haben, hätten die Fußfechter nicht die Aufmerksamkeit des gereizten Thieres durch ihre Tücher auf sich gelenkt.
So dauerte der erste Gang des Gefechtes ungefähr fünfzehn Minuten oder länger, je nach der Güte, d. h. je nach der Wuth des Stieres. Je mehr Pferde er tödtete oder tödtlich verwundete, je mehr achtete man ihn. Die Picadores kamen oft in große Gefahr, wurden aber immer durch die Fußfechter von dem Stiere befreit; diese selbst entflohen im Nothfalle durch rasches Ueberspringen der Umplankung. Jhre Gewandtheit war bewunderungswürdig, ihre Tollkühnheit überstieg allen Glauben. Der eine Fechter faßte den Stier beim Schwanz und drehte sich mit ihm mehrere Male herum, ohne daß das hierdurch in Raserei versetzte Thier ihm Etwas anhaben konnte. Andere war- fen, wenn der Stier sie schon fast mit den Hörnern erreicht hatte, ihnen noch geschwind das Tuch über die Augen; kurz, sie hatten immer Zeit zum Entfliehen.
Nachdem der Stier genug Pikenstöße empfangen hatte, gab ein Trompetenstoß das Zeichen zum Beginn des zweiten Ganges. Jetzt nahmen einige der Fußfechter die Bandarillas zur Hand. Die Picadores verließen den Kampfplatz, die übrigen behielten ihre Tücher bei. Die Bandarilla ist ein starker, ungefähr eine Elle langer, mit Netzen bekleideter Holzstock, welcher vorn eine eiserne Spitze mit Widerhaken hat. Jeder Bandarillero nahm zwei dieser Quälwerkzeuge in seine Hände, reizte den Stier und stieß ihm, sowie derselbe auf ihn losstürzte, beide Bandarillas gekreuzt in den durch die Pikenstöße zerrissenen Nacken. Vergeblich versuchte der Stier, sie abzuschütteln, und immer höher steigerte sich seine Wuth. Jm grimmigsten Zorn nahm er den zweiten und den dritten Banda- rillero auf. Jedesmal erhielt er neue Bandarillas, ohne jemals den Mann erreichen zu können, welcher sofort nach dem Stoß gewandt zur Seite sprang. Binnen fünf Minuten war ihm der Nacken mit mehr als einem halben Dutzend Bandarillas gespickt. Beim Schütteln schlugen dieselben klap- pernd an einander, bogen sich allgemach zu beiden Seiten herab, blieben aber immer fest stecken.
Ein neuer Trompetenstoß eröffnete den dritten Gang. Der erste Espada, ein echtes Bravoge- sicht, ging gegen den Alcalden hin, verneigte sich und brachte ihm und der Stadt ein Hoch. Dann nahm er ein rothes Tuch in die linke, die Espada in die rechte Hand, ordnete Tuch und Waffe und ging auf den Stier los. Den langen, spitzen und starken zweischneidigen Degen, welcher ein Kreuz und einen sehr kleinen Handgriff hat, faßte er so, daß die drei hinteren Finger in dem Bügel staken, der Zeigefinger auf der Breitseite des Degens und der Daumen auf dem Handgriffe lag. Das Tuch breitete er über einen Holzstock aus, an dessen Ende eine Stahlspitze es festhielt. Mit diesem Tuche reizte er den Stier, bis dieser auf ihn losstürzte; aber nur dann, wenn das Thier in günstiger Weise anlief, versuchte er ihm einen Stoß in den Nacken zu geben. Gewöhnlich ließ er den Stier mehrere Male anlaufen, ehe er überhaupt zustieß. Bei einem Stiere gelang es ihm erst mit dem dritten Stoße, die geeignete Stelle hart am Rückgrat zwischen den Rippen zu treffen; die früheren Stöße waren zwischen die Wirbelkörper gekommen. Nach jedem Fehlstoß ließ der Mann die Espada stecken und bewaffnete sich mit einer anderen, während der Stier die erstere durch Schütteln abwarf. Wenn der Stoß gut gerichtet war, fuhr der Degen mit unglaublicher Leichtigkeit durch die Brusthöhle und kam gewöhnlich unten wieder zum Vorschein. Sofort nach dem tödtlichen Stoße blieb das Thier re- gungslos stehen. Ein Blutstrom quoll ihm aus Mund und Nase; er machte einige Schritte vorwärts und brach dann zusammen.
