Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Klippspringer. Der Goral.
sonst, die starken Läufe wie aus federndem Stahl geschmiedet. Jeder Sprung schnellt das Thier hoch
in die Luft; bald zeigt es sich ganz frei den Blicken, bald ist es wieder zwischen den Steinen oder in
den mehr als fußhohen Pflanzen verschwunden, welche die Gehänge bedecken. Mit unglaublicher
Eile jagt es dahin; wenige Augenblicke genügen, um es außer Bereich der Büchse zu bringen. Zu-
weilen kommt es aber doch vor, daß man die Verfolgung noch ein Mal aufnehmen und ein zweites
Mal zum Schuß gelangen kann. Jn Gegenden, wo das Feuergewehr nicht üblich ist, machen sich
alle Thiere anfangs aus dem Knall sehr wenig, und die Klippspringer zumal scheinen an das Krachen
und Lärmen der herabrollenden Steine im Gebirge so gewöhnt zu sein, daß sie ein Schuß kaum be-
helligt. Jch selbst habe aus einer Familie von drei Stücken noch den Bock erlegt, nachdem ich ihn
das erste Mal gefehlt hatte. Der Trupp war nach dem Knall zwar einigermaßen verwundert, aber
doch furchtlos auf nahestehende Felsblöcke gesprungen, um sich von dort aus Sicherheit über den Vor-
fall zu verschaffen, und weil ich mich ganz ruhig verhielt, zog die Gesellschaft später nur langsam
weiter an den Bergwänden hin, so daß ich sie bald wieder einholen und nunmehr die Büchse besser
richten konnte. Wenn man sich gleich von Anfang an vorbereitet hat, zwei Mal zu schießen, kann
man beide Gatten des Pärchens erlegen; denn der eine Sassa bleibt regelmäßig noch einige Augen-
blicke neben seinem getödteten Gefährten stehen, betrachtet ihn mit großem Entsetzen und läßt dabei
den so vielen Antilopen eigenthümlichen scharfen Schneuzer des Schrecks oder der Warnung verneh-
men. Fürst Hohenlohe erlegte einmal beide Böcke eines Doppelpärchens mit zwei rasch auf ein-
anderfolgenden Schüssen.

Wie es scheint, fällt in Habesch die Satzzeit des Sassa zu Anfang der großen Regenzeit. Jm
März traf ich Pärchen, in deren Geleit sich der etwa halbjährige Sprößling noch befand. Genaues
wußten mir die Abissinier nicht anzugeben, obwohl ihnen allen der Klippspringer ein sehr bekanntes
Thier ist.

Die Betschuanen sind, wie man erzählt, der sonderbaren Ansicht, daß der Klippspringer durch
Geschrei den Regen beschwöre. Sie suchen sich deshalb, wenn sie von Trockenheit leiden, sobald als
möglich lebende Klippspringer zu verschaffen und plagen die armen, kleinen Geschöpfe durch Schla-
gen, Kneipen und Zwicken, damit sie laut aufschreien und ihnen Regen bringen. Jn Habesch hält
man den Sassa nirgends in der Gefangenschaft, wohl aber jagt man ihn seines Wildprets halber,
vorausgesetzt nämlich, daß man ein Feuergewehr besitzt und dies zu handhaben weiß. Die Decke
wird hier nicht benutzt, wie am Kap, wo man sie zu Polstern, Satteln und dergleichen ver-
wendet.

Nach Europa ist bisjetzt, wie es scheint, noch kein Klippspringer lebend gekommen. Daß er sich
in der Gefangenschaft halten würde, unterliegt wohl kaum einem Zweifel; denn die Höhen, welche er
zu seinem Aufenthalte sich wählt, haben so ziemlich dasselbe Klima, wie unser heimatlicher Erdtheil.
Es erscheint mir gar nicht unmöglich, daß das nette Wild bei uns eingebürgert werden könnte: --
sicherlich zur größten Freude der Gemsenjäger, welche dann neben unserer heimischen noch an der
afrikanischen Gebirgsantilope ihre Kunst bewähren würden. --



Die außerordentliche Fertigkeit im Bergsteigen, welche dem Klippspringer die Bewunderung des
Menschen errungen hat, besitzt auch der indische Goral, ein Thier, welches zur Gruppe der Waldziegen-
antilopen (Nemorhoedus) gehört. Dieser Name deutet ebensowohl auf Gestalt, wie auf Lebens-
weise der betreffenden Wiederkäuer hin. Alle hierher gehörigen Antilopen haben große Aehnlichkeit
mit den Ziegen. Beide Geschlechter sind ziegenähnlich behornt, nur daß ihre unten geringelten, erst
gerade aufsteigenden, dann gegen die Spitze hin ein wenig nach hinten gekrümmten Hörner nicht ge-
kantet sind, wie bei den Ziegen. Thränen- und Weichengruben fehlen. Bisjetzt kennt man blos
wenige Arten jener Gruppe, und auch diese noch nicht genau.

