Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Beutelmäuse oder Wombats.
Grase, welches weite Strecken seiner Heimat überzieht, sonst aber auch in allerlei Kräutern und
Wurzeln, welch letztere er durch kraftvolles Graben sich erwirbt.

Der Wombat ist ein unbehilfliches Thier und sieht noch weit unbehilflicher aus, als er ist.
Seine Bewegungen sind langsam, aber sicher, d. h. stätig und kräftig. Ein so stumpfsinniger und
gleichgiltiger Gesell, wie er ist, läßt sich so leicht nicht aus seiner Ruhe bringen. Er geht seinen
Weg gerade und unaufhaltsam fort, ohne vor irgend einem Hindernisse zurückzuschrecken. Die Ein-
geborenen erzählen, daß er bei seinen nächtlichen Streifereien oft wie ein rollender Stein in Flüsse
falle, an deren Ufern er trabt, dann aber, ohne sich beirren zu lassen, in der einmal begonnenen
Richtung auf dem Boden des Flußbettes fortlaufe, bis er irgendwo wieder freies Land gewinne, auf
dem er dann mit einer Gleichgiltigkeit seinen Weg fortsetze, als hätte es niemals ein Hinderniß für
ihn gegeben. Gefangene, welche ich beobachtete, lassen mir solche Erzählungen durchaus nicht so
unglaublich erscheinen, als man meinen möchte. Es hält wirklich schwer, einen Wombat irgendwie
zu erregen, obgleich man ihn unter Umständen erzürnen kann. So viel ist sicher, daß man ihn einen
Trotzkopf ohne Gleichen nennen muß, falls man es nicht vorziehen will, seine Beharrlichkeit zu
rühmen. Was er sich einmal vorgenommen hat, versucht er, aller Schwierigkeit ungeachtet, auszu-

[Abbildung] Der Wombat oder die gemeine Beutelmaus (Phascolomys fossor).
führen. Die Höhle, welche er einmal begonnen, gräbt er mit der Ruhe eines Weltweisen hundert-
mal wieder aus, wenn man sie ihm verstopft. Die australischen Ansiedler sagen, daß er höchst
friedlich wäre und sich, ohne Unruhe oder Aerger zu verrathen, vom Boden aufnehmen und weg-
tragen ließe, dagegen zu einem sehr beachtenswerthen Gegner würde, wenn ihm plötzlich einmal der
Gedanke zu Abwehr durch seinen Querkopf schösse, denn dann beiße er wüthend und in gefährlicher
Weise um sich. Jch kann diese Angabe durchaus bestätigen. Der Gefangene des hamburger Thier-
gartens benimmt sich nicht anders. Namentlich wenn man ihm die Füße zusammenschnürt oder ihn
auch nur an den Füßen packt, zeigt er sich sehr erbost, gibt seinen Zorn zunächst durch ein drohendes
Zischen zu erkennen und beißt dann sehr ärgerlich zu, wenn ihm die Sache zu arg wird.

Wie die meisten australischen Thiere, hält auch der Wombat bei uns die Gefangenschaft vor-
trefflich aus. Bei guter Pflege und geeigneter Nahrung scheint er sich sehr wohl zu befinden, und
wird dann auch leidlich zahm, d. h. er gewöhnt sich insofern an den Menschen, daß man ihn ungestört

Die Beutelmäuſe oder Wombats.
Graſe, welches weite Strecken ſeiner Heimat überzieht, ſonſt aber auch in allerlei Kräutern und
Wurzeln, welch letztere er durch kraftvolles Graben ſich erwirbt.

Der Wombat iſt ein unbehilfliches Thier und ſieht noch weit unbehilflicher aus, als er iſt.
Seine Bewegungen ſind langſam, aber ſicher, d. h. ſtätig und kräftig. Ein ſo ſtumpfſinniger und
gleichgiltiger Geſell, wie er iſt, läßt ſich ſo leicht nicht aus ſeiner Ruhe bringen. Er geht ſeinen
Weg gerade und unaufhaltſam fort, ohne vor irgend einem Hinderniſſe zurückzuſchrecken. Die Ein-
geborenen erzählen, daß er bei ſeinen nächtlichen Streifereien oft wie ein rollender Stein in Flüſſe
falle, an deren Ufern er trabt, dann aber, ohne ſich beirren zu laſſen, in der einmal begonnenen
Richtung auf dem Boden des Flußbettes fortlaufe, bis er irgendwo wieder freies Land gewinne, auf
dem er dann mit einer Gleichgiltigkeit ſeinen Weg fortſetze, als hätte es niemals ein Hinderniß für
ihn gegeben. Gefangene, welche ich beobachtete, laſſen mir ſolche Erzählungen durchaus nicht ſo
unglaublich erſcheinen, als man meinen möchte. Es hält wirklich ſchwer, einen Wombat irgendwie
zu erregen, obgleich man ihn unter Umſtänden erzürnen kann. So viel iſt ſicher, daß man ihn einen
Trotzkopf ohne Gleichen nennen muß, falls man es nicht vorziehen will, ſeine Beharrlichkeit zu
rühmen. Was er ſich einmal vorgenommen hat, verſucht er, aller Schwierigkeit ungeachtet, auszu-

