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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Rinder. -- Der Jak oder grunzende Ochs.
äußerst scheu. Sie eilten bei der geringsten Annäherung schnell davon. Es fiel uns Dies besonders
während unserer Reisen in Turkistan auf, wo wir absichtlich, um Entdeckungen unmöglich zu machen,
die gewöhnliche Karavanenstraße verließen und tagelang durch Gegenden zogen, welche vielleicht jahre-
lang von Menschen nicht betreten worden waren. Nicht nur der Jak, sondern auch die anderen wil-
den Thiere, denen wir begegneten, die Kiangs, die Schafe und die Antilopen, zeigten dieselbe
Furcht bei unserer Annäherung, gerade so, als ob sie stets aufs eifrigste von Menschen verfolgt und
beunruhigt worden wären. Jch erwähne diese Umstände besonders deshalb, weil behauptet wird, daß
die natürliche Scheu wilder Thiere sich sehr vermindert, wenn sie vor Nachstellungen gesichert leben.
Vögel fanden wir stets weit weniger scheu. Ausstreuen von Futter brachte sie sogleich ganz in die
Nähe unseres Lagerplatzes, ja, bei unserer Besteigung des Jbi Gamin haben uns sechs Tage hin-
durch mehrere Krähen von 16,000 bis hinauf zu 22,000 Fuß begleitet."

Der Jak dankt seinen lateinischen Namen seiner eigenthümlichen Stimme, welche weder mit dem
Brüllen unseres Rindes noch mit dem Blöcken der Schafe, noch mit dem Wiehern des Pferdes, sondern
nur mit dem Grunzen des Schweines vergleichbar, obwohl sie etwas tiefer und eintöniger ist, als die
Laute des Schweines es sind. Der Stier läßt jedoch seine Stimme weit seltener vernehmen, als die Kuh
oder das Kalb.

Ueber die Fortpflanzung des wilden Jak fehlen zur Zeit noch Beobachtungen. Man weiß nur,
daß die Kuh im Frühjahr rindert und ein einziges Junge zur Welt bringt, welches alsbald dieselbe
Beweglichkeit, Unruhe und Lebhaftigkeit zeigt, wie die Alte, und ihr augenblicklich, selbst auf den un-
sichersten Felsenpfaden, bis in die höchsten Höhen nachfolgt.

Man jagt dem Jak seines schönen Haares wegen eifrigst nach, heutzutage noch mit Hilfe der
Hunde, wie man ihn noch jetzt mit dem Pfeile erlegt. Die Jagd hat ihre Gefahren; denn ein Fehl-
schuß kostet dem Jäger das Leben, schon aus dem Grunde, weil der Jak ein weit besserer und sicherer
Bergsteiger ist, als der Mensch, und sich viel zu schnell bewegt, als daß dieser entkommen könnte. Der
wilde Jak ist, wie alle freilebenden Stiere, ein gewaltiges, wüthendes Thier, welches sich mit außer-
ordentlichem Muthe vertheidigt, wenn es sein muß. Wie es scheint, ist ein alt eingefangener Jak un-
zähmbar; dagegen werden junge Kälber noch heutigen Tages vielfach gezähmt. Warren Hastings
brachte ein von wilden Eltern abstammendes Jakkalb nach England. Dort versuchte man es später
mit einer zahmen englischen Kuh zu paaren; der Jakstier zeigte aber eine ebenso entschiedene Abneigung
gegen dieselbe, wie der Wisentstier sie unter ähnlichen Umständen an den Tag zu legen pflegt. Jn
Jndien dagegen wird der Jak schon seit alten Zeiten mit anderen Rinderarten gepaart, um deren Nasse
zu veredeln. Dies berichtet bereits Marco Polo und fügt ausdrücklich hinzu, daß man die Jaks zu
diesem Zwecke einfange.

