An lebenden Feinden fehlt es dem Bison ebensowenig, als irgend einem anderen seines Ge- schlechts. Es wird gesagt, daß der gewaltige Griselbär selbst den Kampf mit dem wehrhaften Stier nicht scheue und versichert, daß auch der Wolf wenigstens jüngere gefährde. Der schlimmste Feind aber bleibt doch der Mensch, der in Amerika Eingeborene, wie der dort Eingewanderte, obgleich streng genommen der Letztere erst das Zeichen zur Vernichtung gegeben. "Jn früheren Zeiten," sagt Möllhausen, "als der Büffel nur gewissermaßen als Hausthier der Jndianer betrachtet werden konnte, war keine Verminderung der unabsehbaren Herden bemerkbar; im Gegentheil, sie gediehen und vermehrten sich auf den üppigen Weiden. Nun kamen die Weißen in diese Gegenden. Die reichhaarigen großen Pelze gefielen ihnen, das fette Büffelfleisch fanden sie nach ihrem Geschmack, und von beidem versprachen sie sich reichen Gewinn. Es wurden zuerst bei den Steppenbewohnern Be- gierden nach glänzenden oder betäubenden Erzeugnissen der Weißen erweckt und dann im kleinsten Maße für ihre Jagdbeute geboten, worauf die Verheerung begann. Tausende von Büffeln wurden der Zungen wegen, häufiger noch der zottigen Pelze halber erlegt, und in wenigen Jahren war eine bedeutende Verminderung derselben auffallend bemerkbar. Der sorglose Jndianer gedenkt nicht der Zukunft; er lebt nur der Gegenwart und ihren Genüssen. Es bedarf bei ihm nicht mehr der Auf- munterung: er wird den Büffel jagen, bis der letzte ihm sein Kleid gelassen. Sicher ist die Zeit nicht mehr fern, wann die gewaltigen Herden nur noch in der Erinnerung leben und dreimalhundert- tausend Jndianer ihres Unterhaltes beraubt und vom wüthendsten Hunger getrieben, nebst Millionen von Wölfen zur Landplage der angrenzenden Gesittung und als solche dann mit der Wurzel aus- gerottet werden."
"Manchfach ist die Art und Weise, durch welche das Thier seinen Verfolgern unterliegen muß. Die Büsseljagd der Prairieindianer ist eine Beschäftigung, durch welche sie sich nicht nur ihren Unter- halt verschaffen, sondern welche ihnen zugleich als höchstes Vergnügen gilt. Beritten auf ausdauern- den Pferden, die sie größtentheils wild in der Steppe eingefangen haben, sind sie im Stande, jedes Wild in der Ebene einzuholen, und suchen einen besonderen Ruhm darin, mit der größten Schnellig- keit und möglichstem Erfolg vom Pferde herab ihre tödtlichen Geschosse unter eine fliehende Herde zu versenden. Beabsichtigt der Jndianer eine Büffelherde zu überholen, so entledigt er sich und sein Pferd aller nur entbehrlichen und beschwerenden Gegenstände: Kleidung und Sattelzeug bleiben zurück; nur eine vierzig Fuß lange Leine, von rohem Leder geflochten, ist um die Kinnlade des Pferdes geschnürt und schleppt, über den Hals geworfen, in ihrer ganzen Länge auf der Erde nach. Sie dient zum Lenken, zugleich aber auch, um beim etwaigen Sturz oder sonstigen Unfall das lose Pferd wieder leichter in die Gewalt des Neiters zu bringen."
"Der Jäger führt in der linken Hand den Bogen und so viele Pfeile, als er bequem halten kann, in der rechten eine schwere Peitsche, mittelst welcher er sein flüchtiges Roß durch unbarmherzige Schläge unter die fliehende Herde und an die Seite einer fetten Kuh oder eines jungen Stieres treibt. Das gelehrige Pferd versteht leicht die Absicht seines Reiters und eilt, keiner weiteren Führung be- dürfend, dicht an die auserwählte Beute heran, um dem Jäger Gelegenheit zu geben, im günstigen Augenblick den Pfeil bis an die Federn in die Weichen des Büffels zu senden. Kaum schwirrt die straffe Sehne des Bogens, kaum gräbt sich das scharfe Eisen durch die krause Wolle in das fette Fleisch, so entfernt sich das Pferd von dem verwundeten Thiere durch einen mächtigen Sprung, um den Hörnern des wüthend gewordenen Feindes zu entgehen, und ein anderer Stier wird zum Opfer ausgesucht. So geht die Hetzjagd mit Sturmeseile über die Ebene dahin, bis die Ermüdung seines Thieres den wilden Jäger mahnt, der unersättlichen Jagdlust Einhalt zu thun. Die verwundeten Büffel haben sich indessen von der Herde getrennt und liegen erschöpft oder verendend auf der Straße, auf welcher vor wenigen Minuten die wilde Jagd donnernd dahinbrauste. Die Weiber des Jägers sind seinen Spuren gefolgt und beschäftigen sich emsig damit, die Beute zu zerlegen und die besten Stücke nebst den Häuten nach den Wigwams zu schaffen, wo das Fleisch in dünne Streifen zerschnit-
Die Rinder. — Der Biſon.