Der Klippſpringer. Der Goral.
ſonſt, die ſtarken Läufe wie aus federndem Stahl geſchmiedet. Jeder Sprung ſchnellt das Thier hoch
in die Luft; bald zeigt es ſich ganz frei den Blicken, bald iſt es wieder zwiſchen den Steinen oder in
den mehr als fußhohen Pflanzen verſchwunden, welche die Gehänge bedecken. Mit unglaublicher
Eile jagt es dahin; wenige Augenblicke genügen, um es außer Bereich der Büchſe zu bringen. Zu-
weilen kommt es aber doch vor, daß man die Verfolgung noch ein Mal aufnehmen und ein zweites
Mal zum Schuß gelangen kann. Jn Gegenden, wo das Feuergewehr nicht üblich iſt, machen ſich
alle Thiere anfangs aus dem Knall ſehr wenig, und die Klippſpringer zumal ſcheinen an das Krachen
und Lärmen der herabrollenden Steine im Gebirge ſo gewöhnt zu ſein, daß ſie ein Schuß kaum be-
helligt. Jch ſelbſt habe aus einer Familie von drei Stücken noch den Bock erlegt, nachdem ich ihn
das erſte Mal gefehlt hatte. Der Trupp war nach dem Knall zwar einigermaßen verwundert, aber
doch furchtlos auf naheſtehende Felsblöcke geſprungen, um ſich von dort aus Sicherheit über den Vor-
fall zu verſchaffen, und weil ich mich ganz ruhig verhielt, zog die Geſellſchaft ſpäter nur langſam
weiter an den Bergwänden hin, ſo daß ich ſie bald wieder einholen und nunmehr die Büchſe beſſer
richten konnte. Wenn man ſich gleich von Anfang an vorbereitet hat, zwei Mal zu ſchießen, kann
man beide Gatten des Pärchens erlegen; denn der eine Saſſa bleibt regelmäßig noch einige Augen-
blicke neben ſeinem getödteten Gefährten ſtehen, betrachtet ihn mit großem Entſetzen und läßt dabei
den ſo vielen Antilopen eigenthümlichen ſcharfen Schneuzer des Schrecks oder der Warnung verneh-
men. Fürſt Hohenlohe erlegte einmal beide Böcke eines Doppelpärchens mit zwei raſch auf ein-
anderfolgenden Schüſſen.

Wie es ſcheint, fällt in Habeſch die Satzzeit des Saſſa zu Anfang der großen Regenzeit. Jm
März traf ich Pärchen, in deren Geleit ſich der etwa halbjährige Sprößling noch befand. Genaues
wußten mir die Abiſſinier nicht anzugeben, obwohl ihnen allen der Klippſpringer ein ſehr bekanntes
Thier iſt.

Die Betſchuanen ſind, wie man erzählt, der ſonderbaren Anſicht, daß der Klippſpringer durch
Geſchrei den Regen beſchwöre. Sie ſuchen ſich deshalb, wenn ſie von Trockenheit leiden, ſobald als
möglich lebende Klippſpringer zu verſchaffen und plagen die armen, kleinen Geſchöpfe durch Schla-
gen, Kneipen und Zwicken, damit ſie laut aufſchreien und ihnen Regen bringen. Jn Habeſch hält
man den Saſſa nirgends in der Gefangenſchaft, wohl aber jagt man ihn ſeines Wildprets halber,
vorausgeſetzt nämlich, daß man ein Feuergewehr beſitzt und dies zu handhaben weiß. Die Decke
wird hier nicht benutzt, wie am Kap, wo man ſie zu Polſtern, Satteln und dergleichen ver-
wendet.

