Dieser schönen, großen Antilope ganz gleich gebaut, aber anders gefärbt, ist die Beisa. Bei ihr ist Alles, was bei dem Passan röthlich oder bläulich ist, lichtgelb, und der Kopfzaum läuft nicht ganz über das Maul weg. Die Beisa ist es wahrscheinlich, welche auf den Tempeln in Kalabsche in Unternubien dargestellt ist, dieselbe, welche die Alten eigentlich mit dem Namen Oryx bezeichneten, denn die Beschreibung, welche Oppian hiervon gibt, paßt sehr wohl auf sie. Jhre Farbe ist "gleich der Milch des Frühlings; nur im Gesicht hat sie schwärzliche Backen".
Alle drei oder vier Oryxböcke bewohnen die dürrsten und wasserärmsten Stellen Afrikas. Der Passan oder der "Gemsbock" der Ansiedler am Kap lebt in Südafrika, die Beisa in Abissinien, der Oryx mehr im Norden und in der Mitte.
"Der Gemsbock," sagt Gordon Cumming, "scheint von der Natur dazu bestimmt, die trockenen Karoos des heißen Südafrikas zu bevölkern, für welche er sich seiner Natur nach vortrefflich eignet. Er gedeiht in unfruchtbaren Gegenden, wo man glauben sollte, daß darin kaum eine Heu- schrecke Nahrung finde, und ist, trotz der Glut seiner Heimat, doch völlig unabhängig vom Wasser. Er kostet dies, wie ich nach meiner Beobachtung und der wiederholten Behauptung der Bauern über- zeugt bin, niemals, auch wenn er es haben würde." Unter ganz ähnlichen Umständen leben die nördlichen Arten, obwohl sie durchaus nicht Wasserverächter sind, wie der Passan. Allerdings trifft man die stattlichen Thiere, welche sich schon von weitem durch ihre gewaltige Größe auszeichnen, oft auch in den heißen, wasserlosen Steppen Südnubiens und Kordofahns an, ohne daß man begreift, wo sie ihren Durst löschen könnten. Allein an denselben Orten leben auch noch eine Menge andere Thiere, welche Wasser trinken, und die Oryxböcke verschmähen das Wasser wenigstens in der Ge- fangenschaft nicht.
Man sieht die Oryxantilopen gewöhnlich paarweise oder in sehr kleinen Trupps, häufig auch nur eine Mutter mit ihren Jungen. Die Haltung der Thiere hat etwas sehr Anständiges, Statt- liches, obwohl der Bau nicht gerade geeignet ist, einen angenehmen Eindruck zu machen. Höchst selten rudeln sich starke Gesellschaften zusammen, und solche von zweiundzwanzig Stücken, wie sie Gordon Cumming sah, mögen wohl nur ausnahmsweise sich vereinigen. Jn den unbevölker- ten Gegenden sind die Oryxböcke nirgends selten, aber sie sind auch nirgends häufig und dabei immer so scheu und furchtsam, daß man die wenigsten von denen, welche da sind, überhaupt zu sehen bekommt. Sie fliehen, ehe der Reiter an sie herankommt. Nach meinen Beobachtungen meiden sie den Wald so viel als möglich; in Kordofahn halten sie sich nur in der Steppe auf. Dort gibt ihnen die so reichliche Pflanzenwelt hinlängliche Nahrung, und wenn dann die Zeit der Dürre und Armuth, der Winter kommt, haben sie sich so viel Feist zugelegt, daß sie schon eine Zeit lang auch mit magerer Kost, mit ausgedörrten Halmen und blätterlosen Zweigen vorlieb nehmen können. Nur einzelne Mimosen- büsche bieten ihnen dann noch frischere Aeßung. Beim Weiden recken sie ihren Hals hoch empor, stemmen sich auch wohl mit den Vorderhufen gegen den Stamm an, um höher hinauflangen zu können. Die südafrikanischen sollen, wie englische Jäger berichtet haben, zur Zeit der Dürre nach der soge- nannten Wasserwurzel, einer in jenen Gegenden häusigen und werthvollen lilienähnlichen Pflanze, graben, welche die Feuchtigkeit unter ihrer festen Hülle lang erhält.
