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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die eigentlichen Dickhäuter.
ger macht sie beweglich oder der wüthendste Zorn. Hiermit ist ihr geistiges Wesen schon beschrieben.
Jhre Plumpheit und Schwerfälligkeit spricht sich in leiblicher, wie in geistiger Hinsicht aus. Schwer
und plump, langsam und bedächtig ist ihr Gang, unbeholfen und ungeschickt ihr Lauf. Aber wenn
die gewaltige Masse einmal in Bewegung gekommen ist, jagt sie ziemlich rasch dahin. Weit geschickter
als auf dem Lande zeigen die Plumpen sich im Wasser. Ein guter Theil ihres schweren Leibes wird
von diesem getragen, so daß sie sich blos wenig anstrengen müssen, um den massigen Bau fortzu-
schieben. Alle Dickhäuter sind vortreffliche Schwimmer, einzelne von ihnen bewohnen geradezu das
Wasser. Sie gehen mit Gleichgiltigkeit unten auf dem Boden dahin; sie schwimmen zwischen Spiegel
und Grund oder auf der Oberfläche, wie es ihnen eben behagt; sie tauchen mehrere Minuten lang
und legen sich dann wieder auf der Oberfläche nieder, ohne sich die Sicherheit ihrer Lage durch Bewe-
gung erkaufen zu müssen. Das Wasser ist ihnen Bedürfniß; sie können es nicht entbehren. Wenn
sie es nicht haben, suchen sie sich wenigstens schlammige Pfützen und Lachen auf, um sich in diesen
mit einer wahren Leidenschaft zu wälzen und zu recken.

Jhre ungeheure Kraft läßt sie fast überall einen Weg finden. Sie bewegen sich nicht blos
im Wasser, im Sumpfe oder im Schlamm, sondern auch im Walde ohne Beschwerde. Das
ärgste Dickicht hält sie nicht auf. Vor sich nieder werfen und brechen sie hindernde, in den Weg tre-
tende Aeste und Zweige, und da, wo sie nur wenige Male denselben Pfad gegangen, bildet sich ein
gebahnter, geebneter Weg. Selbst an den Berghängen hin höhlen sie sich einen Pfad aus; ihrer
Kraft widersteht kaum das Gestein. Man findet an den Gehängen entlang tiefe, ausgetretene Hohl-
wege, welche erscheinen, als seien sie mit Hacke und Schaufel ausgearbeitet. Diese rühren von dem
Nashorn her, welches hartnäckig viele Male ein und denselben Pfad wandelte. Jn allen Urwal-
dungen, in den ärgsten Bambusdickichten finden sich schöne, geradfortlaufende Pfade, welche durch
dieselben Wegbaumeister gebildet wurden.

Die Nahrung der Plumpen besteht ausschließlich in Pflanzenstoffen. Sumpf- und Wasser-
pflanzen, Getreide, Gras, das Laub und die Zweige von Sträuchern oder Bäumen, Wurzeln und
Früchte werden mit gleicher Lust gefressen; doch ist ganz unverkennbar, daß sie, wenn sie es haben
können, in leckerhafter Weise ihre Auswahl treffen, und es fragt sich noch sehr, ob der Geschmack
nicht gleich auf das Gehör, ihren ersten Sinn, folgt. Die Nashörner packen die Nahrung mit
dem kleinen, kurzen Rüssel, zu welchem sich ihre Oberlippe verlängert. Das häßliche Nilpferd
rauft sie mit seinen gewaltigen Zähnen los, sei es vom schlammigen Grunde der Gewässer oder
auf dem Festlande. Die Lippen dieses Geschöpfes sind so plump, daß es kaum mit ihnen zugreifen
kann. Es versteht blos Massen, welche vor ihm liegen, damit aufzunehmen, nicht aber abzureißen,
während das Nashorn fast ebenso geschickt ist, wie der Tapir. Der Kostverachtung kann man sie nicht
beschuldigen. Sogar Schilf und Niedgräser, blätterlose Aeste von ziemlicher Stärke, dürre Blätter
und dornige Zweige, ja im Nothfalle der Koth anderer pflanzenfressenden Thiere, selbst der der
eigenen Art, wird in den ungeheuren Schlund hinabgewürgt.

