auch sein mögen, doch keineswegs die Furchtsamkeit anderer Antilopen zeigen, sondern eher etwas vom Wesen des Stiers haben. Gereizt gehen sie mit großer Wuth auf den Angreifer los und suchen ihn in boshafter Weise zu verletzen. Gegen den anlaufenden Hund wissen sie sich sehr geschickt zu ver- theidigen; sie biegen den Kopf vor und schlagen in schnellen Wendungen nach rechts und links mit solcher Kraft aus, daß sie einem Hunde ihre Hörner durch den ganzen Leib rennen, wenn jener nicht geschickt ausweicht. Lichtenstein erzählt, daß einer seiner Begleiter in der großen Karu das Geripp eines Panthers und einer Oryxgemse neben einander liegen fand. Der Bock hatte seinen ge- fährlichen Feind mit einem Hornstoße getödtet, war aber selbst den Wunden erlegen. Jn Wood's Jllustrated Natural-History wird sogar behauptet, daß unter Umständen dem Löwen ein gleiches Schick- sal werde, und diese Angabe ist so unbegreiflich nicht, als sie wohl scheinen mag. Jm Augenblick großer Gefahr stellt sich der Oryx nicht nur den Hunden, sondern auch dem Menschen gegenüber, und dann heißt es vorsichtig zu Werke gehen, wenn man nicht durch und durch gerannt sein will. Gor- don Cumming entkam, wie er erzählt, nur dadurch dem Tode, daß der auf ihn anrennende Oryx wenige Schritte vor ihm, von Blutverlust erschöpft, zusammenbrach.
Ueber die Fortpflanzung im Freien fehlen noch ausführliche Berichte; an Gefangenen (Oryx leu- coryx) hat Weinland beobachtet, daß die Tragzeit 248 Tage in Anspruch nimmt.
Die Jagd auf alle Oryxantilopen wird nur zu Pferde betrieben. Cumming beschreibt eine in sehr lebhafter Weise und erzählt dabei, daß er den ganzen Tag einer bereits verwundeten Antilope nachgeritten sei, bis endlich das Thier nicht mehr weiter konnte. Die Hottentotten wagen nicht, ein- zeln Gemsböcke anzugreifen oder zu verfolgen, weil diese sich augenblicklich gegen sie wenden. Auch Hunden gegenüber vertheidigt sich das Thier in kräftigster Weise und schlägt mit ebensoviel Geschick und Kraft rechts und links um sich, bis es sich von seinen Angreifern befreit hat. Ob diese Angabe der Wahrheit entspricht, lasse ich dahin gestellt sein. Für die Beisa gilt sie nicht weniger nur theil- weise. Jch sah dieses schöne Thier zweimal im März 1862 und zwar in der schon mehrfach genann- ten Samhara, das erste Mal einen einzelnen Bock, das zweite Mal einen Trupp von sechs Stücken. Der eine Bock wie der Trupp entflohen schon aus großer Entfernung vor uns. An den Trupp ver- suchten wir uns anzuschleichen; allein eine Biegung des Wassergrabens, welcher uns vollständig barg, brachte uns in den Wind und augenblicklich setzten die Thiere sich in Bewegung. Die Beisa bewies mir dadurch, daß sie eben so scharf windet, als das Renthier: denn wir waren noch immer 500 Schritt von ihr entfernt gewesen. Durch Zufall kam derselbe Trupp mir eine halbe Stunde später auf 70 Schritt zum Schuß, und nur ein ganz besonderes Jagdunglück machte, daß ich den erwählten Prachtbock nicht zusammenschoß: -- ich hatte vergessen, daß ich den Schrotlauf meines Wenders gerade oben hatte, feuerte dem stolzen Gewilde eine Ladung Schrot aufs Blatt, und wurde durch den Nicht- erfolg meines Schusses so verdutzt, daß ich gar nicht ans Wenden dachte. Obgleich der Bock verwun- det war, wandte er sich doch nicht gegen mich, wie nach Rüppell zu vermuthen gewesen wäre, sondern trollte mit den anderen ziemlich langsam und stumm davon. Eigentlich flüchtig habe ich das Thier leider nicht gesehen und bedauere Dies aufrichtig, weil keine andere Antilope einen prachtvolleren An- blick gewähren soll, als der fliehende Oryxbock. Man trifft ihn nicht selten unter anderen Antilopen- herden, wo er sich die Führerschaft erkämpft hat. Sobald er merkt, daß er verfolgt wird, stößt er, wie man erzählt, ein heftiges, durchdringendes Geschrei aus, hebt den Kopf vor, so daß die Hörner auf den Rücken zu liegen kommen, streckt den Schwanz gerade von sich und eilt nun in wilder Jagd über die Ebene dahin, Alles, was ihm in den Weg kommt, vor sich niederwerfend oder durchbohrend. Ueber Büsche, die ihn hindern wollen, schnellt er mit einem einzigen gewaltigen Satze hinweg; durch die Herden der Zebras bricht er hindurch, Straußenherden jagt er in die tollste Flucht. Erst nach vielstündiger Verfolgung ist es möglich, in schußgerechte Entfernung von ihm zu kommen; denn er hält auch dann noch die Verfolgung aus, wenn er vom Schweiße trieft und die Jäger bereits mehrmals ihre erschöpf- ten Rosse gewechselt haben.
