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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Flossenfüßer. -- Die Seehunde. Allgemeines.
lustige Geschöpfe. Sie schwimmen und tauchen meisterhaft. Dabei arbeiten sie mit den Vordertatzen
wie Fische mit ihren Flossen, während sie die beiden Hinterbeine bald gegeneinander bewegen, hier-
durch das zwischen ihnen gesammelte Wasser ausstoßend und sich somit vorwärts treibend, bald aber
seitlich hin und her schwingen und dadurch ungefähr die gleiche Wirkung erzielen. Es gilt ihnen voll-
ständig gleich, ob sie auf dem Bauche oder auf dem Rücken liegen, und ob sie sich nah oder tief unter
der Oberfläche bewegen. Sie durcheilen das Wasser mit der Schnelligkeit eines Raubfisches und
wälzen sich blitzschnell um sich selbst herum, sind auch im Stande, solange, als es ihnen beliebt,
auf ein und derselben Stelle zu verweilen. Zu diesem Ende ziehen sie ihre Vorderflossen dicht an den
Leib, krümmen diesen, daß der Untertheil desselben senkrecht steht, während Kopf und Oberkörper
wagrecht gerichtet sind, und verharren so halbe Stunden lang auch schlafend in dieser Lage, den Kopf
zur Hälfte, den Rücken ein wenig über die Oberfläche des Wassers erhoben. Das Tauchen verstehen
sie vortrefflich; doch können sie keineswegs lange unter Wasser aushalten. Wenn sie nicht verfolgt
werden, steigen sie durchschnittlich alle Minuten an die Oberfläche empor, um Luft zu schöpfen.
Sie athmen im Wasser in Zwischenräumen von 15, 30, 45, 75, 90, 92, 100, 104 bis 125 Se-
kunden, auf dem Lande alle 5 bis 8 Sekunden ein Mal. Nun mag es wohl sein, daß verfolgte
Seehunde auch das Drei- und Vierfache der angegebenen Zeit unter Wasser aushalten können, da
kommen aber noch immer nicht Viertel- oder Halbestunden heraus, wie die alten Naturforscher ge-
glaubt haben. Auch Fabricius, welcher die bei Grönland vorkommenden Seehunde sehr ausführlich
beschreibt, glaubt nicht, daß eine Robbe länger als 71/2 Minuten unter Wasser verweilen könne.
Unsere Gefangenen haben nach vielfachen Beobachtungen von mir nie mehr als 51/2 Minuten unter
Wasser zugebracht, und Dies auch nur, wenn sie schliefen. Die Seehunde schlafen nämlich wirklich
im Wasser, jedoch möglicherweise nur im seichteren. Sie kommen von Zeit zu Zeit mit geschlossenen
Augen, vermittelst einiger Flossenschläge bis zur Oberfläche empor, schöpfen Athem, sinken hierauf
wieder bis auf den Grund hinab und wiederholen Dies bei jedem Luftwechsel. Jhre Bewegungen
scheinen durchaus bewußtlos zu geschehen. Daß sie auch auf der Oberfläche liegend schlafen können,
geht aus den sogleich zu erwähnenden Beobachtungen der Grönländer hervor. Diese, welche auf das
für sie unendlich wichtige Thier äußerst genau achten, haben jede seiner Stellungen im Wasser mit
einem besonderen Ausdruck bezeichnet, weil sie aus den verschiedenen Stellungen schließen, ob sie
einem schwimmenden Seehund nahe kommen werden oder nicht. Wenn die Robbe einfach nach oben
steigt, um Luft zu holen und unbesorgt ist, kommt sie bis zu den Vordertatzen aus dem Meere heraus,
holt dann mit weit geöffneten Nasenlöchern Athem und zieht sich langsam wieder in das Wasser
zurück, ohne daß dieses sich bewegt: Sie ist eine "Aufgerichtete", während sie "Umstürzende" heißt,
falls sie lärmend wieder in der Tiefe versinkt. Wenn der Seehund der Fischjagd eifrig obliegt,
schwimmt er mit emporgehobenem Kopf über dem Wasser, sieht gerade vor sich hin, stöhnt und
arbeitet mit den Vordertatzen und taucht mit großem Lärm: dann ist er der "Plätschernde", welcher
leicht von dem Fänger überrumpelt werden kann, während der Aufgerichtete gewöhnlich zum "Lau-
schenden, Betrachtenden und Genausehenden" wird, d. h. wenig Erfolg für die Jagd verspricht.
