Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Big-Horn oder Dickhorn.
auf den vorspringenden Kanten auf, um ihr Gebiet zu überschauen. Ein schnaufender Nasenton
gibt bei Gefahr das Zeichen zur Flucht, und auf dieses hin stürmt die Herde in rasender Eile davon.
Wenn die Gegend ruhig ist, steigen die Thiere übrigens gern in die Tiefe herab und kommen dann
oft auf die Wiesenstellen und Grasplätze in den Schluchten oder an die Ufer der Flüsse, um sich zu
äßen. Den Höhlungen des Gebirges, an deren Wänden Salpeter und andere Salze ausblühen,
statten sie täglich Besuche ab, um sich zu sulzen, und solche Plätze sind es denn auch, wo sie dem
Menschen noch am leichtesten zur Beute werden. Drummont, ein erfahrener Jäger, berichtete
Richardson, daß die Bergschafe in allen Gegenden, welche von dem Jäger selten beunruhigt wer-
den, wenig scheu sind und dem Waidmann ohne Schwierigkeit die erwünschte Annäherung gestatten.
Erfahrung aber macht sie bald und dann überaus scheu. Wo sie den Menschen kennen gelernt haben,
fürchten sie ihn ebenso sehr, als ihren zweitschlimmsten Feind, den Wolf. Jhre Aufenthaltsorte ge-
währen ihnen den besten Schutz. Die entsetzlichen Einöden erfordern einen Jäger, welcher die Be-
dürfnisse anderer Menschen kaum kennt und gefaßt sein muß, Tage und Wochen lang allerlei Müh-
sale und Beschwerde zu ertragen, ganz abgesehen von den Gefahren, welche die Beschaffenheit der
mauvaises terres mit sich bringt.

Bisjetzt hat es noch nicht gelingen wollen, das Dickhorn zu fangen; die Sitte der Mutter, ihre
Jungen baldmöglichst nach den wildesten Felsgegenden zu führen, mag dazu das Jhrige beitragen. Ein
Herr M'Cenzie versprach, wie der Prinz mittheilt, seinen Jägern ein gutes Pferd, wenn sie ihm
ein Lamm dieses Schafes verschaffen würden, jedoch vergeblich. Es war selbst den ausgelerntesten
Wildschützen Amerikas unmöglich, sich den verhältnißmäßig sehr hohen Lohn zu verdienen.

Das Wildpret wird von den Weißen, wie von den Jndianern gegessen, hat aber einen schaf-
artigen Geruch, welcher namentlich bei dem Bock und zumal während der Brunstzeit sehr fühlbar ist.
Die Haut wird von den Jndianern zu ihren schmucken Lederhemden sehr gesucht; sie ist dauerhaft und
stark, jedoch weich und schmiegsam.

Einige Naturforscher glauben, daß unser Hausschaf von einem der verschiedenen Wildschafe
abstamme, andere sind der Ansicht, daß die Stammart schon seit undenklichen Zeiten vollständig
ausgestorben oder in den Hausstand übergegangen, also nirgends mehr zu finden sei. Die Meisten
nehmen nur eine einzige Stammart an, sind aber hierin verschiedener Meinung; denn die Einen
wollen in dem Argali, die Anderen in dem Mufflon, die Dritten in dem Tetal oder Arui den
Stammvater suchen. Es geht uns hier, wie bei den übrigen Hausthieren: -- wir haben keine
Ahnung, woher das nützliche, aber sonst sehr wenig fesselnde Hausthier kommt. Wir wiffen, daß
das Schaf, wie Rind und Ziege, schon seit undenklichen Zeiten unter der Herrschaft des Menschen
lebt und sich allgemach über die ganze Erde verbreitet hat; aber das Formenspiel seiner Rassen ist so
außerordentlich groß, daß man kaum begreift, wie alle die Verschiedenheiten durch Züchtung und
klimatische Einflüsse hervorgegangen sein konnten. Zwar sehen wir heutigen Tages noch, wie sehr
gerade das Hausschaf durch Kreuzung mit anderen Rassen verändert werden kann; allein eben diese
Rassen, welche zur Kreuzung benutzt werden, sind sich schon seit Jahrhunderten gleich geblieben, und
nirgends finden wir ein Anzeichen, daß auch sie ihrerseits erst wieder durch Kreuzung zu Dem wur-
den, was sie sind. Merkwürdig ist jedenfalls, daß nur höchst wenige zahme Schafe noch irgend einer
wilden Stammart gleichen: gerade in der Unähnlichkeit mit den Wildschafen kommen die zahmen
überein. Jm inneren Afrika gibt es Schafe, welche mit dem Tetal große Aehnlichkeit haben; gleich-
wohl kann man immer nicht behaupten, daß sie von ihm abstammen.