An lebenden Feinden fehlt es dem Biſon ebenſowenig, als irgend einem anderen ſeines Ge- ſchlechts. Es wird geſagt, daß der gewaltige Griſelbär ſelbſt den Kampf mit dem wehrhaften Stier nicht ſcheue und verſichert, daß auch der Wolf wenigſtens jüngere gefährde. Der ſchlimmſte Feind aber bleibt doch der Menſch, der in Amerika Eingeborene, wie der dort Eingewanderte, obgleich ſtreng genommen der Letztere erſt das Zeichen zur Vernichtung gegeben. „Jn früheren Zeiten,‟ ſagt Möllhauſen, „als der Büffel nur gewiſſermaßen als Hausthier der Jndianer betrachtet werden konnte, war keine Verminderung der unabſehbaren Herden bemerkbar; im Gegentheil, ſie gediehen und vermehrten ſich auf den üppigen Weiden. Nun kamen die Weißen in dieſe Gegenden. Die reichhaarigen großen Pelze gefielen ihnen, das fette Büffelfleiſch fanden ſie nach ihrem Geſchmack, und von beidem verſprachen ſie ſich reichen Gewinn. Es wurden zuerſt bei den Steppenbewohnern Be- gierden nach glänzenden oder betäubenden Erzeugniſſen der Weißen erweckt und dann im kleinſten Maße für ihre Jagdbeute geboten, worauf die Verheerung begann. Tauſende von Büffeln wurden der Zungen wegen, häufiger noch der zottigen Pelze halber erlegt, und in wenigen Jahren war eine bedeutende Verminderung derſelben auffallend bemerkbar. Der ſorgloſe Jndianer gedenkt nicht der Zukunft; er lebt nur der Gegenwart und ihren Genüſſen. Es bedarf bei ihm nicht mehr der Auf- munterung: er wird den Büffel jagen, bis der letzte ihm ſein Kleid gelaſſen. Sicher iſt die Zeit nicht mehr fern, wann die gewaltigen Herden nur noch in der Erinnerung leben und dreimalhundert- tauſend Jndianer ihres Unterhaltes beraubt und vom wüthendſten Hunger getrieben, nebſt Millionen von Wölfen zur Landplage der angrenzenden Geſittung und als ſolche dann mit der Wurzel aus- gerottet werden.‟
„Manchfach iſt die Art und Weiſe, durch welche das Thier ſeinen Verfolgern unterliegen muß. Die Büſſeljagd der Prairieindianer iſt eine Beſchäftigung, durch welche ſie ſich nicht nur ihren Unter- halt verſchaffen, ſondern welche ihnen zugleich als höchſtes Vergnügen gilt. Beritten auf ausdauern- den Pferden, die ſie größtentheils wild in der Steppe eingefangen haben, ſind ſie im Stande, jedes Wild in der Ebene einzuholen, und ſuchen einen beſonderen Ruhm darin, mit der größten Schnellig- keit und möglichſtem Erfolg vom Pferde herab ihre tödtlichen Geſchoſſe unter eine fliehende Herde zu verſenden. Beabſichtigt der Jndianer eine Büffelherde zu überholen, ſo entledigt er ſich und ſein Pferd aller nur entbehrlichen und beſchwerenden Gegenſtände: Kleidung und Sattelzeug bleiben zurück; nur eine vierzig Fuß lange Leine, von rohem Leder geflochten, iſt um die Kinnlade des Pferdes geſchnürt und ſchleppt, über den Hals geworfen, in ihrer ganzen Länge auf der Erde nach. Sie dient zum Lenken, zugleich aber auch, um beim etwaigen Sturz oder ſonſtigen Unfall das loſe Pferd wieder leichter in die Gewalt des Neiters zu bringen.‟