Wenn er unter Wasser frißt, verändert er seinen Platz kaum, sondern reckt blos die Nasenspitze aus
dem Wasser empor, nimmt Luft und schließt die Nasenlöcher wieder. Zu anderen Zeiten liegt er
ganz still auf dem Rücken, den Kopf und die Füße zusammengebogen und ruht oder schläft. Dann
läßt er den Fänger so nahe an sich kommen, daß man ihn mit den Händen greifen könnte. Manch-
mal endlich spielt er wie trunken im Wasser herum, kommt bald mit dem Bauche in die Höhe und
schiebt sich auf dem Rücken fort, dreht und windet sich, schwimmt auf dem Rücken, kollert sich um
und um, kurz benimmt sich in der sonderbarsten Weise: dann heißt er "Der sich Werfende" und ist
nach Ansicht der Grönländer am leichtesten zu überraschen.

Obgleich die Seehunde tage- und wochenlang im Meere verweilen und alle ihre Geschäfte im
Wasser abmachen können, gehen sie doch, wenn sie ruhen, sich sonnen und wenn sie schlafen wollen,
gern an das Land. Jhren Gang habe ich bereits flüchtig beschrieben; ich will nur noch hinzufügen,

Floſſenfüßer. — Die Seehunde. Allgemeines.
luſtige Geſchöpfe. Sie ſchwimmen und tauchen meiſterhaft. Dabei arbeiten ſie mit den Vordertatzen
wie Fiſche mit ihren Floſſen, während ſie die beiden Hinterbeine bald gegeneinander bewegen, hier-
durch das zwiſchen ihnen geſammelte Waſſer ausſtoßend und ſich ſomit vorwärts treibend, bald aber
ſeitlich hin und her ſchwingen und dadurch ungefähr die gleiche Wirkung erzielen. Es gilt ihnen voll-
ſtändig gleich, ob ſie auf dem Bauche oder auf dem Rücken liegen, und ob ſie ſich nah oder tief unter
der Oberfläche bewegen. Sie durcheilen das Waſſer mit der Schnelligkeit eines Raubfiſches und
wälzen ſich blitzſchnell um ſich ſelbſt herum, ſind auch im Stande, ſolange, als es ihnen beliebt,
auf ein und derſelben Stelle zu verweilen. Zu dieſem Ende ziehen ſie ihre Vorderfloſſen dicht an den
Leib, krümmen dieſen, daß der Untertheil deſſelben ſenkrecht ſteht, während Kopf und Oberkörper
wagrecht gerichtet ſind, und verharren ſo halbe Stunden lang auch ſchlafend in dieſer Lage, den Kopf
zur Hälfte, den Rücken ein wenig über die Oberfläche des Waſſers erhoben. Das Tauchen verſtehen
ſie vortrefflich; doch können ſie keineswegs lange unter Waſſer aushalten. Wenn ſie nicht verfolgt
werden, ſteigen ſie durchſchnittlich alle Minuten an die Oberfläche empor, um Luft zu ſchöpfen.
Sie athmen im Waſſer in Zwiſchenräumen von 15, 30, 45, 75, 90, 92, 100, 104 bis 125 Se-
kunden, auf dem Lande alle 5 bis 8 Sekunden ein Mal. Nun mag es wohl ſein, daß verfolgte
Seehunde auch das Drei- und Vierfache der angegebenen Zeit unter Waſſer aushalten können, da
kommen aber noch immer nicht Viertel- oder Halbeſtunden heraus, wie die alten Naturforſcher ge-
glaubt haben. Auch Fabricius, welcher die bei Grönland vorkommenden Seehunde ſehr ausführlich
beſchreibt, glaubt nicht, daß eine Robbe länger als 7½ Minuten unter Waſſer verweilen könne.
