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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die spanischen Stiergefechte.
Hauptes auf diesen los. Der Fechter empfing ihn mit der größten Ruhe, hielt ihm das Bunttuch
vor und zog sich dann gewandt zurück, um den Stier einem der Picadores zuzuführen. Sie saßen
mit vorgehaltenen Lanzen unbeweglich auf ihren Pferden, oder ritten höchstens den Stieren ein Paar
Schritte entgegen, um sie dadurch zum Angriff zu reizen. Weil sie die wüthenden Thiere immer von
der rechten Seite auflaufen ließen, hatten sie ihren Pferden das rechte Auge verbunden. Jhre Auf-
gabe war es, den Stier von den Pferden abzuhalten; allein die armen, altersschwachen, dem Tode ge-
weihten Mähren besaßen selten genug Widerstandsfähigkeit, dem Stoße des Picador den nöthigen
Nachdruck zu verleihen, und wurden deshalb regelmäßig das Opfer des anstürmenden Feindes. Wenn
der Stier vor einem der Reiter angekommen war, blieb er eine Zeitlang unbeweglich stehen, stampfte
mit den Vorderfüßen den Boden und schleuderte den Sand hinter sich, schlug mit dem Schweife, rollte
die Augen, senkte plötzlich den Kopf und rannte auf das Pferd los, dabei aber mit seiner vollen
Kraft in die vorgehaltene Lanze, welche der Picador nach seinem Nacken gerichtet hatte. Pferd und
Reiter wurden durch den Stoß des Stieres zurückgeschleudert, beide aber blieben dies Mal unversehrt.
Brüllend vor Schmerz und Wuth zog sich der Angreifer zurück und schüttelte den blutigen, von der
Pike weit aufgerissenen Nacken. Dann stürzte er sich von neuem auf die vor ihm hergaukelnden Fuß-
fechter, deren Mäntel ihn in immer größere Wuth versetzten, oder auf einen andern der Picadores.
Beim zweiten Anlaufe gelang es dem gewaltigen Thiere, fast immer bis zu dem Pferde vorzudringen,
und dann bohrte es auch im selben Augenblick dem armen Geschöpf seine spitzigen Hörner tief in den
Leib. Glücklich für das gefolterte Thier, wenn der erste Stoß ihm in die Brust gedrungen und tödt-
lich war! Wehe ihm, wenn es nur eine Verwundung an den Beinen oder im Unterleib erhalten
hatte! Wenn ein Stier dem Pferde auch den Unterleib aufgeschlitzt hatte und die Gedärme heraus-
quollen oder selbst auf der Erde nachschleppten, daß das gepeinigte edle Geschöpf mit seinen eigenen
Hufen auf ihnen herumtrat: seine Marter war dann noch nicht beendigt. Die Picadores zerstießen
mit ihren Lanzen die nachschleppenden Eingeweide, damit deren Jnhalt ausfließen sollte, oder die
Pferde traten sie selbst sich ab, und von neuem trieben ihre Reiter sie dem Stier entgegen. Am
ganzen Leibe zitternd, die Lippen krampfhaft bewegend, standen die Pferde und erwarteten einen zwei-
ten, dritten Angriff des wüthenden Stieres, bis der herannahende Tod ihrer Qual ein Ende machte.
Hingemartert brachen sie zusammen; die Picadores schleppten sich schwerfällig bis zur Umplankung
und erschienen dann nach einiger Zeit mit einem neuen Pferde wiederum auf dem Kampfplatze.
Hatten die gefallenen Pferde noch etwas Leben in sich, dann wurden sie geschlagen und gemartert, in
der Absicht, sie nach dem gemeinschaftlichen Todtenbette der gefallenen Thiere zu schaffen Dort wurde
der Sattel ihnen abgerissen, während die Bandarilleros den Stier auf einer andern Seite beschäftig-
ten, und, wenn es anging, schlug, stieß, schob und zog man sie von neuem, um sie von dem Platze weg-
zubringen. Nur ein todt zusammengestürztes oder wenigstens schon mehr als halbtodtes Pferd ließ
man ruhig auf der Wahlstatt liegen.