[Abbildung] Der Wombat oder die gemeine Beutelmaus (Phascolomys fossor).
führen. Die Höhle, welche er einmal begonnen, gräbt er mit der Ruhe eines Weltweiſen hundert-
mal wieder aus, wenn man ſie ihm verſtopft. Die auſtraliſchen Anſiedler ſagen, daß er höchſt
friedlich wäre und ſich, ohne Unruhe oder Aerger zu verrathen, vom Boden aufnehmen und weg-
tragen ließe, dagegen zu einem ſehr beachtenswerthen Gegner würde, wenn ihm plötzlich einmal der
Gedanke zu Abwehr durch ſeinen Querkopf ſchöſſe, denn dann beiße er wüthend und in gefährlicher
Weiſe um ſich. Jch kann dieſe Angabe durchaus beſtätigen. Der Gefangene des hamburger Thier-
gartens benimmt ſich nicht anders. Namentlich wenn man ihm die Füße zuſammenſchnürt oder ihn
auch nur an den Füßen packt, zeigt er ſich ſehr erboſt, gibt ſeinen Zorn zunächſt durch ein drohendes
Ziſchen zu erkennen und beißt dann ſehr ärgerlich zu, wenn ihm die Sache zu arg wird.

Wie die meiſten auſtraliſchen Thiere, hält auch der Wombat bei uns die Gefangenſchaft vor-
trefflich aus. Bei guter Pflege und geeigneter Nahrung ſcheint er ſich ſehr wohl zu befinden, und
wird dann auch leidlich zahm, d. h. er gewöhnt ſich inſofern an den Menſchen, daß man ihn ungeſtört