Unſere Gefangenen haben nach vielfachen Beobachtungen von mir nie mehr als 5½ Minuten unter
Waſſer zugebracht, und Dies auch nur, wenn ſie ſchliefen. Die Seehunde ſchlafen nämlich wirklich
im Waſſer, jedoch möglicherweiſe nur im ſeichteren. Sie kommen von Zeit zu Zeit mit geſchloſſenen
Augen, vermittelſt einiger Floſſenſchläge bis zur Oberfläche empor, ſchöpfen Athem, ſinken hierauf
wieder bis auf den Grund hinab und wiederholen Dies bei jedem Luftwechſel. Jhre Bewegungen
ſcheinen durchaus bewußtlos zu geſchehen. Daß ſie auch auf der Oberfläche liegend ſchlafen können,
geht aus den ſogleich zu erwähnenden Beobachtungen der Grönländer hervor. Dieſe, welche auf das
für ſie unendlich wichtige Thier äußerſt genau achten, haben jede ſeiner Stellungen im Waſſer mit
einem beſonderen Ausdruck bezeichnet, weil ſie aus den verſchiedenen Stellungen ſchließen, ob ſie
einem ſchwimmenden Seehund nahe kommen werden oder nicht. Wenn die Robbe einfach nach oben
ſteigt, um Luft zu holen und unbeſorgt iſt, kommt ſie bis zu den Vordertatzen aus dem Meere heraus,
holt dann mit weit geöffneten Naſenlöchern Athem und zieht ſich langſam wieder in das Waſſer
zurück, ohne daß dieſes ſich bewegt: Sie iſt eine „Aufgerichtete‟, während ſie „Umſtürzende‟ heißt,
falls ſie lärmend wieder in der Tiefe verſinkt. Wenn der Seehund der Fiſchjagd eifrig obliegt,
ſchwimmt er mit emporgehobenem Kopf über dem Waſſer, ſieht gerade vor ſich hin, ſtöhnt und
arbeitet mit den Vordertatzen und taucht mit großem Lärm: dann iſt er der „Plätſchernde‟, welcher
leicht von dem Fänger überrumpelt werden kann, während der Aufgerichtete gewöhnlich zum „Lau-
ſchenden, Betrachtenden und Genauſehenden‟ wird, d. h. wenig Erfolg für die Jagd verſpricht.
Wenn er unter Waſſer frißt, verändert er ſeinen Platz kaum, ſondern reckt blos die Naſenſpitze aus
dem Waſſer empor, nimmt Luft und ſchließt die Naſenlöcher wieder. Zu anderen Zeiten liegt er
ganz ſtill auf dem Rücken, den Kopf und die Füße zuſammengebogen und ruht oder ſchläft. Dann
läßt er den Fänger ſo nahe an ſich kommen, daß man ihn mit den Händen greifen könnte. Manch-
mal endlich ſpielt er wie trunken im Waſſer herum, kommt bald mit dem Bauche in die Höhe und
ſchiebt ſich auf dem Rücken fort, dreht und windet ſich, ſchwimmt auf dem Rücken, kollert ſich um
und um, kurz benimmt ſich in der ſonderbarſten Weiſe: dann heißt er „Der ſich Werfende‟ und iſt
nach Anſicht der Grönländer am leichteſten zu überraſchen.

Obgleich die Seehunde tage- und wochenlang im Meere verweilen und alle ihre Geſchäfte im
Waſſer abmachen können, gehen ſie doch, wenn ſie ruhen, ſich ſonnen und wenn ſie ſchlafen wollen,
gern an das Land. Jhren Gang habe ich bereits flüchtig beſchrieben; ich will nur noch hinzufügen,

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[792/0840] Floſſenfüßer. — Die Seehunde. Allgemeines. luſtige Geſchöpfe. Sie ſchwimmen und tauchen meiſterhaft. Dabei arbeiten ſie mit den Vordertatzen wie Fiſche mit ihren Floſſen, während ſie die beiden Hinterbeine bald gegeneinander bewegen, hier- durch das zwiſchen ihnen geſammelte Waſſer ausſtoßend und ſich ſomit vorwärts treibend, bald aber ſeitlich hin und her ſchwingen und dadurch ungefähr die gleiche Wirkung erzielen. Es gilt ihnen voll- ſtändig gleich, ob ſie auf dem Bauche oder auf dem Rücken liegen, und ob ſie ſich nah oder tief unter der Oberfläche bewegen. Sie durcheilen das Waſſer mit der Schnelligkeit eines Raubfiſches und wälzen ſich blitzſchnell um ſich ſelbſt herum, ſind auch im Stande, ſolange, als es ihnen beliebt, auf ein und derſelben Stelle zu verweilen. Zu dieſem Ende ziehen ſie ihre Vorderfloſſen dicht an den Leib, krümmen dieſen, daß der Untertheil deſſelben ſenkrecht ſteht, während Kopf und Oberkörper wagrecht gerichtet ſind, und verharren ſo