den Lohn ihres sauren Gewerbes in die armen Hütten zu bringen, dahin Noth und Elend tragen, daß man, anstatt des Wildes, ihren Leichnam zu den Angehörigen bringt.
Noch schwieriger als die Jagd ist der Fang des scheuen Thieres. Alte Steinböcke bekommt man lebendig nicht in seine Gewalt; man muß also Jungen nachstellen, und auch diese kann man blos erhalten, wenn man die Mutter wegschießt. Die Bischöfe, welche die erwähnten Steinböcke zu züchten versuchten, ließen alle hochbeschlagenen Steinziegen ununterbrochen von einer Menge Jäger beobachten, und sobald die Thiere gesetzt hatten, die Jungen ergreifen; denn schon wenn diese trocken geworden sind, ist es kaum möglich, sie zu erhaschen. Abgesehen von allen diesen Mühen hat es auch seine Schwierigkeiten, die jungen Steinböcke von der Höhe herab in das Thal zu bringen, und ohne eine alte, säugende Hausziege, welche unterwegs ihr Euter dem kleinen Geschöpf bietet, ist Dies gar nicht möglich.
Solche jung eingefangene Steinböcke werden außerordentlich zahm. Sie zeigen sich zutraulich, kommen herbei, wenn man sich ihnen nähert, und lassen sich berühren und schmeicheln. Mit den Hausziegen, denen das Pflegegeschäft zufällt, leben sie in vollster Eintracht. Es sind lustige, nette Geschöpfe, welche im Anfange viel Spaß und, wenn sie erwachsen sind, viel Aerger machen. Nager in Andernach besaß in der letzten Zeit zwei Jahre lang einen jungen Steinbock, welcher äußerst zahm war, ganz frei weidete und sich den Tag über am liebsten auf dem Dache einer Alphütte aufhielt. Jm August hatte dieser Naturforscher sogar eine Herde von acht Stück Steinwild auf einer Alp bei einander. Auch in Bern und in Wien hat man in neuester Zeit wiederholt Steinböcke in der Gefangenschaft gehabt.
Es ist bekannt, daß der Steinbock sich nicht blos fruchtbar mit anderen Arten seines Geschlechts, son- dern auch mit der gemeinen Hausziege vermischt, ebensowohl in der Gefangenschaft, als auch im freien Zustande. Durch solche Kreuzung werden Blendlinge erzeugt, welche stark und kräftig sind und dem Steinbocke gewöhnlich viel mehr gleichen, als der Ziege, wenn sie auch im Gehörn große Aehnlichkeit mit dem Ziegenbocke haben. Hinsichtlich der Färbung ähneln sie bald dem Vater, bald der Mutter. Läßt man nun solche aus der Kreuzung des Steinbockes mit der Hausziege hervorgegangene Bastarde wieder mit dem Steinbocke sich paaren, so erhält man Blendlinge, welche dem Steinbocke schon viel mehr ähneln, und wenn man diese wiederum mit dem Steinbocke sich vermischen läßt, Junge, die dem echten Steinbocke fast gänzlich gleichen.
