mit Nachkommen zu bevölkern; denn die Alten, bezüglich die Römer, führten wohl fremdartige Thiere ein, nicht aber heimische aus. Auch trug der Vorweltsstier ein ganz anderes, viel gewal- tigeres Gehörn, als irgend einer unserer Hausochsen. Hierzu kommt nun noch die große Verschieden- heit der sogenannten Rassen, die einzig und allein nicht denjenigen Umbildungen zugeschrieben werden können, welche durch Zucht und Zähmung bewirkt werden: es ist deshalb wohl gerechtfertigt, auch beim Rind mehrere Stammväter anzunehmen.
Wahrscheinlich hatte jeder Erdtheil, ja, jedes eigene Land seine wilden Rinder. Von ihnen wurden nach und nach einige gezähmt, die anderen aber, ebenso wie der Auer und Wisent in Europa, zurückgedrängt und ausgerottet. Auf altegyptischen Bildern sind mehrmals Stiere darge- stellt, welche von Bogenschützen und Hunden gejagt oder mit der Wurfschlinge gefangen werden, und aus mehreren Stellen des alten Testaments geht deutlich genug hervor, daß es in Syrien und in den Nachbarländern wilde Ochsen neben den schon damals gezähmten gegeben hat. Es würde doch wohl etwas kühn sein, wenn man diese Rinder, einzig und allein der einmal beliebten Annahme zu Ge- fallen, ohne weiteres als Vorweltsstiere bestimmen wollte: wir wissen ja heutigen Tages noch nicht einmal, wie viel wilde Stiere es wirklich gibt! Jndien, oder überhaupt Hinterasien ist noch keines- wegs erforscht, und gerade unser Jahrhundert hat uns deutlich genug gezeigt, welche Schätze für den Thierkundigen es noch beherbergt. Daß auch Afrika in seinem Jnneren noch mehrere Rinderarten beherbergen mag, von denen wir gar keine Ahnung haben, geht aus den Berichten neuerer Reisender und aus den Erzählungen der Eingeborenen unzweifelhaft hervor. So bringt uns Du Chaillu Kunde von einem bisjetzt unbekannten Rinde, welches er im Lande der Schekiani auffand und Bos brachicheros oder mit dem Landesnamen "Niare" nennt. Und wenn wir auch leider annehmen müssen, daß Manches in dem Buche dieses Reisenden als Erzeugniß einer sehr üppigen Einbildungs- kraft zu betrachten ist, können wir doch kaum glauben, daß sein reger Geist ihm und er uns einen ganzen Ochsen vorgespiegelt hat. Gerade bei Bestimmung der Rinder müssen wir sehr vor- sichtig zu Werke gehen; wir sind ja noch nicht einmal in unserem Europa im Reinen; wir sind noch nicht einmal einig, ob wir das heutigen Tages noch wild lebende schottische Rind als selbständige Art anzusehen haben, oder nicht.
Alle diese Bedenken geben meiner Ausicht nach Denjenigen große Berechtigung, welche an- nehmen, daß die Hausrinder unmöglich zu einer Art gerechnet werden können, sondern mehrere selb- ständige Arten bilden. Fitziuger ist einer der wenigen Naturforscher, welche in der neuesten Zeit die Hausthiere ausführlich behandelt haben. Er nimmt an, daß die bisjetzt uns bekannten gezähmten Rinder in mindestens sieben eigentliche Arten zerfallen. Diese sind der indische Zebu, der afrikanische Buckelochs, das Alpen-, Thalland-, Marschländer, Steppen- und das schottische Rind.
Der große Cuvier war der erste Naturforscher, welcher den schon von Linne als besondere Art aufgestellten indischen Zebu (Bos indicus) mit unserem gewöhnlichen Hausrinde vereinigte. Er glaubte, daß sich beide Thiere weder durch ihre äußere Form, noch durch den inneren Bau unter- schieden, und sah in dem Höcker des Zebu ein zur Arttrennung nicht berechtigendes Merkmal. Neuere Forscher sind dem Meister entgegengetreten, und fernere Untersuchungen haben bewiesen, daß der Zebu einen Kreuz- und drei Schwanzwirbel weniger hat, als das gemeine Rind. Bei an- deren wild lebenden Thieren gibt ein Wirbel oder ein Höcker auf dem Zahne mehr als gewöhnlich vielen Naturforschern schon Grund, das betreffende Thier als Vertreter einer besonderen Sippe hin- zustellen: bei den Hausthieren läßt die nun einmal festgewurzelte Ansicht, daß die Zähmung ein ganzes Thier umbilden könnte, selbst solche Merkmale denselben Forschern als nichtig erscheinen. Wir können uns nun und nimmermehr dieser Meinung anschließen; denn es muß erst erwiesen werden, daß der Knochenbau durch die Züchtung und Zähmung verändert wird. Somit sehen wir gerade in dem Zebu eine vollkommen berechtigte Art.