Nach Europa iſt bisjetzt, wie es ſcheint, noch kein Klippſpringer lebend gekommen. Daß er ſich
in der Gefangenſchaft halten würde, unterliegt wohl kaum einem Zweifel; denn die Höhen, welche er
zu ſeinem Aufenthalte ſich wählt, haben ſo ziemlich daſſelbe Klima, wie unſer heimatlicher Erdtheil.
Es erſcheint mir gar nicht unmöglich, daß das nette Wild bei uns eingebürgert werden könnte: —
ſicherlich zur größten Freude der Gemſenjäger, welche dann neben unſerer heimiſchen noch an der
afrikaniſchen Gebirgsantilope ihre Kunſt bewähren würden. —



Die außerordentliche Fertigkeit im Bergſteigen, welche dem Klippſpringer die Bewunderung des
Menſchen errungen hat, beſitzt auch der indiſche Goral, ein Thier, welches zur Gruppe der Waldziegen-
antilopen (Nemorhoedus) gehört. Dieſer Name deutet ebenſowohl auf Geſtalt, wie auf Lebens-
weiſe der betreffenden Wiederkäuer hin. Alle hierher gehörigen Antilopen haben große Aehnlichkeit
mit den Ziegen. Beide Geſchlechter ſind ziegenähnlich behornt, nur daß ihre unten geringelten, erſt
gerade aufſteigenden, dann gegen die Spitze hin ein wenig nach hinten gekrümmten Hörner nicht ge-
kantet ſind, wie bei den Ziegen. Thränen- und Weichengruben fehlen. Bisjetzt kennt man blos
wenige Arten jener Gruppe, und auch dieſe noch nicht genau.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0555" n="525"/><fw place="top" type="header">Der Klipp&#x017F;pringer. Der Goral.</fw><lb/>
&#x017F;on&#x017F;t, die &#x017F;tarken Läufe wie aus federndem Stahl ge&#x017F;chmiedet. Jeder Sprung &#x017F;chnellt das Thier hoch<lb/>
in die Luft; bald zeigt es &#x017F;ich ganz frei den Blicken, bald i&#x017F;t es wieder zwi&#x017F;chen den Steinen oder in<lb/>
den mehr als fußhohen Pflanzen ver&#x017F;chwunden, welche die Gehänge bedecken. Mit unglaublicher<lb/>
Eile jagt es dahin; wenige Augenblicke genügen, um es außer Bereich der Büch&#x017F;e zu bringen. Zu-<lb/>
weilen kommt es aber doch vor, daß man die Verfolgung noch ein Mal aufnehmen und ein zweites<lb/>
Mal zum Schuß gelangen kann. Jn Gegenden, wo das Feuergewehr nicht üblich i&#x017F;t, machen &#x017F;ich<lb/>
alle Thiere anfangs aus dem Knall &#x017F;ehr wenig, und die Klipp&#x017F;pringer zumal &#x017F;cheinen an das Krachen<lb/>
und Lärmen der herabrollenden Steine im Gebirge &#x017F;o gewöhnt zu &#x017F;ein, daß &#x017F;ie ein Schuß kaum be-<lb/>
helligt. Jch &#x017F;elb&#x017F;t habe aus einer Familie von drei Stücken noch den Bock erlegt, nachdem ich ihn<lb/>
das er&#x017F;te Mal gefehlt hatte. Der Trupp war nach dem Knall zwar einigermaßen verwundert, aber<lb/>
doch furchtlos auf nahe&#x017F;tehende Felsblöcke ge&#x017F;prungen, um &#x017F;ich von dort aus Sicherheit über den Vor-<lb/>
fall zu ver&#x017F;chaffen, und weil ich mich ganz ruhig verhielt, zog die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;päter nur lang&#x017F;am<lb/>
weiter an den Bergwänden hin, &#x017F;o daß ich &#x017F;ie bald wieder einholen und nunmehr die Büch&#x017F;e be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
richten konnte. Wenn man &#x017F;ich gleich von Anfang an vorbereitet hat, zwei Mal zu &#x017F;chießen, kann<lb/>
man beide Gatten des Pärchens erlegen; denn der eine Sa&#x017F;&#x017F;a bleibt regelmäßig noch einige Augen-<lb/>
blicke neben &#x017F;einem getödteten Gefährten &#x017F;tehen, betrachtet ihn mit großem Ent&#x017F;etzen und läßt dabei<lb/>
den &#x017F;o vielen Antilopen eigenthümlichen &#x017F;charfen Schneuzer des Schrecks oder der Warnung verneh-<lb/>
men. Für&#x017F;t <hi rendition="#g">Hohenlohe</hi> erlegte einmal beide Böcke eines Doppelpärchens mit zwei ra&#x017F;ch auf ein-<lb/>