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0072" n="58"/><fw place="top" type="header">Die Beutelmäu&#x017F;e oder Wombats.</fw><lb/>
Gra&#x017F;e, welches weite Strecken &#x017F;einer Heimat überzieht, &#x017F;on&#x017F;t aber auch in allerlei Kräutern und<lb/>
Wurzeln, welch letztere er durch kraftvolles Graben &#x017F;ich erwirbt.</p><lb/>
              <p>Der Wombat i&#x017F;t ein unbehilfliches Thier und &#x017F;ieht noch weit unbehilflicher aus, als er i&#x017F;t.<lb/>
Seine Bewegungen &#x017F;ind lang&#x017F;am, aber &#x017F;icher, d. h. &#x017F;tätig und kräftig. Ein &#x017F;o &#x017F;tumpf&#x017F;inniger und<lb/>
gleichgiltiger Ge&#x017F;ell, wie er i&#x017F;t, läßt &#x017F;ich &#x017F;o leicht nicht aus &#x017F;einer Ruhe bringen. Er geht &#x017F;einen<lb/>
Weg gerade und unaufhalt&#x017F;am fort, ohne vor irgend einem Hinderni&#x017F;&#x017F;e zurückzu&#x017F;chrecken. Die Ein-<lb/>
geborenen erzählen, daß er bei &#x017F;einen nächtlichen Streifereien oft wie ein rollender Stein in Flü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
falle, an deren Ufern er trabt, dann aber, ohne &#x017F;ich beirren zu la&#x017F;&#x017F;en, in der einmal begonnenen<lb/>
Richtung auf dem Boden des Flußbettes fortlaufe, bis er irgendwo wieder freies Land gewinne, auf<lb/>
dem er dann mit einer Gleichgiltigkeit &#x017F;einen Weg fort&#x017F;etze, als hätte es niemals ein Hinderniß für<lb/>
ihn gegeben. Gefangene, welche ich beobachtete, la&#x017F;&#x017F;en mir &#x017F;olche Erzählungen durchaus nicht &#x017F;o<lb/>
unglaublich er&#x017F;cheinen, als man meinen möchte. Es hält wirklich &#x017F;chwer, einen Wombat irgendwie<lb/>
zu erregen, obgleich man ihn unter Um&#x017F;tänden erzürnen kann. So viel i&#x017F;t &#x017F;icher, daß man ihn einen<lb/>
Trotzkopf ohne Gleichen nennen muß, falls man es nicht vorziehen will, &#x017F;eine Beharrlichkeit zu<lb/>
rühmen. Was er &#x017F;ich einmal vorgenommen hat, ver&#x017F;ucht er, aller Schwierigkeit ungeachtet, auszu-<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Wombat oder die gemeine Beutelmaus</hi> (<hi rendition="#aq">Phascolomys fossor</hi>).</hi></head></figure><lb/>
führen. Die Höhle, welche er einmal begonnen, gräbt er mit der Ruhe eines Weltwei&#x017F;en hundert-<lb/>
mal wieder aus, wenn man &#x017F;ie ihm ver&#x017F;topft. Die au&#x017F;trali&#x017F;chen An&#x017F;iedler &#x017F;agen, daß er höch&#x017F;t<lb/>
friedlich wäre und &#x017F;ich, ohne Unruhe oder Aerger zu verrathen, vom Boden aufnehmen und weg-<lb/>
tragen ließe, dagegen zu einem &#x017F;ehr beachtenswerthen Gegner würde, wenn ihm plötzlich einmal der<lb/>
Gedanke zu Abwehr durch &#x017F;einen Querkopf &#x017F;chö&#x017F;&#x017F;e, denn dann beiße er wüthend und in gefährlicher<lb/>
Wei&#x017F;e um &#x017F;ich. Jch kann die&#x017F;e Angabe durchaus be&#x017F;tätigen. Der Gefangene des hamburger Thier-<lb/>
gartens benimmt &#x017F;ich nicht anders. Namentlich wenn man ihm die Füße zu&#x017F;ammen&#x017F;chnürt oder ihn<lb/>
auch nur an den Füßen packt, zeigt er &#x017F;ich &#x017F;ehr erbo&#x017F;t, gibt &#x017F;einen Zorn zunäch&#x017F;t durch ein drohendes<lb/>
Zi&#x017F;chen zu erkennen und beißt dann &#x017F;ehr ärgerlich zu, wenn ihm die Sache zu arg wird.</p><lb/>
              <p>Wie die mei&#x017F;ten au&#x017F;trali&#x017F;chen Thiere, hält auch der Wombat bei uns die Gefangen&#x017F;chaft vor-<lb/>
trefflich aus. Bei guter Pflege und geeigneter Nahrung &#x017F;cheint er &#x017F;ich &#x017F;ehr wohl zu befinden, und<lb/>
wird dann auch leidlich zahm, d. h. er gewöhnt &#x017F;ich in&#x017F;ofern an den Men&#x017F;chen, daß man ihn unge&#x017F;tört<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0072] Die Beutelmäuſe oder Wombats. Graſe, welches weite Strecken ſeiner Heimat überzieht, ſonſt aber auch in allerlei Kräutern und Wurzeln, welch letztere er durch kraftvolles Graben ſich erwirbt. Der Wombat iſt ein unbehilfliches Thier und ſieht noch weit unbehilflicher aus, als er iſt. Seine Bewegungen ſind langſam, aber ſicher, d. h. ſtätig und kräftig. Ein ſo ſtumpfſinniger und gleichgiltiger Geſell, wie er iſt, läßt ſich ſo leicht nicht aus ſeiner Ruhe bringen. Er geht ſeinen Weg gerade und unaufhaltſam fort, ohne vor irgend einem Hinderniſſe zurückzuſchrecken. Die Ein- geborenen erzählen, daß er bei ſeinen nächtlichen Streifereien oft wie ein rollender Stein in Flüſſe falle, an deren Ufern er trabt, dann aber, ohne ſich beirren zu laſſen, in der einmal begonnenen Richtung auf dem Boden des Flußbettes fortlaufe, bis er irgendwo wieder freies Land gewinne, auf dem er dann mit einer Gleichgiltigkeit ſeinen Weg fortſetze, als hätte es niemals ein Hinderniß für ihn gegeben. Gefangene, welche ich beobachtete, laſſen mir ſolche Erzählungen durchaus nicht ſo unglaublich erſcheinen, als man meinen möchte. Es hält wirklich ſchwer, einen Wombat irgendwie zu erregen, obgleich man ihn unter Umſtänden erzürnen kann. So viel iſt ſicher, daß man ihn einen Trotzkopf ohne Gleichen nennen muß, falls man es nicht vorziehen will, ſeine Beharrlichkeit zu rühmen. Was er ſich einmal vorgenommen hat, verſucht er, aller Schwierigkeit ungeachtet, auszu- [Abbildung Der Wombat oder die gemeine Beutelmaus (Phascolomys fossor).] führen. Die Höhle, welche er einmal begonnen, gräbt er mit der Ruhe eines Weltweiſen hundert- mal wieder aus, wenn man ſie ihm verſtopft. Die auſtraliſchen Anſiedler ſagen, daß er höchſt friedlich wäre und ſich, ohne Unruhe oder Aerger zu verrathen, vom Boden aufnehmen und weg- tragen ließe, dagegen zu einem ſehr beachtenswerthen Gegner würde, wenn ihm plötzlich einmal der Gedanke zu Abwehr durch ſeinen Querkopf ſchöſſe, denn dann beiße er wüthend und in gefährlicher Weiſe um ſich. Jch kann dieſe Angabe durchaus beſtätigen. Der Gefangene des hamburger Thier- gartens benimmt ſich nicht anders. Namentlich wenn man ihm die Füße zuſammenſchnürt oder ihn auch nur an den Füßen packt, zeigt er ſich ſehr erboſt, gibt ſeinen Zorn zunächſt durch ein drohendes Ziſchen zu erkennen und beißt dann ſehr ärgerlich zu, wenn ihm die Sache zu arg wird. Wie die meiſten auſtraliſchen Thiere, hält auch der Wombat bei uns die Gefangenſchaft vor- trefflich aus. Bei guter Pflege und geeigneter Nahrung ſcheint er ſich ſehr wohl zu befinden, und wird dann auch leidlich zahm, d. h. er gewöhnt ſich inſofern an den Menſchen, daß man ihn ungeſtört

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/72
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/72>, abgerufen am 23.11.2024.