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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Beutelmäuse oder Wombats.
großen Springbeutelthiere. Namentlich die Männchen können geradezu kühn genannt werden und
sind zu gleicher Zeit sehr bösartig. Sie fürchten sich gar nicht vor dem Menschen, sondern gehen ihm
mit der Unverschämtheit der Nager zu Leibe, wenn er sich ihnen in unerwünschter Weise aufdrängt.
Gegen die eigenen Jungen zeigt sich das Männchen oft sehr boshaft, es plagt namentlich die jungen
Männchen aus Eifersucht auf alle Weise und zuweilen so arg, daß sie der ewigen Quälerei erliegen.

Die Brunst scheint bei den Kängururatten sehr heftig zu sein. Das Männchen jagt dann das
ihm beigegebene Weibchen die ganze Nacht hindurch im Gehege umher, wirft es über den Haufen,
beißt es und mißhandelt es, wenn es sich nicht gutwillig fügen will. Eins unserer Weibchen wurde
mitsammt seinen schon ziemlich großen Jungen im Beutel bei solcher Gelegenheit von dem erhitzten
Männchen getödtet, wahrscheinlich, weil es dieses nicht zulassen wollte.

Es würde sich jedenfalls belohnen, wenn man den Versuch machen wollte, dieses sonderbare
und anziehende Thier bei uns einzubürgern. Jn einem großen umhegten Garten könnte man sich
einen Stamm heranziehen, den man dann aussetzte und einige Zeit sich selbst überließe. Man würde
sich in dieser Weise ein sehr harmloses und wenig schädliches Wild heranziehen, dessen Jagd unzwei-
felhaft alle Verehrer Dianens schon aus dem Grunde aufs höchste begeistern müßte, weil Sonntags-
schützen sicherlich Gelegenheit fänden, viel Pulver und Blei loszuwerden.



Die letzte Familie der Beutelthiere zeigt uns echte Nagergestalten, die sogenannten Beutel-
mäuse
oder Wombats (Phascolomys). Man kennt zur Zeit erst zwei Arten dieser merkwürdigen
Geschöpfe, welche beide in ihrem Leben und Wesen sich ungemein ähnlich sind. Jhre Gestalt ist im
hohen Grade plump, der Leib schwer und dick, der Hals stark und kurz, der Kopf ungeschlacht, die
Gliedmaßen sind kurz, krumm, die Füße fünfzehig, bewehrt mit langen, starken Sichelkrallen, welche
blos an den Hinterdaumen fehlen, die Sohlen breit und nackt, die Zehen zum großen Theil mit
einander verwachsen. Der Schwanz ist nur ein kleiner, fast nackter Stummel. Sehr auffallend ist
das Gebiß, weil die vorderen breiten Schneidezähne, von denen zwei in jedem Kiefer stehen, den
eigentlichen Nagezähnen vollständig entsprechen. Außer ihnen finden sich fünf lange, gekrümmte
Backzähne in jeder Reihe. Funfzehn Wirbel tragen Rippen, vierzehn sind rippenlos; das Kreuzbein
zählt sieben (nach Anderen nur drei), der Schwanz neun (nach Anderen zwölf) Wirbel. Die Weich-
theile ähneln auffallend denen des Bibers.

Der Wombat oder die gemeine Beutelmaus (Phascolomys fossor), welcher auch austra-
lischer Dachs
genannt wird, ist ein Thier, welches weder einer Maus, noch einem Dachs auch
nur im geringsten ähnelt. Auf den ersten Anblick glaubt man zwar einen Nager vor sich zu sehen,
die ganze Gestalt und das Wesen erinnert aber nur an die plumpsten und trägsten Mitglieder dieser
Ordnung. Bei genauerer Beobachtung bemerkt man sofort, daß man ein ganz eigenthümliches
Geschöpf vor sich hat. Der Wombat erreicht mindestens die Größe eines Dachses, d. h. ungefähr
21/2 bis 3 Fuß Länge und am Widerrist 1 Fuß Höhe. Er wird aber viel schwerer, denn sein Ge-
wicht beträgt selten unter 60 Pfund. Der dichte und ziemlich weiche Pelz ist oben bräunlich, bald
mehr ins Gelbliche, bald mehr ins Granliche fallend, an der Unterseite dagegen weißlich. Die
kleinen, breiten Ohren sind außen rostbraun, innen weißlich, die Zehen sind rostbraun, die Schnur-
ren schwarz.

