blutende Thier nicht mehr auf die zahlreichen Menschen, sondern stürzte, von Verzweiflung getrieben, mit den letzten Kräften auf Noß und Reiter. Nicht selten brachte der Stier den Angreifern gefährliche Verwundungen bei, oder richtete unter ihnen eine derartige Verwirrung an, daß er sich den ferneren Verfolgungen entziehen konnte. Die vielen Unglücksfälle, welche sich auf diesen Jagden regelmäßig ereigneten, wurden Ursache, daß solche Feste nach und nach ganz abkamen.
Man nimmt an, daß die schottischen Rinder, welche gegenwärtig das Hochland bevölkern und, ge- schickt auch auf den steileren Felsen umherkletternd, der Landschaft oft einen großen Schmuck verleihen, von diesem Rinde abstammen. Sie zeigen noch alle Eigenthümlichkeiten desselben mit Ausnahme der Färbung, welche meist ein einfaches Schwarz, Braun, Roth oder Gelblichbraun ist, während die Kreise um die Augen und das Maul schwarz, wie bei den eigentlichen wildlebenden sind. --
Verwilderte Stiere, d. h. solche, welche aus dem zahmen Zustande wieder in einen ganz oder halb wilden übergegangen sind, finden sich hauptsächlich da, wo die Spanier herrschten oder noch herrschen. Auch der in Spanien so hoch angesehene, weil zu den Gefechten unentbehrliche Stier stammt von zahm gewesenen Rindern ab. Er lebt ganz wie die wilden. Jahraus, jahrein kommt er in keinen Stall und eigentlich wird er auch nicht gehütet; denn nur ab und zu kommt einer der Beauf- tragten, um die Herde zu besichtigen. Niemals erscheint ein Hirt allein bei den leicht reizbaren Ge- schöpfen, sondern immer sorgen starke Hunde für seine Sicherheit, und außerdem weiß er die Schleu- der mit einer wunderbaren Geschicklichkeit zu handhaben. Man züchtet die Stiere hauptsächlich in Andalusien und in den baslischen Provinzen. Es sind nicht eben große, aber sehr schöne und unge- mein kräftige Thiere mit ziemlich langen, auswärts gebogenen, sehr spitzen Hörnern. Mit dem zweiten Lebensjahre bringt man sie in die großen Herden, welche nur aus Stieren bestehen, weil die Bullen der gemischten Herden einander um die Paarungszeit tödten würden. Viel erzählt man von der großen Rachsucht dieser Stiere. Ein guter "Torro", sagt man, dürfe niemals geschlagen werden, weil er Dies niemals vergessen und dann den Hirten unfehlbar umbringen würde. Jeder einzelne Stier bekommt seinen Namen, und es werden über alle genaue Listen geführt, um zu erfah- ren, welche von ihnen sich am besten zu den Gefechten eignen werden.
Jn den Hochgebirgen Südspaniens und in den größeren Waldungen Castiliens begegnet man nicht selten solchen Stierherden, thut aber unter allen Umständen wohl, ihnen aus dem Wege zu gehen. Noch im November traf ich eine Herde in einer Höhe von 8 bis 9000 Fuß über dem Meere in der Nähe des Picacho de la Beleta ohne jegliche Aufsicht mit Ausnahme der, welche die mu- thigen Heerführer selbst ausüben. Kein Wolf wagt es, sich solcher Gesellschaft zu nahen, kein Bär greift sie an; denn in geschlossener Reihe stürmen die muthigen Geschöpfe auf das Raubthier los, und fast niemals kommt es vor, daß eines dem Feinde erliegt. Mehr, als bei anderen Thieren, beobachtete ich bei diesen Herden, daß sämmtliche Mitglieder der Gesellschaft dem Kampfe zwischen zwei jugendlich kräftigen Stieren mit größter Aufmerksamkeit folgen. Wir gingen einmal an einer Herde vorüber, welche so von einem Kampfspiel in Anspruch genommen wurde, daß sie uns gar keine Be- achtung schenkte.