Jm allgemeinen sind die Sinne der Plumpen noch ziemlich entwickelt. Jhre Haut ist sehr
empfindlich, ihr Geschmacksinn entschieden ausgeprägt, ihr Geruch oft recht gut, ihr Gehör vorzüg-
lich, das Gesicht aber, wie schon das blöde Auge beweist, nur schwach und stumpf. Aeußerst wenig
Verstand ist ihr geistiges Erbtheil geworden. Oven wog das Gehirn eines Nashorns und fand
das Verhältniß zwischen ihm und der Gesammtmasse des Körpers wie 1 : 164: -- bei dem Menschen
ergibt eine ähnliche Wägung ein Verhältniß von 1 : 30 oder 1 : 40!

Die Plumpen leben friedlich und nach ihrer Weise auch verträglich unter einander. Faul
und ruhig, wie sie sind, lassen sie sich im ganzen ziemlich Viel gefallen; wenn aber ihre Wuth einmal
erwacht, kennt sie keine Grenzen mehr. Vor anderen starken Geschöpfen weichen sie aus, bis ihr
Zorn rege wird, dann greifen sie blindrasend, alle Gefahr verachtend, ihre sämmtlichen Mitsäuge-
thiere an, vom Elefanten angefangen bis zu dem Menschen hinauf. Sie können sehr gefährlich wer-
den, obwohl ihre Plumpheit sie hindert, gewandten Feinden gegenüber alle ihre Kräfte zu entwickeln.

Die eigentlichen Dickhäuter.
ger macht ſie beweglich oder der wüthendſte Zorn. Hiermit iſt ihr geiſtiges Weſen ſchon beſchrieben.
Jhre Plumpheit und Schwerfälligkeit ſpricht ſich in leiblicher, wie in geiſtiger Hinſicht aus. Schwer
und plump, langſam und bedächtig iſt ihr Gang, unbeholfen und ungeſchickt ihr Lauf. Aber wenn
die gewaltige Maſſe einmal in Bewegung gekommen iſt, jagt ſie ziemlich raſch dahin. Weit geſchickter
als auf dem Lande zeigen die Plumpen ſich im Waſſer. Ein guter Theil ihres ſchweren Leibes wird
von dieſem getragen, ſo daß ſie ſich blos wenig anſtrengen müſſen, um den maſſigen Bau fortzu-
ſchieben. Alle Dickhäuter ſind vortreffliche Schwimmer, einzelne von ihnen bewohnen geradezu das
Waſſer. Sie gehen mit Gleichgiltigkeit unten auf dem Boden dahin; ſie ſchwimmen zwiſchen Spiegel
und Grund oder auf der Oberfläche, wie es ihnen eben behagt; ſie tauchen mehrere Minuten lang
und legen ſich dann wieder auf der Oberfläche nieder, ohne ſich die Sicherheit ihrer Lage durch Bewe-
gung erkaufen zu müſſen. Das Waſſer iſt ihnen Bedürfniß; ſie können es nicht entbehren. Wenn
ſie es nicht haben, ſuchen ſie ſich wenigſtens ſchlammige Pfützen und Lachen auf, um ſich in dieſen
mit einer wahren Leidenſchaft zu wälzen und zu recken.

Jhre ungeheure Kraft läßt ſie faſt überall einen Weg finden. Sie bewegen ſich nicht blos
im Waſſer, im Sumpfe oder im Schlamm, ſondern auch im Walde ohne Beſchwerde. Das
ärgſte Dickicht hält ſie nicht auf. Vor ſich nieder werfen und brechen ſie hindernde, in den Weg tre-
tende Aeſte und Zweige, und da, wo ſie nur wenige Male denſelben Pfad gegangen, bildet ſich ein
gebahnter, geebneter Weg. Selbſt an den Berghängen hin höhlen ſie ſich einen Pfad aus; ihrer
Kraft widerſteht kaum das Geſtein. Man findet an den Gehängen entlang tiefe, ausgetretene Hohl-
wege, welche erſcheinen, als ſeien ſie mit Hacke und Schaufel ausgearbeitet. Dieſe rühren von dem
Nashorn her, welches hartnäckig viele Male ein und denſelben Pfad wandelte. Jn allen Urwal-
dungen, in den ärgſten Bambusdickichten finden ſich ſchöne, geradfortlaufende Pfade, welche durch
dieſelben Wegbaumeiſter gebildet wurden.