Die Beiſa.
auch ſein mögen, doch keineswegs die Furchtſamkeit anderer Antilopen zeigen, ſondern eher etwas vom Weſen des Stiers haben. Gereizt gehen ſie mit großer Wuth auf den Angreifer los und ſuchen ihn in boshafter Weiſe zu verletzen. Gegen den anlaufenden Hund wiſſen ſie ſich ſehr geſchickt zu ver- theidigen; ſie biegen den Kopf vor und ſchlagen in ſchnellen Wendungen nach rechts und links mit ſolcher Kraft aus, daß ſie einem Hunde ihre Hörner durch den ganzen Leib rennen, wenn jener nicht geſchickt ausweicht. Lichtenſtein erzählt, daß einer ſeiner Begleiter in der großen Karu das Geripp eines Panthers und einer Oryxgemſe neben einander liegen fand. Der Bock hatte ſeinen ge- fährlichen Feind mit einem Hornſtoße getödtet, war aber ſelbſt den Wunden erlegen. Jn Wood’s Jlluſtrated Natural-Hiſtory wird ſogar behauptet, daß unter Umſtänden dem Löwen ein gleiches Schick- ſal werde, und dieſe Angabe iſt ſo unbegreiflich nicht, als ſie wohl ſcheinen mag. Jm Augenblick großer Gefahr ſtellt ſich der Oryx nicht nur den Hunden, ſondern auch dem Menſchen gegenüber, und dann heißt es vorſichtig zu Werke gehen, wenn man nicht durch und durch gerannt ſein will. Gor- don Cumming entkam, wie er erzählt, nur dadurch dem Tode, daß der auf ihn anrennende Oryx wenige Schritte vor ihm, von Blutverluſt erſchöpft, zuſammenbrach.
Ueber die Fortpflanzung im Freien fehlen noch ausführliche Berichte; an Gefangenen (Oryx leu- coryx) hat Weinland beobachtet, daß die Tragzeit 248 Tage in Anſpruch nimmt.
