aus der Fassung gebracht, durchkreisten den Corral ein oder ein paar Mal und gingen wieder langsam an ihren Standplatz im Schatten. Die Masse der Wächter, welche namentlich aus Knaben und jungen Männern bestand, legte aber auch wirklich eine erstaunliche Ausdauer und Unermüdlich- keit an den Tag. Sie stürzten immer wieder nach dem Punkte hin, der von den Elefanten be- droht schien, und hielten den Rüsseln ihre Stäbe entgegen, wobei ihr ununterbrochenes Geschrei: "Huub, Huub" ertönte und die Thiere unabänderlich in die Flucht trieb."
"Das zweite von der Herde getrennte Opfer, ein weiblicher Elefant, wurde auf dieselbe Weise festgemacht, wie das erste. Als diesem Thiere die Schlinge an den Vorderfuß gelegt wurde, ergriff es dieselbe mit seinem Rüssel, und es gelang ihm, sie in den Mund zu bringen, wo sie sich schleu- nigst getrennt haben würde, hätte nicht ein zahmer Elefant seinen Fuß auf das Seil gesetzt und so die Schlinge niedergedrückt und seinen Kinnladen entrissen. Die Fänger wählten nun immer zu- nächst dasjenige Thier, das bei den nachfolgenden Angriffen auf die Einpfählung den Führer gemacht hatte, und der Fang eines jeden erforderte durchschnittlich nicht mehr als dreiviertel Stunden." --
"Höchst merkwürdig ist es, daß bei diesem Kampfe die wilden Elefanten keinen Versuch machten, die Leiter, welche auf den zahmen Thieren ritten, anzugreifen oder herunterzuziehen. Diese ritten gerade mitten in die Herde hinein, aber kein Thier machte einen Versuch, sie zu belästigen." (Major Skinner sagt in einem Briefe: Es scheint, daß man in einem Corral vollständig vor den Angriffen der wilden gesichert ist, sobald man auf einem zahmen Elefanten sitzt. Jch sah einst den alten Häuptling Mollegadde in eine Herde wilder Elefanten hineinreiten, und zwar auf einem so kleinen Elefanten, daß der Kopf des Häuptlings in gleicher Höhe mit dem Rücken der wilden Thiere war. Jch war sehr besorgt um den Mann, aber er blieb ohne alle Belästigung.)
"Da der Herde alle ihre Führer nach einander weggefangen wurden, so wuchs die Aufregung der anderen immer mehr. Wie groß aber auch ihre Theilnahme für die verlorenen Gefährten sein mochte: sie wagten doch nicht, ihnen zu den Bäumen zu folgen, an welchen sie angebunden waren. Wenn sie nachher an ihnen vorüberkamen, so blieben sie manchmal stehen, umschlangen einander mit dem Rüs- sel, leckten sich an Hals und Gliedern und legten die rührendste Trauer über ihre Gefangenschaft an den Tag, machten aber keine Versuche, die Seile zu lösen, welche sie banden. Die Charakterverschieden- heit der einzelnen Thiere zeigte sich sehr deutlich in ihrem Benehmen. Einige ergaben sich mit ver- hältnißmäßig geringem Widerstande und warfen sich in ihrer Wuth mit solcher Gewalt zu Boden, daß jedes andere schwächere Thier dabei seinen Tod gefunden hätte. Sie ließen ihren Zorn an jedem Baume, an jeder Pflanze aus, die sie erreichen konnten. War sie klein genug, um niederge- rissen zu werden, so machten sie dieselbe mit ihrem Rüssel dem Boden gleich, streiften die Blätter und Zweige ab und streuten diese wild nach allen Seiten über ihre Köpfe hin. Einige gaben bei ihrem Kampfe keinen Ton von sich, während andere wüthend trompeteten und brüllten, dann wohl ein kurzes, krampfhaftes Gekreisch ausstießen und zuletzt erschöpft und hoffnungslos nur noch dumpf und kläglich stöhnten. Manche blieben nach einigen heftigen Versuchen regungslos auf dem Boden liegen, und nur die Thränen, welche unaufhörlich aus ihren Augen flossen, sprachen aus, was sie duldeten. Andere machten in der Kraft ihrer Wuth die erstaunlichsten Windungen und Verrenkungen und uns, die wir bei dem unbehilflichen Körper des Elefanten unbedingt an Steifheit denken, uns erschienen die Stellungen, in welche sie sich drängten, geradezu unglaublich. Jch sah einen liegen, der die Wangen an die Erde drückte, die Vorderfüße vor sich hingestreckt hatte, während der Körper so herumgebogen war, daß die Hinterfüße nach der entgegengesetzten Seite hinausragten."