Jetzt näherte sich der Cachetero oder Matador, stach dem sterbenden Thiere einen breiten Abfänger ins Genick und zog die Bandrose aus seinem Nacken.
Beifallsgebrüll der Zuschauer vermischte sich mit der rauschenden Musik. Die breite Pforte öffnete sich, um das Gespann der Maulthiere einzulassen. Dem Stier wurde eine Schlinge zwischen und um die Hörner gewunden, diese am Zugholze befestigt, und nun schleisten die Maulthiere den ge- waltigen Kämpen im vollen Rennen zum Thore hinaus. Hierauf wurden die gefallenen Pferde in eben derselben Weise fortgeschafft, die Blutlachen mit Sand bestreut und der Platz für das zweite Ge- fecht gereinigt.
Die ſpaniſchen Stiergefechte.
haben, hätten die Fußfechter nicht die Aufmerkſamkeit des gereizten Thieres durch ihre Tücher auf ſich gelenkt.
So dauerte der erſte Gang des Gefechtes ungefähr fünfzehn Minuten oder länger, je nach der Güte, d. h. je nach der Wuth des Stieres. Je mehr Pferde er tödtete oder tödtlich verwundete, je mehr achtete man ihn. Die Picadores kamen oft in große Gefahr, wurden aber immer durch die Fußfechter von dem Stiere befreit; dieſe ſelbſt entflohen im Nothfalle durch raſches Ueberſpringen der Umplankung. Jhre Gewandtheit war bewunderungswürdig, ihre Tollkühnheit überſtieg allen Glauben. Der eine Fechter faßte den Stier beim Schwanz und drehte ſich mit ihm mehrere Male herum, ohne daß das hierdurch in Raſerei verſetzte Thier ihm Etwas anhaben konnte. Andere war- fen, wenn der Stier ſie ſchon faſt mit den Hörnern erreicht hatte, ihnen noch geſchwind das Tuch über die Augen; kurz, ſie hatten immer Zeit zum Entfliehen.
Nachdem der Stier genug Pikenſtöße empfangen hatte, gab ein Trompetenſtoß das Zeichen zum Beginn des zweiten Ganges. Jetzt nahmen einige der Fußfechter die Bandarillas zur Hand. Die Picadores verließen den Kampfplatz, die übrigen behielten ihre Tücher bei. Die Bandarilla iſt ein ſtarker, ungefähr eine Elle langer, mit Netzen bekleideter Holzſtock, welcher vorn eine eiſerne Spitze mit Widerhaken hat. Jeder Bandarillero nahm zwei dieſer Quälwerkzeuge in ſeine Hände, reizte den Stier und ſtieß ihm, ſowie derſelbe auf ihn losſtürzte, beide Bandarillas gekreuzt in den durch die Pikenſtöße zerriſſenen Nacken. Vergeblich verſuchte der Stier, ſie abzuſchütteln, und immer höher ſteigerte ſich ſeine Wuth. Jm grimmigſten Zorn nahm er den zweiten und den dritten Banda- rillero auf. Jedesmal erhielt er neue Bandarillas, ohne jemals den Mann erreichen zu können, welcher ſofort nach dem Stoß gewandt zur Seite ſprang. Binnen fünf Minuten war ihm der Nacken mit mehr als einem halben Dutzend Bandarillas geſpickt. Beim Schütteln ſchlugen dieſelben klap- pernd an einander, bogen ſich allgemach zu beiden Seiten herab, blieben aber immer feſt ſtecken.