Bei jedem gut abgewiesenen Anlaufe des Stieres spendeten die Zuschauer dem Picador, bei jeder
Verwundung, welche ein Pferd erhielt, dem Stiere ihren Beifall. Stimmen der empörendsten Ge-
fühllosigkeit wurden laut; -- "Geh, Pferd, nach dem Krankenhause und laß dich dort heilen! Sieh,
Pferdchen, welch einen Stier du vor dir hast! Weißt du jetzt, mit wem du es zu thun hattest?" --
und ähnliche Worte vernahm man, und rohes Gelächter begleitete solche Ausrufe. Je tiefer die Ver-
wundung eines Pferdes war, um so stürmischer wurde der Beifall des Volkes; mit wahrer Begeiste-
rung aber begrüßte man die Niederlage eines der Picadores. Es kam nämlich während des ganzen
Gefechtes mehrere Mal vor, daß einer dieser Leute sammt seinem Pferde von dem Stiere zu Boden
geworfen wurde. Einer derselben stürzte mit dem Hinterkopfe gegen die Holzwand, daß er für todt
vom Platze getragen wurde, kam aber mit einer Ohnmacht und einer leichten Schramme über dem
Auge davon. Ein zweiter erhielt eine bedeutende Verrenkung des Armes und wurde dadurch für
die nächste Zeit kampfesunfähig. Den ersteren würde der Stier ebenso wie sein Pferd getödtet

Die ſpaniſchen Stiergefechte.
Hauptes auf dieſen los. Der Fechter empfing ihn mit der größten Ruhe, hielt ihm das Bunttuch
vor und zog ſich dann gewandt zurück, um den Stier einem der Picadores zuzuführen. Sie ſaßen
mit vorgehaltenen Lanzen unbeweglich auf ihren Pferden, oder ritten höchſtens den Stieren ein Paar
Schritte entgegen, um ſie dadurch zum Angriff zu reizen. Weil ſie die wüthenden Thiere immer von
der rechten Seite auflaufen ließen, hatten ſie ihren Pferden das rechte Auge verbunden. Jhre Auf-
gabe war es, den Stier von den Pferden abzuhalten; allein die armen, altersſchwachen, dem Tode ge-
weihten Mähren beſaßen ſelten genug Widerſtandsfähigkeit, dem Stoße des Picador den nöthigen
Nachdruck zu verleihen, und wurden deshalb regelmäßig das Opfer des anſtürmenden Feindes. Wenn
der Stier vor einem der Reiter angekommen war, blieb er eine Zeitlang unbeweglich ſtehen, ſtampfte
mit den Vorderfüßen den Boden und ſchleuderte den Sand hinter ſich, ſchlug mit dem Schweife, rollte
die Augen, ſenkte plötzlich den Kopf und rannte auf das Pferd los, dabei aber mit ſeiner vollen
Kraft in die vorgehaltene Lanze, welche der Picador nach ſeinem Nacken gerichtet hatte. Pferd und
Reiter wurden durch den Stoß des Stieres zurückgeſchleudert, beide aber blieben dies Mal unverſehrt.
Brüllend vor Schmerz und Wuth zog ſich der Angreifer zurück und ſchüttelte den blutigen, von der
Pike weit aufgeriſſenen Nacken. Dann ſtürzte er ſich von neuem auf die vor ihm hergaukelnden Fuß-
fechter, deren Mäntel ihn in immer größere Wuth verſetzten, oder auf einen andern der Picadores.
Beim zweiten Anlaufe gelang es dem gewaltigen Thiere, faſt immer bis zu dem Pferde vorzudringen,
und dann bohrte es auch im ſelben Augenblick dem armen Geſchöpf ſeine ſpitzigen Hörner tief in den
Leib. Glücklich für das gefolterte Thier, wenn der erſte Stoß ihm in die Bruſt gedrungen und tödt-
lich war! Wehe ihm, wenn es nur eine Verwundung an den Beinen oder im Unterleib erhalten
hatte! Wenn ein Stier dem Pferde auch den Unterleib aufgeſchlitzt hatte und die Gedärme heraus-
quollen oder ſelbſt auf der Erde nachſchleppten, daß das gepeinigte edle Geſchöpf mit ſeinen eigenen
Hufen auf ihnen herumtrat: ſeine Marter war dann noch nicht beendigt. Die Picadores zerſtießen
mit ihren Lanzen die nachſchleppenden Eingeweide, damit deren Jnhalt ausfließen ſollte, oder die
Pferde traten ſie ſelbſt ſich ab, und von neuem trieben ihre Reiter ſie dem Stier entgegen. Am
ganzen Leibe zitternd, die Lippen krampfhaft bewegend, ſtanden die Pferde und erwarteten einen zwei-
ten, dritten Angriff des wüthenden Stieres, bis der herannahende Tod ihrer Qual ein Ende machte.
