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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Die Nashörner.
in Wuth zu versetzen. Seine Gleichgiltigkeit gegen Alles, was nicht Futter heißt, kann sich sehr
bald in das Gegentheil umwandeln. Raffles beobachtete, daß das sumatrensische Nashorn vor
einem einzigen Hunde die Flucht ergriff, und andere Reisende sahen, daß es bei ihrer Witterung
eiligst davon ging: allein das ganze Betragen ändert sich, wenn das Thier gereizt wird. Es achtet
dann weder die Zahl, noch die Wehrhaftigkeit seiner Feinde, sondern stürzt blindwüthend in gerader
Linie auf den Gegenstand seines Zornes los. Ob dann eine Gesellschaft bewaffneter Leute dem wü-
thenden Vieh entgegensteht oder ob der Gegenstand seiner Wuth ein völlig harmloser und unbedeuten-
der ist, scheint von ihm nicht in Betracht gezogen zu werden. Rothe Farben sollen ihm zuwider sein,
wie dem Ochsen, und öfters hat man es Anfälle auf schreiend gekleidete Menschen machen sehen,
welche ihm nicht das Geringste zu Leide gethan haben. Seine Wuth übersteigt alle Grenzen. Es
rächt sich nicht blos an Dem, welches es wirklich gereizt hat, sondern an Allem und Jedem, was
ihm vorkommt; selbst Steine und Bäume müssen herhalten und wenn es gar Nichts findet, reißt es
wenigstens 6 bis 8 Fuß tiefe Furchen in die Erde. Glücklicherweise ist es nicht so schwer, einem in
seiner Wuth dahinrennenden Nashorn zu entgehen. Der geübte Jäger läßt es bis auf etwa 10 oder
15 Schritt herankommen und springt dann zur Seite. Da rennt der tobende Gesell an ihm vorüber,
verliert die Witterung, welche er bisher hatte, und stürzt nun auf gut Glück vorwärts, vielleicht an
einem anderen, ganz unschuldigen Gegenstand seine Wuth auslassend. Man hat, wie Lichtenstein
erzählt, Beispiele, daß ein Nashorn bei Nacht einen Wagen oder einen davor gespannten Ochsen in
die Seite gefallen ist und mit unbegreiflicher Kraft Alles mit sich fortschleppte und zertrümmert hat.
Für den gerade im Zuge begriffenen Reisenden ist das Nashorn von allen Thieren das gefährlichste,
weil es nicht selten ohne alle Ursache auf die Leute losrennt und in verrückter Wuth ganz Unschuldige
umbringt. Zumal die schwarzen, afrikanischen Nashörner sind wegen ihres ungeheuern Grimmes sehr
gefürchtet. Sie stürzen auf alle Gegenstände los, welche ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Manch-
mal arbeitet eins dieser Thiere stundenlang mit seinem Horn an einem Busche und wühlt schnaubend
an ihm herum, bis es ihn mit sammt seinen Wurzeln aus der Erde gehoben hat, dann legt es sich
vielleicht ruhig nieder, ohne weiter an das eben Zerstörte zu denken. Das weiße, afrikanische Nas-
horn ist viel sanfter und harmloser, als seine schwarzen Verwandten, und steht ihnen auch an Schnel-
ligkeit bei weitem nach. Selbst wenn es verwundet worden ist, greift es selten den Menschen an.

Ueber die Fortpflanzung des Nashorns fehlen zur Zeit noch genauere Berichte. Von der indi-
schen Art weiß man, daß die Paarung in die Monate November und Dezember fällt, und da nun
der Wurf im April oder Mai erfolgt, kann man die Tragzeit auf 17 bis 18 Monate anschlagen.
