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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das afrikanische Mähnenschaf.
pflanzen im Sommer, dürre Flechten und trockene Gräser im Winter; vielleicht mögen ihm auch ein-
zelne von den niederen Gestrüppflanzen willkommen sein."

"Es lag mir Alles daran, soviel als möglich über die Lebensweise des Thieres zu erfahren, und
ich beschloß deshalb, keine Mühe und Beschwerde zu scheuen. Doch hatte ich mir die Jagd immer
noch viel leichter vorgestellt, als sie wirklich war. Jn Begleitung meines Dieners Ali-Jbben-Abel
verließ ich die Oase Biskra und ritt in nordöstlicher Richtung längs des Wadi, welches hier von
allen Seiten durch echte Wüstenberge eingeschlossen ist, nach dem Djebel el Melch, einem Theil
des Aurasgebirges, welches hier ziemlich steil in die Ebene abfällt und, wie gewöhnlich, am Fuße mit
wüsten Halden und zerspalteten und zerrissenen Felsstücken bedeckt ist. Wir mußten lange suchen,
ehe wir einen Weg durch das Wirrsal fanden, und hatten dann nicht blos unsere Füße, sondern auch
unsere Hände recht nöthig, um uns über die gefährlichsten Stellen hinweg zu schleppen. Endlich fan-
den wir einen, wie es schien, ziemlich betretenen Felspfad, der uns durch die nackten, weißgrauen
Kreidefelsen führte, freilich hart an wirklich furchterregenden Abgründen von ansehnlichen Salzmassen
und Gipslagern. Die gelegentlich in Arbeit genommenen Kreidefelsen hatten zur besseren Ebenung
dieses Pfades Veranlassung gegeben, und so konnten wir immer noch von Glück sagen; denn ohne
diesen Weg würden wir schwerlich nach oben gekommen sein. Eine Todtenstille umgab uns; kein
lebendes Wesen schien hier vorhanden zu sein; nur die kleine, überall gegenwärtige Wüstenlerche,
der Vertreter des Lebens auch in dem sichtbarlichsten Reiche des Todes, ließ ihren schwermüthigen
Ruf ertönen."

"Mühselig kletterten wir einige Stunden fort und mochten vielleicht nach und nach eine Höhe von
5000 Fuß über dem Meere erstiegen haben: da winkte uns eine frische plätschernde Quelle zur Ruhe.
Wir schlürften entzückt das köstliche Wasser und entdeckten dabei die Fährte eines Arni. Fast hätte ich
schon jetzt aufgejauchzt über das Glück, welches uns begünstigte; denn das Mähnenschaf, welches
heute morgen hier getrunken, war mir so gut als sicher: ich wußte, daß es wieder hierher zurück-
kehren, und daß mich dann mein treues erprobtes Gewehr gewiß nicht verlassen würde. Gleichwohl
ließ uns die Ungeduld nicht recht zur Ruhe kommen, und noch ehe wir uns gehörig erfrischt hatten,
begannen wir weiter nach oben zu steigen, in der Hoffnung, vielleicht schon jetzt Etwas von dem
Thiere zu sehen. Aber vergebens waren unsere Anstrengungen. Wir kletterten den ganzen Tag
umher, ohne auch nur ein Anzeichen des Wildschafes zu finden. Die Nacht brach schnell herein und
nöthigte uns, ein Unterkommen zu suchen. Ein Felsenabhang in der Nähe jener Quelle mußte uns
Herberge geben, und obwohl es nicht gerade zu den Annehmlichkeiten gehört, im Januar in einer
solchen Höhe die Nacht zuzubringen, ließ doch das Jagdfeuer uns die Kälte leicht überwinden, ja, es
brachte uns beinahe um den uns so nöthigen Schlaf. Der Morgen graute noch nicht, als wir schon
auf dem Anstand lagen. Ein dichter Nebel hatte uns eingehüllt; jetzt löste er sich allmählich streifen-
artig von den Graten, und nur die Ebene tief unten war mit einem dichten Schleier verhüllt. Jn
erwartungsvoller Stille mochten wir etwa 11/2 Stunde gelegen haben: da schritt langsamen Ganges
ein gewaltiger Feschthal zu uns heran. Jede Bewegung war edel und stolz, jeder Schritt sicher, fest
und ruhig; man glaubte, es dem Thiere anzusehen, daß es sich hier als Herr und König der Höhe
fühle. Und weiter und weiter heran kam er; vorsichtig suchte er den sanftesten Strand; jetzt bückte
er den Kopf zum Trinken: -- da blitzte das Feuer aus unsern beiden Gewehren. Mit einem Schrei
sank der Widder zusammen; aber plötzlich raffte er sich wieder auf, und dahin ging es in rasender
Eile, mit Sätzen, wie ich sie vorher nie geschaut, mit Sätzen, wie sie wohl ein Hirsch auf der
Ebene machen kann. Gemsengleich, sicher und kühn, jagte er dahin, und wir standen verblüfft
und schauten ihm nach. Doch getroffen war er, und weit konnte er unseres Erachtens nicht gekommen
sein: also auf zur Verfolgung! Aber Stunde auf Stunde verlief, und immer noch eilten wir hinter
dem Thiere drein, dessen Fährte jetzt durch die Blutspuren dem scharfen Auge meines arabischen Be-
gleiters nur zu deutlich war. Vier bis fünf Stunden mochte unsere Verfolgung gedauert haben, da
führte die Fährte nach einem Felsengrate hin, der schroff und steil wohl 200 Fuß nach einem Kessel

