle Wunden mit Holzpfröpfchen, damit das Blut nicht verloren gehen
ſoll (denn auch dieſes hat ſeinen Nutzen), zugleich bläſt man ihm Luft zwiſchen Haut und Fleiſch, da-
mit er deſto beſſer oben ſchwimmt. Jſt der Seehund nur klein, ſo legt man ihn hinten auf das Bot,
nachdem man ihn vorher ungefähr in der Gegend des Nabels mit einer kleinen Blaſe verſehen hat, an
der er oben ſchwimmen muß, wenn er etwa herabfallen ſollte. Jſt der Seehund aber groß, ſo muß
man ihn im Waſſer an der Seite des Botes herſchleppen laſſen und eine ſo große Blaſe an ihn be-
feſtigt haben, daß man ihn ohne Gefahr von ſich laſſen könnte, wenn ſich etwa noch ein Seehund
zeigen ſollte. Fängt man mehrere, ſo werden dieſe an die vorigen befeſtigt und ein glücklicher Fänger
kann 4 bis 5 Seehunde auf ein Mal nach Hauſe ſchleppen.‟

Außer dem Menſchen hat der Seehund einen ſchrecklichen Feind in dem Butskopf (Orcinus),
welchen die Grönlander und Normannen „Herr der Seehunde‟ nennen. Vor dieſem Wale ſieht man
die Seehunde oft mit entſetzlicher Angſt ſich flüchten. Sie verſuchen kleine Meerengen und ſeichte

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[800/0848] Floſſenfüßer. — Die Seehunde. Allgemeines. iſt, iſt, daß weder die Bewegung des Ruders, noch das Fortſchießen des Botes bedeutenden Lärm machen müſſen; denn Dies würde den Seehund in ſeiner Ruhe ſtören. Jndeſſen gehört hierzu nicht wenig Behendigkeit und Uebung, theils durch lange und tiefe Ruderſchläge, theils auch indem man das Bot mit dem Körper ſelbſt fortbewegt, und Viele ſind hierin ſo ausgelernt, daß ſie den See- hund an die Seite des Botes bekommen können, ohne daß er es merkte. Jſt es dagegen einer von den Vorſichtigen, der ſich umſieht, ſo hat es größere Schwierigkeiten; doch verliert man nicht alle Hoffnung, ſondern gibt Acht, wenn er untertaucht und eilt dann vorwärts. Wenn der Kopf dage- gen über dem Waſſer iſt, hält man ſich ſtille und bückt ſich nieder oder legt ſich aufs Bot zurück, um für etwas Todtes, auf dem Waſſer Treibendes gehalten zu werden. Plätſchert der Seehund im Waſ- ſer und iſt er in ſeiner ſpielenden Verwirrung, in welcher er zuweilen den Fänger anſieht, ſo pfeift dieſer mit dem Munde, um ihn noch ſicherer zu machen. Sollte er gleichwohl untertauchen, ehe man ihn auf der Schußweite hatte, ſo gibt man beim Untertauchen Acht darauf, wohin er ſeinen Lauf richtet, verändert in etwas den Ort und ſieht ſich beſtändig nach der Stelle um, wo er wieder auf- kommt und ſo ferner; denn es würde zu weitläufig ſein, hier Alles zu beſchreiben. Wenn man dann endlich in Schußnähe gekommen iſt, ſo wirft man den Harpunſtock, an welchem früher eine Harpune befeſtigt worden, nach ihm hin, und die Leine folgt mit, die ſonſt auf dem Kabatſtuhl aufgewunden lag. Da die Harpune Widerhaken hat, ſo zeigt es ſich gleich, ob der Seehund getroffen iſt oder nicht; denn dieſer kann im erſten Falle nicht leicht davon kommen, ſondern muß mehr und mehr von dem Seile ausziehen. Hier iſt nun keine Zeit zu verlieren, ſondern der Fänger muß, wenn er den Seehund getroffen ſieht, gleich die Blaſe aus dem Bote werfen; denn es würde ſonſt, wenn die Leine ausgeworfen wäre, von dem Seehund mit Gewalt angezogen und leicht umgeworfen werden können. Dies ſind die beiden Urſachen, warum oft ein Grönländer ſein Leben verlieren muß; dann ſchleppt der Seehund ihn erſt mit ſich fort, und iſt kein anderer Fänger in der Nähe, der ihm zu Hilfe kommen kann, ſo iſt ſelten Rettung für ihn. Wird er aber hingegen die Blaſe gut los, ſo iſt die größte Gefahr vorbei. Doch trifft man zuweilen einen Seehund an, der ſo muthig iſt, daß er ſich gegen das dünne, aus Fellen gemachte Bot wendet und ein Loch hinein beißt, wodurch der Fän- ger in Gefahr geräth, zu ſinken. Man kann Dies daher in mehreren Rückſichten einen gefährlichen Fang nennen, zu welchem ſich auch viele Grönländer nicht ohne Bedenklichkeit erdreiſten. Schleppt der getroffene Seehund die Blaſe mit ſich fort, die er ſelten unter das Waſſer zu ziehen vermag, ſo gibt man Acht, wohin ſich die Blaſe wendet, folgt dahin nach und ſucht den Seehund mit Lanzen vollends zu tödten; denn die Lanzen haben keine Widerhaken, ſondern gleiten aus der Wunde aus und ſchwimmen auf dem Waſſer, ſo oft man ſie auf den Seehund wirft. Durch dieſe häuſigen Wunden und durch das Fortſchleppen der großen, ausgeblaſenen Blaſe wird er abgemattet. Wenn man ihm dann endlich ganz nahe kommt, ſo gibt man ihm den letzten, tödtlichen Schlag mit der ge- ballten Fauſt über die Naſe, wodurch er gleich betäubt wird, ja, man ſticht ihn auch wohl mit dem Fangmeſſer, wenn es nöthig ſein ſollte, todt. Nun teiankert man ihn, um ihn nach Hauſe zu ſchleppen. Erſt verſtopft man alle Wunden mit Holzpfröpfchen, damit das Blut nicht verloren gehen ſoll (denn auch dieſes hat ſeinen Nutzen), zugleich bläſt man ihm Luft zwiſchen Haut und Fleiſch, da- mit er deſto beſſer oben ſchwimmt. Jſt der Seehund nur klein, ſo legt man ihn hinten auf das Bot, nachdem man ihn vorher ungefähr in der Gegend des Nabels mit einer kleinen Blaſe verſehen hat, an der er oben ſchwimmen muß, wenn er etwa herabfallen ſollte. Jſt der Seehund aber groß, ſo muß man ihn im Waſſer an der Seite des Botes herſchleppen laſſen und eine ſo große Blaſe an ihn be- feſtigt haben, daß man ihn ohne Gefahr von ſich laſſen könnte, wenn ſich etwa noch ein Seehund zeigen ſollte. Fängt man mehrere, ſo werden dieſe an die vorigen befeſtigt und ein glücklicher Fänger kann 4 bis 5 Seehunde auf ein Mal nach Hauſe ſchleppen.‟ Außer dem Menſchen hat der Seehund einen ſchrecklichen Feind in dem Butskopf (Orcinus), welchen die Grönlander und Normannen „Herr der Seehunde‟ nennen. Vor dieſem Wale ſieht man die Seehunde oft mit entſetzlicher Angſt ſich flüchten. Sie verſuchen kleine Meerengen und ſeichte

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 800. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/848>, abgerufen am 23.11.2024.