Vandiemensland und die Südküste von Neusüdwales ist die Heimat dieses unschönen und
schwerfälligen Geschöpfes, dem man es sogleich aufieht, daß es ein vollendetes Nachtthier ist. Es lebt
in dichten Wäldern, gräbt sich hier weite Höhlen und sehr tiefe Gänge in den Boden und verbringt
in ihnen schlafend den ganzen Tag. Erst nachdem die Nacht vollständig eingetreten ist, humpelt der
Wombat ins Freie, um Nahrung zu suchen. Diese besteht zumeist aus einem harten, binsenartigen

Die Beutelmäuſe oder Wombats.
großen Springbeutelthiere. Namentlich die Männchen können geradezu kühn genannt werden und
ſind zu gleicher Zeit ſehr bösartig. Sie fürchten ſich gar nicht vor dem Menſchen, ſondern gehen ihm
mit der Unverſchämtheit der Nager zu Leibe, wenn er ſich ihnen in unerwünſchter Weiſe aufdrängt.
Gegen die eigenen Jungen zeigt ſich das Männchen oft ſehr boshaft, es plagt namentlich die jungen
Männchen aus Eiferſucht auf alle Weiſe und zuweilen ſo arg, daß ſie der ewigen Quälerei erliegen.

Die Brunſt ſcheint bei den Kängururatten ſehr heftig zu ſein. Das Männchen jagt dann das
ihm beigegebene Weibchen die ganze Nacht hindurch im Gehege umher, wirft es über den Haufen,
beißt es und mißhandelt es, wenn es ſich nicht gutwillig fügen will. Eins unſerer Weibchen wurde
mitſammt ſeinen ſchon ziemlich großen Jungen im Beutel bei ſolcher Gelegenheit von dem erhitzten
Männchen getödtet, wahrſcheinlich, weil es dieſes nicht zulaſſen wollte.

Es würde ſich jedenfalls belohnen, wenn man den Verſuch machen wollte, dieſes ſonderbare
und anziehende Thier bei uns einzubürgern. Jn einem großen umhegten Garten könnte man ſich
einen Stamm heranziehen, den man dann ausſetzte und einige Zeit ſich ſelbſt überließe. Man würde
ſich in dieſer Weiſe ein ſehr harmloſes und wenig ſchädliches Wild heranziehen, deſſen Jagd unzwei-
felhaft alle Verehrer Dianens ſchon aus dem Grunde aufs höchſte begeiſtern müßte, weil Sonntags-
ſchützen ſicherlich Gelegenheit fänden, viel Pulver und Blei loszuwerden.



Die letzte Familie der Beutelthiere zeigt uns echte Nagergeſtalten, die ſogenannten Beutel-
mäuſe
oder Wombats (Phascolomys). Man kennt zur Zeit erſt zwei Arten dieſer merkwürdigen
Geſchöpfe, welche beide in ihrem Leben und Weſen ſich ungemein ähnlich ſind. Jhre Geſtalt iſt im
hohen Grade plump, der Leib ſchwer und dick, der Hals ſtark und kurz, der Kopf ungeſchlacht, die
Gliedmaßen ſind kurz, krumm, die Füße fünfzehig, bewehrt mit langen, ſtarken Sichelkrallen, welche
blos an den Hinterdaumen fehlen, die Sohlen breit und nackt, die Zehen zum großen Theil mit
einander verwachſen. Der Schwanz iſt nur ein kleiner, faſt nackter Stummel. Sehr auffallend iſt
das Gebiß, weil die vorderen breiten Schneidezähne, von denen zwei in jedem Kiefer ſtehen, den
eigentlichen Nagezähnen vollſtändig entſprechen. Außer ihnen finden ſich fünf lange, gekrümmte
Backzähne in jeder Reihe. Funfzehn Wirbel tragen Rippen, vierzehn ſind rippenlos; das Kreuzbein
zählt ſieben (nach Anderen nur drei), der Schwanz neun (nach Anderen zwölf) Wirbel. Die Weich-
theile ähneln auffallend denen des Bibers.