anderfolgenden Schü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
              <p>Wie es &#x017F;cheint, fällt in Habe&#x017F;ch die Satzzeit des Sa&#x017F;&#x017F;a zu Anfang der großen Regenzeit. Jm<lb/>
März traf ich Pärchen, in deren Geleit &#x017F;ich der etwa halbjährige Sprößling noch befand. Genaues<lb/>
wußten mir die Abi&#x017F;&#x017F;inier nicht anzugeben, obwohl ihnen allen der Klipp&#x017F;pringer ein &#x017F;ehr bekanntes<lb/>
Thier i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Die Bet&#x017F;chuanen &#x017F;ind, wie man erzählt, der &#x017F;onderbaren An&#x017F;icht, daß der Klipp&#x017F;pringer durch<lb/>
Ge&#x017F;chrei den Regen be&#x017F;chwöre. Sie &#x017F;uchen &#x017F;ich deshalb, wenn &#x017F;ie von Trockenheit leiden, &#x017F;obald als<lb/>
möglich lebende Klipp&#x017F;pringer zu ver&#x017F;chaffen und plagen die armen, kleinen Ge&#x017F;chöpfe durch Schla-<lb/>
gen, Kneipen und Zwicken, damit &#x017F;ie laut auf&#x017F;chreien und ihnen Regen bringen. Jn Habe&#x017F;ch hält<lb/>
man den Sa&#x017F;&#x017F;a nirgends in der Gefangen&#x017F;chaft, wohl aber jagt man ihn &#x017F;eines Wildprets halber,<lb/>
vorausge&#x017F;etzt nämlich, daß man ein Feuergewehr be&#x017F;itzt und dies zu handhaben weiß. Die Decke<lb/>
wird hier nicht benutzt, wie am Kap, wo man &#x017F;ie zu Pol&#x017F;tern, Satteln und dergleichen ver-<lb/>
wendet.</p><lb/>
              <p>Nach Europa i&#x017F;t bisjetzt, wie es &#x017F;cheint, noch kein Klipp&#x017F;pringer lebend gekommen. Daß er &#x017F;ich<lb/>
in der Gefangen&#x017F;chaft halten würde, unterliegt wohl kaum einem Zweifel; denn die Höhen, welche er<lb/>
zu &#x017F;einem Aufenthalte &#x017F;ich wählt, haben &#x017F;o ziemlich da&#x017F;&#x017F;elbe Klima, wie un&#x017F;er heimatlicher Erdtheil.<lb/>
Es er&#x017F;cheint mir gar nicht unmöglich, daß das nette Wild bei uns eingebürgert werden könnte: &#x2014;<lb/>
&#x017F;icherlich zur größten Freude der Gem&#x017F;enjäger, welche dann neben un&#x017F;erer heimi&#x017F;chen noch an der<lb/>
afrikani&#x017F;chen Gebirgsantilope ihre Kun&#x017F;t bewähren würden. &#x2014;</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <p>Die außerordentliche Fertigkeit im Berg&#x017F;teigen, welche dem Klipp&#x017F;pringer die Bewunderung des<lb/>
Men&#x017F;chen errungen hat, be&#x017F;itzt auch der indi&#x017F;che <hi rendition="#g">Goral,</hi> ein Thier, welches zur Gruppe der Waldziegen-<lb/>
antilopen (<hi rendition="#aq">Nemorhoedus</hi>) gehört. Die&#x017F;er Name deutet eben&#x017F;owohl auf Ge&#x017F;talt, wie auf Lebens-<lb/>
wei&#x017F;e der betreffenden Wiederkäuer hin. Alle hierher gehörigen Antilopen haben große Aehnlichkeit<lb/>
mit den Ziegen. Beide Ge&#x017F;chlechter &#x017F;ind ziegenähnlich behornt, nur daß ihre unten geringelten, er&#x017F;t<lb/>
gerade auf&#x017F;teigenden, dann gegen die Spitze hin ein wenig nach hinten gekrümmten Hörner nicht ge-<lb/>
kantet &#x017F;ind, wie bei den Ziegen. Thränen- und Weichengruben fehlen. Bisjetzt kennt man blos<lb/>
wenige Arten jener Gruppe, und auch die&#x017F;e noch nicht genau.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[525/0555] Der Klippſpringer. Der Goral. ſonſt, die ſtarken Läufe wie aus federndem Stahl geſchmiedet. Jeder Sprung ſchnellt das Thier hoch in die Luft; bald zeigt es ſich ganz frei den Blicken, bald iſt es wieder zwiſchen den Steinen oder in den mehr als fußhohen Pflanzen verſchwunden, welche die Gehänge bedecken. Mit unglaublicher Eile jagt es dahin; wenige Augenblicke genügen, um es außer Bereich der Büchſe zu bringen. Zu- weilen kommt es aber doch vor, daß man die Verfolgung noch ein Mal aufnehmen und ein zweites