Der Jak ist ein schönes Rind von 6 bis 7 Fuß Leibeslänge und 11/2 Fuß Schwanzlänge, aus-
schließlich des langen Haares, welches den eigenthümlichen Schweif bedeckt. Hinsichtlich seiner Gestalt
steht er ungefähr in der Mitte zwischen dem Wisent, dem Büffel und dem gemeinen Rinde; aber
er erscheint auch gewissermaßen als ein Mittelding von Rind, Pferd und Schaf. An das Pferd erin-
nern die ansprechenden runden, gedrungenen Formen des Leibes, die feinen und fest gesetzten Glieder, der
lange Schwanz, der lebhafte, stolze Gang, die Art, wie er die Füße setzt und die Haltung während
seines schnellen Laufes, an die Ziegen und Schafe aber die lange Behaarung. Ein reiches, seidenar-
tiges Vlies hängt zu seinen beiden Seiten fast bis auf den Boden herab und ziert das Thier auf das
höchste. Eigentlich ähnelt nur der Kopf dem der Ochsen; der übrige Körper ist gleichsam eine Zu-
sammensetzung verschiedener Thierformen. Die Stirn ist kurz und schwach gewölbt, der Kopf kürzer,
als bei den meisten Rassen des Rindes, die Schnauze kolbenartig aufgetrieben; die großen, schmalen
Nasenlöcher stehen weit von einander und fast der Quere; die Lippen sind dick und hängend, die Augen
voll und lebhaft; die Ohren länglich eiförmig, die Hörner höher aufgesetzt, als bei den meisten Rindern,
etwa von Kopfeslänge, dünn und scharfspitzig, beim Stiere vom Grund an halbmondförmig nach
außen, vor- und aufwärts gewendet, mit der Spitze aber wieder nach ein- und rückwärts gekrümmt,

Die Rinder. — Der Jak oder grunzende Ochs.
äußerſt ſcheu. Sie eilten bei der geringſten Annäherung ſchnell davon. Es fiel uns Dies beſonders
während unſerer Reiſen in Turkiſtan auf, wo wir abſichtlich, um Entdeckungen unmöglich zu machen,
die gewöhnliche Karavanenſtraße verließen und tagelang durch Gegenden zogen, welche vielleicht jahre-
lang von Menſchen nicht betreten worden waren. Nicht nur der Jak, ſondern auch die anderen wil-
den Thiere, denen wir begegneten, die Kiangs, die Schafe und die Antilopen, zeigten dieſelbe
Furcht bei unſerer Annäherung, gerade ſo, als ob ſie ſtets aufs eifrigſte von Menſchen verfolgt und
beunruhigt worden wären. Jch erwähne dieſe Umſtände beſonders deshalb, weil behauptet wird, daß
die natürliche Scheu wilder Thiere ſich ſehr vermindert, wenn ſie vor Nachſtellungen geſichert leben.
Vögel fanden wir ſtets weit weniger ſcheu. Ausſtreuen von Futter brachte ſie ſogleich ganz in die
Nähe unſeres Lagerplatzes, ja, bei unſerer Beſteigung des Jbi Gamin haben uns ſechs Tage hin-
durch mehrere Krähen von 16,000 bis hinauf zu 22,000 Fuß begleitet.‟

Der Jak dankt ſeinen lateiniſchen Namen ſeiner eigenthümlichen Stimme, welche weder mit dem
Brüllen unſeres Rindes noch mit dem Blöcken der Schafe, noch mit dem Wiehern des Pferdes, ſondern
nur mit dem Grunzen des Schweines vergleichbar, obwohl ſie etwas tiefer und eintöniger iſt, als die
Laute des Schweines es ſind. Der Stier läßt jedoch ſeine Stimme weit ſeltener vernehmen, als die Kuh
oder das Kalb.

Ueber die Fortpflanzung des wilden Jak fehlen zur Zeit noch Beobachtungen. Man weiß nur,
daß die Kuh im Frühjahr rindert und ein einziges Junge zur Welt bringt, welches alsbald dieſelbe
Beweglichkeit, Unruhe und Lebhaftigkeit zeigt, wie die Alte, und ihr augenblicklich, ſelbſt auf den un-
ſicherſten Felſenpfaden, bis in die höchſten Höhen nachfolgt.