Ein neuer Trompetenſtoß eröffnete den dritten Gang. Der erſte Eſpada, ein echtes Bravoge- ſicht, ging gegen den Alcalden hin, verneigte ſich und brachte ihm und der Stadt ein Hoch. Dann nahm er ein rothes Tuch in die linke, die Eſpada in die rechte Hand, ordnete Tuch und Waffe und ging auf den Stier los. Den langen, ſpitzen und ſtarken zweiſchneidigen Degen, welcher ein Kreuz und einen ſehr kleinen Handgriff hat, faßte er ſo, daß die drei hinteren Finger in dem Bügel ſtaken, der Zeigefinger auf der Breitſeite des Degens und der Daumen auf dem Handgriffe lag. Das Tuch breitete er über einen Holzſtock aus, an deſſen Ende eine Stahlſpitze es feſthielt. Mit dieſem Tuche reizte er den Stier, bis dieſer auf ihn losſtürzte; aber nur dann, wenn das Thier in günſtiger Weiſe anlief, verſuchte er ihm einen Stoß in den Nacken zu geben. Gewöhnlich ließ er den Stier mehrere Male anlaufen, ehe er überhaupt zuſtieß. Bei einem Stiere gelang es ihm erſt mit dem dritten Stoße, die geeignete Stelle hart am Rückgrat zwiſchen den Rippen zu treffen; die früheren Stöße waren zwiſchen die Wirbelkörper gekommen. Nach jedem Fehlſtoß ließ der Mann die Eſpada ſtecken und bewaffnete ſich mit einer anderen, während der Stier die erſtere durch Schütteln abwarf. Wenn der Stoß gut gerichtet war, fuhr der Degen mit unglaublicher Leichtigkeit durch die Bruſthöhle und kam gewöhnlich unten wieder zum Vorſchein. Sofort nach dem tödtlichen Stoße blieb das Thier re- gungslos ſtehen. Ein Blutſtrom quoll ihm aus Mund und Naſe; er machte einige Schritte vorwärts und brach dann zuſammen.
Jetzt näherte ſich der Cachetero oder Matador, ſtach dem ſterbenden Thiere einen breiten Abfänger ins Genick und zog die Bandroſe aus ſeinem Nacken.
Beifallsgebrüll der Zuſchauer vermiſchte ſich mit der rauſchenden Muſik. Die breite Pforte öffnete ſich, um das Geſpann der Maulthiere einzulaſſen. Dem Stier wurde eine Schlinge zwiſchen und um die Hörner gewunden, dieſe am Zugholze befeſtigt, und nun ſchleiſten die Maulthiere den ge- waltigen Kämpen im vollen Rennen zum Thore hinaus. Hierauf wurden die gefallenen Pferde in eben derſelben Weiſe fortgeſchafft, die Blutlachen mit Sand beſtreut und der Platz für das zweite Ge- fecht gereinigt.
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[682/0716]
Die ſpaniſchen Stiergefechte.
haben, hätten die Fußfechter nicht die Aufmerkſamkeit des gereizten Thieres durch ihre Tücher auf
ſich gelenkt.
So dauerte der erſte Gang des Gefechtes ungefähr fünfzehn Minuten oder länger, je nach der
Güte, d. h. je nach der Wuth des Stieres. Je mehr Pferde er tödtete oder tödtlich verwundete, je
mehr achtete man ihn. Die Picadores kamen oft in große Gefahr, wurden aber immer durch die
Fußfechter von dem Stiere befreit; dieſe ſelbſt entflohen im Nothfalle durch raſches Ueberſpringen
der Umplankung. Jhre Gewandtheit war bewunderungswürdig, ihre Tollkühnheit überſtieg allen
Glauben. Der eine Fechter faßte den Stier beim Schwanz und drehte ſich mit ihm mehrere Male
herum, ohne daß das hierdurch in Raſerei verſetzte Thier ihm Etwas anhaben konnte. Andere war-
fen, wenn der Stier ſie ſchon faſt mit den Hörnern erreicht hatte, ihnen noch geſchwind das Tuch über
die Augen; kurz, ſie hatten immer Zeit zum Entfliehen.