„Der Jäger führt in der linken Hand den Bogen und ſo viele Pfeile, als er bequem halten kann, in der rechten eine ſchwere Peitſche, mittelſt welcher er ſein flüchtiges Roß durch unbarmherzige Schläge unter die fliehende Herde und an die Seite einer fetten Kuh oder eines jungen Stieres treibt. Das gelehrige Pferd verſteht leicht die Abſicht ſeines Reiters und eilt, keiner weiteren Führung be- dürfend, dicht an die auserwählte Beute heran, um dem Jäger Gelegenheit zu geben, im günſtigen Augenblick den Pfeil bis an die Federn in die Weichen des Büffels zu ſenden. Kaum ſchwirrt die ſtraffe Sehne des Bogens, kaum gräbt ſich das ſcharfe Eiſen durch die krauſe Wolle in das fette Fleiſch, ſo entfernt ſich das Pferd von dem verwundeten Thiere durch einen mächtigen Sprung, um den Hörnern des wüthend gewordenen Feindes zu entgehen, und ein anderer Stier wird zum Opfer ausgeſucht. So geht die Hetzjagd mit Sturmeseile über die Ebene dahin, bis die Ermüdung ſeines Thieres den wilden Jäger mahnt, der unerſättlichen Jagdluſt Einhalt zu thun. Die verwundeten Büffel haben ſich indeſſen von der Herde getrennt und liegen erſchöpft oder verendend auf der Straße, auf welcher vor wenigen Minuten die wilde Jagd donnernd dahinbrauſte. Die Weiber des Jägers ſind ſeinen Spuren gefolgt und beſchäftigen ſich emſig damit, die Beute zu zerlegen und die beſten Stücke nebſt den Häuten nach den Wigwams zu ſchaffen, wo das Fleiſch in dünne Streifen zerſchnit-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0686"n="652"/><fwplace="top"type="header">Die Rinder. — Der Biſon.</fw><lb/><p>An lebenden Feinden fehlt es dem Biſon ebenſowenig, als irgend einem anderen ſeines Ge-<lb/>ſchlechts. Es wird geſagt, daß der gewaltige Griſelbär ſelbſt den Kampf mit dem wehrhaften Stier<lb/>
nicht ſcheue und verſichert, daß auch der Wolf wenigſtens jüngere gefährde. Der ſchlimmſte Feind<lb/>
aber bleibt doch der Menſch, der in Amerika Eingeborene, wie der dort Eingewanderte, obgleich<lb/>ſtreng genommen der Letztere erſt das Zeichen zur Vernichtung gegeben. „Jn früheren Zeiten,‟ſagt<lb/><hirendition="#g">Möllhauſen,</hi>„als der Büffel nur gewiſſermaßen als Hausthier der Jndianer betrachtet werden<lb/>
konnte, war keine Verminderung der unabſehbaren Herden bemerkbar; im Gegentheil, ſie gediehen<lb/>
und vermehrten ſich auf den üppigen Weiden. Nun kamen die Weißen in dieſe Gegenden. Die<lb/>
reichhaarigen großen Pelze gefielen ihnen, das fette Büffelfleiſch fanden ſie nach ihrem Geſchmack, und<lb/>
von beidem verſprachen ſie ſich reichen Gewinn. Es wurden zuerſt bei den Steppenbewohnern Be-<lb/>
gierden nach glänzenden oder betäubenden Erzeugniſſen der Weißen erweckt und dann im kleinſten<lb/>
Maße für ihre Jagdbeute geboten, worauf die Verheerung begann. Tauſende von Büffeln wurden<lb/>
der Zungen wegen, häufiger noch der zottigen Pelze halber erlegt, und in wenigen Jahren war eine<lb/>
bedeutende Verminderung derſelben auffallend bemerkbar. Der ſorgloſe Jndianer gedenkt nicht der<lb/>
Zukunft; er lebt nur der Gegenwart und ihren Genüſſen. Es bedarf bei ihm nicht mehr der Auf-<lb/>
munterung: er wird den Büffel jagen, bis der letzte ihm ſein Kleid gelaſſen. Sicher iſt die Zeit nicht<lb/>