Fitzinger erzählt sehr ausführlich die Versuche, die man bisher gemacht hat, um Steinwild in der Gefangenschaft zu züchten, und deshalb will ich ihn hier reden lassen:
"Die kaiserliche Menagerie zu Schönbrunn und in neuester Zeit auch Erzherzog Ludwig von Oesterreich zu Hellbronn haben diesem Gegenstande besondere Aufmerksamkeit zugewendet und die Zuchten werden an beiden Orten zu jeder Zeit mit großer Sorgfalt gepflegt und zu erhalten gesucht. Daß sich der Steinbock auch im freien Zustande mit der Hausziege paart, unterliegt keinem Zweifel; man hat in den piemontesischen Alpen zuverlässige Beobachtungen hierüber gemacht. Zwei während des Winters in den dortigen Gebirgen zurückgebliebene Hausziegen kehrten im Frühjahre trächtig ins Thal zurück und warfen unverkennbare Blendlinge. So wie die jungen Steinböcke, so sind auch die jungen Bastarde anfangs sehr zahm, doch nur bis zu einem gewissen Alter. Sie sind schon in ihrer ersten Jugend viel leichter, stärker und munterer als gewöhnliche junge Hausziegen von gleichem Alter. Die Hörner des einjährigen Männchens aus der ersten Kreuzung nähern sich immer mehr denen des Ziegen- als des Steinbockes, obschon sie viel größer und dicker als bei einem Ziegenbocke von gleichem Alter sind, besonders aber an der Wurzel. Sie haben zu jener Zeit nur eine knorrige Längskante und einen einzigen Knoten an der Wurzel, während sie im übrigen gerunzelt sind. Jn Ansehung der er- habenen Stirne kommen diese Blendlinge mehr mit dem Steinbocke überein, und ebenso in der Gestalt und Grundfarbe. Häusig findet man an ihnen aber Abzeichen der Mutter, wie den schwarzen Rücken und Schulterstreifen, die schwarzen Flecken an den Füßen und bisweilen auch einen schwarzen Streifen am Bauche. Männliche Bastarde aus der zweiten Kreuzung kommen, wenn sie bereits ein Alter
Die Ziegen. — Der Alpenſteinbock.
den Lohn ihres ſauren Gewerbes in die armen Hütten zu bringen, dahin Noth und Elend tragen, daß man, anſtatt des Wildes, ihren Leichnam zu den Angehörigen bringt.
Noch ſchwieriger als die Jagd iſt der Fang des ſcheuen Thieres. Alte Steinböcke bekommt man lebendig nicht in ſeine Gewalt; man muß alſo Jungen nachſtellen, und auch dieſe kann man blos erhalten, wenn man die Mutter wegſchießt. Die Biſchöfe, welche die erwähnten Steinböcke zu züchten verſuchten, ließen alle hochbeſchlagenen Steinziegen ununterbrochen von einer Menge Jäger beobachten, und ſobald die Thiere geſetzt hatten, die Jungen ergreifen; denn ſchon wenn dieſe trocken geworden ſind, iſt es kaum möglich, ſie zu erhaſchen. Abgeſehen von allen dieſen Mühen hat es auch ſeine Schwierigkeiten, die jungen Steinböcke von der Höhe herab in das Thal zu bringen, und ohne eine alte, ſäugende Hausziege, welche unterwegs ihr Euter dem kleinen Geſchöpf bietet, iſt Dies gar nicht möglich.
Solche jung eingefangene Steinböcke werden außerordentlich zahm. Sie zeigen ſich zutraulich, kommen herbei, wenn man ſich ihnen nähert, und laſſen ſich berühren und ſchmeicheln. Mit den Hausziegen, denen das Pflegegeſchäft zufällt, leben ſie in vollſter Eintracht. Es ſind luſtige, nette Geſchöpfe, welche im Anfange viel Spaß und, wenn ſie erwachſen ſind, viel Aerger machen. Nager in Andernach beſaß in der letzten Zeit zwei Jahre lang einen jungen Steinbock, welcher äußerſt zahm war, ganz frei weidete und ſich den Tag über am liebſten auf dem Dache einer Alphütte aufhielt. Jm Auguſt hatte dieſer Naturforſcher ſogar eine Herde von acht Stück Steinwild auf einer Alp bei einander. Auch in Bern und in Wien hat man in neueſter Zeit wiederholt Steinböcke in der Gefangenſchaft gehabt.
Es iſt bekannt, daß der Steinbock ſich nicht blos fruchtbar mit anderen Arten ſeines Geſchlechts, ſon- dern auch mit der gemeinen Hausziege vermiſcht, ebenſowohl in der Gefangenſchaft, als auch im freien Zuſtande. Durch ſolche Kreuzung werden Blendlinge erzeugt, welche ſtark und kräftig ſind und dem Steinbocke gewöhnlich viel mehr gleichen, als der Ziege, wenn ſie auch im Gehörn große Aehnlichkeit mit dem Ziegenbocke haben. Hinſichtlich der Färbung ähneln ſie bald dem Vater, bald der Mutter. Läßt man nun ſolche aus der Kreuzung des Steinbockes mit der Hausziege hervorgegangene Baſtarde wieder mit dem Steinbocke ſich paaren, ſo erhält man Blendlinge, welche dem Steinbocke ſchon viel mehr ähneln, und wenn man dieſe wiederum mit dem Steinbocke ſich vermiſchen läßt, Junge, die dem echten Steinbocke faſt gänzlich gleichen.