Die Oryxböcke sind schnell. Jhr Schritt ist leicht, ihr Trab hart, ihr Galopp sehr schwer, aber ausdauernd und gleichmäßig fördernd. Nur die besten Pferde sind im Stande, ihnen zuweilen nach- zukommen und die Araber der Bahiuda, welche ausgezeichnete Rosse besitzen, wie die Bakhara machen sich ein besonderes Vergnügen daraus, die Schnelligkeit ihrer Pferde in dem Laufe des Oryx zu erproben und stechen diesen dann, sowie er sich im letzten Augenblicke der Gefahr gegenüberstellt, die Lanzen an den Hörnern vorüber von oben in die Brust. Mit andern Antilopen scheint sich wenig- stens die Oryxgemse des Kaplandes zu vertragen, da man sie oft mit der großen Kanna oder Kuhantilope in vollster Eintracht weiden sieht. Der eigentliche Bock ist, wie ich selbst beobachtet habe, ein im höchsten Grade unverträgliches Geschöpf, welches andere Thiere im Anfall schlechter Laune oft arg mißhandelt. Man muß diesen Thieren überhaupt nachrühmen, daß sie, so scheu sie
Die Antilopen. — Die Beiſa.
Dieſer ſchönen, großen Antilope ganz gleich gebaut, aber anders gefärbt, iſt die Beiſa. Bei ihr iſt Alles, was bei dem Paſſan röthlich oder bläulich iſt, lichtgelb, und der Kopfzaum läuft nicht ganz über das Maul weg. Die Beiſa iſt es wahrſcheinlich, welche auf den Tempeln in Kalabſche in Unternubien dargeſtellt iſt, dieſelbe, welche die Alten eigentlich mit dem Namen Oryx bezeichneten, denn die Beſchreibung, welche Oppian hiervon gibt, paßt ſehr wohl auf ſie. Jhre Farbe iſt „gleich der Milch des Frühlings; nur im Geſicht hat ſie ſchwärzliche Backen‟.
Alle drei oder vier Oryxböcke bewohnen die dürrſten und waſſerärmſten Stellen Afrikas. Der Paſſan oder der „Gemsbock‟ der Anſiedler am Kap lebt in Südafrika, die Beiſa in Abiſſinien, der Oryx mehr im Norden und in der Mitte.
„Der Gemsbock,‟ ſagt Gordon Cumming, „ſcheint von der Natur dazu beſtimmt, die trockenen Karoos des heißen Südafrikas zu bevölkern, für welche er ſich ſeiner Natur nach vortrefflich eignet. Er gedeiht in unfruchtbaren Gegenden, wo man glauben ſollte, daß darin kaum eine Heu- ſchrecke Nahrung finde, und iſt, trotz der Glut ſeiner Heimat, doch völlig unabhängig vom Waſſer. Er koſtet dies, wie ich nach meiner Beobachtung und der wiederholten Behauptung der Bauern über- zeugt bin, niemals, auch wenn er es haben würde.‟ Unter ganz ähnlichen Umſtänden leben die nördlichen Arten, obwohl ſie durchaus nicht Waſſerverächter ſind, wie der Paſſan. Allerdings trifft man die ſtattlichen Thiere, welche ſich ſchon von weitem durch ihre gewaltige Größe auszeichnen, oft auch in den heißen, waſſerloſen Steppen Südnubiens und Kordofahns an, ohne daß man begreift, wo ſie ihren Durſt löſchen könnten. Allein an denſelben Orten leben auch noch eine Menge andere Thiere, welche Waſſer trinken, und die Oryxböcke verſchmähen das Waſſer wenigſtens in der Ge- fangenſchaft nicht.
