Nachstellung vertrieben wurde. Außerdem kommen im Kaukasus, in Taurien, Georgien und Si- birien Gemsen vor: über sie wissen wir aber noch viel zu wenig, als daß wir sie genauer bezeichnen könnten.
Ueberall, wo die Gemse lebt, bewohnt sie das Hochgebirge, während des Sommers die höch- sten Alpen bis zur Schneegrenze, und nur selten die obersten Wälder; während des Winters die etwas tiefer gelegenen Thäler im Waldgürtel. Mit Beginn des Tages wandert sie sich äßend an dem Bergrücken herab; gegen Mittag lagert sie sich am Rande schroffer Felsenwände, unter dem Schatten der Gesteine und des Laubes der niederen Gesträuche, ruht ein wenig und klettert dann weidend wieder zu den Höhen empor, dort nochmals einen Ruheort aufsuchend und wiederkäuend. Während der Nacht verbirgt sie sich zwischen Felsen und Blöcken, unter Grotten und Steinvorsprüngen, im
[Abbildung]
Die Gemse (Capella rupicapra).
hohen Sommer am liebsten auf den westlichen und nördlichen Bergseiten, in den übrigen Jahres- zeiten auf den östlichen und südlichen. Auch in mondhellen Nächten äßt sie sich an Bergwänden; überhaupt ist sie keineswegs ein so vollendetes Tagthier, als man gewöhnlich annimmt.
Wie die meisten übrigen Antilopen lebt die Gemse einzeln, mit alleiniger Ausnahme der Zeit, wo sie auf die Brunst tritt. Dann schlägt sie sich zu größeren oder kleineren Rudeln zusammen. Zur Brunstzeit schließen sich die alten Geisen paarweise den alten Böcken an. Gegenwärtig sind die Trupps überall schwach; selbst da, wo die Thiere geschont werden. Nur in den Karpathen sollen noch sehr starke Rudel vorkommen. Trupps von 10 bis 20 Stück sieht man jetzt nur in den kaiser- lichen Jagdgebieten, während alte Leute sich erinnern, in ihrer Kindheit noch 80 bis 100 Stück auf einem Rudel gesehen zu haben.
Die Antilopen. — Die Gemſe.
Nachſtellung vertrieben wurde. Außerdem kommen im Kaukaſus, in Taurien, Georgien und Si- birien Gemſen vor: über ſie wiſſen wir aber noch viel zu wenig, als daß wir ſie genauer bezeichnen könnten.
Ueberall, wo die Gemſe lebt, bewohnt ſie das Hochgebirge, während des Sommers die höch- ſten Alpen bis zur Schneegrenze, und nur ſelten die oberſten Wälder; während des Winters die etwas tiefer gelegenen Thäler im Waldgürtel. Mit Beginn des Tages wandert ſie ſich äßend an dem Bergrücken herab; gegen Mittag lagert ſie ſich am Rande ſchroffer Felſenwände, unter dem Schatten der Geſteine und des Laubes der niederen Geſträuche, ruht ein wenig und klettert dann weidend wieder zu den Höhen empor, dort nochmals einen Ruheort aufſuchend und wiederkäuend. Während der Nacht verbirgt ſie ſich zwiſchen Felſen und Blöcken, unter Grotten und Steinvorſprüngen, im
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Die Gemſe (Capella rupicapra).
hohen Sommer am liebſten auf den weſtlichen und nördlichen Bergſeiten, in den übrigen Jahres- zeiten auf den öſtlichen und ſüdlichen. Auch in mondhellen Nächten äßt ſie ſich an Bergwänden; überhaupt iſt ſie keineswegs ein ſo vollendetes Tagthier, als man gewöhnlich annimmt.
Wie die meiſten übrigen Antilopen lebt die Gemſe einzeln, mit alleiniger Ausnahme der Zeit, wo ſie auf die Brunſt tritt. Dann ſchlägt ſie ſich zu größeren oder kleineren Rudeln zuſammen. Zur Brunſtzeit ſchließen ſich die alten Geiſen paarweiſe den alten Böcken an. Gegenwärtig ſind die Trupps überall ſchwach; ſelbſt da, wo die Thiere geſchont werden. Nur in den Karpathen ſollen noch ſehr ſtarke Rudel vorkommen. Trupps von 10 bis 20 Stück ſieht man jetzt nur in den kaiſer- lichen Jagdgebieten, während alte Leute ſich erinnern, in ihrer Kindheit noch 80 bis 100 Stück auf einem Rudel geſehen zu haben.
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Die Antilopen. — Die Gemſe.
Nachſtellung vertrieben wurde. Außerdem kommen im Kaukaſus, in Taurien, Georgien und Si-
birien Gemſen vor: über ſie wiſſen wir aber noch viel zu wenig, als daß wir ſie genauer bezeichnen
könnten.
Ueberall, wo die Gemſe lebt, bewohnt ſie das Hochgebirge, während des Sommers die höch-
ſten Alpen bis zur Schneegrenze, und nur ſelten die oberſten Wälder; während des Winters die
etwas tiefer gelegenen Thäler im Waldgürtel. Mit Beginn des Tages wandert ſie ſich äßend an dem
Bergrücken herab; gegen Mittag lagert ſie ſich am Rande ſchroffer Felſenwände, unter dem Schatten
der Geſteine und des Laubes der niederen Geſträuche, ruht ein wenig und klettert dann weidend
wieder zu den Höhen empor, dort nochmals einen Ruheort aufſuchend und wiederkäuend. Während
der Nacht verbirgt ſie ſich zwiſchen Felſen und Blöcken, unter Grotten und Steinvorſprüngen, im
[Abbildung Die Gemſe (Capella rupicapra).]
hohen Sommer am liebſten auf den weſtlichen und nördlichen Bergſeiten, in den übrigen Jahres-
zeiten auf den öſtlichen und ſüdlichen. Auch in mondhellen Nächten äßt ſie ſich an Bergwänden;
überhaupt iſt ſie keineswegs ein ſo vollendetes Tagthier, als man gewöhnlich annimmt.
Wie die meiſten übrigen Antilopen lebt die Gemſe einzeln, mit alleiniger Ausnahme der Zeit,
wo ſie auf die Brunſt tritt. Dann ſchlägt ſie ſich zu größeren oder kleineren Rudeln zuſammen.
Zur Brunſtzeit ſchließen ſich die alten Geiſen paarweiſe den alten Böcken an. Gegenwärtig ſind die
Trupps überall ſchwach; ſelbſt da, wo die Thiere geſchont werden. Nur in den Karpathen ſollen
noch ſehr ſtarke Rudel vorkommen. Trupps von 10 bis 20 Stück ſieht man jetzt nur in den kaiſer-
lichen Jagdgebieten, während alte Leute ſich erinnern, in ihrer Kindheit noch 80 bis 100 Stück auf
einem Rudel geſehen zu haben.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/558>, abgerufen am 23.11.2024.
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