"Es war höchst wunderbar, daß ihre Rüssel, die sie doch so gewaltig nach allen Seiten schleu- derten, nicht verletzt wurden. Einer wand ihn so, daß er den Krümmungen eines riesigen Wurmes ähnlich sah. Mit rastloser Schnelligkeit zog er ihn ein und stieß ihn aus, legte ihn, wie eine Uhr- feder, zusammen und schoß ihn dann plötzlich wieder in voller Länge aus; ein anderer, der sonst ganz regungslos dalag, schlug langsam den Boden mit der Spitze seines Rüssels, wie ein Mann in Verzweiflung wohl mit der flachen Hand auf sein Knie schlägt."
Brehm, Thierleben. II. 45
Die Elefanten.
aus der Faſſung gebracht, durchkreiſten den Corral ein oder ein paar Mal und gingen wieder langſam an ihren Standplatz im Schatten. Die Maſſe der Wächter, welche namentlich aus Knaben und jungen Männern beſtand, legte aber auch wirklich eine erſtaunliche Ausdauer und Unermüdlich- keit an den Tag. Sie ſtürzten immer wieder nach dem Punkte hin, der von den Elefanten be- droht ſchien, und hielten den Rüſſeln ihre Stäbe entgegen, wobei ihr ununterbrochenes Geſchrei: „Huub, Huub‟ ertönte und die Thiere unabänderlich in die Flucht trieb.‟
„Das zweite von der Herde getrennte Opfer, ein weiblicher Elefant, wurde auf dieſelbe Weiſe feſtgemacht, wie das erſte. Als dieſem Thiere die Schlinge an den Vorderfuß gelegt wurde, ergriff es dieſelbe mit ſeinem Rüſſel, und es gelang ihm, ſie in den Mund zu bringen, wo ſie ſich ſchleu- nigſt getrennt haben würde, hätte nicht ein zahmer Elefant ſeinen Fuß auf das Seil geſetzt und ſo die Schlinge niedergedrückt und ſeinen Kinnladen entriſſen. Die Fänger wählten nun immer zu- nächſt dasjenige Thier, das bei den nachfolgenden Angriffen auf die Einpfählung den Führer gemacht hatte, und der Fang eines jeden erforderte durchſchnittlich nicht mehr als dreiviertel Stunden.‟ —
„Höchſt merkwürdig iſt es, daß bei dieſem Kampfe die wilden Elefanten keinen Verſuch machten, die Leiter, welche auf den zahmen Thieren ritten, anzugreifen oder herunterzuziehen. Dieſe ritten gerade mitten in die Herde hinein, aber kein Thier machte einen Verſuch, ſie zu beläſtigen.‟ (Major Skinner ſagt in einem Briefe: Es ſcheint, daß man in einem Corral vollſtändig vor den Angriffen der wilden geſichert iſt, ſobald man auf einem zahmen Elefanten ſitzt. Jch ſah einſt den alten Häuptling Mollegadde in eine Herde wilder Elefanten hineinreiten, und zwar auf einem ſo kleinen Elefanten, daß der Kopf des Häuptlings in gleicher Höhe mit dem Rücken der wilden Thiere war. Jch war ſehr beſorgt um den Mann, aber er blieb ohne alle Beläſtigung.)