Nachdem der Stier genug Pikenſtöße empfangen hatte, gab ein Trompetenſtoß das Zeichen zum
Beginn des zweiten Ganges. Jetzt nahmen einige der Fußfechter die Bandarillas zur Hand. Die
Picadores verließen den Kampfplatz, die übrigen behielten ihre Tücher bei. Die Bandarilla iſt
ein ſtarker, ungefähr eine Elle langer, mit Netzen bekleideter Holzſtock, welcher vorn eine eiſerne
Spitze mit Widerhaken hat. Jeder Bandarillero nahm zwei dieſer Quälwerkzeuge in ſeine Hände,
reizte den Stier und ſtieß ihm, ſowie derſelbe auf ihn losſtürzte, beide Bandarillas gekreuzt in den
durch die Pikenſtöße zerriſſenen Nacken. Vergeblich verſuchte der Stier, ſie abzuſchütteln, und immer
höher ſteigerte ſich ſeine Wuth. Jm grimmigſten Zorn nahm er den zweiten und den dritten Banda-
rillero auf. Jedesmal erhielt er neue Bandarillas, ohne jemals den Mann erreichen zu können,
welcher ſofort nach dem Stoß gewandt zur Seite ſprang. Binnen fünf Minuten war ihm der Nacken
mit mehr als einem halben Dutzend Bandarillas geſpickt. Beim Schütteln ſchlugen dieſelben klap-
pernd an einander, bogen ſich allgemach zu beiden Seiten herab, blieben aber immer feſt ſtecken.
Ein neuer Trompetenſtoß eröffnete den dritten Gang. Der erſte Eſpada, ein echtes Bravoge-
ſicht, ging gegen den Alcalden hin, verneigte ſich und brachte ihm und der Stadt ein Hoch. Dann
nahm er ein rothes Tuch in die linke, die Eſpada in die rechte Hand, ordnete Tuch und Waffe und
ging auf den Stier los. Den langen, ſpitzen und ſtarken zweiſchneidigen Degen, welcher ein Kreuz
und einen ſehr kleinen Handgriff hat, faßte er ſo, daß die drei hinteren Finger in dem Bügel ſtaken,
der Zeigefinger auf der Breitſeite des Degens und der Daumen auf dem Handgriffe lag. Das Tuch
breitete er über einen Holzſtock aus, an deſſen Ende eine Stahlſpitze es feſthielt. Mit dieſem Tuche
reizte er den Stier, bis dieſer auf ihn losſtürzte; aber nur dann, wenn das Thier in günſtiger Weiſe
anlief, verſuchte er ihm einen Stoß in den Nacken zu geben. Gewöhnlich ließ er den Stier mehrere
Male anlaufen, ehe er überhaupt zuſtieß. Bei einem Stiere gelang es ihm erſt mit dem dritten
Stoße, die geeignete Stelle hart am Rückgrat zwiſchen den Rippen zu treffen; die früheren Stöße
waren zwiſchen die Wirbelkörper gekommen. Nach jedem Fehlſtoß ließ der Mann die Eſpada ſtecken
und bewaffnete ſich mit einer anderen, während der Stier die erſtere durch Schütteln abwarf. Wenn
der Stoß gut gerichtet war, fuhr der Degen mit unglaublicher Leichtigkeit durch die Bruſthöhle und
kam gewöhnlich unten wieder zum Vorſchein. Sofort nach dem tödtlichen Stoße blieb das Thier re-
gungslos ſtehen. Ein Blutſtrom quoll ihm aus Mund und Naſe; er machte einige Schritte vorwärts
und brach dann zuſammen.
Jetzt näherte ſich der Cachetero oder Matador, ſtach dem ſterbenden Thiere einen breiten Abfänger
ins Genick und zog die Bandroſe aus ſeinem Nacken.
Beifallsgebrüll der Zuſchauer vermiſchte ſich mit der rauſchenden Muſik. Die breite Pforte
öffnete ſich, um das Geſpann der Maulthiere einzulaſſen. Dem Stier wurde eine Schlinge zwiſchen
und um die Hörner gewunden, dieſe am Zugholze befeſtigt, und nun ſchleiſten die Maulthiere den ge-
waltigen Kämpen im vollen Rennen zum Thore hinaus. Hierauf wurden die gefallenen Pferde in
eben derſelben Weiſe fortgeſchafft, die Blutlachen mit Sand beſtreut und der Platz für das zweite Ge-
fecht gereinigt.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/716>, abgerufen am 23.11.2024.
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