Fitzinger erzählt ſehr ausführlich die Verſuche, die man bisher gemacht hat, um Steinwild in der Gefangenſchaft zu züchten, und deshalb will ich ihn hier reden laſſen:
„Die kaiſerliche Menagerie zu Schönbrunn und in neueſter Zeit auch Erzherzog Ludwig von Oeſterreich zu Hellbronn haben dieſem Gegenſtande beſondere Aufmerkſamkeit zugewendet und die Zuchten werden an beiden Orten zu jeder Zeit mit großer Sorgfalt gepflegt und zu erhalten geſucht. Daß ſich der Steinbock auch im freien Zuſtande mit der Hausziege paart, unterliegt keinem Zweifel; man hat in den piemonteſiſchen Alpen zuverläſſige Beobachtungen hierüber gemacht. Zwei während des Winters in den dortigen Gebirgen zurückgebliebene Hausziegen kehrten im Frühjahre trächtig ins Thal zurück und warfen unverkennbare Blendlinge. So wie die jungen Steinböcke, ſo ſind auch die jungen Baſtarde anfangs ſehr zahm, doch nur bis zu einem gewiſſen Alter. Sie ſind ſchon in ihrer erſten Jugend viel leichter, ſtärker und munterer als gewöhnliche junge Hausziegen von gleichem Alter. Die Hörner des einjährigen Männchens aus der erſten Kreuzung nähern ſich immer mehr denen des Ziegen- als des Steinbockes, obſchon ſie viel größer und dicker als bei einem Ziegenbocke von gleichem Alter ſind, beſonders aber an der Wurzel. Sie haben zu jener Zeit nur eine knorrige Längskante und einen einzigen Knoten an der Wurzel, während ſie im übrigen gerunzelt ſind. Jn Anſehung der er- habenen Stirne kommen dieſe Blendlinge mehr mit dem Steinbocke überein, und ebenſo in der Geſtalt und Grundfarbe. Häuſig findet man an ihnen aber Abzeichen der Mutter, wie den ſchwarzen Rücken und Schulterſtreifen, die ſchwarzen Flecken an den Füßen und bisweilen auch einen ſchwarzen Streifen am Bauche. Männliche Baſtarde aus der zweiten Kreuzung kommen, wenn ſie bereits ein Alter
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[574/0604]
Die Ziegen. — Der Alpenſteinbock.
den Lohn ihres ſauren Gewerbes in die armen Hütten zu bringen, dahin Noth und Elend tragen, daß
man, anſtatt des Wildes, ihren Leichnam zu den Angehörigen bringt.
Noch ſchwieriger als die Jagd iſt der Fang des ſcheuen Thieres. Alte Steinböcke bekommt
man lebendig nicht in ſeine Gewalt; man muß alſo Jungen nachſtellen, und auch dieſe kann man
blos erhalten, wenn man die Mutter wegſchießt. Die Biſchöfe, welche die erwähnten Steinböcke zu
züchten verſuchten, ließen alle hochbeſchlagenen Steinziegen ununterbrochen von einer Menge Jäger
beobachten, und ſobald die Thiere geſetzt hatten, die Jungen ergreifen; denn ſchon wenn dieſe trocken
geworden ſind, iſt es kaum möglich, ſie zu erhaſchen. Abgeſehen von allen dieſen Mühen hat es auch
ſeine Schwierigkeiten, die jungen Steinböcke von der Höhe herab in das Thal zu bringen, und ohne
eine alte, ſäugende Hausziege, welche unterwegs ihr Euter dem kleinen Geſchöpf bietet, iſt Dies gar
nicht möglich.
