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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Die Elefanten.

"Die Empfindlichkeit ihres Fußes war bei so plumpen Verhältnissen und einer solchen Dicke
der Haut äußerst auffallend. Die Fänger konnten sie jeden Augenblick dazu zwingen, den Fuß zu
heben, sobald sie ihn nur mit einem Blatte oder Zweige kitzelten. Die Anlegung der Schlinge be-
merkte das Thier augenblicklich, und wenn es dieselbe mit dem Rüssel erreichen konnte, so näherte
es den anderen Fuß, um sie womöglich schnell abzustreifen."

"Eins war fast bei Allen zu bemerken: sie zertrampelten den Boden mit ihren Vorderfüßen und
nahmen mit einer Wendung ihres Rüssels die trockene Erde oder den Sand auf, und bestreuten sich
damit geschickt über und über. Dann führten sie die Spitze des Rüssels in den Mund und entnah-
men das Wasser, welches sie über ihren Rücken ausgossen; Dies wiederholten sie so oft, bis der
Staub gewöhnlich durchnäßt war. Jch verwunderte mich über die Menge Wasser, die sie dazu ver-
wendeten, denn sie bekleideten sich förmlich mit einem dünnen Schlammmantel, und hatten nun doch
seit vierundzwanzig Stunden keinen Zugang zum Wasser gehabt und waren von Kampf und Schrecken
erschöpft. Man kann sich darnach denken, welchen Vorrath von Feuchtigkeit der an seinem Magen
angefügte Behälter auffassen kann."

"Wirklich bewunderungswerth war das Benehmen der zahmen Elefanten. Sie bewiesen das
vollkommenste Verständniß jeder Bewegung, des erstrebten Zieles und der Mittel, es zu erreichen.
Offenbar machte ihnen die Sache ungemeines Vergnügen. Es war keine böse Stimmung, kein
Uebelwollen in ihnen: sie schienen die ganze Sache als einen angenehmen Zeitvertreib zu betrachten.
Ebenso merkwürdig wie ihre Klugheit war aber auch ihre Vorsicht. Uebereilung oder Verwirrung
kam nie vor. Nie verwickelten sie sich in die Seile, nie kamen sie den gefesselten in den Weg, und
mitten in den heftigsten Kämpfen, wo die zahmen oft über die gefangenen wegzusteigen hatten, traten
sie weder auf diese, noch fügten sie ihnen das geringste Leid zu, vielmehr suchten sie aus freien Stücken
jede Schwierigkeit oder Gefahr für dieselben zu beseitigen. Mehr als ein Mal, wenn ein wilder
seinen Rüssel ausstreckte, um das Seil aufzufangen, das um sein Bein gewickelt werden sollte, schob
Siribeddi seinen Rüssel schnell bei Seite. Ein Elefant, der schon an einem Fuße gefesselt war, setzte den
anderen immer weislich fest auf den Boden, so oft man versuchte, die Schlinge darum zu legen. Da
lauerte Siribeddi die Gelegenheit ab, als jener den Fuß wieder erhob, schob geschwind ihr eigenes
Bein darunter und hielt es in die Höhe, bis die Schlinge angelegt und zugezogen war. Es schien fast,
als ob sie mit der Furcht der wilden ihr Spiel trieben und ihren Widerstand verspotteten. Drängten die
wilden sich zurück, so schoben sie sie vorwärts; wollten sie erzürnt eine andere Richtung einschlagen, so
trieben jene sie zurück. Warfen sie sich nieder, so stemmte sich ein zahmer mit Kopf und Schulter dagegen
und zwang sie wieder in die Höhe. War es aber nöthig, sie niederzuhalten, so kniete er auf sie und
hielt sie nieder, bis die Seile fest gemacht waren. Nur der Fänger, der besonders gute Dienste lei-
stete und vor dem sich die wilde Herde ganz vorzüglich zu fürchten schien, hatte Stoßzähne, brauchte
sie aber durchaus nicht zum Verwunden, sondern drängte sich mit ihnen zwischen zwei Elefanten hin-
ein, wo er den Kopf nicht hätte hineinbringen können, und benutzte seine Zähne außerdem, die Ge-
fallenen oder Widerspenstigen mit größerer Bequemlichkeit aufzuheben. Mehrere Male, als die Ver-
mittelung der anderen zahmen Elefanten nicht genügte, um einen wilden zur Ordnung zu bringen,
schien die blose Annäherung dieses Stoßzahnträgers Furcht einzuflößen und Unterwürfigkeit zu
erzwingen."