Man ſieht die Oryxantilopen gewöhnlich paarweiſe oder in ſehr kleinen Trupps, häufig auch nur eine Mutter mit ihren Jungen. Die Haltung der Thiere hat etwas ſehr Anſtändiges, Statt- liches, obwohl der Bau nicht gerade geeignet iſt, einen angenehmen Eindruck zu machen. Höchſt ſelten rudeln ſich ſtarke Geſellſchaften zuſammen, und ſolche von zweiundzwanzig Stücken, wie ſie Gordon Cumming ſah, mögen wohl nur ausnahmsweiſe ſich vereinigen. Jn den unbevölker- ten Gegenden ſind die Oryxböcke nirgends ſelten, aber ſie ſind auch nirgends häufig und dabei immer ſo ſcheu und furchtſam, daß man die wenigſten von denen, welche da ſind, überhaupt zu ſehen bekommt. Sie fliehen, ehe der Reiter an ſie herankommt. Nach meinen Beobachtungen meiden ſie den Wald ſo viel als möglich; in Kordofahn halten ſie ſich nur in der Steppe auf. Dort gibt ihnen die ſo reichliche Pflanzenwelt hinlängliche Nahrung, und wenn dann die Zeit der Dürre und Armuth, der Winter kommt, haben ſie ſich ſo viel Feiſt zugelegt, daß ſie ſchon eine Zeit lang auch mit magerer Koſt, mit ausgedörrten Halmen und blätterloſen Zweigen vorlieb nehmen können. Nur einzelne Mimoſen- büſche bieten ihnen dann noch friſchere Aeßung. Beim Weiden recken ſie ihren Hals hoch empor, ſtemmen ſich auch wohl mit den Vorderhufen gegen den Stamm an, um höher hinauflangen zu können. Die ſüdafrikaniſchen ſollen, wie engliſche Jäger berichtet haben, zur Zeit der Dürre nach der ſoge- nannten Waſſerwurzel, einer in jenen Gegenden häuſigen und werthvollen lilienähnlichen Pflanze, graben, welche die Feuchtigkeit unter ihrer feſten Hülle lang erhält.
Die Oryxböcke ſind ſchnell. Jhr Schritt iſt leicht, ihr Trab hart, ihr Galopp ſehr ſchwer, aber ausdauernd und gleichmäßig fördernd. Nur die beſten Pferde ſind im Stande, ihnen zuweilen nach- zukommen und die Araber der Bahiuda, welche ausgezeichnete Roſſe beſitzen, wie die Bakhara machen ſich ein beſonderes Vergnügen daraus, die Schnelligkeit ihrer Pferde in dem Laufe des Oryx zu erproben und ſtechen dieſen dann, ſowie er ſich im letzten Augenblicke der Gefahr gegenüberſtellt, die Lanzen an den Hörnern vorüber von oben in die Bruſt. Mit andern Antilopen ſcheint ſich wenig- ſtens die Oryxgemſe des Kaplandes zu vertragen, da man ſie oft mit der großen Kanna oder Kuhantilope in vollſter Eintracht weiden ſieht. Der eigentliche Bock iſt, wie ich ſelbſt beobachtet habe, ein im höchſten Grade unverträgliches Geſchöpf, welches andere Thiere im Anfall ſchlechter Laune oft arg mißhandelt. Man muß dieſen Thieren überhaupt nachrühmen, daß ſie, ſo ſcheu ſie
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ihr iſt Alles, was bei dem Paſſan röthlich oder bläulich iſt, lichtgelb, und der Kopfzaum läuft nicht
ganz über das Maul weg. Die Beiſa iſt es wahrſcheinlich, welche auf den Tempeln in Kalabſche in
Unternubien dargeſtellt iſt, dieſelbe, welche die Alten eigentlich mit dem Namen Oryx bezeichneten,
denn die Beſchreibung, welche Oppian hiervon gibt, paßt ſehr wohl auf ſie. Jhre Farbe iſt „gleich
der Milch des Frühlings; nur im Geſicht hat ſie ſchwärzliche Backen‟.
Alle drei oder vier Oryxböcke bewohnen die dürrſten und waſſerärmſten Stellen Afrikas. Der
Paſſan oder der „Gemsbock‟ der Anſiedler am Kap lebt in Südafrika, die Beiſa in Abiſſinien, der
Oryx mehr im Norden und in der Mitte.
„Der Gemsbock,‟ ſagt Gordon Cumming, „ſcheint von der Natur dazu beſtimmt, die
trockenen Karoos des heißen Südafrikas zu bevölkern, für welche er ſich ſeiner Natur nach vortrefflich
eignet. Er gedeiht in unfruchtbaren Gegenden, wo man glauben ſollte, daß darin kaum eine Heu-
ſchrecke Nahrung finde, und iſt, trotz der Glut ſeiner Heimat, doch völlig unabhängig vom Waſſer.