Die Unterschiede zwischen den Rassen bestehen hauptsächlich in der Windung des Gehörnes, in
der Länge und Bildung des Schwanzes und in der Behaarung. "Alle bisjetzt bekannten Wildschafe,"
sagt Fitzinger, "zeichnen sich durch beträchtliche Kürze ihres Schwanzes aus; während man unter
den zahmen Schafen eine verhältnißmäßig nur sehr geringe Menge von Rassen trifft, welche dieses
Merkmal mit ihnen theilen. Daß eine solche Veränderung durch außerordentliche Einflüsse bewirkt

Brehm, Thierleben. II. 39

Das Big-Horn oder Dickhorn.
auf den vorſpringenden Kanten auf, um ihr Gebiet zu überſchauen. Ein ſchnaufender Naſenton
gibt bei Gefahr das Zeichen zur Flucht, und auf dieſes hin ſtürmt die Herde in raſender Eile davon.
Wenn die Gegend ruhig iſt, ſteigen die Thiere übrigens gern in die Tiefe herab und kommen dann
oft auf die Wieſenſtellen und Grasplätze in den Schluchten oder an die Ufer der Flüſſe, um ſich zu
äßen. Den Höhlungen des Gebirges, an deren Wänden Salpeter und andere Salze ausblühen,
ſtatten ſie täglich Beſuche ab, um ſich zu ſulzen, und ſolche Plätze ſind es denn auch, wo ſie dem
Menſchen noch am leichteſten zur Beute werden. Drummont, ein erfahrener Jäger, berichtete
Richardſon, daß die Bergſchafe in allen Gegenden, welche von dem Jäger ſelten beunruhigt wer-
den, wenig ſcheu ſind und dem Waidmann ohne Schwierigkeit die erwünſchte Annäherung geſtatten.
Erfahrung aber macht ſie bald und dann überaus ſcheu. Wo ſie den Menſchen kennen gelernt haben,
fürchten ſie ihn ebenſo ſehr, als ihren zweitſchlimmſten Feind, den Wolf. Jhre Aufenthaltsorte ge-
währen ihnen den beſten Schutz. Die entſetzlichen Einöden erfordern einen Jäger, welcher die Be-
dürfniſſe anderer Menſchen kaum kennt und gefaßt ſein muß, Tage und Wochen lang allerlei Müh-
ſale und Beſchwerde zu ertragen, ganz abgeſehen von den Gefahren, welche die Beſchaffenheit der
mauvaises terres mit ſich bringt.

Bisjetzt hat es noch nicht gelingen wollen, das Dickhorn zu fangen; die Sitte der Mutter, ihre
Jungen baldmöglichſt nach den wildeſten Felsgegenden zu führen, mag dazu das Jhrige beitragen. Ein
Herr M’Cenzie verſprach, wie der Prinz mittheilt, ſeinen Jägern ein gutes Pferd, wenn ſie ihm
ein Lamm dieſes Schafes verſchaffen würden, jedoch vergeblich. Es war ſelbſt den ausgelernteſten
Wildſchützen Amerikas unmöglich, ſich den verhältnißmäßig ſehr hohen Lohn zu verdienen.

Das Wildpret wird von den Weißen, wie von den Jndianern gegeſſen, hat aber einen ſchaf-
artigen Geruch, welcher namentlich bei dem Bock und zumal während der Brunſtzeit ſehr fühlbar iſt.
Die Haut wird von den Jndianern zu ihren ſchmucken Lederhemden ſehr geſucht; ſie iſt dauerhaft und
ſtark, jedoch weich und ſchmiegſam.