mehr fern, wann die gewaltigen Herden nur noch in der Erinnerung leben und dreimalhundert-<lb/>
tauſend Jndianer ihres Unterhaltes beraubt und vom wüthendſten Hunger getrieben, nebſt Millionen<lb/>
von Wölfen zur Landplage der angrenzenden Geſittung und als ſolche dann mit der Wurzel aus-<lb/>
gerottet werden.‟</p><lb/><p>„Manchfach iſt die Art und Weiſe, durch welche das Thier ſeinen Verfolgern unterliegen muß.<lb/>
Die Büſſeljagd der Prairieindianer iſt eine Beſchäftigung, durch welche ſie ſich nicht nur ihren Unter-<lb/>
halt verſchaffen, ſondern welche ihnen zugleich als höchſtes Vergnügen gilt. Beritten auf ausdauern-<lb/>
den Pferden, die ſie größtentheils wild in der Steppe eingefangen haben, ſind ſie im Stande, jedes<lb/>
Wild in der Ebene einzuholen, und ſuchen einen beſonderen Ruhm darin, mit der größten Schnellig-<lb/>
keit und möglichſtem Erfolg vom Pferde herab ihre tödtlichen Geſchoſſe unter eine fliehende Herde zu<lb/>
verſenden. Beabſichtigt der Jndianer eine Büffelherde zu überholen, ſo entledigt er ſich und ſein<lb/>
Pferd aller nur entbehrlichen und beſchwerenden Gegenſtände: Kleidung und Sattelzeug bleiben<lb/>
zurück; nur eine vierzig Fuß lange Leine, von rohem Leder geflochten, iſt um die Kinnlade des<lb/>
Pferdes geſchnürt und ſchleppt, über den Hals geworfen, in ihrer ganzen Länge auf der Erde nach.<lb/>
Sie dient zum Lenken, zugleich aber auch, um beim etwaigen Sturz oder ſonſtigen Unfall das loſe<lb/>
Pferd wieder leichter in die Gewalt des Neiters zu bringen.‟</p><lb/><p>„Der Jäger führt in der linken Hand den Bogen und ſo viele Pfeile, als er bequem halten<lb/>
kann, in der rechten eine ſchwere Peitſche, mittelſt welcher er ſein flüchtiges Roß durch unbarmherzige<lb/>
Schläge unter die fliehende Herde und an die Seite einer fetten Kuh oder eines jungen Stieres treibt.<lb/>
Das gelehrige Pferd verſteht leicht die Abſicht ſeines Reiters und eilt, keiner weiteren Führung be-<lb/>
dürfend, dicht an die auserwählte Beute heran, um dem Jäger Gelegenheit zu geben, im günſtigen<lb/>
Augenblick den Pfeil bis an die Federn in die Weichen des Büffels zu ſenden. Kaum ſchwirrt die<lb/>ſtraffe Sehne des Bogens, kaum gräbt ſich das ſcharfe Eiſen durch die krauſe Wolle in das fette<lb/>
Fleiſch, ſo entfernt ſich das Pferd von dem verwundeten Thiere durch einen mächtigen Sprung, um<lb/>
den Hörnern des wüthend gewordenen Feindes zu entgehen, und ein anderer Stier wird zum Opfer<lb/>
ausgeſucht. So geht die Hetzjagd mit Sturmeseile über die Ebene dahin, bis die Ermüdung ſeines<lb/>
Thieres den wilden Jäger mahnt, der unerſättlichen Jagdluſt Einhalt zu thun. Die verwundeten<lb/>
Büffel haben ſich indeſſen von der Herde getrennt und liegen erſchöpft oder verendend auf der Straße,<lb/>
auf welcher vor wenigen Minuten die wilde Jagd donnernd dahinbrauſte. Die Weiber des Jägers<lb/>ſind ſeinen Spuren gefolgt und beſchäftigen ſich emſig damit, die Beute zu zerlegen und die beſten<lb/>
Stücke nebſt den Häuten nach den Wigwams zu ſchaffen, wo das Fleiſch in dünne Streifen zerſchnit-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[652/0686]
Die Rinder. — Der Biſon.