"Vielleicht wurde der Muth und die Geschicklichkeit der Menschen durch die überraschenden
Eigenschaften der zahmen Elefanten in den Schatten gestellt. Gewiß besaßen die ersteren ein schnelles
Auge, das die geringste Bewegung des Elefanten erlauerte, und großes Geschick, die Schlingen
überzuwerfen und schnell zu befestigen; jedoch hatten sie dabei stets den Schutz der zahmen Elefanten,
ohne welchen auch die kühnsten und geschicktesten Jäger Nichts in einem Corral ausrichten würden."

"Von den beiden jungen Elefanten war der eine etwa zehn Monate, der andere etwas älter.
Der kleinere hatte einen kolbigen Kopf mit wolligen, braunen Haaren bedeckt und war die be-
lustigendste und anziehendste Taschenausgabe eines Elefanten, die man sich denken kann. Bei jedem

Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Elefanten.

„Die Empfindlichkeit ihres Fußes war bei ſo plumpen Verhältniſſen und einer ſolchen Dicke
der Haut äußerſt auffallend. Die Fänger konnten ſie jeden Augenblick dazu zwingen, den Fuß zu
heben, ſobald ſie ihn nur mit einem Blatte oder Zweige kitzelten. Die Anlegung der Schlinge be-
merkte das Thier augenblicklich, und wenn es dieſelbe mit dem Rüſſel erreichen konnte, ſo näherte
es den anderen Fuß, um ſie womöglich ſchnell abzuſtreifen.‟

„Eins war faſt bei Allen zu bemerken: ſie zertrampelten den Boden mit ihren Vorderfüßen und
nahmen mit einer Wendung ihres Rüſſels die trockene Erde oder den Sand auf, und beſtreuten ſich
damit geſchickt über und über. Dann führten ſie die Spitze des Rüſſels in den Mund und entnah-
men das Waſſer, welches ſie über ihren Rücken ausgoſſen; Dies wiederholten ſie ſo oft, bis der
Staub gewöhnlich durchnäßt war. Jch verwunderte mich über die Menge Waſſer, die ſie dazu ver-
wendeten, denn ſie bekleideten ſich förmlich mit einem dünnen Schlammmantel, und hatten nun doch
ſeit vierundzwanzig Stunden keinen Zugang zum Waſſer gehabt und waren von Kampf und Schrecken
erſchöpft. Man kann ſich darnach denken, welchen Vorrath von Feuchtigkeit der an ſeinem Magen
angefügte Behälter auffaſſen kann.‟