halbe Stunden lang auch ſchlafend in dieſer Lage, den Kopf zur Hälfte, den Rücken ein wenig über die Oberfläche des Waſſers erhoben. Das Tauchen verſtehen ſie vortrefflich; doch können ſie keineswegs lange unter Waſſer aushalten. Wenn ſie nicht verfolgt werden, ſteigen ſie durchſchnittlich alle Minuten an die Oberfläche empor, um Luft zu ſchöpfen. Sie athmen im Waſſer in Zwiſchenräumen von 15, 30, 45, 75, 90, 92, 100, 104 bis 125 Se- kunden, auf dem Lande alle 5 bis 8 Sekunden ein Mal. Nun mag es wohl ſein, daß verfolgte Seehunde auch das Drei- und Vierfache der angegebenen Zeit unter Waſſer aushalten können, da kommen aber noch immer nicht Viertel- oder Halbeſtunden heraus, wie die alten Naturforſcher ge- glaubt haben. Auch Fabricius, welcher die bei Grönland vorkommenden Seehunde ſehr ausführlich beſchreibt, glaubt nicht, daß eine Robbe länger als 7½ Minuten unter Waſſer verweilen könne. Unſere Gefangenen haben nach vielfachen Beobachtungen von mir nie mehr als 5½ Minuten unter Waſſer zugebracht, und Dies auch nur, wenn ſie ſchliefen. Die Seehunde ſchlafen nämlich wirklich im Waſſer, jedoch möglicherweiſe nur im ſeichteren. Sie kommen von Zeit zu Zeit mit geſchloſſenen Augen, vermittelſt einiger Floſſenſchläge bis zur Oberfläche empor, ſchöpfen Athem, ſinken hierauf wieder bis auf den Grund hinab und wiederholen Dies bei jedem Luftwechſel. Jhre Bewegungen ſcheinen durchaus bewußtlos zu geſchehen. Daß ſie auch auf der Oberfläche liegend ſchlafen können, geht aus den ſogleich zu erwähnenden Beobachtungen der Grönländer hervor. Dieſe, welche auf das für ſie unendlich wichtige Thier äußerſt genau achten, haben jede ſeiner Stellungen im Waſſer mit einem beſonderen Ausdruck bezeichnet, weil ſie aus den verſchiedenen Stellungen ſchließen, ob ſie einem ſchwimmenden Seehund nahe kommen werden oder nicht. Wenn die Robbe einfach nach oben ſteigt, um Luft zu holen und unbeſorgt iſt, kommt ſie bis zu den Vordertatzen aus dem Meere heraus, holt dann mit weit geöffneten Naſenlöchern Athem und zieht ſich langſam wieder in das Waſſer zurück, ohne daß dieſes ſich bewegt: Sie iſt eine „Aufgerichtete‟, während ſie „Umſtürzende‟ heißt, falls ſie lärmend wieder in der Tiefe verſinkt. Wenn der Seehund der Fiſchjagd eifrig obliegt, ſchwimmt er mit emporgehobenem Kopf über dem Waſſer, ſieht gerade vor ſich hin, ſtöhnt und arbeitet mit den Vordertatzen und taucht mit großem Lärm: dann iſt er der „Plätſchernde‟, welcher leicht von dem Fänger überrumpelt werden kann, während der Aufgerichtete gewöhnlich zum „Lau- ſchenden, Betrachtenden und Genauſehenden‟ wird, d. h. wenig Erfolg für die Jagd verſpricht. Wenn er unter Waſſer frißt, verändert er ſeinen Platz kaum, ſondern reckt blos die Naſenſpitze aus dem Waſſer empor, nimmt Luft und ſchließt die Naſenlöcher wieder. Zu anderen Zeiten liegt er ganz ſtill auf dem Rücken, den Kopf und die Füße zuſammengebogen und ruht oder ſchläft. Dann läßt er den Fänger ſo nahe an ſich kommen, daß man ihn mit den Händen greifen könnte. Manch- mal endlich ſpielt er wie trunken im Waſſer herum, kommt bald mit dem Bauche in die Höhe und ſchiebt ſich auf dem Rücken fort, dreht und windet ſich, ſchwimmt auf dem Rücken, kollert ſich um und um, kurz benimmt ſich in der ſonderbarſten Weiſe: dann heißt er „Der ſich Werfende‟ und iſt nach Anſicht der Grönländer am leichteſten zu überraſchen. Obgleich die Seehunde tage- und wochenlang im Meere verweilen und alle ihre Geſchäfte im Waſſer abmachen können, gehen ſie doch, wenn ſie ruhen, ſich ſonnen und wenn ſie ſchlafen wollen, gern an das Land. Jhren Gang habe ich bereits flüchtig beſchrieben; ich will nur noch hinzufügen,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 792. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/840>, abgerufen am 23.11.2024.