Einige Naturforſcher glauben, daß unſer Hausſchaf von einem der verſchiedenen Wildſchafe
abſtamme, andere ſind der Anſicht, daß die Stammart ſchon ſeit undenklichen Zeiten vollſtändig
ausgeſtorben oder in den Hausſtand übergegangen, alſo nirgends mehr zu finden ſei. Die Meiſten
nehmen nur eine einzige Stammart an, ſind aber hierin verſchiedener Meinung; denn die Einen
wollen in dem Argali, die Anderen in dem Mufflon, die Dritten in dem Tetal oder Arui den
Stammvater ſuchen. Es geht uns hier, wie bei den übrigen Hausthieren: — wir haben keine
Ahnung, woher das nützliche, aber ſonſt ſehr wenig feſſelnde Hausthier kommt. Wir wiffen, daß
das Schaf, wie Rind und Ziege, ſchon ſeit undenklichen Zeiten unter der Herrſchaft des Menſchen
lebt und ſich allgemach über die ganze Erde verbreitet hat; aber das Formenſpiel ſeiner Raſſen iſt ſo
außerordentlich groß, daß man kaum begreift, wie alle die Verſchiedenheiten durch Züchtung und
klimatiſche Einflüſſe hervorgegangen ſein konnten. Zwar ſehen wir heutigen Tages noch, wie ſehr
gerade das Hausſchaf durch Kreuzung mit anderen Raſſen verändert werden kann; allein eben dieſe
Raſſen, welche zur Kreuzung benutzt werden, ſind ſich ſchon ſeit Jahrhunderten gleich geblieben, und
nirgends finden wir ein Anzeichen, daß auch ſie ihrerſeits erſt wieder durch Kreuzung zu Dem wur-
den, was ſie ſind. Merkwürdig iſt jedenfalls, daß nur höchſt wenige zahme Schafe noch irgend einer
wilden Stammart gleichen: gerade in der Unähnlichkeit mit den Wildſchafen kommen die zahmen
überein. Jm inneren Afrika gibt es Schafe, welche mit dem Tetal große Aehnlichkeit haben; gleich-
wohl kann man immer nicht behaupten, daß ſie von ihm abſtammen.

Die Unterſchiede zwiſchen den Raſſen beſtehen hauptſächlich in der Windung des Gehörnes, in
der Länge und Bildung des Schwanzes und in der Behaarung. „Alle bisjetzt bekannten Wildſchafe,‟
ſagt Fitzinger, „zeichnen ſich durch beträchtliche Kürze ihres Schwanzes aus; während man unter
den zahmen Schafen eine verhältnißmäßig nur ſehr geringe Menge von Raſſen trifft, welche dieſes
Merkmal mit ihnen theilen. Daß eine ſolche Veränderung durch außerordentliche Einflüſſe bewirkt