Man jagt dem Jak ſeines ſchönen Haares wegen eifrigſt nach, heutzutage noch mit Hilfe der
Hunde, wie man ihn noch jetzt mit dem Pfeile erlegt. Die Jagd hat ihre Gefahren; denn ein Fehl-
ſchuß koſtet dem Jäger das Leben, ſchon aus dem Grunde, weil der Jak ein weit beſſerer und ſicherer
Bergſteiger iſt, als der Menſch, und ſich viel zu ſchnell bewegt, als daß dieſer entkommen könnte. Der
wilde Jak iſt, wie alle freilebenden Stiere, ein gewaltiges, wüthendes Thier, welches ſich mit außer-
ordentlichem Muthe vertheidigt, wenn es ſein muß. Wie es ſcheint, iſt ein alt eingefangener Jak un-
zähmbar; dagegen werden junge Kälber noch heutigen Tages vielfach gezähmt. Warren Haſtings
brachte ein von wilden Eltern abſtammendes Jakkalb nach England. Dort verſuchte man es ſpäter
mit einer zahmen engliſchen Kuh zu paaren; der Jakſtier zeigte aber eine ebenſo entſchiedene Abneigung
gegen dieſelbe, wie der Wiſentſtier ſie unter ähnlichen Umſtänden an den Tag zu legen pflegt. Jn
Jndien dagegen wird der Jak ſchon ſeit alten Zeiten mit anderen Rinderarten gepaart, um deren Naſſe
zu veredeln. Dies berichtet bereits Marco Polo und fügt ausdrücklich hinzu, daß man die Jaks zu
dieſem Zwecke einfange.