„Da der Herde alle ihre Führer nach einander weggefangen wurden, ſo wuchs die Aufregung der anderen immer mehr. Wie groß aber auch ihre Theilnahme für die verlorenen Gefährten ſein mochte: ſie wagten doch nicht, ihnen zu den Bäumen zu folgen, an welchen ſie angebunden waren. Wenn ſie nachher an ihnen vorüberkamen, ſo blieben ſie manchmal ſtehen, umſchlangen einander mit dem Rüſ- ſel, leckten ſich an Hals und Gliedern und legten die rührendſte Trauer über ihre Gefangenſchaft an den Tag, machten aber keine Verſuche, die Seile zu löſen, welche ſie banden. Die Charakterverſchieden- heit der einzelnen Thiere zeigte ſich ſehr deutlich in ihrem Benehmen. Einige ergaben ſich mit ver- hältnißmäßig geringem Widerſtande und warfen ſich in ihrer Wuth mit ſolcher Gewalt zu Boden, daß jedes andere ſchwächere Thier dabei ſeinen Tod gefunden hätte. Sie ließen ihren Zorn an jedem Baume, an jeder Pflanze aus, die ſie erreichen konnten. War ſie klein genug, um niederge- riſſen zu werden, ſo machten ſie dieſelbe mit ihrem Rüſſel dem Boden gleich, ſtreiften die Blätter und Zweige ab und ſtreuten dieſe wild nach allen Seiten über ihre Köpfe hin. Einige gaben bei ihrem Kampfe keinen Ton von ſich, während andere wüthend trompeteten und brüllten, dann wohl ein kurzes, krampfhaftes Gekreiſch ausſtießen und zuletzt erſchöpft und hoffnungslos nur noch dumpf und kläglich ſtöhnten. Manche blieben nach einigen heftigen Verſuchen regungslos auf dem Boden liegen, und nur die Thränen, welche unaufhörlich aus ihren Augen floſſen, ſprachen aus, was ſie duldeten. Andere machten in der Kraft ihrer Wuth die erſtaunlichſten Windungen und Verrenkungen und uns, die wir bei dem unbehilflichen Körper des Elefanten unbedingt an Steifheit denken, uns erſchienen die Stellungen, in welche ſie ſich drängten, geradezu unglaublich. Jch ſah einen liegen, der die Wangen an die Erde drückte, die Vorderfüße vor ſich hingeſtreckt hatte, während der Körper ſo herumgebogen war, daß die Hinterfüße nach der entgegengeſetzten Seite hinausragten.‟
„Es war höchſt wunderbar, daß ihre Rüſſel, die ſie doch ſo gewaltig nach allen Seiten ſchleu- derten, nicht verletzt wurden. Einer wand ihn ſo, daß er den Krümmungen eines rieſigen Wurmes ähnlich ſah. Mit raſtloſer Schnelligkeit zog er ihn ein und ſtieß ihn aus, legte ihn, wie eine Uhr- feder, zuſammen und ſchoß ihn dann plötzlich wieder in voller Länge aus; ein anderer, der ſonſt ganz regungslos dalag, ſchlug langſam den Boden mit der Spitze ſeines Rüſſels, wie ein Mann in Verzweiflung wohl mit der flachen Hand auf ſein Knie ſchlägt.‟
Brehm, Thierleben. II. 45
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Die Elefanten.
aus der Faſſung gebracht, durchkreiſten den Corral ein oder ein paar Mal und gingen wieder
langſam an ihren Standplatz im Schatten. Die Maſſe der Wächter, welche namentlich aus Knaben
und jungen Männern beſtand, legte aber auch wirklich eine erſtaunliche Ausdauer und Unermüdlich-
keit an den Tag. Sie ſtürzten immer wieder nach dem Punkte hin, der von den Elefanten be-
droht ſchien, und hielten den Rüſſeln ihre Stäbe entgegen, wobei ihr ununterbrochenes Geſchrei:
„Huub, Huub‟ ertönte und die Thiere unabänderlich in die Flucht trieb.‟
„Das zweite von der Herde getrennte Opfer, ein weiblicher Elefant, wurde auf dieſelbe Weiſe
feſtgemacht, wie das erſte. Als dieſem Thiere die Schlinge an den Vorderfuß gelegt wurde, ergriff
es dieſelbe mit ſeinem Rüſſel, und es gelang ihm, ſie in den Mund zu bringen, wo ſie ſich ſchleu-
nigſt getrennt haben würde, hätte nicht ein zahmer Elefant ſeinen Fuß auf das Seil geſetzt und ſo
die Schlinge niedergedrückt und ſeinen Kinnladen entriſſen. Die Fänger wählten nun immer zu-
nächſt dasjenige Thier, das bei den nachfolgenden Angriffen auf die Einpfählung den Führer gemacht
hatte, und der Fang eines jeden erforderte durchſchnittlich nicht mehr als dreiviertel Stunden.‟ —
„Höchſt merkwürdig iſt es, daß bei dieſem Kampfe die wilden Elefanten keinen Verſuch machten,
die Leiter, welche auf den zahmen Thieren ritten, anzugreifen oder herunterzuziehen. Dieſe ritten
gerade mitten in die Herde hinein, aber kein Thier machte einen Verſuch, ſie zu beläſtigen.‟ (Major
Skinner ſagt in einem Briefe: Es ſcheint, daß man in einem Corral vollſtändig vor den Angriffen
der wilden geſichert iſt, ſobald man auf einem zahmen Elefanten ſitzt. Jch ſah einſt den alten
Häuptling Mollegadde in eine Herde wilder Elefanten hineinreiten, und zwar auf einem ſo kleinen
Elefanten, daß der Kopf des Häuptlings in gleicher Höhe mit dem Rücken der wilden Thiere war.