Hingemartert brachen ſie zuſammen; die Picadores ſchleppten ſich ſchwerfällig bis zur Umplankung
und erſchienen dann nach einiger Zeit mit einem neuen Pferde wiederum auf dem Kampfplatze.
Hatten die gefallenen Pferde noch etwas Leben in ſich, dann wurden ſie geſchlagen und gemartert, in
der Abſicht, ſie nach dem gemeinſchaftlichen Todtenbette der gefallenen Thiere zu ſchaffen Dort wurde
der Sattel ihnen abgeriſſen, während die Bandarilleros den Stier auf einer andern Seite beſchäftig-
ten, und, wenn es anging, ſchlug, ſtieß, ſchob und zog man ſie von neuem, um ſie von dem Platze weg-
zubringen. Nur ein todt zuſammengeſtürztes oder wenigſtens ſchon mehr als halbtodtes Pferd ließ
man ruhig auf der Wahlſtatt liegen.

Bei jedem gut abgewieſenen Anlaufe des Stieres ſpendeten die Zuſchauer dem Picador, bei jeder
Verwundung, welche ein Pferd erhielt, dem Stiere ihren Beifall. Stimmen der empörendſten Ge-
fühlloſigkeit wurden laut; — „Geh, Pferd, nach dem Krankenhauſe und laß dich dort heilen! Sieh,
Pferdchen, welch einen Stier du vor dir haſt! Weißt du jetzt, mit wem du es zu thun hatteſt?‟ —
und ähnliche Worte vernahm man, und rohes Gelächter begleitete ſolche Ausrufe. Je tiefer die Ver-
wundung eines Pferdes war, um ſo ſtürmiſcher wurde der Beifall des Volkes; mit wahrer Begeiſte-
rung aber begrüßte man die Niederlage eines der Picadores. Es kam nämlich während des ganzen
Gefechtes mehrere Mal vor, daß einer dieſer Leute ſammt ſeinem Pferde von dem Stiere zu Boden
geworfen wurde. Einer derſelben ſtürzte mit dem Hinterkopfe gegen die Holzwand, daß er für todt
vom Platze getragen wurde, kam aber mit einer Ohnmacht und einer leichten Schramme über dem
Auge davon. Ein zweiter erhielt eine bedeutende Verrenkung des Armes und wurde dadurch für
die nächſte Zeit kampfesunfähig. Den erſteren würde der Stier ebenſo wie ſein Pferd getödtet

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[681/0715] Die ſpaniſchen Stiergefechte. Hauptes auf dieſen los. Der Fechter empfing ihn mit der größten Ruhe, hielt ihm das Bunttuch vor und zog ſich dann gewandt zurück, um den Stier einem der Picadores zuzuführen. Sie ſaßen mit vorgehaltenen Lanzen unbeweglich auf ihren Pferden, oder ritten höchſtens den Stieren ein Paar Schritte entgegen, um ſie dadurch zum Angriff zu reizen. Weil ſie die wüthenden Thiere immer von der rechten Seite auflaufen ließen, hatten ſie ihren Pferden das rechte Auge verbunden. Jhre Auf- gabe war es, den Stier von den Pferden abzuhalten; allein die armen, altersſchwachen, dem Tode ge- weihten Mähren beſaßen ſelten genug Widerſtandsfähigkeit, dem Stoße des Picador den nöthigen Nachdruck zu verleihen, und wurden deshalb regelmäßig das Opfer des anſtürmenden Feindes. Wenn der Stier vor einem der Reiter angekommen war, blieb er eine Zeitlang unbeweglich ſtehen, ſtampfte mit den Vorderfüßen den Boden und ſchleuderte den Sand hinter ſich, ſchlug mit dem Schweife, rollte die Augen, ſenkte plötzlich den Kopf und rannte auf das Pferd los, dabei aber mit ſeiner vollen Kraft in die vorgehaltene Lanze, welche der Picador nach ſeinem Nacken gerichtet hatte. Pferd und Reiter wurden durch den Stoß des Stieres zurückgeſchleudert, beide aber blieben dies Mal unverſehrt. Brüllend vor Schmerz und Wuth zog ſich der