Brehm, Thierleben. II. 39
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0639" n="609"/><fw place="top" type="header">Das Big-Horn oder Dickhorn.</fw><lb/>
auf den vor&#x017F;pringenden Kanten auf, um ihr Gebiet zu über&#x017F;chauen. Ein &#x017F;chnaufender Na&#x017F;enton<lb/>
gibt bei Gefahr das Zeichen zur Flucht, und auf die&#x017F;es hin &#x017F;türmt die Herde in ra&#x017F;ender Eile davon.<lb/>
Wenn die Gegend ruhig i&#x017F;t, &#x017F;teigen die Thiere übrigens gern in die Tiefe herab und kommen dann<lb/>
oft auf die Wie&#x017F;en&#x017F;tellen und Grasplätze in den Schluchten oder an die Ufer der Flü&#x017F;&#x017F;e, um &#x017F;ich zu<lb/>
äßen. Den Höhlungen des Gebirges, an deren Wänden Salpeter und andere Salze ausblühen,<lb/>
&#x017F;tatten &#x017F;ie täglich Be&#x017F;uche ab, um &#x017F;ich zu &#x017F;ulzen, und &#x017F;olche Plätze &#x017F;ind es denn auch, wo &#x017F;ie dem<lb/>
Men&#x017F;chen noch am leichte&#x017F;ten zur Beute werden. <hi rendition="#g">Drummont,</hi> ein erfahrener Jäger, berichtete<lb/><hi rendition="#g">Richard&#x017F;on,</hi> daß die Berg&#x017F;chafe in allen Gegenden, welche von dem Jäger &#x017F;elten beunruhigt wer-<lb/>
den, wenig &#x017F;cheu &#x017F;ind und dem Waidmann ohne Schwierigkeit die erwün&#x017F;chte Annäherung ge&#x017F;tatten.<lb/>
Erfahrung aber macht &#x017F;ie bald und dann überaus &#x017F;cheu. Wo &#x017F;ie den Men&#x017F;chen kennen gelernt haben,<lb/>
fürchten &#x017F;ie ihn eben&#x017F;o &#x017F;ehr, als ihren zweit&#x017F;chlimm&#x017F;ten Feind, den Wolf. Jhre Aufenthaltsorte ge-<lb/>
währen ihnen den be&#x017F;ten Schutz. Die ent&#x017F;etzlichen Einöden erfordern einen Jäger, welcher die Be-<lb/>
dürfni&#x017F;&#x017F;e anderer Men&#x017F;chen kaum kennt und gefaßt &#x017F;ein muß, Tage und Wochen lang allerlei Müh-<lb/>
&#x017F;ale und Be&#x017F;chwerde zu ertragen, ganz abge&#x017F;ehen von den Gefahren, welche die Be&#x017F;chaffenheit der<lb/><hi rendition="#aq">mauvaises terres</hi> mit &#x017F;ich bringt.</p><lb/>
              <p>Bisjetzt hat es noch nicht gelingen wollen, das Dickhorn zu fangen; die Sitte der Mutter, ihre<lb/>
Jungen baldmöglich&#x017F;t nach den wilde&#x017F;ten Felsgegenden zu führen, mag dazu das Jhrige beitragen. Ein<lb/>
Herr M&#x2019;<hi rendition="#g">Cenzie</hi> ver&#x017F;prach, wie der Prinz mittheilt, &#x017F;einen Jägern ein gutes Pferd, wenn &#x017F;ie ihm<lb/>
ein Lamm die&#x017F;es Schafes ver&#x017F;chaffen würden, jedoch vergeblich. Es war &#x017F;elb&#x017F;t den ausgelernte&#x017F;ten<lb/>
Wild&#x017F;chützen Amerikas unmöglich, &#x017F;ich den verhältnißmäßig &#x017F;ehr hohen Lohn zu verdienen.</p><lb/>
              <p>Das Wildpret wird von den Weißen, wie von den Jndianern gege&#x017F;&#x017F;en, hat aber einen &#x017F;chaf-<lb/>
artigen Geruch, welcher namentlich bei dem Bock und zumal während der Brun&#x017F;tzeit &#x017F;ehr fühlbar i&#x017F;t.<lb/>
Die Haut wird von den Jndianern zu ihren &#x017F;chmucken Lederhemden &#x017F;ehr ge&#x017F;ucht; &#x017F;ie i&#x017F;t dauerhaft und<lb/>
&#x017F;tark, jedoch weich und &#x017F;chmieg&#x017F;am.</p><lb/>
              <p>Einige Naturfor&#x017F;cher glauben, daß un&#x017F;er <hi rendition="#g">Haus&#x017F;chaf</hi> von einem der ver&#x017F;chiedenen Wild&#x017F;chafe<lb/>
ab&#x017F;tamme, andere &#x017F;ind der An&#x017F;icht, daß die Stammart &#x017F;chon &#x017F;eit undenklichen Zeiten voll&#x017F;tändig<lb/>
ausge&#x017F;torben oder in den Haus&#x017F;tand übergegangen, al&#x017F;o nirgends mehr zu finden &#x017F;ei. Die Mei&#x017F;ten<lb/>