Das afrikaniſche Mähnenſchaf.
pflanzen im Sommer, dürre Flechten und trockene Gräſer im Winter; vielleicht mögen ihm auch ein-
zelne von den niederen Geſtrüppflanzen willkommen ſein.‟

„Es lag mir Alles daran, ſoviel als möglich über die Lebensweiſe des Thieres zu erfahren, und
ich beſchloß deshalb, keine Mühe und Beſchwerde zu ſcheuen. Doch hatte ich mir die Jagd immer
noch viel leichter vorgeſtellt, als ſie wirklich war. Jn Begleitung meines Dieners Ali-Jbben-Abel
verließ ich die Oaſe Biskra und ritt in nordöſtlicher Richtung längs des Wadi, welches hier von
allen Seiten durch echte Wüſtenberge eingeſchloſſen iſt, nach dem Djebel el Melch, einem Theil
des Aurasgebirges, welches hier ziemlich ſteil in die Ebene abfällt und, wie gewöhnlich, am Fuße mit
wüſten Halden und zerſpalteten und zerriſſenen Felsſtücken bedeckt iſt. Wir mußten lange ſuchen,
ehe wir einen Weg durch das Wirrſal fanden, und hatten dann nicht blos unſere Füße, ſondern auch
unſere Hände recht nöthig, um uns über die gefährlichſten Stellen hinweg zu ſchleppen. Endlich fan-
den wir einen, wie es ſchien, ziemlich betretenen Felspfad, der uns durch die nackten, weißgrauen
Kreidefelſen führte, freilich hart an wirklich furchterregenden Abgründen von anſehnlichen Salzmaſſen
und Gipslagern. Die gelegentlich in Arbeit genommenen Kreidefelſen hatten zur beſſeren Ebenung
dieſes Pfades Veranlaſſung gegeben, und ſo konnten wir immer noch von Glück ſagen; denn ohne
dieſen Weg würden wir ſchwerlich nach oben gekommen ſein. Eine Todtenſtille umgab uns; kein
lebendes Weſen ſchien hier vorhanden zu ſein; nur die kleine, überall gegenwärtige Wüſtenlerche,
der Vertreter des Lebens auch in dem ſichtbarlichſten Reiche des Todes, ließ ihren ſchwermüthigen
Ruf ertönen.‟