Angreifer zurück und ſchüttelte den blutigen, von der Pike weit aufgeriſſenen Nacken. Dann ſtürzte er ſich von neuem auf die vor ihm hergaukelnden Fuß- fechter, deren Mäntel ihn in immer größere Wuth verſetzten, oder auf einen andern der Picadores. Beim zweiten Anlaufe gelang es dem gewaltigen Thiere, faſt immer bis zu dem Pferde vorzudringen, und dann bohrte es auch im ſelben Augenblick dem armen Geſchöpf ſeine ſpitzigen Hörner tief in den Leib. Glücklich für das gefolterte Thier, wenn der erſte Stoß ihm in die Bruſt gedrungen und tödt- lich war! Wehe ihm, wenn es nur eine Verwundung an den Beinen oder im Unterleib erhalten hatte! Wenn ein Stier dem Pferde auch den Unterleib aufgeſchlitzt hatte und die Gedärme heraus- quollen oder ſelbſt auf der Erde nachſchleppten, daß das gepeinigte edle Geſchöpf mit ſeinen eigenen Hufen auf ihnen herumtrat: ſeine Marter war dann noch nicht beendigt. Die Picadores zerſtießen mit ihren Lanzen die nachſchleppenden Eingeweide, damit deren Jnhalt ausfließen ſollte, oder die Pferde traten ſie ſelbſt ſich ab, und von neuem trieben ihre Reiter ſie dem Stier entgegen. Am ganzen Leibe zitternd, die Lippen krampfhaft bewegend, ſtanden die Pferde und erwarteten einen zwei- ten, dritten Angriff des wüthenden Stieres, bis der herannahende Tod ihrer Qual ein Ende machte. Hingemartert brachen ſie zuſammen; die Picadores ſchleppten ſich ſchwerfällig bis zur Umplankung und erſchienen dann nach einiger Zeit mit einem neuen Pferde wiederum auf dem Kampfplatze. Hatten die gefallenen Pferde noch etwas Leben in ſich, dann wurden ſie geſchlagen und gemartert, in der Abſicht, ſie nach dem gemeinſchaftlichen Todtenbette der gefallenen Thiere zu ſchaffen Dort wurde der Sattel ihnen abgeriſſen, während die Bandarilleros den Stier auf einer andern Seite beſchäftig- ten, und, wenn es anging, ſchlug, ſtieß, ſchob und zog man ſie von neuem, um ſie von dem Platze weg- zubringen. Nur ein todt zuſammengeſtürztes oder wenigſtens ſchon mehr als halbtodtes Pferd ließ man ruhig auf der Wahlſtatt liegen. Bei jedem gut abgewieſenen Anlaufe des Stieres ſpendeten die Zuſchauer dem Picador, bei jeder Verwundung, welche ein Pferd erhielt, dem Stiere ihren Beifall. Stimmen der empörendſten Ge- fühlloſigkeit wurden laut; — „Geh, Pferd, nach dem Krankenhauſe und laß dich dort heilen! Sieh, Pferdchen, welch einen Stier du vor dir haſt! Weißt du jetzt, mit wem du es zu thun hatteſt?‟ — und ähnliche Worte vernahm man, und rohes Gelächter begleitete ſolche Ausrufe. Je tiefer die Ver- wundung eines Pferdes war, um ſo ſtürmiſcher wurde der Beifall des Volkes; mit wahrer Begeiſte- rung aber begrüßte man die Niederlage eines der Picadores. Es kam nämlich während des ganzen Gefechtes mehrere Mal vor, daß einer dieſer Leute ſammt ſeinem Pferde von dem Stiere zu Boden geworfen wurde. Einer derſelben ſtürzte mit dem Hinterkopfe gegen die Holzwand, daß er für todt vom Platze getragen wurde, kam aber mit einer Ohnmacht und einer leichten Schramme über dem Auge davon. Ein zweiter erhielt eine bedeutende Verrenkung des Armes und wurde dadurch für die nächſte Zeit kampfesunfähig. Den erſteren würde der Stier ebenſo wie ſein Pferd getödtet

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/715>, abgerufen am 27.11.2024.