Die Nahrung der Plumpen beſteht ausſchließlich in Pflanzenſtoffen. Sumpf- und Waſſer-
pflanzen, Getreide, Gras, das Laub und die Zweige von Sträuchern oder Bäumen, Wurzeln und
Früchte werden mit gleicher Luſt gefreſſen; doch iſt ganz unverkennbar, daß ſie, wenn ſie es haben
können, in leckerhafter Weiſe ihre Auswahl treffen, und es fragt ſich noch ſehr, ob der Geſchmack
nicht gleich auf das Gehör, ihren erſten Sinn, folgt. Die Nashörner packen die Nahrung mit
dem kleinen, kurzen Rüſſel, zu welchem ſich ihre Oberlippe verlängert. Das häßliche Nilpferd
rauft ſie mit ſeinen gewaltigen Zähnen los, ſei es vom ſchlammigen Grunde der Gewäſſer oder
auf dem Feſtlande. Die Lippen dieſes Geſchöpfes ſind ſo plump, daß es kaum mit ihnen zugreifen
kann. Es verſteht blos Maſſen, welche vor ihm liegen, damit aufzunehmen, nicht aber abzureißen,
während das Nashorn faſt ebenſo geſchickt iſt, wie der Tapir. Der Koſtverachtung kann man ſie nicht
beſchuldigen. Sogar Schilf und Niedgräſer, blätterloſe Aeſte von ziemlicher Stärke, dürre Blätter
und dornige Zweige, ja im Nothfalle der Koth anderer pflanzenfreſſenden Thiere, ſelbſt der der
eigenen Art, wird in den ungeheuren Schlund hinabgewürgt.

Jm allgemeinen ſind die Sinne der Plumpen noch ziemlich entwickelt. Jhre Haut iſt ſehr
empfindlich, ihr Geſchmackſinn entſchieden ausgeprägt, ihr Geruch oft recht gut, ihr Gehör vorzüg-
lich, das Geſicht aber, wie ſchon das blöde Auge beweiſt, nur ſchwach und ſtumpf. Aeußerſt wenig
Verſtand iſt ihr geiſtiges Erbtheil geworden. Oven wog das Gehirn eines Nashorns und fand
das Verhältniß zwiſchen ihm und der Geſammtmaſſe des Körpers wie 1 : 164: — bei dem Menſchen
ergibt eine ähnliche Wägung ein Verhältniß von 1 : 30 oder 1 : 40!

Die Plumpen leben friedlich und nach ihrer Weiſe auch verträglich unter einander. Faul
und ruhig, wie ſie ſind, laſſen ſie ſich im ganzen ziemlich Viel gefallen; wenn aber ihre Wuth einmal
erwacht, kennt ſie keine Grenzen mehr. Vor anderen ſtarken Geſchöpfen weichen ſie aus, bis ihr
Zorn rege wird, dann greifen ſie blindraſend, alle Gefahr verachtend, ihre ſämmtlichen Mitſäuge-
thiere an, vom Elefanten angefangen bis zu dem Menſchen hinauf. Sie können ſehr gefährlich wer-
den, obwohl ihre Plumpheit ſie hindert, gewandten Feinden gegenüber alle ihre Kräfte zu entwickeln.