„Mühſelig kletterten wir einige Stunden fort und mochten vielleicht nach und nach eine Höhe von
5000 Fuß über dem Meere erſtiegen haben: da winkte uns eine friſche plätſchernde Quelle zur Ruhe.
Wir ſchlürften entzückt das köſtliche Waſſer und entdeckten dabei die Fährte eines Arni. Faſt hätte ich
ſchon jetzt aufgejauchzt über das Glück, welches uns begünſtigte; denn das Mähnenſchaf, welches
heute morgen hier getrunken, war mir ſo gut als ſicher: ich wußte, daß es wieder hierher zurück-
kehren, und daß mich dann mein treues erprobtes Gewehr gewiß nicht verlaſſen würde. Gleichwohl
ließ uns die Ungeduld nicht recht zur Ruhe kommen, und noch ehe wir uns gehörig erfriſcht hatten,
begannen wir weiter nach oben zu ſteigen, in der Hoffnung, vielleicht ſchon jetzt Etwas von dem
Thiere zu ſehen. Aber vergebens waren unſere Anſtrengungen. Wir kletterten den ganzen Tag
umher, ohne auch nur ein Anzeichen des Wildſchafes zu finden. Die Nacht brach ſchnell herein und
nöthigte uns, ein Unterkommen zu ſuchen. Ein Felſenabhang in der Nähe jener Quelle mußte uns
Herberge geben, und obwohl es nicht gerade zu den Annehmlichkeiten gehört, im Januar in einer
ſolchen Höhe die Nacht zuzubringen, ließ doch das Jagdfeuer uns die Kälte leicht überwinden, ja, es
brachte uns beinahe um den uns ſo nöthigen Schlaf. Der Morgen graute noch nicht, als wir ſchon
auf dem Anſtand lagen. Ein dichter Nebel hatte uns eingehüllt; jetzt löſte er ſich allmählich ſtreifen-
artig von den Graten, und nur die Ebene tief unten war mit einem dichten Schleier verhüllt. Jn
erwartungsvoller Stille mochten wir etwa 1½ Stunde gelegen haben: da ſchritt langſamen Ganges
ein gewaltiger Feſchthal zu uns heran. Jede Bewegung war edel und ſtolz, jeder Schritt ſicher, feſt
und ruhig; man glaubte, es dem Thiere anzuſehen, daß es ſich hier als Herr und König der Höhe
fühle. Und weiter und weiter heran kam er; vorſichtig ſuchte er den ſanfteſten Strand; jetzt bückte
er den Kopf zum Trinken: — da blitzte das Feuer aus unſern beiden Gewehren. Mit einem Schrei
ſank der Widder zuſammen; aber plötzlich raffte er ſich wieder auf, und dahin ging es in raſender
Eile, mit Sätzen, wie ich ſie vorher nie geſchaut, mit Sätzen, wie ſie wohl ein Hirſch auf der
Ebene machen kann. Gemſengleich, ſicher und kühn, jagte er dahin, und wir ſtanden verblüfft
und ſchauten ihm nach. Doch getroffen war er, und weit konnte er unſeres Erachtens nicht gekommen
ſein: alſo auf zur Verfolgung! Aber Stunde auf Stunde verlief, und immer noch eilten wir hinter
dem Thiere drein, deſſen Fährte jetzt durch die Blutſpuren dem ſcharfen Auge meines arabiſchen Be-
gleiters nur zu deutlich war. Vier bis fünf Stunden mochte unſere Verfolgung gedauert haben, da
führte die Fährte nach einem Felſengrate hin, der ſchroff und ſteil wohl 200 Fuß nach einem Keſſel

