seinerseits alle Kraft aufbot, das angreifende Nashorn mit dem Rüssel zu fassen. Der Statthalter nahm endlich die Gelegenheit wahr und schoß ihm eine Kugel an die rechte Stelle."
Auf die afrikanischen Arten wird selbst im offenen, freien Felde Jagd gemacht. Der Jäger schleicht sich durch das Gebüsche heran und schießt aus geringer Entfernung. Fehlt er, so stürzt das Thier wüthend nach dem Orte hin, von welchem der Schuß fiel, und spürt und blickt nach dem Feinde umher. Sobald es denselben sieht oder wittert, senkt es den Kopf, drückt die Augen zu und rennt, mit der ganzen Länge des Horns die Erde streifend, vorwärts. Dann ist es noch ein Leichtes, ihm auszuweichen. Geübte Nashornjäger haben stundenlang einem auf sie eindringenden Nashorn Stand gehalten, indem sie stets zur Seite sprangen, wenn das Nashorn auf sie losrannte und es an sich vorbeirasen ließen. Nachdem es sich ausgetobt, erlegten sie es doch noch. Der Reisende Anderson ist mehrmals durch verwundete Nashörner in Todesgefahr gekommen. Eins derselben stürzte sich wüthend auf ihn, warf ihn nieder, glücklicherweise ohne ihn mit dem Horne zu treffen. Es schleu- derte ihn aber ein gutes Stückchen mit seinen Hinterfüßen weg. Kaum war es an ihm vorüber gestürmt, als es sich schon herum drehte und einen zweiten Angriff wagte, wobei es seinem Feinde eine tüchtige Wunde in den Schenkel beibrachte. Damit war glücklicherweise seine Rache erfüllt. Es eilte in ein benachbartes Dickicht, und Anderson konnte gerettet werden. Ein anderes Zusammen- treffen mit dem weißen Nashorn beschreibt er mit folgenden Worten:
"Als ich einst auf der Rückkehr von einer Elefantenjagd begriffen war, bemerkte ich ein großes, weißes Nashorn in kurzer Entfernung vor mir. Jch ritt ein vortreffliches Jagdpferd, das beste und flotteste, was ich jemals während meiner Jagdzüge besessen habe; doch war es eine Gewohnheit von mir, niemals ein Nashorn zu Pferde zu verfolgen, einfach deshalb, weil man sich dem stumpfsinni- gen Vieh weit leichter zu Fuß als zu Pferde nähern kann. Bei dieser Gelegenheit jedoch schien es, als ob das Schicksal dazwischentreten wolle. Meinen Nachreitern mich zuwendend, rief ich aus: "Beim Himmel, der Bursche hat ein gutes, feines Horn, ich will ihm einen Schuß geben." Mit diesen Wor- ten gab ich meinem Pferde die Sporen, war in kurzer Zeit neben dem ungeheueren Vieh und gab ihm einen Augenblick später eine Kugel in seinen Leib, doch, wie sich zeigte, nicht von tödtlicher Wirkung. Das Nashorn, anstatt, wie gewöhnlich, die Flucht zu ergreifen, blieb zu meiner größten Verwun- derung sofort stehen, drehte sich rasch herum und kam, nachdem es mich ein oder zwei Augenblicke neugierig angesehen hatte, langsam auf mich los. Jch dachte noch gar nicht an die Flucht, dem un- geachtet versuchte ich, mein Pferd wegzulenken. Aber dieses Geschöpf, gewöhnlich so gelehrig und lenksam, welchem der kleinste Druck des Zügels genug war, verweigerte jetzt ganz entschieden, mir zu gehorchen. Als es zuletzt noch folgte, war es zu spät; denn das Nashorn war bereits so nahe zu uns gekommen, daß ich wohl einsah, ein Zusammentreffen mußte unvermeidlich sein. Und in der That, einen Augenblick später bemerkte ich, wie das Scheusal seinen Kopf senkte, und indem es den- selben rasch nach oben warf, stieß es sein Horn mit solcher Kraft zwischen die Rippen meines Pferdes, daß es durch den ganzen Leib, durch den Sattel selber hindurch fuhr und ich die scharfe Spitze in mei- nem Beine fühlte. Die Kraft des Stoßes war so furchtbar, daß mein Pferd einen wirklichen Purzel- baum in der Luft schoß und dann langsam nach rückwärts zurückfiel. Was mich anlangt, so wurde ich mit Gewalt gegen den Boden geschleudert, und kaum lag ich hier, als ich auch schon das Horn des wüthenden Thieres neben mir erblickte. Doch mochte es seine Wuth gekühlt und seine Rache erfüllt haben. Es ging plötzlich mit leichtem Galopp von dem Schauplatze seiner Thaten ab. Meine Nach- reiter waren inzwischen näher gekommen. Jch eilte zu einem hin, riß ihn vom Pferde herab und sprang selbst in den Sattel und eilte ohne Hut, das Gesicht von Blut strömend, rasch dem sich zurückziehenden Thiere nach, welches ich zu meiner großen Genugthuung wenig Minuten später leb- los zu meinen Füßen hingestreckt sah."