Die Jagd auf alle Oryxantilopen wird nur zu Pferde betrieben. Cumming beſchreibt eine in ſehr lebhafter Weiſe und erzählt dabei, daß er den ganzen Tag einer bereits verwundeten Antilope nachgeritten ſei, bis endlich das Thier nicht mehr weiter konnte. Die Hottentotten wagen nicht, ein- zeln Gemsböcke anzugreifen oder zu verfolgen, weil dieſe ſich augenblicklich gegen ſie wenden. Auch Hunden gegenüber vertheidigt ſich das Thier in kräftigſter Weiſe und ſchlägt mit ebenſoviel Geſchick und Kraft rechts und links um ſich, bis es ſich von ſeinen Angreifern befreit hat. Ob dieſe Angabe der Wahrheit entſpricht, laſſe ich dahin geſtellt ſein. Für die Beiſa gilt ſie nicht weniger nur theil- weiſe. Jch ſah dieſes ſchöne Thier zweimal im März 1862 und zwar in der ſchon mehrfach genann- ten Samhara, das erſte Mal einen einzelnen Bock, das zweite Mal einen Trupp von ſechs Stücken. Der eine Bock wie der Trupp entflohen ſchon aus großer Entfernung vor uns. An den Trupp ver- ſuchten wir uns anzuſchleichen; allein eine Biegung des Waſſergrabens, welcher uns vollſtändig barg, brachte uns in den Wind und augenblicklich ſetzten die Thiere ſich in Bewegung. Die Beiſa bewies mir dadurch, daß ſie eben ſo ſcharf windet, als das Renthier: denn wir waren noch immer 500 Schritt von ihr entfernt geweſen. Durch Zufall kam derſelbe Trupp mir eine halbe Stunde ſpäter auf 70 Schritt zum Schuß, und nur ein ganz beſonderes Jagdunglück machte, daß ich den erwählten Prachtbock nicht zuſammenſchoß: — ich hatte vergeſſen, daß ich den Schrotlauf meines Wenders gerade oben hatte, feuerte dem ſtolzen Gewilde eine Ladung Schrot aufs Blatt, und wurde durch den Nicht- erfolg meines Schuſſes ſo verdutzt, daß ich gar nicht ans Wenden dachte. Obgleich der Bock verwun- det war, wandte er ſich doch nicht gegen mich, wie nach Rüppell zu vermuthen geweſen wäre, ſondern trollte mit den anderen ziemlich langſam und ſtumm davon. Eigentlich flüchtig habe ich das Thier leider nicht geſehen und bedauere Dies aufrichtig, weil keine andere Antilope einen prachtvolleren An- blick gewähren ſoll, als der fliehende Oryxbock. Man trifft ihn nicht ſelten unter anderen Antilopen- herden, wo er ſich die Führerſchaft erkämpft hat. Sobald er merkt, daß er verfolgt wird, ſtößt er, wie man erzählt, ein heftiges, durchdringendes Geſchrei aus, hebt den Kopf vor, ſo daß die Hörner auf den Rücken zu liegen kommen, ſtreckt den Schwanz gerade von ſich und eilt nun in wilder Jagd über die Ebene dahin, Alles, was ihm in den Weg kommt, vor ſich niederwerfend oder durchbohrend. Ueber Büſche, die ihn hindern wollen, ſchnellt er mit einem einzigen gewaltigen Satze hinweg; durch die Herden der Zebras bricht er hindurch, Straußenherden jagt er in die tollſte Flucht. Erſt nach vielſtündiger Verfolgung iſt es möglich, in ſchußgerechte Entfernung von ihm zu kommen; denn er hält auch dann noch die Verfolgung aus, wenn er vom Schweiße trieft und die Jäger bereits mehrmals ihre erſchöpf- ten Roſſe gewechſelt haben.
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[551/0581]
Die Beiſa.
auch ſein mögen, doch keineswegs die Furchtſamkeit anderer Antilopen zeigen, ſondern eher etwas vom
Weſen des Stiers haben. Gereizt gehen ſie mit großer Wuth auf den Angreifer los und ſuchen ihn
in boshafter Weiſe zu verletzen. Gegen den anlaufenden Hund wiſſen ſie ſich ſehr geſchickt zu ver-
theidigen; ſie biegen den Kopf vor und ſchlagen in ſchnellen Wendungen nach rechts und links mit
ſolcher Kraft aus, daß ſie einem Hunde ihre Hörner durch den ganzen Leib rennen, wenn jener
nicht geſchickt ausweicht. Lichtenſtein erzählt, daß einer ſeiner Begleiter in der großen Karu das
Geripp eines Panthers und einer Oryxgemſe neben einander liegen fand. Der Bock hatte ſeinen ge-
fährlichen Feind mit einem Hornſtoße getödtet, war aber ſelbſt den Wunden erlegen. Jn Wood’s
Jlluſtrated Natural-Hiſtory wird ſogar behauptet, daß unter Umſtänden dem Löwen ein gleiches Schick-
ſal werde, und dieſe Angabe iſt ſo unbegreiflich nicht, als ſie wohl ſcheinen mag. Jm Augenblick
großer Gefahr ſtellt ſich der Oryx nicht nur den Hunden, ſondern auch dem Menſchen gegenüber, und
dann heißt es vorſichtig zu Werke gehen, wenn man nicht durch und durch gerannt ſein will. Gor-
don Cumming entkam, wie er erzählt, nur dadurch dem Tode, daß der auf ihn anrennende Oryx
wenige Schritte vor ihm, von Blutverluſt erſchöpft, zuſammenbrach.