Mal zum Schuß gelangen kann. Jn Gegenden, wo das Feuergewehr nicht üblich iſt, machen ſich alle Thiere anfangs aus dem Knall ſehr wenig, und die Klippſpringer zumal ſcheinen an das Krachen und Lärmen der herabrollenden Steine im Gebirge ſo gewöhnt zu ſein, daß ſie ein Schuß kaum be- helligt. Jch ſelbſt habe aus einer Familie von drei Stücken noch den Bock erlegt, nachdem ich ihn das erſte Mal gefehlt hatte. Der Trupp war nach dem Knall zwar einigermaßen verwundert, aber doch furchtlos auf naheſtehende Felsblöcke geſprungen, um ſich von dort aus Sicherheit über den Vor- fall zu verſchaffen, und weil ich mich ganz ruhig verhielt, zog die Geſellſchaft ſpäter nur langſam weiter an den Bergwänden hin, ſo daß ich ſie bald wieder einholen und nunmehr die Büchſe beſſer richten konnte. Wenn man ſich gleich von Anfang an vorbereitet hat, zwei Mal zu ſchießen, kann man beide Gatten des Pärchens erlegen; denn der eine Saſſa bleibt regelmäßig noch einige Augen- blicke neben ſeinem getödteten Gefährten ſtehen, betrachtet ihn mit großem Entſetzen und läßt dabei den ſo vielen Antilopen eigenthümlichen ſcharfen Schneuzer des Schrecks oder der Warnung verneh- men. Fürſt Hohenlohe erlegte einmal beide Böcke eines Doppelpärchens mit zwei raſch auf ein- anderfolgenden Schüſſen. Wie es ſcheint, fällt in Habeſch die Satzzeit des Saſſa zu Anfang der großen Regenzeit. Jm März traf ich Pärchen, in deren Geleit ſich der etwa halbjährige Sprößling noch befand. Genaues wußten mir die Abiſſinier nicht anzugeben, obwohl ihnen allen der Klippſpringer ein ſehr bekanntes Thier iſt. Die Betſchuanen ſind, wie man erzählt, der ſonderbaren Anſicht, daß der Klippſpringer durch Geſchrei den Regen beſchwöre. Sie ſuchen ſich deshalb, wenn ſie von Trockenheit leiden, ſobald als möglich lebende Klippſpringer zu verſchaffen und plagen die armen, kleinen Geſchöpfe durch Schla- gen, Kneipen und Zwicken, damit ſie laut aufſchreien und ihnen Regen bringen. Jn Habeſch hält man den Saſſa nirgends in der Gefangenſchaft, wohl aber jagt man ihn ſeines Wildprets halber, vorausgeſetzt nämlich, daß man ein Feuergewehr beſitzt und dies zu handhaben weiß. Die Decke wird hier nicht benutzt, wie am Kap, wo man ſie zu Polſtern, Satteln und dergleichen ver- wendet. Nach Europa iſt bisjetzt, wie es ſcheint, noch kein Klippſpringer lebend gekommen. Daß er ſich in der Gefangenſchaft halten würde, unterliegt wohl kaum einem Zweifel; denn die Höhen, welche er zu ſeinem Aufenthalte ſich wählt, haben ſo ziemlich daſſelbe Klima, wie unſer heimatlicher Erdtheil. Es erſcheint mir gar nicht unmöglich, daß das nette Wild bei uns eingebürgert werden könnte: — ſicherlich zur größten Freude der Gemſenjäger, welche dann neben unſerer heimiſchen noch an der afrikaniſchen Gebirgsantilope ihre Kunſt bewähren würden. — Die außerordentliche Fertigkeit im Bergſteigen, welche dem Klippſpringer die Bewunderung des Menſchen errungen hat, beſitzt auch der indiſche Goral, ein Thier, welches zur Gruppe der Waldziegen- antilopen (Nemorhoedus) gehört. Dieſer Name deutet ebenſowohl auf Geſtalt, wie auf Lebens- weiſe der betreffenden Wiederkäuer hin. Alle hierher gehörigen Antilopen haben große Aehnlichkeit mit den Ziegen. Beide Geſchlechter ſind ziegenähnlich behornt, nur daß ihre unten geringelten, erſt gerade aufſteigenden, dann gegen die Spitze hin ein wenig nach hinten gekrümmten Hörner nicht ge- kantet ſind, wie bei den Ziegen. Thränen- und Weichengruben fehlen. Bisjetzt kennt man blos wenige Arten jener Gruppe, und auch dieſe noch nicht genau.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/555
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/555>, abgerufen am 25.05.2024.