Der Paarung gehen zuweilen gewaltige Kämpfe unter den Männchen voraus. So sah Anderson
vier männliche Nashörner im wüthendsten Kampfe, erlegte zwei und fand, daß sie mit Wunden
bedeckt und in Folge deren nicht im Stande waren, sich satt zu fressen. Mitten im Dickicht des
Waldes bringt das Nashorn sein einziges Junge zur Welt. Es ist ein kleines, plumpes Vieh, von
der Größe eines stattlichen Hundes, welches mit offenen Augen zur Welt kommt. Seine röthliche
Haut ist noch faltenlos, der Keim zum Horn ist aber schon vorhanden. Das Wachsthum schreitet in
den ersten Monaten rasch vor sich. Ein Nashorn, welches am dritten Tage etwa 2 Fuß hoch und
31/2 Fuß lang war, wächst in einem Monate 5 Zoll in die Höhe, 1/2 Fuß in die Länge und ebenso-
viel im Umfang. Nach dreizehn Monaten hat es bereits eine Höhe von vier, eine Länge von sechs
und einen Umfang von fast sieben Fuß. Die Haut ist in den ersten Monaten von dunkelröthlicher
Farbe, später bekommt sie eine dunkle Schattirung auf hellerem Grunde. Bei den bezüglichen Arten
ist bis zum vierzehnten Monate kaum eine Andeutung der Falten vorhanden; dann aber bilden sich
diese so rasch aus, daß binnen wenigen Monaten kein Unterschied zwischen den Alten und Jungen
vorhanden ist. Uebrigens gehört mindestens ein achtjähriges Wachsthum dazu, bevor das Nashorn
eine Mittelgröße erlangt hat. Das Horn biegt sich durch das ewige Wetzen mehr nach hinten. Manche
Nashörner aber haben die Eigenheit, so viel mit ihm zu schleifen, daß es bis auf einen Stummel
verkleinert wird. Dies thun regelmäßig die gefangenen.

Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Nashörner.
in Wuth zu verſetzen. Seine Gleichgiltigkeit gegen Alles, was nicht Futter heißt, kann ſich ſehr
bald in das Gegentheil umwandeln. Raffles beobachtete, daß das ſumatrenſiſche Nashorn vor
einem einzigen Hunde die Flucht ergriff, und andere Reiſende ſahen, daß es bei ihrer Witterung
eiligſt davon ging: allein das ganze Betragen ändert ſich, wenn das Thier gereizt wird. Es achtet
dann weder die Zahl, noch die Wehrhaftigkeit ſeiner Feinde, ſondern ſtürzt blindwüthend in gerader
Linie auf den Gegenſtand ſeines Zornes los. Ob dann eine Geſellſchaft bewaffneter Leute dem wü-
thenden Vieh entgegenſteht oder ob der Gegenſtand ſeiner Wuth ein völlig harmloſer und unbedeuten-
der iſt, ſcheint von ihm nicht in Betracht gezogen zu werden. Rothe Farben ſollen ihm zuwider ſein,
wie dem Ochſen, und öfters hat man es Anfälle auf ſchreiend gekleidete Menſchen machen ſehen,
welche ihm nicht das Geringſte zu Leide gethan haben. Seine Wuth überſteigt alle Grenzen. Es
rächt ſich nicht blos an Dem, welches es wirklich gereizt hat, ſondern an Allem und Jedem, was
ihm vorkommt; ſelbſt Steine und Bäume müſſen herhalten und wenn es gar Nichts findet, reißt es
wenigſtens 6 bis 8 Fuß tiefe Furchen in die Erde. Glücklicherweiſe iſt es nicht ſo ſchwer, einem in
ſeiner Wuth dahinrennenden Nashorn zu entgehen. Der geübte Jäger läßt es bis auf etwa 10 oder
15 Schritt herankommen und ſpringt dann zur Seite. Da rennt der tobende Geſell an ihm vorüber,
verliert die Witterung, welche er bisher hatte, und ſtürzt nun auf gut Glück vorwärts, vielleicht an
einem anderen, ganz unſchuldigen Gegenſtand ſeine Wuth auslaſſend. Man hat, wie Lichtenſtein
erzählt, Beiſpiele, daß ein Nashorn bei Nacht einen Wagen oder einen davor geſpannten Ochſen in
die Seite gefallen iſt und mit unbegreiflicher Kraft Alles mit ſich fortſchleppte und zertrümmert hat.
Für den gerade im Zuge begriffenen Reiſenden iſt das Nashorn von allen Thieren das gefährlichſte,
weil es nicht ſelten ohne alle Urſache auf die Leute losrennt und in verrückter Wuth ganz Unſchuldige
umbringt. Zumal die ſchwarzen, afrikaniſchen Nashörner ſind wegen ihres ungeheuern Grimmes ſehr
gefürchtet. Sie ſtürzen auf alle Gegenſtände los, welche ihre Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen. Manch-
mal arbeitet eins dieſer Thiere ſtundenlang mit ſeinem Horn an einem Buſche und wühlt ſchnaubend
an ihm herum, bis es ihn mit ſammt ſeinen Wurzeln aus der Erde gehoben hat, dann legt es ſich
vielleicht ruhig nieder, ohne weiter an das eben Zerſtörte zu denken. Das weiße, afrikaniſche Nas-
horn iſt viel ſanfter und harmloſer, als ſeine ſchwarzen Verwandten, und ſteht ihnen auch an Schnel-
ligkeit bei weitem nach. Selbſt wenn es verwundet worden iſt, greift es ſelten den Menſchen an.