Ueber die Fortpflanzung im Freien fehlen noch ausführliche Berichte; an Gefangenen (Oryx leu-
coryx) hat Weinland beobachtet, daß die Tragzeit 248 Tage in Anſpruch nimmt.
Die Jagd auf alle Oryxantilopen wird nur zu Pferde betrieben. Cumming beſchreibt eine in
ſehr lebhafter Weiſe und erzählt dabei, daß er den ganzen Tag einer bereits verwundeten Antilope
nachgeritten ſei, bis endlich das Thier nicht mehr weiter konnte. Die Hottentotten wagen nicht, ein-
zeln Gemsböcke anzugreifen oder zu verfolgen, weil dieſe ſich augenblicklich gegen ſie wenden. Auch
Hunden gegenüber vertheidigt ſich das Thier in kräftigſter Weiſe und ſchlägt mit ebenſoviel Geſchick
und Kraft rechts und links um ſich, bis es ſich von ſeinen Angreifern befreit hat. Ob dieſe Angabe
der Wahrheit entſpricht, laſſe ich dahin geſtellt ſein. Für die Beiſa gilt ſie nicht weniger nur theil-
weiſe. Jch ſah dieſes ſchöne Thier zweimal im März 1862 und zwar in der ſchon mehrfach genann-
ten Samhara, das erſte Mal einen einzelnen Bock, das zweite Mal einen Trupp von ſechs Stücken.
Der eine Bock wie der Trupp entflohen ſchon aus großer Entfernung vor uns. An den Trupp ver-
ſuchten wir uns anzuſchleichen; allein eine Biegung des Waſſergrabens, welcher uns vollſtändig barg,
brachte uns in den Wind und augenblicklich ſetzten die Thiere ſich in Bewegung. Die Beiſa bewies
mir dadurch, daß ſie eben ſo ſcharf windet, als das Renthier: denn wir waren noch immer 500
Schritt von ihr entfernt geweſen. Durch Zufall kam derſelbe Trupp mir eine halbe Stunde ſpäter
auf 70 Schritt zum Schuß, und nur ein ganz beſonderes Jagdunglück machte, daß ich den erwählten
Prachtbock nicht zuſammenſchoß: — ich hatte vergeſſen, daß ich den Schrotlauf meines Wenders gerade
oben hatte, feuerte dem ſtolzen Gewilde eine Ladung Schrot aufs Blatt, und wurde durch den Nicht-
erfolg meines Schuſſes ſo verdutzt, daß ich gar nicht ans Wenden dachte. Obgleich der Bock verwun-
det war, wandte er ſich doch nicht gegen mich, wie nach Rüppell zu vermuthen geweſen wäre, ſondern
trollte mit den anderen ziemlich langſam und ſtumm davon. Eigentlich flüchtig habe ich das Thier
leider nicht geſehen und bedauere Dies aufrichtig, weil keine andere Antilope einen prachtvolleren An-
blick gewähren ſoll, als der fliehende Oryxbock. Man trifft ihn nicht ſelten unter anderen Antilopen-
herden, wo er ſich die Führerſchaft erkämpft hat. Sobald er merkt, daß er verfolgt wird, ſtößt er, wie
man erzählt, ein heftiges, durchdringendes Geſchrei aus, hebt den Kopf vor, ſo daß die Hörner auf
den Rücken zu liegen kommen, ſtreckt den Schwanz gerade von ſich und eilt nun in wilder Jagd über
die Ebene dahin, Alles, was ihm in den Weg kommt, vor ſich niederwerfend oder durchbohrend. Ueber
Büſche, die ihn hindern wollen, ſchnellt er mit einem einzigen gewaltigen Satze hinweg; durch die Herden
der Zebras bricht er hindurch, Straußenherden jagt er in die tollſte Flucht. Erſt nach vielſtündiger
Verfolgung iſt es möglich, in ſchußgerechte Entfernung von ihm zu kommen; denn er hält auch dann
noch die Verfolgung aus, wenn er vom Schweiße trieft und die Jäger bereits mehrmals ihre erſchöpf-
ten Roſſe gewechſelt haben.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/581>, abgerufen am 23.11.2024.
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