nehmen nur eine einzige Stammart an, &#x017F;ind aber hierin ver&#x017F;chiedener Meinung; denn die Einen<lb/>
wollen in dem <hi rendition="#g">Argali,</hi> die Anderen in dem <hi rendition="#g">Mufflon,</hi> die Dritten in dem <hi rendition="#g">Tetal</hi> oder <hi rendition="#g">Arui</hi> den<lb/>
Stammvater &#x017F;uchen. Es geht uns hier, wie bei den übrigen Hausthieren: &#x2014; wir haben keine<lb/>
Ahnung, woher das nützliche, aber &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ehr wenig fe&#x017F;&#x017F;elnde Hausthier kommt. Wir wiffen, daß<lb/>
das Schaf, wie Rind und Ziege, &#x017F;chon &#x017F;eit undenklichen Zeiten unter der Herr&#x017F;chaft des Men&#x017F;chen<lb/>
lebt und &#x017F;ich allgemach über die ganze Erde verbreitet hat; aber das Formen&#x017F;piel &#x017F;einer Ra&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
außerordentlich groß, daß man kaum begreift, wie alle die Ver&#x017F;chiedenheiten durch Züchtung und<lb/>
klimati&#x017F;che Einflü&#x017F;&#x017F;e hervorgegangen &#x017F;ein konnten. Zwar &#x017F;ehen wir heutigen Tages noch, wie &#x017F;ehr<lb/>
gerade das Haus&#x017F;chaf durch Kreuzung mit anderen Ra&#x017F;&#x017F;en verändert werden kann; allein eben die&#x017F;e<lb/>
Ra&#x017F;&#x017F;en, welche zur Kreuzung benutzt werden, &#x017F;ind &#x017F;ich &#x017F;chon &#x017F;eit Jahrhunderten gleich geblieben, und<lb/>
nirgends finden wir ein Anzeichen, daß auch &#x017F;ie ihrer&#x017F;eits er&#x017F;t wieder durch Kreuzung zu Dem wur-<lb/>
den, was &#x017F;ie &#x017F;ind. Merkwürdig i&#x017F;t jedenfalls, daß nur höch&#x017F;t wenige zahme Schafe noch irgend einer<lb/>
wilden Stammart gleichen: gerade in der Unähnlichkeit mit den Wild&#x017F;chafen kommen die zahmen<lb/>
überein. Jm inneren Afrika gibt es Schafe, welche mit dem Tetal große Aehnlichkeit haben; gleich-<lb/>
wohl kann man immer nicht behaupten, daß &#x017F;ie von ihm ab&#x017F;tammen.</p><lb/>
              <p>Die Unter&#x017F;chiede zwi&#x017F;chen den Ra&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;tehen haupt&#x017F;ächlich in der Windung des Gehörnes, in<lb/>
der Länge und Bildung des Schwanzes und in der Behaarung. &#x201E;Alle bisjetzt bekannten Wild&#x017F;chafe,&#x201F;<lb/>
&#x017F;agt <hi rendition="#g">Fitzinger,</hi> &#x201E;zeichnen &#x017F;ich durch beträchtliche Kürze ihres Schwanzes aus; während man unter<lb/>
den zahmen Schafen eine verhältnißmäßig nur &#x017F;ehr geringe Menge von Ra&#x017F;&#x017F;en trifft, welche die&#x017F;es<lb/>
Merkmal mit ihnen theilen. Daß eine &#x017F;olche Veränderung durch außerordentliche Einflü&#x017F;&#x017F;e bewirkt<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hi rendition="#aq">II.</hi> 39</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[609/0639] Das Big-Horn oder Dickhorn. auf den vorſpringenden Kanten auf, um ihr Gebiet zu überſchauen. Ein ſchnaufender Naſenton gibt bei Gefahr das Zeichen zur Flucht, und auf dieſes hin ſtürmt die Herde in raſender Eile davon. Wenn die Gegend ruhig iſt, ſteigen die Thiere übrigens gern in die Tiefe herab und kommen dann oft auf die Wieſenſtellen und Grasplätze in den Schluchten oder an die Ufer der Flüſſe, um ſich zu äßen. Den Höhlungen des Gebirges, an deren Wänden Salpeter und andere Salze ausblühen, ſtatten ſie täglich Beſuche ab, um ſich zu ſulzen, und ſolche Plätze ſind es denn auch, wo ſie dem Menſchen noch am leichteſten zur Beute werden. Drummont, ein erfahrener Jäger, berichtete Richardſon, daß die Bergſchafe in allen Gegenden, welche von dem Jäger ſelten beunruhigt wer- den, wenig ſcheu ſind und dem Waidmann ohne Schwierigkeit die erwünſchte Annäherung geſtatten. Erfahrung