Auch Gordon Cumming berichtet, daß ein weißes, sonst als gutmüthig betrachtetes Nashorn sich, als es in die Enge getrieben worden war, wüthend zum Angriff herumdrehte und ihn
Die Nashörner.
ſeinerſeits alle Kraft aufbot, das angreifende Nashorn mit dem Rüſſel zu faſſen. Der Statthalter nahm endlich die Gelegenheit wahr und ſchoß ihm eine Kugel an die rechte Stelle.‟
Auf die afrikaniſchen Arten wird ſelbſt im offenen, freien Felde Jagd gemacht. Der Jäger ſchleicht ſich durch das Gebüſche heran und ſchießt aus geringer Entfernung. Fehlt er, ſo ſtürzt das Thier wüthend nach dem Orte hin, von welchem der Schuß fiel, und ſpürt und blickt nach dem Feinde umher. Sobald es denſelben ſieht oder wittert, ſenkt es den Kopf, drückt die Augen zu und rennt, mit der ganzen Länge des Horns die Erde ſtreifend, vorwärts. Dann iſt es noch ein Leichtes, ihm auszuweichen. Geübte Nashornjäger haben ſtundenlang einem auf ſie eindringenden Nashorn Stand gehalten, indem ſie ſtets zur Seite ſprangen, wenn das Nashorn auf ſie losrannte und es an ſich vorbeiraſen ließen. Nachdem es ſich ausgetobt, erlegten ſie es doch noch. Der Reiſende Anderſon iſt mehrmals durch verwundete Nashörner in Todesgefahr gekommen. Eins derſelben ſtürzte ſich wüthend auf ihn, warf ihn nieder, glücklicherweiſe ohne ihn mit dem Horne zu treffen. Es ſchleu- derte ihn aber ein gutes Stückchen mit ſeinen Hinterfüßen weg. Kaum war es an ihm vorüber geſtürmt, als es ſich ſchon herum drehte und einen zweiten Angriff wagte, wobei es ſeinem Feinde eine tüchtige Wunde in den Schenkel beibrachte. Damit war glücklicherweiſe ſeine Rache erfüllt. Es eilte in ein benachbartes Dickicht, und Anderſon konnte gerettet werden. Ein anderes Zuſammen- treffen mit dem weißen Nashorn beſchreibt er mit folgenden Worten:
„Als ich einſt auf der Rückkehr von einer Elefantenjagd begriffen war, bemerkte ich ein großes, weißes Nashorn in kurzer Entfernung vor mir. Jch ritt ein vortreffliches Jagdpferd, das beſte und flotteſte, was ich jemals während meiner Jagdzüge beſeſſen habe; doch war es eine Gewohnheit von mir, niemals ein Nashorn zu Pferde zu verfolgen, einfach deshalb, weil man ſich dem ſtumpfſinni- gen Vieh weit leichter zu Fuß als zu Pferde nähern kann. Bei dieſer Gelegenheit jedoch ſchien es, als ob das Schickſal dazwiſchentreten wolle. Meinen Nachreitern mich zuwendend, rief ich aus: „Beim Himmel, der Burſche hat ein gutes, feines Horn, ich will ihm einen Schuß geben.‟ Mit dieſen Wor- ten gab ich meinem Pferde die Sporen, war in kurzer Zeit neben dem ungeheueren Vieh und gab ihm einen Augenblick ſpäter eine Kugel in ſeinen Leib, doch, wie ſich zeigte, nicht von tödtlicher Wirkung. Das Nashorn, anſtatt, wie gewöhnlich, die Flucht zu ergreifen, blieb zu meiner größten Verwun- derung ſofort ſtehen, drehte ſich raſch herum und kam, nachdem es mich ein oder zwei Augenblicke neugierig angeſehen hatte, langſam auf mich los. Jch dachte noch gar nicht an die Flucht, dem un- geachtet verſuchte ich, mein Pferd wegzulenken. Aber dieſes Geſchöpf, gewöhnlich ſo gelehrig und lenkſam, welchem der kleinſte Druck des Zügels genug war, verweigerte