Ueber die Fortpflanzung des Nashorns fehlen zur Zeit noch genauere Berichte. Von der indi-
ſchen Art weiß man, daß die Paarung in die Monate November und Dezember fällt, und da nun
der Wurf im April oder Mai erfolgt, kann man die Tragzeit auf 17 bis 18 Monate anſchlagen.
Der Paarung gehen zuweilen gewaltige Kämpfe unter den Männchen voraus. So ſah Anderſon
vier männliche Nashörner im wüthendſten Kampfe, erlegte zwei und fand, daß ſie mit Wunden
bedeckt und in Folge deren nicht im Stande waren, ſich ſatt zu freſſen. Mitten im Dickicht des
Waldes bringt das Nashorn ſein einziges Junge zur Welt. Es iſt ein kleines, plumpes Vieh, von
der Größe eines ſtattlichen Hundes, welches mit offenen Augen zur Welt kommt. Seine röthliche
Haut iſt noch faltenlos, der Keim zum Horn iſt aber ſchon vorhanden. Das Wachsthum ſchreitet in
den erſten Monaten raſch vor ſich. Ein Nashorn, welches am dritten Tage etwa 2 Fuß hoch und
3½ Fuß lang war, wächſt in einem Monate 5 Zoll in die Höhe, ½ Fuß in die Länge und ebenſo-
viel im Umfang. Nach dreizehn Monaten hat es bereits eine Höhe von vier, eine Länge von ſechs
und einen Umfang von faſt ſieben Fuß. Die Haut iſt in den erſten Monaten von dunkelröthlicher
Farbe, ſpäter bekommt ſie eine dunkle Schattirung auf hellerem Grunde. Bei den bezüglichen Arten
iſt bis zum vierzehnten Monate kaum eine Andeutung der Falten vorhanden; dann aber bilden ſich
dieſe ſo raſch aus, daß binnen wenigen Monaten kein Unterſchied zwiſchen den Alten und Jungen
vorhanden iſt. Uebrigens gehört mindeſtens ein achtjähriges Wachsthum dazu, bevor das Nashorn
eine Mittelgröße erlangt hat. Das Horn biegt ſich durch das ewige Wetzen mehr nach hinten. Manche
Nashörner aber haben die Eigenheit, ſo viel mit ihm zu ſchleifen, daß es bis auf einen Stummel
verkleinert wird. Dies thun regelmäßig die gefangenen.

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[760/0806] Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Nashörner. in Wuth zu verſetzen. Seine Gleichgiltigkeit gegen Alles, was nicht Futter heißt, kann ſich ſehr bald in das Gegentheil umwandeln. Raffles beobachtete, daß das ſumatrenſiſche Nashorn vor einem einzigen Hunde die Flucht ergriff, und andere Reiſende ſahen, daß es bei ihrer Witterung eiligſt davon ging: allein das ganze Betragen ändert ſich, wenn das Thier gereizt wird. Es achtet dann weder die Zahl, noch die Wehrhaftigkeit ſeiner Feinde, ſondern ſtürzt blindwüthend in gerader Linie auf den Gegenſtand ſeines Zornes los. Ob dann eine Geſellſchaft bewaffneter Leute dem wü- thenden Vieh entgegenſteht oder ob der Gegenſtand ſeiner Wuth ein völlig harmloſer und unbedeuten- der iſt, ſcheint von ihm nicht in Betracht gezogen zu werden. Rothe Farben ſollen ihm zuwider ſein, wie dem Ochſen, und öfters hat man es Anfälle auf ſchreiend gekleidete Menſchen machen ſehen, welche ihm nicht das Geringſte zu Leide gethan haben. Seine Wuth überſteigt alle Grenzen. Es rächt ſich nicht blos an Dem, welches es wirklich gereizt hat, ſondern an Allem und Jedem, was ihm vorkommt; ſelbſt Steine und Bäume müſſen herhalten und wenn es gar Nichts findet, reißt es wenigſtens 6 bis 8 Fuß tiefe Furchen in die Erde. Glücklicherweiſe iſt es nicht ſo ſchwer, einem in ſeiner Wuth dahinrennenden Nashorn zu entgehen. Der geübte Jäger läßt es bis auf etwa 10 oder 15 Schritt herankommen und