An lebenden Feinden fehlt es dem Biſon ebenſowenig, als irgend einem anderen ſeines Ge-
ſchlechts. Es wird geſagt, daß der gewaltige Griſelbär ſelbſt den Kampf mit dem wehrhaften Stier
nicht ſcheue und verſichert, daß auch der Wolf wenigſtens jüngere gefährde. Der ſchlimmſte Feind
aber bleibt doch der Menſch, der in Amerika Eingeborene, wie der dort Eingewanderte, obgleich
ſtreng genommen der Letztere erſt das Zeichen zur Vernichtung gegeben. „Jn früheren Zeiten,‟ ſagt
Möllhauſen, „als der Büffel nur gewiſſermaßen als Hausthier der Jndianer betrachtet werden
konnte, war keine Verminderung der unabſehbaren Herden bemerkbar; im Gegentheil, ſie gediehen
und vermehrten ſich auf den üppigen Weiden. Nun kamen die Weißen in dieſe Gegenden. Die
reichhaarigen großen Pelze gefielen ihnen, das fette Büffelfleiſch fanden ſie nach ihrem Geſchmack, und
von beidem verſprachen ſie ſich reichen Gewinn. Es wurden zuerſt bei den Steppenbewohnern Be-
gierden nach glänzenden oder betäubenden Erzeugniſſen der Weißen erweckt und dann im kleinſten
Maße für ihre Jagdbeute geboten, worauf die Verheerung begann. Tauſende von Büffeln wurden
der Zungen wegen, häufiger noch der zottigen Pelze halber erlegt, und in wenigen Jahren war eine
bedeutende Verminderung derſelben auffallend bemerkbar. Der ſorgloſe Jndianer gedenkt nicht der
Zukunft; er lebt nur der Gegenwart und ihren Genüſſen. Es bedarf bei ihm nicht mehr der Auf-
munterung: er wird den Büffel jagen, bis der letzte ihm ſein Kleid gelaſſen. Sicher iſt die Zeit nicht
mehr fern, wann die gewaltigen Herden nur noch in der Erinnerung leben und dreimalhundert-
tauſend Jndianer ihres Unterhaltes beraubt und vom wüthendſten Hunger getrieben, nebſt Millionen
von Wölfen zur Landplage der angrenzenden Geſittung und als ſolche dann mit der Wurzel aus-
gerottet werden.‟
„Manchfach iſt die Art und Weiſe, durch welche das Thier ſeinen Verfolgern unterliegen muß.
Die Büſſeljagd der Prairieindianer iſt eine Beſchäftigung, durch welche ſie ſich nicht nur ihren Unter-
halt verſchaffen, ſondern welche ihnen zugleich als höchſtes Vergnügen gilt. Beritten auf ausdauern-
den Pferden, die ſie größtentheils wild in der Steppe eingefangen haben, ſind ſie im Stande, jedes
Wild in der Ebene einzuholen, und ſuchen einen beſonderen Ruhm darin, mit der größten Schnellig-
keit und möglichſtem Erfolg vom Pferde herab ihre tödtlichen Geſchoſſe unter eine fliehende Herde zu
verſenden. Beabſichtigt der Jndianer eine Büffelherde zu überholen, ſo entledigt er ſich und ſein
Pferd aller nur entbehrlichen und beſchwerenden Gegenſtände: Kleidung und Sattelzeug bleiben
zurück; nur eine vierzig Fuß lange Leine, von rohem Leder geflochten, iſt um die Kinnlade des
Pferdes geſchnürt und ſchleppt, über den Hals geworfen, in ihrer ganzen Länge auf der Erde nach.
Sie dient zum Lenken, zugleich aber auch, um beim etwaigen Sturz oder ſonſtigen Unfall das loſe
Pferd wieder leichter in die Gewalt des Neiters zu bringen.‟
„Der Jäger führt in der linken Hand den Bogen und ſo viele Pfeile, als er bequem halten
kann, in der rechten eine ſchwere Peitſche, mittelſt welcher er ſein flüchtiges Roß durch unbarmherzige
Schläge unter die fliehende Herde und an die Seite einer fetten Kuh oder eines jungen Stieres treibt.
Das gelehrige Pferd verſteht leicht die Abſicht ſeines Reiters und eilt, keiner weiteren Führung be-
dürfend, dicht an die auserwählte Beute heran, um dem Jäger Gelegenheit zu geben, im günſtigen
Augenblick den Pfeil bis an die Federn in die Weichen des Büffels zu ſenden. Kaum ſchwirrt die
ſtraffe Sehne des Bogens, kaum gräbt ſich das ſcharfe Eiſen durch die krauſe Wolle in das fette
Fleiſch, ſo entfernt ſich das Pferd von dem verwundeten Thiere durch einen mächtigen Sprung, um
den Hörnern des wüthend gewordenen Feindes zu entgehen, und ein anderer Stier wird zum Opfer
ausgeſucht. So geht die Hetzjagd mit Sturmeseile über die Ebene dahin, bis die Ermüdung ſeines
Thieres den wilden Jäger mahnt, der unerſättlichen Jagdluſt Einhalt zu thun. Die verwundeten
Büffel haben ſich indeſſen von der Herde getrennt und liegen erſchöpft oder verendend auf der Straße,
auf welcher vor wenigen Minuten die wilde Jagd donnernd dahinbrauſte. Die Weiber des Jägers
ſind ſeinen Spuren gefolgt und beſchäftigen ſich emſig damit, die Beute zu zerlegen und die beſten
Stücke nebſt den Häuten nach den Wigwams zu ſchaffen, wo das Fleiſch in dünne Streifen zerſchnit-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/686>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.