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[749/0793] Die eigentlichen Dickhäuter. ger macht ſie beweglich oder der wüthendſte Zorn. Hiermit iſt ihr geiſtiges Weſen ſchon beſchrieben. Jhre Plumpheit und Schwerfälligkeit ſpricht ſich in leiblicher, wie in geiſtiger Hinſicht aus. Schwer und plump, langſam und bedächtig iſt ihr Gang, unbeholfen und ungeſchickt ihr Lauf. Aber wenn die gewaltige Maſſe einmal in Bewegung gekommen iſt, jagt ſie ziemlich raſch dahin. Weit geſchickter als auf dem Lande zeigen die Plumpen ſich im Waſſer. Ein guter Theil ihres ſchweren Leibes wird von dieſem getragen, ſo daß ſie ſich blos wenig anſtrengen müſſen, um den maſſigen Bau fortzu- ſchieben. Alle Dickhäuter ſind vortreffliche Schwimmer, einzelne von ihnen bewohnen geradezu das Waſſer. Sie gehen mit Gleichgiltigkeit unten auf dem Boden dahin; ſie ſchwimmen zwiſchen Spiegel und Grund oder auf der Oberfläche, wie es ihnen eben behagt; ſie tauchen mehrere Minuten lang und legen ſich dann wieder auf der Oberfläche nieder, ohne ſich die Sicherheit ihrer Lage durch Bewe- gung erkaufen zu müſſen. Das Waſſer iſt ihnen Bedürfniß; ſie können es nicht entbehren. Wenn ſie es nicht haben, ſuchen ſie ſich wenigſtens ſchlammige Pfützen und Lachen auf, um ſich in dieſen mit einer wahren Leidenſchaft zu wälzen und zu recken. Jhre ungeheure Kraft läßt ſie faſt überall einen Weg finden. Sie bewegen ſich nicht blos im Waſſer, im Sumpfe oder im Schlamm, ſondern auch im Walde ohne Beſchwerde. Das ärgſte Dickicht hält ſie nicht auf. Vor ſich nieder werfen und brechen ſie hindernde, in den Weg tre- tende Aeſte und Zweige, und da, wo ſie nur wenige Male denſelben Pfad gegangen, bildet ſich ein gebahnter, geebneter Weg. Selbſt an den Berghängen hin höhlen ſie ſich einen Pfad aus; ihrer Kraft widerſteht kaum das Geſtein. Man findet an den Gehängen entlang tiefe, ausgetretene Hohl- wege, welche erſcheinen, als ſeien ſie mit Hacke und Schaufel ausgearbeitet. Dieſe rühren von dem Nashorn her, welches hartnäckig viele Male ein und denſelben Pfad wandelte. Jn allen Urwal- dungen, in den ärgſten Bambusdickichten finden ſich ſchöne, geradfortlaufende Pfade, welche durch dieſelben Wegbaumeiſter gebildet wurden. Die Nahrung der Plumpen beſteht ausſchließlich in Pflanzenſtoffen. Sumpf- und Waſſer- pflanzen, Getreide, Gras, das Laub und die Zweige von Sträuchern oder Bäumen, Wurzeln und Früchte werden mit gleicher Luſt gefreſſen; doch iſt ganz unverkennbar, daß ſie, wenn ſie es haben können, in leckerhafter Weiſe ihre Auswahl treffen, und es fragt ſich noch ſehr, ob der Geſchmack nicht gleich auf das Gehör, ihren erſten Sinn, folgt. Die Nashörner packen die Nahrung mit dem kleinen, kurzen Rüſſel, zu welchem ſich ihre Oberlippe verlängert. Das häßliche Nilpferd rauft ſie mit ſeinen gewaltigen Zähnen los, ſei es vom ſchlammigen Grunde der Gewäſſer oder auf dem Feſtlande. Die Lippen dieſes Geſchöpfes ſind ſo plump, daß es kaum mit ihnen zugreifen kann. Es verſteht blos Maſſen, welche vor ihm liegen, damit aufzunehmen, nicht aber abzureißen, während das Nashorn faſt ebenſo geſchickt iſt, wie der Tapir. Der Koſtverachtung kann man ſie nicht beſchuldigen. Sogar Schilf und Niedgräſer, blätterloſe Aeſte von ziemlicher Stärke, dürre Blätter und dornige Zweige, ja im Nothfalle der Koth anderer pflanzenfreſſenden Thiere, ſelbſt der der eigenen Art, wird in den ungeheuren Schlund hinabgewürgt. Jm allgemeinen ſind die Sinne der Plumpen noch ziemlich entwickelt. Jhre Haut iſt ſehr empfindlich, ihr Geſchmackſinn entſchieden ausgeprägt, ihr Geruch oft recht gut, ihr Gehör vorzüg- lich, das Geſicht aber, wie ſchon das blöde Auge beweiſt, nur ſchwach und ſtumpf. Aeußerſt wenig Verſtand iſt ihr geiſtiges Erbtheil geworden. Oven wog das Gehirn eines Nashorns und fand das Verhältniß zwiſchen ihm und der Geſammtmaſſe des Körpers wie 1 : 164: — bei dem Menſchen ergibt eine ähnliche Wägung ein Verhältniß von 1 : 30 oder 1 : 40! Die Plumpen leben friedlich und nach ihrer Weiſe auch verträglich unter einander. Faul und ruhig, wie ſie ſind, laſſen ſie ſich im ganzen ziemlich Viel gefallen; wenn aber ihre Wuth einmal erwacht, kennt ſie keine Grenzen mehr. Vor anderen ſtarken Geſchöpfen weichen ſie aus, bis ihr Zorn rege wird, dann greifen ſie blindraſend, alle Gefahr verachtend, ihre ſämmtlichen Mitſäuge- thiere an, vom Elefanten angefangen bis zu dem Menſchen hinauf. Sie können ſehr gefährlich wer- den, obwohl ihre Plumpheit ſie hindert, gewandten Feinden gegenüber alle ihre Kräfte zu entwickeln.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 749. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/793>, abgerufen am 23.11.2024.