Der Wombat oder die gemeine Beutelmaus (Phascolomys fossor), welcher auch auſtra-
liſcher Dachs
genannt wird, iſt ein Thier, welches weder einer Maus, noch einem Dachs auch
nur im geringſten ähnelt. Auf den erſten Anblick glaubt man zwar einen Nager vor ſich zu ſehen,
die ganze Geſtalt und das Weſen erinnert aber nur an die plumpſten und trägſten Mitglieder dieſer
Ordnung. Bei genauerer Beobachtung bemerkt man ſofort, daß man ein ganz eigenthümliches
Geſchöpf vor ſich hat. Der Wombat erreicht mindeſtens die Größe eines Dachſes, d. h. ungefähr
2½ bis 3 Fuß Länge und am Widerriſt 1 Fuß Höhe. Er wird aber viel ſchwerer, denn ſein Ge-
wicht beträgt ſelten unter 60 Pfund. Der dichte und ziemlich weiche Pelz iſt oben bräunlich, bald
mehr ins Gelbliche, bald mehr ins Granliche fallend, an der Unterſeite dagegen weißlich. Die
kleinen, breiten Ohren ſind außen roſtbraun, innen weißlich, die Zehen ſind roſtbraun, die Schnur-
ren ſchwarz.

Vandiemensland und die Südküſte von Neuſüdwales iſt die Heimat dieſes unſchönen und
ſchwerfälligen Geſchöpfes, dem man es ſogleich aufieht, daß es ein vollendetes Nachtthier iſt. Es lebt
in dichten Wäldern, gräbt ſich hier weite Höhlen und ſehr tiefe Gänge in den Boden und verbringt
in ihnen ſchlafend den ganzen Tag. Erſt nachdem die Nacht vollſtändig eingetreten iſt, humpelt der
Wombat ins Freie, um Nahrung zu ſuchen. Dieſe beſteht zumeiſt aus einem harten, binſenartigen