Solche jung eingefangene Steinböcke werden außerordentlich zahm. Sie zeigen ſich zutraulich,
kommen herbei, wenn man ſich ihnen nähert, und laſſen ſich berühren und ſchmeicheln. Mit den
Hausziegen, denen das Pflegegeſchäft zufällt, leben ſie in vollſter Eintracht. Es ſind luſtige, nette
Geſchöpfe, welche im Anfange viel Spaß und, wenn ſie erwachſen ſind, viel Aerger machen. Nager
in Andernach beſaß in der letzten Zeit zwei Jahre lang einen jungen Steinbock, welcher äußerſt zahm
war, ganz frei weidete und ſich den Tag über am liebſten auf dem Dache einer Alphütte aufhielt.
Jm Auguſt hatte dieſer Naturforſcher ſogar eine Herde von acht Stück Steinwild auf einer Alp bei
einander. Auch in Bern und in Wien hat man in neueſter Zeit wiederholt Steinböcke in der
Gefangenſchaft gehabt.
Es iſt bekannt, daß der Steinbock ſich nicht blos fruchtbar mit anderen Arten ſeines Geſchlechts, ſon-
dern auch mit der gemeinen Hausziege vermiſcht, ebenſowohl in der Gefangenſchaft, als auch im freien
Zuſtande. Durch ſolche Kreuzung werden Blendlinge erzeugt, welche ſtark und kräftig ſind und dem
Steinbocke gewöhnlich viel mehr gleichen, als der Ziege, wenn ſie auch im Gehörn große Aehnlichkeit mit
dem Ziegenbocke haben. Hinſichtlich der Färbung ähneln ſie bald dem Vater, bald der Mutter. Läßt
man nun ſolche aus der Kreuzung des Steinbockes mit der Hausziege hervorgegangene Baſtarde wieder
mit dem Steinbocke ſich paaren, ſo erhält man Blendlinge, welche dem Steinbocke ſchon viel mehr
ähneln, und wenn man dieſe wiederum mit dem Steinbocke ſich vermiſchen läßt, Junge, die dem
echten Steinbocke faſt gänzlich gleichen.
Fitzinger erzählt ſehr ausführlich die Verſuche, die man bisher gemacht hat, um Steinwild in
der Gefangenſchaft zu züchten, und deshalb will ich ihn hier reden laſſen:
„Die kaiſerliche Menagerie zu Schönbrunn und in neueſter Zeit auch Erzherzog Ludwig von
Oeſterreich zu Hellbronn haben dieſem Gegenſtande beſondere Aufmerkſamkeit zugewendet und die
Zuchten werden an beiden Orten zu jeder Zeit mit großer Sorgfalt gepflegt und zu erhalten geſucht.
Daß ſich der Steinbock auch im freien Zuſtande mit der Hausziege paart, unterliegt keinem Zweifel;
man hat in den piemonteſiſchen Alpen zuverläſſige Beobachtungen hierüber gemacht. Zwei während
des Winters in den dortigen Gebirgen zurückgebliebene Hausziegen kehrten im Frühjahre trächtig ins
Thal zurück und warfen unverkennbare Blendlinge. So wie die jungen Steinböcke, ſo ſind auch die
jungen Baſtarde anfangs ſehr zahm, doch nur bis zu einem gewiſſen Alter. Sie ſind ſchon in ihrer
erſten Jugend viel leichter, ſtärker und munterer als gewöhnliche junge Hausziegen von gleichem Alter.
Die Hörner des einjährigen Männchens aus der erſten Kreuzung nähern ſich immer mehr denen des
Ziegen- als des Steinbockes, obſchon ſie viel größer und dicker als bei einem Ziegenbocke von gleichem
Alter ſind, beſonders aber an der Wurzel. Sie haben zu jener Zeit nur eine knorrige Längskante und
einen einzigen Knoten an der Wurzel, während ſie im übrigen gerunzelt ſind. Jn Anſehung der er-
habenen Stirne kommen dieſe Blendlinge mehr mit dem Steinbocke überein, und ebenſo in der Geſtalt
und Grundfarbe. Häuſig findet man an ihnen aber Abzeichen der Mutter, wie den ſchwarzen Rücken
und Schulterſtreifen, die ſchwarzen Flecken an den Füßen und bisweilen auch einen ſchwarzen Streifen
am Bauche. Männliche Baſtarde aus der zweiten Kreuzung kommen, wenn ſie bereits ein Alter
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/604>, abgerufen am 24.11.2024.
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