Während des Sommers ziehen sich die Stiere mehr nach den Höhen empor und erst der dort frühzeitiger als unten fallende Schnee treibt sie wieder zur Tiefe zurück. Den Dörfern weichen sie vorsichtig aus. Auf Vorübergehende stürzen sie oft ohne die geringste Veranlassung los. Nur mit Hilfe gezähmter Ochsen ist es möglich, sie nach den für die Gefechte bestimmten Plätzen zu treiben. Die Hirten sind dabei selbstverständlich auch beritten. Keiner dieser wilden Stiere verträgt eine Fessel, keiner eine Mißhandlung. Die Fortschaffung der für das Gefecht erwählten ist für die Be- theiligten immer ein Spielen mit Tod und Leben. Auf die Gefechte selbst werde ich zurückkommen; jetzt wollen wir noch einen Blick auf die verwilderten Ochsen der Pampas Südamerikas werfen.
Bereits um das Jahr 1540 verpflanzte man aus Spanien Stiere nach jenen Gegenden des neu- entdeckten Erdtheils. Sie fanden das Klima und die ganze Beschaffenheit der neuen Welt für ihr Gedeihen so ersprießlich, daß sie in kurzer Zeit sich von dem Menschen, welcher sie ohnehin nur laß
Spaniſche verwilderte Stiere.
blutende Thier nicht mehr auf die zahlreichen Menſchen, ſondern ſtürzte, von Verzweiflung getrieben, mit den letzten Kräften auf Noß und Reiter. Nicht ſelten brachte der Stier den Angreifern gefährliche Verwundungen bei, oder richtete unter ihnen eine derartige Verwirrung an, daß er ſich den ferneren Verfolgungen entziehen konnte. Die vielen Unglücksfälle, welche ſich auf dieſen Jagden regelmäßig ereigneten, wurden Urſache, daß ſolche Feſte nach und nach ganz abkamen.
Man nimmt an, daß die ſchottiſchen Rinder, welche gegenwärtig das Hochland bevölkern und, ge- ſchickt auch auf den ſteileren Felſen umherkletternd, der Landſchaft oft einen großen Schmuck verleihen, von dieſem Rinde abſtammen. Sie zeigen noch alle Eigenthümlichkeiten deſſelben mit Ausnahme der Färbung, welche meiſt ein einfaches Schwarz, Braun, Roth oder Gelblichbraun iſt, während die Kreiſe um die Augen und das Maul ſchwarz, wie bei den eigentlichen wildlebenden ſind. —
Verwilderte Stiere, d. h. ſolche, welche aus dem zahmen Zuſtande wieder in einen ganz oder halb wilden übergegangen ſind, finden ſich hauptſächlich da, wo die Spanier herrſchten oder noch herrſchen. Auch der in Spanien ſo hoch angeſehene, weil zu den Gefechten unentbehrliche Stier ſtammt von zahm geweſenen Rindern ab. Er lebt ganz wie die wilden. Jahraus, jahrein kommt er in keinen Stall und eigentlich wird er auch nicht gehütet; denn nur ab und zu kommt einer der Beauf- tragten, um die Herde zu beſichtigen. Niemals erſcheint ein Hirt allein bei den leicht reizbaren Ge- ſchöpfen, ſondern immer ſorgen ſtarke Hunde für ſeine Sicherheit, und außerdem weiß er die Schleu- der mit einer wunderbaren Geſchicklichkeit zu handhaben. Man züchtet die Stiere hauptſächlich in Andaluſien und in den basliſchen Provinzen. Es ſind nicht eben große, aber ſehr ſchöne und unge- mein kräftige Thiere mit ziemlich langen, auswärts gebogenen, ſehr ſpitzen Hörnern. Mit dem zweiten Lebensjahre bringt man ſie in die großen Herden, welche nur aus Stieren beſtehen, weil die Bullen der gemiſchten Herden einander um die Paarungszeit tödten würden. Viel erzählt man von der großen Rachſucht dieſer Stiere. Ein guter „Torro‟, ſagt man, dürfe niemals geſchlagen werden, weil er Dies niemals vergeſſen und dann den Hirten unfehlbar umbringen würde. Jeder einzelne Stier bekommt ſeinen Namen, und es werden über alle genaue Liſten geführt, um zu erfah- ren, welche von ihnen ſich am beſten zu den Gefechten eignen werden.