Jch war ſehr beſorgt um den Mann, aber er blieb ohne alle Beläſtigung.)
„Da der Herde alle ihre Führer nach einander weggefangen wurden, ſo wuchs die Aufregung der
anderen immer mehr. Wie groß aber auch ihre Theilnahme für die verlorenen Gefährten ſein mochte:
ſie wagten doch nicht, ihnen zu den Bäumen zu folgen, an welchen ſie angebunden waren. Wenn ſie
nachher an ihnen vorüberkamen, ſo blieben ſie manchmal ſtehen, umſchlangen einander mit dem Rüſ-
ſel, leckten ſich an Hals und Gliedern und legten die rührendſte Trauer über ihre Gefangenſchaft an
den Tag, machten aber keine Verſuche, die Seile zu löſen, welche ſie banden. Die Charakterverſchieden-
heit der einzelnen Thiere zeigte ſich ſehr deutlich in ihrem Benehmen. Einige ergaben ſich mit ver-
hältnißmäßig geringem Widerſtande und warfen ſich in ihrer Wuth mit ſolcher Gewalt zu Boden,
daß jedes andere ſchwächere Thier dabei ſeinen Tod gefunden hätte. Sie ließen ihren Zorn an
jedem Baume, an jeder Pflanze aus, die ſie erreichen konnten. War ſie klein genug, um niederge-
riſſen zu werden, ſo machten ſie dieſelbe mit ihrem Rüſſel dem Boden gleich, ſtreiften die Blätter
und Zweige ab und ſtreuten dieſe wild nach allen Seiten über ihre Köpfe hin. Einige gaben bei
ihrem Kampfe keinen Ton von ſich, während andere wüthend trompeteten und brüllten, dann wohl
ein kurzes, krampfhaftes Gekreiſch ausſtießen und zuletzt erſchöpft und hoffnungslos nur noch dumpf
und kläglich ſtöhnten. Manche blieben nach einigen heftigen Verſuchen regungslos auf dem Boden
liegen, und nur die Thränen, welche unaufhörlich aus ihren Augen floſſen, ſprachen aus, was ſie
duldeten. Andere machten in der Kraft ihrer Wuth die erſtaunlichſten Windungen und Verrenkungen
und uns, die wir bei dem unbehilflichen Körper des Elefanten unbedingt an Steifheit denken,
uns erſchienen die Stellungen, in welche ſie ſich drängten, geradezu unglaublich. Jch ſah einen
liegen, der die Wangen an die Erde drückte, die Vorderfüße vor ſich hingeſtreckt hatte, während der
Körper ſo herumgebogen war, daß die Hinterfüße nach der entgegengeſetzten Seite hinausragten.‟
„Es war höchſt wunderbar, daß ihre Rüſſel, die ſie doch ſo gewaltig nach allen Seiten ſchleu-
derten, nicht verletzt wurden. Einer wand ihn ſo, daß er den Krümmungen eines rieſigen Wurmes
ähnlich ſah. Mit raſtloſer Schnelligkeit zog er ihn ein und ſtieß ihn aus, legte ihn, wie eine Uhr-
feder, zuſammen und ſchoß ihn dann plötzlich wieder in voller Länge aus; ein anderer, der ſonſt
ganz regungslos dalag, ſchlug langſam den Boden mit der Spitze ſeines Rüſſels, wie ein Mann in
Verzweiflung wohl mit der flachen Hand auf ſein Knie ſchlägt.‟
Brehm, Thierleben. II. 45
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 705. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/743>, abgerufen am 23.11.2024.
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