Das Hausrind. Der indiſche Zebu.
mit Nachkommen zu bevölkern; denn die Alten, bezüglich die Römer, führten wohl fremdartige Thiere ein, nicht aber heimiſche aus. Auch trug der Vorweltsſtier ein ganz anderes, viel gewal- tigeres Gehörn, als irgend einer unſerer Hausochſen. Hierzu kommt nun noch die große Verſchieden- heit der ſogenannten Raſſen, die einzig und allein nicht denjenigen Umbildungen zugeſchrieben werden können, welche durch Zucht und Zähmung bewirkt werden: es iſt deshalb wohl gerechtfertigt, auch beim Rind mehrere Stammväter anzunehmen.
Wahrſcheinlich hatte jeder Erdtheil, ja, jedes eigene Land ſeine wilden Rinder. Von ihnen wurden nach und nach einige gezähmt, die anderen aber, ebenſo wie der Auer und Wiſent in Europa, zurückgedrängt und ausgerottet. Auf altegyptiſchen Bildern ſind mehrmals Stiere darge- ſtellt, welche von Bogenſchützen und Hunden gejagt oder mit der Wurfſchlinge gefangen werden, und aus mehreren Stellen des alten Teſtaments geht deutlich genug hervor, daß es in Syrien und in den Nachbarländern wilde Ochſen neben den ſchon damals gezähmten gegeben hat. Es würde doch wohl etwas kühn ſein, wenn man dieſe Rinder, einzig und allein der einmal beliebten Annahme zu Ge- fallen, ohne weiteres als Vorweltsſtiere beſtimmen wollte: wir wiſſen ja heutigen Tages noch nicht einmal, wie viel wilde Stiere es wirklich gibt! Jndien, oder überhaupt Hinteraſien iſt noch keines- wegs erforſcht, und gerade unſer Jahrhundert hat uns deutlich genug gezeigt, welche Schätze für den Thierkundigen es noch beherbergt. Daß auch Afrika in ſeinem Jnneren noch mehrere Rinderarten beherbergen mag, von denen wir gar keine Ahnung haben, geht aus den Berichten neuerer Reiſender und aus den Erzählungen der Eingeborenen unzweifelhaft hervor. So bringt uns Du Chaillu Kunde von einem bisjetzt unbekannten Rinde, welches er im Lande der Schekiani auffand und Bos brachicheros oder mit dem Landesnamen „Niare‟ nennt. Und wenn wir auch leider annehmen müſſen, daß Manches in dem Buche dieſes Reiſenden als Erzeugniß einer ſehr üppigen Einbildungs- kraft zu betrachten iſt, können wir doch kaum glauben, daß ſein reger Geiſt ihm und er uns einen ganzen Ochſen vorgeſpiegelt hat. Gerade bei Beſtimmung der Rinder müſſen wir ſehr vor- ſichtig zu Werke gehen; wir ſind ja noch nicht einmal in unſerem Europa im Reinen; wir ſind noch nicht einmal einig, ob wir das heutigen Tages noch wild lebende ſchottiſche Rind als ſelbſtändige Art anzuſehen haben, oder nicht.
Alle dieſe Bedenken geben meiner Auſicht nach Denjenigen große Berechtigung, welche an- nehmen, daß die Hausrinder unmöglich zu einer Art gerechnet werden können, ſondern mehrere ſelb- ſtändige Arten bilden. Fitziuger iſt einer der wenigen Naturforſcher, welche in der neueſten Zeit die Hausthiere ausführlich behandelt haben. Er nimmt an, daß die bisjetzt uns bekannten gezähmten Rinder in mindeſtens ſieben eigentliche Arten zerfallen. Dieſe ſind der indiſche Zebu, der afrikaniſche Buckelochs, das Alpen-, Thalland-, Marſchländer, Steppen- und das ſchottiſche Rind.
Der große Cuvier war der erſte Naturforſcher, welcher den ſchon von Linné als beſondere Art aufgeſtellten indiſchen Zebu (Bos indicus) mit unſerem gewöhnlichen Hausrinde vereinigte. Er glaubte, daß ſich beide Thiere weder durch ihre äußere Form, noch durch den inneren Bau unter- ſchieden, und ſah in dem Höcker des Zebu ein zur Arttrennung nicht berechtigendes Merkmal. Neuere Forſcher ſind dem Meiſter entgegengetreten, und fernere Unterſuchungen haben bewieſen, daß der Zebu einen Kreuz- und drei Schwanzwirbel weniger hat, als das gemeine Rind. Bei an- deren wild lebenden Thieren gibt ein Wirbel oder ein Höcker auf dem Zahne mehr als gewöhnlich vielen Naturforſchern ſchon Grund, das betreffende Thier als Vertreter einer beſonderen Sippe hin- zuſtellen: bei den Hausthieren läßt die nun einmal feſtgewurzelte Anſicht, daß die Zähmung ein ganzes Thier umbilden könnte, ſelbſt ſolche Merkmale denſelben Forſchern als nichtig erſcheinen. Wir können uns nun und nimmermehr dieſer Meinung anſchließen; denn es muß erſt erwieſen werden, daß der Knochenbau durch die Züchtung und Zähmung verändert wird. Somit ſehen wir gerade in dem Zebu eine vollkommen berechtigte Art.