„Wirklich bewunderungswerth war das Benehmen der zahmen Elefanten. Sie bewieſen das
vollkommenſte Verſtändniß jeder Bewegung, des erſtrebten Zieles und der Mittel, es zu erreichen.
Offenbar machte ihnen die Sache ungemeines Vergnügen. Es war keine böſe Stimmung, kein
Uebelwollen in ihnen: ſie ſchienen die ganze Sache als einen angenehmen Zeitvertreib zu betrachten.
Ebenſo merkwürdig wie ihre Klugheit war aber auch ihre Vorſicht. Uebereilung oder Verwirrung
kam nie vor. Nie verwickelten ſie ſich in die Seile, nie kamen ſie den gefeſſelten in den Weg, und
mitten in den heftigſten Kämpfen, wo die zahmen oft über die gefangenen wegzuſteigen hatten, traten
ſie weder auf dieſe, noch fügten ſie ihnen das geringſte Leid zu, vielmehr ſuchten ſie aus freien Stücken
jede Schwierigkeit oder Gefahr für dieſelben zu beſeitigen. Mehr als ein Mal, wenn ein wilder
ſeinen Rüſſel ausſtreckte, um das Seil aufzufangen, das um ſein Bein gewickelt werden ſollte, ſchob
Siribeddi ſeinen Rüſſel ſchnell bei Seite. Ein Elefant, der ſchon an einem Fuße gefeſſelt war, ſetzte den
anderen immer weislich feſt auf den Boden, ſo oft man verſuchte, die Schlinge darum zu legen. Da
lauerte Siribeddi die Gelegenheit ab, als jener den Fuß wieder erhob, ſchob geſchwind ihr eigenes
Bein darunter und hielt es in die Höhe, bis die Schlinge angelegt und zugezogen war. Es ſchien faſt,
als ob ſie mit der Furcht der wilden ihr Spiel trieben und ihren Widerſtand verſpotteten. Drängten die
wilden ſich zurück, ſo ſchoben ſie ſie vorwärts; wollten ſie erzürnt eine andere Richtung einſchlagen, ſo
trieben jene ſie zurück. Warfen ſie ſich nieder, ſo ſtemmte ſich ein zahmer mit Kopf und Schulter dagegen
und zwang ſie wieder in die Höhe. War es aber nöthig, ſie niederzuhalten, ſo kniete er auf ſie und
hielt ſie nieder, bis die Seile feſt gemacht waren. Nur der Fänger, der beſonders gute Dienſte lei-
ſtete und vor dem ſich die wilde Herde ganz vorzüglich zu fürchten ſchien, hatte Stoßzähne, brauchte
ſie aber durchaus nicht zum Verwunden, ſondern drängte ſich mit ihnen zwiſchen zwei Elefanten hin-
ein, wo er den Kopf nicht hätte hineinbringen können, und benutzte ſeine Zähne außerdem, die Ge-
fallenen oder Widerſpenſtigen mit größerer Bequemlichkeit aufzuheben. Mehrere Male, als die Ver-
mittelung der anderen zahmen Elefanten nicht genügte, um einen wilden zur Ordnung zu bringen,
ſchien die bloſe Annäherung dieſes Stoßzahnträgers Furcht einzuflößen und Unterwürfigkeit zu
erzwingen.‟

„Vielleicht wurde der Muth und die Geſchicklichkeit der Menſchen durch die überraſchenden
Eigenſchaften der zahmen Elefanten in den Schatten geſtellt. Gewiß beſaßen die erſteren ein ſchnelles
Auge, das die geringſte Bewegung des Elefanten erlauerte, und großes Geſchick, die Schlingen
überzuwerfen und ſchnell zu befeſtigen; jedoch hatten ſie dabei ſtets den Schutz der zahmen Elefanten,
ohne welchen auch die kühnſten und geſchickteſten Jäger Nichts in einem Corral ausrichten würden.‟

„Von den beiden jungen Elefanten war der eine etwa zehn Monate, der andere etwas älter.
Der kleinere hatte einen kolbigen Kopf mit wolligen, braunen Haaren bedeckt und war die be-
luſtigendſte und anziehendſte Taſchenausgabe eines Elefanten, die man ſich denken kann. Bei jedem