Jn den Hochgebirgen Südſpaniens und in den größeren Waldungen Caſtiliens begegnet man nicht ſelten ſolchen Stierherden, thut aber unter allen Umſtänden wohl, ihnen aus dem Wege zu gehen. Noch im November traf ich eine Herde in einer Höhe von 8 bis 9000 Fuß über dem Meere in der Nähe des Picacho de la Beleta ohne jegliche Aufſicht mit Ausnahme der, welche die mu- thigen Heerführer ſelbſt ausüben. Kein Wolf wagt es, ſich ſolcher Geſellſchaft zu nahen, kein Bär greift ſie an; denn in geſchloſſener Reihe ſtürmen die muthigen Geſchöpfe auf das Raubthier los, und faſt niemals kommt es vor, daß eines dem Feinde erliegt. Mehr, als bei anderen Thieren, beobachtete ich bei dieſen Herden, daß ſämmtliche Mitglieder der Geſellſchaft dem Kampfe zwiſchen zwei jugendlich kräftigen Stieren mit größter Aufmerkſamkeit folgen. Wir gingen einmal an einer Herde vorüber, welche ſo von einem Kampfſpiel in Anſpruch genommen wurde, daß ſie uns gar keine Be- achtung ſchenkte.
Während des Sommers ziehen ſich die Stiere mehr nach den Höhen empor und erſt der dort frühzeitiger als unten fallende Schnee treibt ſie wieder zur Tiefe zurück. Den Dörfern weichen ſie vorſichtig aus. Auf Vorübergehende ſtürzen ſie oft ohne die geringſte Veranlaſſung los. Nur mit Hilfe gezähmter Ochſen iſt es möglich, ſie nach den für die Gefechte beſtimmten Plätzen zu treiben. Die Hirten ſind dabei ſelbſtverſtändlich auch beritten. Keiner dieſer wilden Stiere verträgt eine Feſſel, keiner eine Mißhandlung. Die Fortſchaffung der für das Gefecht erwählten iſt für die Be- theiligten immer ein Spielen mit Tod und Leben. Auf die Gefechte ſelbſt werde ich zurückkommen; jetzt wollen wir noch einen Blick auf die verwilderten Ochſen der Pampas Südamerikas werfen.
Bereits um das Jahr 1540 verpflanzte man aus Spanien Stiere nach jenen Gegenden des neu- entdeckten Erdtheils. Sie fanden das Klima und die ganze Beſchaffenheit der neuen Welt für ihr Gedeihen ſo erſprießlich, daß ſie in kurzer Zeit ſich von dem Menſchen, welcher ſie ohnehin nur laß
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[669/0703]
Spaniſche verwilderte Stiere.
blutende Thier nicht mehr auf die zahlreichen Menſchen, ſondern ſtürzte, von Verzweiflung getrieben,
mit den letzten Kräften auf Noß und Reiter. Nicht ſelten brachte der Stier den Angreifern gefährliche
Verwundungen bei, oder richtete unter ihnen eine derartige Verwirrung an, daß er ſich den ferneren
Verfolgungen entziehen konnte. Die vielen Unglücksfälle, welche ſich auf dieſen Jagden regelmäßig
ereigneten, wurden Urſache, daß ſolche Feſte nach und nach ganz abkamen.