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tigeres Gehörn, als irgend einer unſerer Hausochſen. Hierzu kommt nun noch die große Verſchieden-
heit der ſogenannten Raſſen, die einzig und allein nicht denjenigen Umbildungen zugeſchrieben werden
können, welche durch Zucht und Zähmung bewirkt werden: es iſt deshalb wohl gerechtfertigt, auch
beim Rind mehrere Stammväter anzunehmen.
Wahrſcheinlich hatte jeder Erdtheil, ja, jedes eigene Land ſeine wilden Rinder. Von ihnen
wurden nach und nach einige gezähmt, die anderen aber, ebenſo wie der Auer und Wiſent in
Europa, zurückgedrängt und ausgerottet. Auf altegyptiſchen Bildern ſind mehrmals Stiere darge-
ſtellt, welche von Bogenſchützen und Hunden gejagt oder mit der Wurfſchlinge gefangen werden, und
aus mehreren Stellen des alten Teſtaments geht deutlich genug hervor, daß es in Syrien und in den
Nachbarländern wilde Ochſen neben den ſchon damals gezähmten gegeben hat. Es würde doch wohl
etwas kühn ſein, wenn man dieſe Rinder, einzig und allein der einmal beliebten Annahme zu Ge-
fallen, ohne weiteres als Vorweltsſtiere beſtimmen wollte: wir wiſſen ja heutigen Tages noch nicht
einmal, wie viel wilde Stiere es wirklich gibt! Jndien, oder überhaupt Hinteraſien iſt noch keines-
wegs erforſcht, und gerade unſer Jahrhundert hat uns deutlich genug gezeigt, welche Schätze für den
Thierkundigen es noch beherbergt. Daß auch Afrika in ſeinem Jnneren noch mehrere Rinderarten
beherbergen mag, von denen wir gar keine Ahnung haben, geht aus den Berichten neuerer Reiſender
und aus den Erzählungen der Eingeborenen unzweifelhaft hervor. So bringt uns Du Chaillu
Kunde von einem bisjetzt unbekannten Rinde, welches er im Lande der Schekiani auffand und
Bos brachicheros oder mit dem Landesnamen „Niare‟ nennt. Und wenn wir auch leider annehmen
müſſen, daß Manches in dem Buche dieſes Reiſenden als Erzeugniß einer ſehr üppigen Einbildungs-
kraft zu betrachten iſt, können wir doch kaum glauben, daß ſein reger Geiſt ihm und er uns
einen ganzen Ochſen vorgeſpiegelt hat. Gerade bei Beſtimmung der Rinder müſſen wir ſehr vor-
ſichtig zu Werke gehen; wir ſind ja noch nicht einmal in unſerem Europa im Reinen; wir ſind noch
nicht einmal einig, ob wir das heutigen Tages noch wild lebende ſchottiſche Rind als ſelbſtändige Art
anzuſehen haben, oder nicht.
Alle dieſe Bedenken geben meiner Auſicht nach Denjenigen große Berechtigung, welche an-
nehmen, daß die Hausrinder unmöglich zu einer Art gerechnet werden können, ſondern mehrere ſelb-
ſtändige Arten bilden. Fitziuger iſt einer der wenigen Naturforſcher, welche in der neueſten Zeit die
Hausthiere ausführlich behandelt haben. Er nimmt an, daß die bisjetzt uns bekannten gezähmten
Rinder in mindeſtens ſieben eigentliche Arten zerfallen. Dieſe ſind der indiſche Zebu, der
afrikaniſche Buckelochs, das Alpen-, Thalland-, Marſchländer, Steppen- und das
ſchottiſche Rind.
Der große Cuvier war der erſte Naturforſcher, welcher den ſchon von Linné als beſondere
Art aufgeſtellten indiſchen Zebu (Bos indicus) mit unſerem gewöhnlichen Hausrinde vereinigte.
Er glaubte, daß ſich beide Thiere weder durch ihre äußere Form, noch durch den inneren Bau unter-
ſchieden, und ſah in dem Höcker des Zebu ein zur Arttrennung nicht berechtigendes Merkmal.
Neuere Forſcher ſind dem Meiſter entgegengetreten, und fernere Unterſuchungen haben bewieſen,
daß der Zebu einen Kreuz- und drei Schwanzwirbel weniger hat, als das gemeine Rind. Bei an-
deren wild lebenden Thieren gibt ein Wirbel oder ein Höcker auf dem Zahne mehr als gewöhnlich
vielen Naturforſchern ſchon Grund, das betreffende Thier als Vertreter einer beſonderen Sippe hin-
zuſtellen: bei den Hausthieren läßt die nun einmal feſtgewurzelte Anſicht, daß die Zähmung ein
ganzes Thier umbilden könnte, ſelbſt ſolche Merkmale denſelben Forſchern als nichtig erſcheinen. Wir
können uns nun und nimmermehr dieſer Meinung anſchließen; denn es muß erſt erwieſen werden,
daß der Knochenbau durch die Züchtung und Zähmung verändert wird. Somit ſehen wir gerade in
dem Zebu eine vollkommen berechtigte Art.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 661. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/695>, abgerufen am 23.11.2024.
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