ſpringt dann zur Seite. Da rennt der tobende Geſell an ihm vorüber, verliert die Witterung, welche er bisher hatte, und ſtürzt nun auf gut Glück vorwärts, vielleicht an einem anderen, ganz unſchuldigen Gegenſtand ſeine Wuth auslaſſend. Man hat, wie Lichtenſtein erzählt, Beiſpiele, daß ein Nashorn bei Nacht einen Wagen oder einen davor geſpannten Ochſen in die Seite gefallen iſt und mit unbegreiflicher Kraft Alles mit ſich fortſchleppte und zertrümmert hat. Für den gerade im Zuge begriffenen Reiſenden iſt das Nashorn von allen Thieren das gefährlichſte, weil es nicht ſelten ohne alle Urſache auf die Leute losrennt und in verrückter Wuth ganz Unſchuldige umbringt. Zumal die ſchwarzen, afrikaniſchen Nashörner ſind wegen ihres ungeheuern Grimmes ſehr gefürchtet. Sie ſtürzen auf alle Gegenſtände los, welche ihre Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen. Manch- mal arbeitet eins dieſer Thiere ſtundenlang mit ſeinem Horn an einem Buſche und wühlt ſchnaubend an ihm herum, bis es ihn mit ſammt ſeinen Wurzeln aus der Erde gehoben hat, dann legt es ſich vielleicht ruhig nieder, ohne weiter an das eben Zerſtörte zu denken. Das weiße, afrikaniſche Nas- horn iſt viel ſanfter und harmloſer, als ſeine ſchwarzen Verwandten, und ſteht ihnen auch an Schnel- ligkeit bei weitem nach. Selbſt wenn es verwundet worden iſt, greift es ſelten den Menſchen an. Ueber die Fortpflanzung des Nashorns fehlen zur Zeit noch genauere Berichte. Von der indi- ſchen Art weiß man, daß die Paarung in die Monate November und Dezember fällt, und da nun der Wurf im April oder Mai erfolgt, kann man die Tragzeit auf 17 bis 18 Monate anſchlagen. Der Paarung gehen zuweilen gewaltige Kämpfe unter den Männchen voraus. So ſah Anderſon vier männliche Nashörner im wüthendſten Kampfe, erlegte zwei und fand, daß ſie mit Wunden bedeckt und in Folge deren nicht im Stande waren, ſich ſatt zu freſſen. Mitten im Dickicht des Waldes bringt das Nashorn ſein einziges Junge zur Welt. Es iſt ein kleines, plumpes Vieh, von der Größe eines ſtattlichen Hundes, welches mit offenen Augen zur Welt kommt. Seine röthliche Haut iſt noch faltenlos, der Keim zum Horn iſt aber ſchon vorhanden. Das Wachsthum ſchreitet in den erſten Monaten raſch vor ſich. Ein Nashorn, welches am dritten Tage etwa 2 Fuß hoch und 3½ Fuß lang war, wächſt in einem Monate 5 Zoll in die Höhe, ½ Fuß in die Länge und ebenſo- viel im Umfang. Nach dreizehn Monaten hat es bereits eine Höhe von vier, eine Länge von ſechs und einen Umfang von faſt ſieben Fuß. Die Haut iſt in den erſten Monaten von dunkelröthlicher Farbe, ſpäter bekommt ſie eine dunkle Schattirung auf hellerem Grunde. Bei den bezüglichen Arten iſt bis zum vierzehnten Monate kaum eine Andeutung der Falten vorhanden; dann aber bilden ſich dieſe ſo raſch aus, daß binnen wenigen Monaten kein Unterſchied zwiſchen den Alten und Jungen vorhanden iſt. Uebrigens gehört mindeſtens ein achtjähriges Wachsthum dazu, bevor das Nashorn eine Mittelgröße erlangt hat. Das Horn biegt ſich durch das ewige Wetzen mehr nach hinten. Manche Nashörner aber haben die Eigenheit, ſo viel mit ihm zu ſchleifen, daß es bis auf einen Stummel verkleinert wird. Dies thun regelmäßig die gefangenen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 760. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/806>, abgerufen am 13.05.2024.