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[599/0629] Das afrikaniſche Mähnenſchaf. pflanzen im Sommer, dürre Flechten und trockene Gräſer im Winter; vielleicht mögen ihm auch ein- zelne von den niederen Geſtrüppflanzen willkommen ſein.‟ „Es lag mir Alles daran, ſoviel als möglich über die Lebensweiſe des Thieres zu erfahren, und ich beſchloß deshalb, keine Mühe und Beſchwerde zu ſcheuen. Doch hatte ich mir die Jagd immer noch viel leichter vorgeſtellt, als ſie wirklich war. Jn Begleitung meines Dieners Ali-Jbben-Abel verließ ich die Oaſe Biskra und ritt in nordöſtlicher Richtung längs des Wadi, welches hier von allen Seiten durch echte Wüſtenberge eingeſchloſſen iſt, nach dem Djebel el Melch, einem Theil des Aurasgebirges, welches hier ziemlich ſteil in die Ebene abfällt und, wie gewöhnlich, am Fuße mit wüſten Halden und zerſpalteten und zerriſſenen Felsſtücken bedeckt iſt. Wir mußten lange ſuchen, ehe wir einen Weg durch das Wirrſal fanden, und hatten dann nicht blos unſere Füße, ſondern auch unſere Hände recht nöthig, um uns über die gefährlichſten Stellen hinweg zu ſchleppen. Endlich fan- den wir einen, wie es ſchien, ziemlich betretenen Felspfad, der uns durch die nackten, weißgrauen Kreidefelſen führte, freilich hart an wirklich furchterregenden Abgründen von anſehnlichen Salzmaſſen und Gipslagern. Die gelegentlich in Arbeit genommenen Kreidefelſen hatten zur beſſeren Ebenung dieſes Pfades Veranlaſſung gegeben, und ſo konnten wir immer noch von Glück ſagen; denn ohne dieſen Weg würden wir ſchwerlich nach oben gekommen ſein. Eine Todtenſtille umgab uns; kein lebendes Weſen ſchien hier vorhanden zu ſein; nur die kleine, überall gegenwärtige Wüſtenlerche, der Vertreter des Lebens auch in dem ſichtbarlichſten Reiche des Todes, ließ ihren ſchwermüthigen Ruf ertönen.‟ „Mühſelig kletterten wir einige Stunden fort und mochten vielleicht nach und nach eine Höhe von 5000 Fuß über dem Meere erſtiegen haben: da winkte uns eine friſche plätſchernde Quelle zur Ruhe. Wir ſchlürften entzückt das köſtliche Waſſer und entdeckten dabei die Fährte eines Arni. Faſt hätte ich ſchon jetzt aufgejauchzt über das Glück, welches uns begünſtigte; denn das Mähnenſchaf, welches heute morgen hier getrunken, war mir ſo gut als ſicher: ich wußte, daß es wieder hierher zurück- kehren, und daß mich dann mein treues erprobtes Gewehr gewiß nicht verlaſſen würde. Gleichwohl ließ uns die Ungeduld nicht recht zur Ruhe kommen, und noch ehe wir uns gehörig erfriſcht hatten, begannen wir weiter nach oben zu ſteigen, in der Hoffnung, vielleicht ſchon jetzt Etwas von dem Thiere zu ſehen. Aber vergebens waren unſere Anſtrengungen. Wir kletterten den ganzen Tag umher, ohne auch nur ein Anzeichen des Wildſchafes zu finden. Die Nacht brach ſchnell herein und nöthigte uns, ein Unterkommen zu ſuchen. Ein Felſenabhang in der Nähe jener Quelle mußte uns Herberge geben, und obwohl es nicht gerade zu den Annehmlichkeiten gehört, im Januar in einer ſolchen Höhe die Nacht zuzubringen, ließ doch das Jagdfeuer uns die Kälte leicht überwinden, ja, es brachte uns beinahe um den uns ſo nöthigen Schlaf. Der Morgen graute noch nicht, als wir ſchon auf dem Anſtand lagen. Ein dichter Nebel hatte uns eingehüllt; jetzt löſte er ſich allmählich ſtreifen- artig von den Graten, und nur die Ebene tief unten war mit einem dichten Schleier verhüllt. Jn erwartungsvoller Stille mochten wir etwa 1½ Stunde gelegen haben: da ſchritt langſamen Ganges ein gewaltiger Feſchthal zu uns heran. Jede Bewegung war edel und ſtolz, jeder Schritt ſicher, feſt und ruhig; man glaubte, es dem Thiere anzuſehen, daß es ſich hier als Herr und König der Höhe fühle. Und weiter und weiter heran kam er; vorſichtig ſuchte er den ſanfteſten Strand; jetzt bückte er den Kopf zum Trinken: — da blitzte das Feuer aus unſern beiden Gewehren. Mit einem Schrei ſank der Widder zuſammen; aber plötzlich raffte er ſich wieder auf, und dahin ging es in raſender Eile, mit Sätzen, wie ich ſie vorher nie geſchaut, mit Sätzen, wie ſie wohl ein Hirſch auf der Ebene machen kann. Gemſengleich, ſicher und kühn, jagte er dahin, und wir ſtanden verblüfft und ſchauten ihm nach. Doch getroffen war er, und weit konnte er unſeres Erachtens nicht gekommen ſein: alſo auf zur Verfolgung! Aber Stunde auf Stunde verlief, und immer noch eilten wir hinter dem Thiere drein, deſſen Fährte jetzt durch die Blutſpuren dem ſcharfen Auge meines arabiſchen Be- gleiters nur zu deutlich war. Vier bis fünf Stunden mochte unſere Verfolgung gedauert haben, da führte die Fährte nach einem Felſengrate hin, der ſchroff und ſteil wohl 200 Fuß nach einem Keſſel

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/629>, abgerufen am 16.07.2024.