aber macht ſie bald und dann überaus ſcheu. Wo ſie den Menſchen kennen gelernt haben, fürchten ſie ihn ebenſo ſehr, als ihren zweitſchlimmſten Feind, den Wolf. Jhre Aufenthaltsorte ge- währen ihnen den beſten Schutz. Die entſetzlichen Einöden erfordern einen Jäger, welcher die Be- dürfniſſe anderer Menſchen kaum kennt und gefaßt ſein muß, Tage und Wochen lang allerlei Müh- ſale und Beſchwerde zu ertragen, ganz abgeſehen von den Gefahren, welche die Beſchaffenheit der mauvaises terres mit ſich bringt. Bisjetzt hat es noch nicht gelingen wollen, das Dickhorn zu fangen; die Sitte der Mutter, ihre Jungen baldmöglichſt nach den wildeſten Felsgegenden zu führen, mag dazu das Jhrige beitragen. Ein Herr M’Cenzie verſprach, wie der Prinz mittheilt, ſeinen Jägern ein gutes Pferd, wenn ſie ihm ein Lamm dieſes Schafes verſchaffen würden, jedoch vergeblich. Es war ſelbſt den ausgelernteſten Wildſchützen Amerikas unmöglich, ſich den verhältnißmäßig ſehr hohen Lohn zu verdienen. Das Wildpret wird von den Weißen, wie von den Jndianern gegeſſen, hat aber einen ſchaf- artigen Geruch, welcher namentlich bei dem Bock und zumal während der Brunſtzeit ſehr fühlbar iſt. Die Haut wird von den Jndianern zu ihren ſchmucken Lederhemden ſehr geſucht; ſie iſt dauerhaft und ſtark, jedoch weich und ſchmiegſam. Einige Naturforſcher glauben, daß unſer Hausſchaf von einem der verſchiedenen Wildſchafe abſtamme, andere ſind der Anſicht, daß die Stammart ſchon ſeit undenklichen Zeiten vollſtändig ausgeſtorben oder in den Hausſtand übergegangen, alſo nirgends mehr zu finden ſei. Die Meiſten nehmen nur eine einzige Stammart an, ſind aber hierin verſchiedener Meinung; denn die Einen wollen in dem Argali, die Anderen in dem Mufflon, die Dritten in dem Tetal oder Arui den Stammvater ſuchen. Es geht uns hier, wie bei den übrigen Hausthieren: — wir haben keine Ahnung, woher das nützliche, aber ſonſt ſehr wenig feſſelnde Hausthier kommt. Wir wiffen, daß das Schaf, wie Rind und Ziege, ſchon ſeit undenklichen Zeiten unter der Herrſchaft des Menſchen lebt und ſich allgemach über die ganze Erde verbreitet hat; aber das Formenſpiel ſeiner Raſſen iſt ſo außerordentlich groß, daß man kaum begreift, wie alle die Verſchiedenheiten durch Züchtung und klimatiſche Einflüſſe hervorgegangen ſein konnten. Zwar ſehen wir heutigen Tages noch, wie ſehr gerade das Hausſchaf durch Kreuzung mit anderen Raſſen verändert werden kann; allein eben dieſe Raſſen, welche zur Kreuzung benutzt werden, ſind ſich ſchon ſeit Jahrhunderten gleich geblieben, und nirgends finden wir ein Anzeichen, daß auch ſie ihrerſeits erſt wieder durch Kreuzung zu Dem wur- den, was ſie ſind. Merkwürdig iſt jedenfalls, daß nur höchſt wenige zahme Schafe noch irgend einer wilden Stammart gleichen: gerade in der Unähnlichkeit mit den Wildſchafen kommen die zahmen überein. Jm inneren Afrika gibt es Schafe, welche mit dem Tetal große Aehnlichkeit haben; gleich- wohl kann man immer nicht behaupten, daß ſie von ihm abſtammen. Die Unterſchiede zwiſchen den Raſſen beſtehen hauptſächlich in der Windung des Gehörnes, in der Länge und Bildung des Schwanzes und in der Behaarung. „Alle bisjetzt bekannten Wildſchafe,‟ ſagt Fitzinger, „zeichnen ſich durch beträchtliche Kürze ihres Schwanzes aus; während man unter den zahmen Schafen eine verhältnißmäßig nur ſehr geringe Menge von Raſſen trifft, welche dieſes Merkmal mit ihnen theilen. Daß eine ſolche Veränderung durch außerordentliche Einflüſſe bewirkt Brehm, Thierleben. II. 39

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/639
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/639>, abgerufen am 24.05.2024.