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[706/0744] Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Elefanten. „Die Empfindlichkeit ihres Fußes war bei ſo plumpen Verhältniſſen und einer ſolchen Dicke der Haut äußerſt auffallend. Die Fänger konnten ſie jeden Augenblick dazu zwingen, den Fuß zu heben, ſobald ſie ihn nur mit einem Blatte oder Zweige kitzelten. Die Anlegung der Schlinge be- merkte das Thier augenblicklich, und wenn es dieſelbe mit dem Rüſſel erreichen konnte, ſo näherte es den anderen Fuß, um ſie womöglich ſchnell abzuſtreifen.‟ „Eins war faſt bei Allen zu bemerken: ſie zertrampelten den Boden mit ihren Vorderfüßen und nahmen mit einer Wendung ihres Rüſſels die trockene Erde oder den Sand auf, und beſtreuten ſich damit geſchickt über und über. Dann führten ſie die Spitze des Rüſſels in den Mund und entnah- men das Waſſer, welches ſie über ihren Rücken ausgoſſen; Dies wiederholten ſie ſo oft, bis der Staub gewöhnlich durchnäßt war. Jch verwunderte mich über die Menge Waſſer, die ſie dazu ver- wendeten, denn ſie bekleideten ſich förmlich mit einem dünnen Schlammmantel, und hatten nun doch ſeit vierundzwanzig Stunden keinen Zugang zum Waſſer gehabt und waren von Kampf und Schrecken erſchöpft. Man kann ſich darnach denken, welchen Vorrath von Feuchtigkeit der an ſeinem Magen angefügte Behälter auffaſſen kann.‟ „Wirklich bewunderungswerth war das Benehmen der zahmen Elefanten. Sie bewieſen das vollkommenſte Verſtändniß jeder Bewegung, des erſtrebten Zieles und der Mittel, es zu erreichen. Offenbar machte ihnen die Sache ungemeines Vergnügen. Es war keine böſe Stimmung, kein Uebelwollen in ihnen: ſie ſchienen die ganze Sache als einen angenehmen Zeitvertreib zu betrachten. Ebenſo merkwürdig wie ihre Klugheit war aber auch ihre Vorſicht. Uebereilung oder Verwirrung kam nie vor. Nie verwickelten ſie ſich in die Seile, nie kamen ſie den gefeſſelten in den Weg, und mitten in den heftigſten Kämpfen, wo die zahmen oft über die gefangenen wegzuſteigen hatten, traten ſie weder auf dieſe, noch fügten ſie ihnen das geringſte Leid zu, vielmehr ſuchten ſie aus freien Stücken jede Schwierigkeit oder Gefahr für dieſelben zu beſeitigen. Mehr als ein Mal, wenn ein wilder ſeinen Rüſſel ausſtreckte, um das Seil aufzufangen, das um ſein Bein gewickelt werden ſollte, ſchob Siribeddi ſeinen Rüſſel ſchnell bei Seite. Ein Elefant, der ſchon an einem Fuße gefeſſelt war, ſetzte den anderen immer weislich feſt auf den Boden, ſo oft man verſuchte, die Schlinge darum zu legen. Da lauerte Siribeddi die Gelegenheit ab, als jener den Fuß wieder erhob, ſchob geſchwind ihr eigenes Bein darunter und hielt es in die Höhe, bis die Schlinge angelegt und zugezogen war. Es ſchien faſt, als ob ſie mit der Furcht der wilden ihr Spiel trieben und ihren Widerſtand verſpotteten. Drängten die wilden ſich zurück, ſo ſchoben ſie ſie vorwärts; wollten ſie erzürnt eine andere Richtung einſchlagen, ſo trieben jene ſie zurück. Warfen ſie ſich nieder, ſo ſtemmte ſich ein zahmer mit Kopf und Schulter dagegen und zwang ſie wieder in die Höhe. War es aber nöthig, ſie niederzuhalten, ſo kniete er auf ſie und hielt ſie nieder, bis die Seile feſt gemacht waren. Nur der Fänger, der beſonders gute Dienſte lei- ſtete und vor dem ſich die wilde Herde ganz vorzüglich zu fürchten ſchien, hatte Stoßzähne, brauchte ſie aber durchaus nicht zum Verwunden, ſondern drängte ſich mit ihnen zwiſchen zwei Elefanten hin- ein, wo er den Kopf nicht hätte hineinbringen können, und benutzte ſeine Zähne außerdem, die Ge- fallenen oder Widerſpenſtigen mit größerer Bequemlichkeit aufzuheben. Mehrere Male, als die Ver- mittelung der anderen zahmen Elefanten nicht genügte, um einen wilden zur Ordnung zu bringen, ſchien die bloſe Annäherung dieſes Stoßzahnträgers Furcht einzuflößen und Unterwürfigkeit zu erzwingen.‟ „Vielleicht wurde der Muth und die Geſchicklichkeit der Menſchen durch die überraſchenden Eigenſchaften der zahmen Elefanten in den Schatten geſtellt. Gewiß beſaßen die erſteren ein ſchnelles Auge, das die geringſte Bewegung des Elefanten erlauerte, und großes Geſchick, die Schlingen überzuwerfen und ſchnell zu befeſtigen; jedoch hatten ſie dabei ſtets den Schutz der zahmen Elefanten, ohne welchen auch die kühnſten und geſchickteſten Jäger Nichts in einem Corral ausrichten würden.‟ „Von den beiden jungen Elefanten war der eine etwa zehn Monate, der andere etwas älter. Der kleinere hatte einen kolbigen Kopf mit wolligen, braunen Haaren bedeckt und war die be- luſtigendſte und anziehendſte Taſchenausgabe eines Elefanten, die man ſich denken kann. Bei jedem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/744>, abgerufen am 23.11.2024.