jetzt ganz entſchieden, mir zu gehorchen. Als es zuletzt noch folgte, war es zu ſpät; denn das Nashorn war bereits ſo nahe zu uns gekommen, daß ich wohl einſah, ein Zuſammentreffen mußte unvermeidlich ſein. Und in der That, einen Augenblick ſpäter bemerkte ich, wie das Scheuſal ſeinen Kopf ſenkte, und indem es den- ſelben raſch nach oben warf, ſtieß es ſein Horn mit ſolcher Kraft zwiſchen die Rippen meines Pferdes, daß es durch den ganzen Leib, durch den Sattel ſelber hindurch fuhr und ich die ſcharfe Spitze in mei- nem Beine fühlte. Die Kraft des Stoßes war ſo furchtbar, daß mein Pferd einen wirklichen Purzel- baum in der Luft ſchoß und dann langſam nach rückwärts zurückfiel. Was mich anlangt, ſo wurde ich mit Gewalt gegen den Boden geſchleudert, und kaum lag ich hier, als ich auch ſchon das Horn des wüthenden Thieres neben mir erblickte. Doch mochte es ſeine Wuth gekühlt und ſeine Rache erfüllt haben. Es ging plötzlich mit leichtem Galopp von dem Schauplatze ſeiner Thaten ab. Meine Nach- reiter waren inzwiſchen näher gekommen. Jch eilte zu einem hin, riß ihn vom Pferde herab und ſprang ſelbſt in den Sattel und eilte ohne Hut, das Geſicht von Blut ſtrömend, raſch dem ſich zurückziehenden Thiere nach, welches ich zu meiner großen Genugthuung wenig Minuten ſpäter leb- los zu meinen Füßen hingeſtreckt ſah.‟
Auch Gordon Cumming berichtet, daß ein weißes, ſonſt als gutmüthig betrachtetes Nashorn ſich, als es in die Enge getrieben worden war, wüthend zum Angriff herumdrehte und ihn
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[763/0809]
Die Nashörner.
ſeinerſeits alle Kraft aufbot, das angreifende Nashorn mit dem Rüſſel zu faſſen. Der Statthalter
nahm endlich die Gelegenheit wahr und ſchoß ihm eine Kugel an die rechte Stelle.‟
Auf die afrikaniſchen Arten wird ſelbſt im offenen, freien Felde Jagd gemacht. Der Jäger
ſchleicht ſich durch das Gebüſche heran und ſchießt aus geringer Entfernung. Fehlt er, ſo ſtürzt das
Thier wüthend nach dem Orte hin, von welchem der Schuß fiel, und ſpürt und blickt nach dem Feinde
umher. Sobald es denſelben ſieht oder wittert, ſenkt es den Kopf, drückt die Augen zu und rennt,
mit der ganzen Länge des Horns die Erde ſtreifend, vorwärts. Dann iſt es noch ein Leichtes, ihm
auszuweichen. Geübte Nashornjäger haben ſtundenlang einem auf ſie eindringenden Nashorn Stand
gehalten, indem ſie ſtets zur Seite ſprangen, wenn das Nashorn auf ſie losrannte und es an ſich
vorbeiraſen ließen. Nachdem es ſich ausgetobt, erlegten ſie es doch noch. Der Reiſende Anderſon
iſt mehrmals durch verwundete Nashörner in Todesgefahr gekommen. Eins derſelben ſtürzte ſich
wüthend auf ihn, warf ihn nieder, glücklicherweiſe ohne ihn mit dem Horne zu treffen. Es ſchleu-
derte ihn aber ein gutes Stückchen mit ſeinen Hinterfüßen weg. Kaum war es an ihm vorüber
geſtürmt, als es ſich ſchon herum drehte und einen zweiten Angriff wagte, wobei es ſeinem Feinde
eine tüchtige Wunde in den Schenkel beibrachte. Damit war glücklicherweiſe ſeine Rache erfüllt. Es
eilte in ein benachbartes Dickicht, und Anderſon konnte gerettet werden. Ein anderes Zuſammen-