Der Jak iſt ein ſchönes Rind von 6 bis 7 Fuß Leibeslänge und 1½ Fuß Schwanzlänge, aus-
ſchließlich des langen Haares, welches den eigenthümlichen Schweif bedeckt. Hinſichtlich ſeiner Geſtalt
ſteht er ungefähr in der Mitte zwiſchen dem Wiſent, dem Büffel und dem gemeinen Rinde; aber
er erſcheint auch gewiſſermaßen als ein Mittelding von Rind, Pferd und Schaf. An das Pferd erin-
nern die anſprechenden runden, gedrungenen Formen des Leibes, die feinen und feſt geſetzten Glieder, der
lange Schwanz, der lebhafte, ſtolze Gang, die Art, wie er die Füße ſetzt und die Haltung während
ſeines ſchnellen Laufes, an die Ziegen und Schafe aber die lange Behaarung. Ein reiches, ſeidenar-
tiges Vlies hängt zu ſeinen beiden Seiten faſt bis auf den Boden herab und ziert das Thier auf das
höchſte. Eigentlich ähnelt nur der Kopf dem der Ochſen; der übrige Körper iſt gleichſam eine Zu-
ſammenſetzung verſchiedener Thierformen. Die Stirn iſt kurz und ſchwach gewölbt, der Kopf kürzer,
als bei den meiſten Raſſen des Rindes, die Schnauze kolbenartig aufgetrieben; die großen, ſchmalen
Naſenlöcher ſtehen weit von einander und faſt der Quere; die Lippen ſind dick und hängend, die Augen
voll und lebhaft; die Ohren länglich eiförmig, die Hörner höher aufgeſetzt, als bei den meiſten Rindern,
etwa von Kopfeslänge, dünn und ſcharfſpitzig, beim Stiere vom Grund an halbmondförmig nach
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[622/0654] Die Rinder. — Der Jak oder grunzende Ochs. äußerſt ſcheu. Sie eilten bei der geringſten Annäherung ſchnell davon. Es fiel uns Dies beſonders während unſerer Reiſen in Turkiſtan auf, wo wir abſichtlich, um Entdeckungen unmöglich zu machen, die gewöhnliche Karavanenſtraße verließen und tagelang durch Gegenden zogen, welche vielleicht jahre- lang von Menſchen nicht betreten worden waren. Nicht nur der Jak, ſondern auch die anderen wil- den Thiere, denen wir begegneten, die Kiangs, die Schafe und die Antilopen, zeigten dieſelbe Furcht bei unſerer Annäherung, gerade ſo, als ob ſie ſtets aufs eifrigſte von Menſchen verfolgt und beunruhigt worden wären. Jch erwähne dieſe Umſtände beſonders deshalb, weil behauptet wird, daß die natürliche Scheu wilder Thiere ſich ſehr vermindert, wenn ſie vor Nachſtellungen geſichert leben. Vögel fanden wir ſtets weit weniger ſcheu. Ausſtreuen von Futter brachte ſie ſogleich ganz in die Nähe unſeres Lagerplatzes, ja, bei unſerer Beſteigung des Jbi Gamin haben uns ſechs Tage hin- durch mehrere Krähen von 16,000 bis hinauf zu 22,000 Fuß begleitet.‟ Der Jak dankt ſeinen lateiniſchen Namen ſeiner eigenthümlichen Stimme, welche weder mit dem Brüllen unſeres Rindes noch mit dem Blöcken der Schafe, noch mit dem Wiehern des Pferdes, ſondern nur mit dem Grunzen des Schweines vergleichbar, obwohl ſie etwas tiefer und eintöniger iſt, als die Laute des Schweines es ſind. Der Stier läßt jedoch ſeine Stimme weit ſeltener vernehmen, als die Kuh oder das Kalb. Ueber die Fortpflanzung des wilden Jak fehlen zur Zeit noch Beobachtungen. Man weiß nur, daß die Kuh im Frühjahr rindert und ein einziges Junge zur Welt bringt, welches alsbald dieſelbe Beweglichkeit, Unruhe und Lebhaftigkeit zeigt, wie die Alte, und ihr augenblicklich, ſelbſt auf den un- ſicherſten Felſenpfaden, bis in die höchſten Höhen nachfolgt. Man jagt dem Jak ſeines ſchönen Haares wegen eifrigſt nach, heutzutage noch mit Hilfe der Hunde, wie man ihn noch jetzt mit dem Pfeile erlegt. Die Jagd hat ihre Gefahren; denn ein Fehl- ſchuß koſtet dem Jäger das Leben, ſchon aus dem Grunde, weil der Jak ein weit beſſerer und ſicherer Bergſteiger iſt, als der Menſch, und ſich viel zu ſchnell bewegt, als daß dieſer entkommen könnte. Der wilde Jak iſt, wie alle freilebenden Stiere, ein gewaltiges, wüthendes Thier, welches ſich mit außer- ordentlichem Muthe vertheidigt, wenn es ſein muß. Wie es ſcheint, iſt ein alt eingefangener Jak un- zähmbar; dagegen werden junge Kälber noch heutigen Tages vielfach gezähmt. Warren Haſtings brachte ein von wilden Eltern abſtammendes Jakkalb nach England. Dort verſuchte man es ſpäter mit einer zahmen engliſchen Kuh zu paaren; der Jakſtier zeigte aber eine ebenſo entſchiedene Abneigung gegen dieſelbe, wie der Wiſentſtier ſie unter ähnlichen Umſtänden an den Tag zu legen pflegt. Jn Jndien dagegen wird der Jak ſchon ſeit alten Zeiten mit anderen Rinderarten gepaart, um deren Naſſe zu veredeln. Dies berichtet bereits Marco Polo und fügt ausdrücklich hinzu, daß man die Jaks zu dieſem Zwecke einfange. Der Jak iſt ein ſchönes Rind von 6 bis 7 Fuß Leibeslänge und 1½ Fuß Schwanzlänge, aus- ſchließlich des langen Haares, welches den eigenthümlichen Schweif bedeckt. Hinſichtlich ſeiner Geſtalt ſteht er ungefähr in der Mitte zwiſchen dem Wiſent, dem Büffel und dem gemeinen Rinde; aber er erſcheint auch gewiſſermaßen als ein Mittelding von Rind, Pferd und Schaf. An das Pferd erin- nern die anſprechenden runden, gedrungenen Formen des Leibes, die feinen und feſt geſetzten Glieder, der lange Schwanz, der lebhafte, ſtolze Gang, die Art, wie er die Füße ſetzt und die Haltung während ſeines ſchnellen Laufes, an die Ziegen und Schafe aber die lange Behaarung. Ein reiches, ſeidenar- tiges Vlies hängt zu ſeinen beiden Seiten faſt bis auf den Boden herab und ziert das Thier auf das höchſte. Eigentlich ähnelt nur der Kopf dem der Ochſen; der übrige Körper iſt gleichſam eine Zu- ſammenſetzung verſchiedener Thierformen. Die Stirn iſt kurz und ſchwach gewölbt, der Kopf kürzer, als bei den meiſten Raſſen des Rindes, die Schnauze kolbenartig aufgetrieben; die großen, ſchmalen Naſenlöcher ſtehen weit von einander und faſt der Quere; die Lippen ſind dick und hängend, die Augen voll und lebhaft; die Ohren länglich eiförmig, die Hörner höher aufgeſetzt, als bei den meiſten Rindern, etwa von Kopfeslänge, dünn und ſcharfſpitzig, beim Stiere vom Grund an halbmondförmig nach außen, vor- und aufwärts gewendet, mit der Spitze aber wieder nach ein- und rückwärts gekrümmt,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/654>, abgerufen am 23.11.2024.