Man nimmt an, daß die ſchottiſchen Rinder, welche gegenwärtig das Hochland bevölkern und, ge-
ſchickt auch auf den ſteileren Felſen umherkletternd, der Landſchaft oft einen großen Schmuck verleihen,
von dieſem Rinde abſtammen. Sie zeigen noch alle Eigenthümlichkeiten deſſelben mit Ausnahme der
Färbung, welche meiſt ein einfaches Schwarz, Braun, Roth oder Gelblichbraun iſt, während die Kreiſe
um die Augen und das Maul ſchwarz, wie bei den eigentlichen wildlebenden ſind. —
Verwilderte Stiere, d. h. ſolche, welche aus dem zahmen Zuſtande wieder in einen ganz
oder halb wilden übergegangen ſind, finden ſich hauptſächlich da, wo die Spanier herrſchten oder noch
herrſchen. Auch der in Spanien ſo hoch angeſehene, weil zu den Gefechten unentbehrliche Stier
ſtammt von zahm geweſenen Rindern ab. Er lebt ganz wie die wilden. Jahraus, jahrein kommt er in
keinen Stall und eigentlich wird er auch nicht gehütet; denn nur ab und zu kommt einer der Beauf-
tragten, um die Herde zu beſichtigen. Niemals erſcheint ein Hirt allein bei den leicht reizbaren Ge-
ſchöpfen, ſondern immer ſorgen ſtarke Hunde für ſeine Sicherheit, und außerdem weiß er die Schleu-
der mit einer wunderbaren Geſchicklichkeit zu handhaben. Man züchtet die Stiere hauptſächlich in
Andaluſien und in den basliſchen Provinzen. Es ſind nicht eben große, aber ſehr ſchöne und unge-
mein kräftige Thiere mit ziemlich langen, auswärts gebogenen, ſehr ſpitzen Hörnern. Mit dem
zweiten Lebensjahre bringt man ſie in die großen Herden, welche nur aus Stieren beſtehen, weil die
Bullen der gemiſchten Herden einander um die Paarungszeit tödten würden. Viel erzählt man
von der großen Rachſucht dieſer Stiere. Ein guter „Torro‟, ſagt man, dürfe niemals geſchlagen
werden, weil er Dies niemals vergeſſen und dann den Hirten unfehlbar umbringen würde. Jeder
einzelne Stier bekommt ſeinen Namen, und es werden über alle genaue Liſten geführt, um zu erfah-
ren, welche von ihnen ſich am beſten zu den Gefechten eignen werden.
Jn den Hochgebirgen Südſpaniens und in den größeren Waldungen Caſtiliens begegnet man
nicht ſelten ſolchen Stierherden, thut aber unter allen Umſtänden wohl, ihnen aus dem Wege zu
gehen. Noch im November traf ich eine Herde in einer Höhe von 8 bis 9000 Fuß über dem Meere
in der Nähe des Picacho de la Beleta ohne jegliche Aufſicht mit Ausnahme der, welche die mu-
thigen Heerführer ſelbſt ausüben. Kein Wolf wagt es, ſich ſolcher Geſellſchaft zu nahen, kein
Bär greift ſie an; denn in geſchloſſener Reihe ſtürmen die muthigen Geſchöpfe auf das Raubthier
los, und faſt niemals kommt es vor, daß eines dem Feinde erliegt. Mehr, als bei anderen Thieren,
beobachtete ich bei dieſen Herden, daß ſämmtliche Mitglieder der Geſellſchaft dem Kampfe zwiſchen zwei
jugendlich kräftigen Stieren mit größter Aufmerkſamkeit folgen. Wir gingen einmal an einer Herde
vorüber, welche ſo von einem Kampfſpiel in Anſpruch genommen wurde, daß ſie uns gar keine Be-
achtung ſchenkte.
Während des Sommers ziehen ſich die Stiere mehr nach den Höhen empor und erſt der dort
frühzeitiger als unten fallende Schnee treibt ſie wieder zur Tiefe zurück. Den Dörfern weichen ſie
vorſichtig aus. Auf Vorübergehende ſtürzen ſie oft ohne die geringſte Veranlaſſung los. Nur mit
Hilfe gezähmter Ochſen iſt es möglich, ſie nach den für die Gefechte beſtimmten Plätzen zu treiben.
Die Hirten ſind dabei ſelbſtverſtändlich auch beritten. Keiner dieſer wilden Stiere verträgt eine
Feſſel, keiner eine Mißhandlung. Die Fortſchaffung der für das Gefecht erwählten iſt für die Be-
theiligten immer ein Spielen mit Tod und Leben. Auf die Gefechte ſelbſt werde ich zurückkommen;
jetzt wollen wir noch einen Blick auf die verwilderten Ochſen der Pampas Südamerikas werfen.
Bereits um das Jahr 1540 verpflanzte man aus Spanien Stiere nach jenen Gegenden des neu-
entdeckten Erdtheils. Sie fanden das Klima und die ganze Beſchaffenheit der neuen Welt für ihr
Gedeihen ſo erſprießlich, daß ſie in kurzer Zeit ſich von dem Menſchen, welcher ſie ohnehin nur laß
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/703>, abgerufen am 23.11.2024.
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