treffen mit dem weißen Nashorn beſchreibt er mit folgenden Worten:
„Als ich einſt auf der Rückkehr von einer Elefantenjagd begriffen war, bemerkte ich ein großes,
weißes Nashorn in kurzer Entfernung vor mir. Jch ritt ein vortreffliches Jagdpferd, das beſte und
flotteſte, was ich jemals während meiner Jagdzüge beſeſſen habe; doch war es eine Gewohnheit von
mir, niemals ein Nashorn zu Pferde zu verfolgen, einfach deshalb, weil man ſich dem ſtumpfſinni-
gen Vieh weit leichter zu Fuß als zu Pferde nähern kann. Bei dieſer Gelegenheit jedoch ſchien es, als
ob das Schickſal dazwiſchentreten wolle. Meinen Nachreitern mich zuwendend, rief ich aus: „Beim
Himmel, der Burſche hat ein gutes, feines Horn, ich will ihm einen Schuß geben.‟ Mit dieſen Wor-
ten gab ich meinem Pferde die Sporen, war in kurzer Zeit neben dem ungeheueren Vieh und gab ihm
einen Augenblick ſpäter eine Kugel in ſeinen Leib, doch, wie ſich zeigte, nicht von tödtlicher Wirkung.
Das Nashorn, anſtatt, wie gewöhnlich, die Flucht zu ergreifen, blieb zu meiner größten Verwun-
derung ſofort ſtehen, drehte ſich raſch herum und kam, nachdem es mich ein oder zwei Augenblicke
neugierig angeſehen hatte, langſam auf mich los. Jch dachte noch gar nicht an die Flucht, dem un-
geachtet verſuchte ich, mein Pferd wegzulenken. Aber dieſes Geſchöpf, gewöhnlich ſo gelehrig und
lenkſam, welchem der kleinſte Druck des Zügels genug war, verweigerte jetzt ganz entſchieden, mir
zu gehorchen. Als es zuletzt noch folgte, war es zu ſpät; denn das Nashorn war bereits ſo nahe zu
uns gekommen, daß ich wohl einſah, ein Zuſammentreffen mußte unvermeidlich ſein. Und in der
That, einen Augenblick ſpäter bemerkte ich, wie das Scheuſal ſeinen Kopf ſenkte, und indem es den-
ſelben raſch nach oben warf, ſtieß es ſein Horn mit ſolcher Kraft zwiſchen die Rippen meines Pferdes,
daß es durch den ganzen Leib, durch den Sattel ſelber hindurch fuhr und ich die ſcharfe Spitze in mei-
nem Beine fühlte. Die Kraft des Stoßes war ſo furchtbar, daß mein Pferd einen wirklichen Purzel-
baum in der Luft ſchoß und dann langſam nach rückwärts zurückfiel. Was mich anlangt, ſo wurde
ich mit Gewalt gegen den Boden geſchleudert, und kaum lag ich hier, als ich auch ſchon das Horn des
wüthenden Thieres neben mir erblickte. Doch mochte es ſeine Wuth gekühlt und ſeine Rache erfüllt
haben. Es ging plötzlich mit leichtem Galopp von dem Schauplatze ſeiner Thaten ab. Meine Nach-
reiter waren inzwiſchen näher gekommen. Jch eilte zu einem hin, riß ihn vom Pferde herab und
ſprang ſelbſt in den Sattel und eilte ohne Hut, das Geſicht von Blut ſtrömend, raſch dem ſich
zurückziehenden Thiere nach, welches ich zu meiner großen Genugthuung wenig Minuten ſpäter leb-
los zu meinen Füßen hingeſtreckt ſah.‟
Auch Gordon Cumming berichtet, daß ein weißes, ſonſt als gutmüthig betrachtetes
Nashorn ſich, als es in die Enge getrieben worden war, wüthend zum Angriff herumdrehte und ihn
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 763. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/809>, abgerufen am 23.11.2024.
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