Er koſtet dies, wie ich nach meiner Beobachtung und der wiederholten Behauptung der Bauern über-
zeugt bin, niemals, auch wenn er es haben würde.‟ Unter ganz ähnlichen Umſtänden leben die
nördlichen Arten, obwohl ſie durchaus nicht Waſſerverächter ſind, wie der Paſſan. Allerdings trifft
man die ſtattlichen Thiere, welche ſich ſchon von weitem durch ihre gewaltige Größe auszeichnen, oft
auch in den heißen, waſſerloſen Steppen Südnubiens und Kordofahns an, ohne daß man begreift,
wo ſie ihren Durſt löſchen könnten. Allein an denſelben Orten leben auch noch eine Menge andere
Thiere, welche Waſſer trinken, und die Oryxböcke verſchmähen das Waſſer wenigſtens in der Ge-
fangenſchaft nicht.
Man ſieht die Oryxantilopen gewöhnlich paarweiſe oder in ſehr kleinen Trupps, häufig auch
nur eine Mutter mit ihren Jungen. Die Haltung der Thiere hat etwas ſehr Anſtändiges, Statt-
liches, obwohl der Bau nicht gerade geeignet iſt, einen angenehmen Eindruck zu machen. Höchſt
ſelten rudeln ſich ſtarke Geſellſchaften zuſammen, und ſolche von zweiundzwanzig Stücken, wie ſie
Gordon Cumming ſah, mögen wohl nur ausnahmsweiſe ſich vereinigen. Jn den unbevölker-
ten Gegenden ſind die Oryxböcke nirgends ſelten, aber ſie ſind auch nirgends häufig und dabei immer
ſo ſcheu und furchtſam, daß man die wenigſten von denen, welche da ſind, überhaupt zu ſehen bekommt.
Sie fliehen, ehe der Reiter an ſie herankommt. Nach meinen Beobachtungen meiden ſie den Wald ſo
viel als möglich; in Kordofahn halten ſie ſich nur in der Steppe auf. Dort gibt ihnen die ſo reichliche
Pflanzenwelt hinlängliche Nahrung, und wenn dann die Zeit der Dürre und Armuth, der Winter
kommt, haben ſie ſich ſo viel Feiſt zugelegt, daß ſie ſchon eine Zeit lang auch mit magerer Koſt, mit
ausgedörrten Halmen und blätterloſen Zweigen vorlieb nehmen können. Nur einzelne Mimoſen-
büſche bieten ihnen dann noch friſchere Aeßung. Beim Weiden recken ſie ihren Hals hoch empor,
ſtemmen ſich auch wohl mit den Vorderhufen gegen den Stamm an, um höher hinauflangen zu können.
Die ſüdafrikaniſchen ſollen, wie engliſche Jäger berichtet haben, zur Zeit der Dürre nach der ſoge-
nannten Waſſerwurzel, einer in jenen Gegenden häuſigen und werthvollen lilienähnlichen Pflanze,
graben, welche die Feuchtigkeit unter ihrer feſten Hülle lang erhält.
Die Oryxböcke ſind ſchnell. Jhr Schritt iſt leicht, ihr Trab hart, ihr Galopp ſehr ſchwer, aber
ausdauernd und gleichmäßig fördernd. Nur die beſten Pferde ſind im Stande, ihnen zuweilen nach-
zukommen und die Araber der Bahiuda, welche ausgezeichnete Roſſe beſitzen, wie die Bakhara
machen ſich ein beſonderes Vergnügen daraus, die Schnelligkeit ihrer Pferde in dem Laufe des Oryx
zu erproben und ſtechen dieſen dann, ſowie er ſich im letzten Augenblicke der Gefahr gegenüberſtellt,
die Lanzen an den Hörnern vorüber von oben in die Bruſt. Mit andern Antilopen ſcheint ſich wenig-
ſtens die Oryxgemſe des Kaplandes zu vertragen, da man ſie oft mit der großen Kanna oder
Kuhantilope in vollſter Eintracht weiden ſieht. Der eigentliche Bock iſt, wie ich ſelbſt beobachtet
habe, ein im höchſten Grade unverträgliches Geſchöpf, welches andere Thiere im Anfall ſchlechter
Laune oft arg mißhandelt. Man muß dieſen Thieren überhaupt nachrühmen, daß ſie, ſo ſcheu ſie
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/580>, abgerufen am 23.11.2024.
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