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[57/0071] Die Beutelmäuſe oder Wombats. großen Springbeutelthiere. Namentlich die Männchen können geradezu kühn genannt werden und ſind zu gleicher Zeit ſehr bösartig. Sie fürchten ſich gar nicht vor dem Menſchen, ſondern gehen ihm mit der Unverſchämtheit der Nager zu Leibe, wenn er ſich ihnen in unerwünſchter Weiſe aufdrängt. Gegen die eigenen Jungen zeigt ſich das Männchen oft ſehr boshaft, es plagt namentlich die jungen Männchen aus Eiferſucht auf alle Weiſe und zuweilen ſo arg, daß ſie der ewigen Quälerei erliegen. Die Brunſt ſcheint bei den Kängururatten ſehr heftig zu ſein. Das Männchen jagt dann das ihm beigegebene Weibchen die ganze Nacht hindurch im Gehege umher, wirft es über den Haufen, beißt es und mißhandelt es, wenn es ſich nicht gutwillig fügen will. Eins unſerer Weibchen wurde mitſammt ſeinen ſchon ziemlich großen Jungen im Beutel bei ſolcher Gelegenheit von dem erhitzten Männchen getödtet, wahrſcheinlich, weil es dieſes nicht zulaſſen wollte. Es würde ſich jedenfalls belohnen, wenn man den Verſuch machen wollte, dieſes ſonderbare und anziehende Thier bei uns einzubürgern. Jn einem großen umhegten Garten könnte man ſich einen Stamm heranziehen, den man dann ausſetzte und einige Zeit ſich ſelbſt überließe. Man würde ſich in dieſer Weiſe ein ſehr harmloſes und wenig ſchädliches Wild heranziehen, deſſen Jagd unzwei- felhaft alle Verehrer Dianens ſchon aus dem Grunde aufs höchſte begeiſtern müßte, weil Sonntags- ſchützen ſicherlich Gelegenheit fänden, viel Pulver und Blei loszuwerden. Die letzte Familie der Beutelthiere zeigt uns echte Nagergeſtalten, die ſogenannten Beutel- mäuſe oder Wombats (Phascolomys). Man kennt zur Zeit erſt zwei Arten dieſer merkwürdigen Geſchöpfe, welche beide in ihrem Leben und Weſen ſich ungemein ähnlich ſind. Jhre Geſtalt iſt im hohen Grade plump, der Leib ſchwer und dick, der Hals ſtark und kurz, der Kopf ungeſchlacht, die Gliedmaßen ſind kurz, krumm, die Füße fünfzehig, bewehrt mit langen, ſtarken Sichelkrallen, welche blos an den Hinterdaumen fehlen, die Sohlen breit und nackt, die Zehen zum großen Theil mit einander verwachſen. Der Schwanz iſt nur ein kleiner, faſt nackter Stummel. Sehr auffallend iſt das Gebiß, weil die vorderen breiten Schneidezähne, von denen zwei in jedem Kiefer ſtehen, den eigentlichen Nagezähnen vollſtändig entſprechen. Außer ihnen finden ſich fünf lange, gekrümmte Backzähne in jeder Reihe. Funfzehn Wirbel tragen Rippen, vierzehn ſind rippenlos; das Kreuzbein zählt ſieben (nach Anderen nur drei), der Schwanz neun (nach Anderen zwölf) Wirbel. Die Weich- theile ähneln auffallend denen des Bibers. Der Wombat oder die gemeine Beutelmaus (Phascolomys fossor), welcher auch auſtra- liſcher Dachs genannt wird, iſt ein Thier, welches weder einer Maus, noch einem Dachs auch nur im geringſten ähnelt. Auf den erſten Anblick glaubt man zwar einen Nager vor ſich zu ſehen, die ganze Geſtalt und das Weſen erinnert aber nur an die plumpſten und trägſten Mitglieder dieſer Ordnung. Bei genauerer Beobachtung bemerkt man ſofort, daß man ein ganz eigenthümliches Geſchöpf vor ſich hat. Der Wombat erreicht mindeſtens die Größe eines Dachſes, d. h. ungefähr 2½ bis 3 Fuß Länge und am Widerriſt 1 Fuß Höhe. Er wird aber viel ſchwerer, denn ſein Ge- wicht beträgt ſelten unter 60 Pfund. Der dichte und ziemlich weiche Pelz iſt oben bräunlich, bald mehr ins Gelbliche, bald mehr ins Granliche fallend, an der Unterſeite dagegen weißlich. Die kleinen, breiten Ohren ſind außen roſtbraun, innen weißlich, die Zehen ſind roſtbraun, die Schnur- ren ſchwarz. Vandiemensland und die Südküſte von Neuſüdwales iſt die Heimat dieſes unſchönen und ſchwerfälligen Geſchöpfes, dem man es ſogleich aufieht, daß es ein vollendetes Nachtthier iſt. Es lebt in dichten Wäldern, gräbt ſich hier weite Höhlen und ſehr tiefe Gänge in den Boden und verbringt in ihnen ſchlafend den ganzen Tag. Erſt nachdem die Nacht vollſtändig eingetreten iſt, humpelt der Wombat ins Freie, um Nahrung zu ſuchen. Dieſe beſteht zumeiſt aus einem harten, binſenartigen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/71>, abgerufen am 27.11.2024.