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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhafen.
dingt das Bezeichnendste am ganzen Thiere. Die Läufe haben starke Schenkel, lange Schienbeine,
unverhältnißmäßig verlängerte Fußwurzeln mit starken und langen Zehen, von denen die mittelste
einen gewaltigen hufartigen Nagel trägt. Die Zahl der Zehen beträgt hier, weil der Daumen fehlt,
nur vier. Der Schwanz ist verhältnißmäßig dicker und länger, als bei jedem andern Säugethiere,
und äußerst muskelkräftig. Jm Vergleich zu diesen Gliedern sinken die vorderen zu stummelhaften
Greifwerkzeugen herab, obwohl hiermit keineswegs gesagt sein soll, daß sie auch hinsichtlich ihrer
Beweglichkeit verkümmert wären. Die Vorderfüße des Känguru, welche gewöhnlich fünf, mit runden
Nägeln bekrallte Zehen haben, sind gewissermaßen zu Händen geworden und werden von dem
Thiere auch handartig gebraucht. Der Kopf erscheint als ein Mittelding zwischen dem eines Hirsches
und dem eines Hasen. Mit diesen Worten sind die Springbeutelthiere beschrieben; ein einziger Blick
auf irgend eine unserer Abbildungen ergänzt das Fehlende vollständiger, als die ausführlichste Schil-
derung es zu thun vermag.

Australien ist die Heimat der Springbeutelthiere. Die weiten, grasreichen Ebenen inmitten des
Erdtheils bilden ihre bevorzugten Aufenthaltsorte. Einige Arten ziehen buschreiche Gegenden, andere
felsige Gebirge den parkähnlichen Grasflächen vor; noch andere haben sich zu ihrem Aufenthalte un-
durchdringliche Buschwerke erkoren, in denen sie sich erst durch Abbrechen von Aesten und Zweigen
Laufgänge bereiten müssen, oder leben, so unglaublich Dies auch scheinen mag, auf den Felsen und
Bäumen selbst. Die meisten halten sich einzeln und kommen blos zufällig auf futterreichen Plätzen in
größerer Anzahl zusammen, ohne jedoch jemals einen wirklich geschlossenen Verband zu bilden. Die
achtzig und mehr Stücke einer Känguruherde, welche der Reisende mit einem Blicke überschauen kann,
zertheilen sich vielleicht schon wenige Stunden später in alle Richtungen der Windrose und vereinigen
sich gelegentlich wieder mit anderen ihrer Art oder mit Verwandten, ohne nach ihren früheren Genossen
zu verlangen. Die meisten Arten treiben bei Tage ihr Wesen; die kleineren dagegen sind Nacht-
thiere, welche sich bei Tage in seichten Vertiefungen verbergen und zu ihnen zurückzukehren pflegen.
Einzelne bewohnen auch Felsenklüfte, zu denen sie sich regelmäßig wiederfinden, wenn sie auf Aasung
ausgegangen waren.

Leibliche und geistige Begabungen der Käugurus verdienen eine ausführliche Beschreibung. Die
Springbeutelthiere gehören unbedingt zu den beachtungswerthesten Säugethieren. An ihnen ist
eigentlich Alles merkwürdig: ihre Bewegungen und ihr Ruhen, die Art und Weise ihres Nahrungs-
erwerbs, ihre Fortpflanzung, ihre Entwickelung und ihr geistiges Wesen. Der Gang, welchen man
namentlich beim Weiden beobachten kann, ist ein schwerfälliges, unbehilfliches Forthumpeln. Das
Thier stemmt seine Handflächen auf und schiebt die Hinterbeine dann an den Vordergliedern vorbei,
so daß sie zwischen diese zu stehen kommen. Dabei muß es sich hinten auf den Schwanz stützen, weil
es sonst die langen Hinterläufe nicht so hoch heben könnte, daß solche Bewegungen möglich wären.
Aber das Kängurn verweilt in dieser, ihm höchst unbequemen Stellung auch niemals länger, als un-
umgänglich nothwendig. Selbst beim Abbeißen sitzt es regelmäßig auf Hinterbeinen und Schwanz,
und läßt die Vorderarme schlaff herabhängen. Sobald es irgend eine Lieblingspflanze abgerupft hat,
steht es auf, um sie in der gewöhnlichen Stellung zu verzehren. Bei dieser stützt es den Leib auf die
Sohle und gleichzeitig auf den nach hinten fest angestemmten Schwanz, wodurch der Körper sicher
und beqnem wie auf einem Dreifuß ruht. Seltener steht es auf drei Beinen und dem Schwanze:
dann hat es mit der einen Hand irgend Etwas am Boden zu thun. Halb gesättigt, legt es sich
der Länge nach auf den Boden, die Hinterläufe weit von sich gestreckt. Fällt es ihm in dieser
Stellung ein, zu weiden, so bleibt es hinten ruhig liegen und stützt sich vorn höchstens mit den
kurzen Armen auf. Zum Schlafen nehmen die kleineren Arten eine ähnliche Stellung an, wie der
Hase im Lager. Sie setzen sich, dicht auf den Boden gedrückt, auf alle vier Beine und den der
Länge nach unter den Leib geschlagenen Schwanz; diese Stellung befähigt sie, jederzeit sofort die Flucht
zu ergreifen. Das geringste Geräusch schreckt ein ruhendes Känguru augenblicklich auf, und

Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhafen.
dingt das Bezeichnendſte am ganzen Thiere. Die Läufe haben ſtarke Schenkel, lange Schienbeine,
unverhältnißmäßig verlängerte Fußwurzeln mit ſtarken und langen Zehen, von denen die mittelſte
einen gewaltigen hufartigen Nagel trägt. Die Zahl der Zehen beträgt hier, weil der Daumen fehlt,
nur vier. Der Schwanz iſt verhältnißmäßig dicker und länger, als bei jedem andern Säugethiere,
und äußerſt muskelkräftig. Jm Vergleich zu dieſen Gliedern ſinken die vorderen zu ſtummelhaften
Greifwerkzeugen herab, obwohl hiermit keineswegs geſagt ſein ſoll, daß ſie auch hinſichtlich ihrer
Beweglichkeit verkümmert wären. Die Vorderfüße des Känguru, welche gewöhnlich fünf, mit runden
Nägeln bekrallte Zehen haben, ſind gewiſſermaßen zu Händen geworden und werden von dem
Thiere auch handartig gebraucht. Der Kopf erſcheint als ein Mittelding zwiſchen dem eines Hirſches
und dem eines Haſen. Mit dieſen Worten ſind die Springbeutelthiere beſchrieben; ein einziger Blick
auf irgend eine unſerer Abbildungen ergänzt das Fehlende vollſtändiger, als die ausführlichſte Schil-
derung es zu thun vermag.

Auſtralien iſt die Heimat der Springbeutelthiere. Die weiten, grasreichen Ebenen inmitten des
Erdtheils bilden ihre bevorzugten Aufenthaltsorte. Einige Arten ziehen buſchreiche Gegenden, andere
felſige Gebirge den parkähnlichen Grasflächen vor; noch andere haben ſich zu ihrem Aufenthalte un-
durchdringliche Buſchwerke erkoren, in denen ſie ſich erſt durch Abbrechen von Aeſten und Zweigen
Laufgänge bereiten müſſen, oder leben, ſo unglaublich Dies auch ſcheinen mag, auf den Felſen und
Bäumen ſelbſt. Die meiſten halten ſich einzeln und kommen blos zufällig auf futterreichen Plätzen in
größerer Anzahl zuſammen, ohne jedoch jemals einen wirklich geſchloſſenen Verband zu bilden. Die
achtzig und mehr Stücke einer Känguruherde, welche der Reiſende mit einem Blicke überſchauen kann,
zertheilen ſich vielleicht ſchon wenige Stunden ſpäter in alle Richtungen der Windroſe und vereinigen
ſich gelegentlich wieder mit anderen ihrer Art oder mit Verwandten, ohne nach ihren früheren Genoſſen
zu verlangen. Die meiſten Arten treiben bei Tage ihr Weſen; die kleineren dagegen ſind Nacht-
thiere, welche ſich bei Tage in ſeichten Vertiefungen verbergen und zu ihnen zurückzukehren pflegen.
Einzelne bewohnen auch Felſenklüfte, zu denen ſie ſich regelmäßig wiederfinden, wenn ſie auf Aaſung
ausgegangen waren.

Leibliche und geiſtige Begabungen der Käugurus verdienen eine ausführliche Beſchreibung. Die
Springbeutelthiere gehören unbedingt zu den beachtungswertheſten Säugethieren. An ihnen iſt
eigentlich Alles merkwürdig: ihre Bewegungen und ihr Ruhen, die Art und Weiſe ihres Nahrungs-
erwerbs, ihre Fortpflanzung, ihre Entwickelung und ihr geiſtiges Weſen. Der Gang, welchen man
namentlich beim Weiden beobachten kann, iſt ein ſchwerfälliges, unbehilfliches Forthumpeln. Das
Thier ſtemmt ſeine Handflächen auf und ſchiebt die Hinterbeine dann an den Vordergliedern vorbei,
ſo daß ſie zwiſchen dieſe zu ſtehen kommen. Dabei muß es ſich hinten auf den Schwanz ſtützen, weil
es ſonſt die langen Hinterläufe nicht ſo hoch heben könnte, daß ſolche Bewegungen möglich wären.
Aber das Kängurn verweilt in dieſer, ihm höchſt unbequemen Stellung auch niemals länger, als un-
umgänglich nothwendig. Selbſt beim Abbeißen ſitzt es regelmäßig auf Hinterbeinen und Schwanz,
und läßt die Vorderarme ſchlaff herabhängen. Sobald es irgend eine Lieblingspflanze abgerupft hat,
ſteht es auf, um ſie in der gewöhnlichen Stellung zu verzehren. Bei dieſer ſtützt es den Leib auf die
Sohle und gleichzeitig auf den nach hinten feſt angeſtemmten Schwanz, wodurch der Körper ſicher
und beqnem wie auf einem Dreifuß ruht. Seltener ſteht es auf drei Beinen und dem Schwanze:
dann hat es mit der einen Hand irgend Etwas am Boden zu thun. Halb geſättigt, legt es ſich
der Länge nach auf den Boden, die Hinterläufe weit von ſich geſtreckt. Fällt es ihm in dieſer
Stellung ein, zu weiden, ſo bleibt es hinten ruhig liegen und ſtützt ſich vorn höchſtens mit den
kurzen Armen auf. Zum Schlafen nehmen die kleineren Arten eine ähnliche Stellung an, wie der
Haſe im Lager. Sie ſetzen ſich, dicht auf den Boden gedrückt, auf alle vier Beine und den der
Länge nach unter den Leib geſchlagenen Schwanz; dieſe Stellung befähigt ſie, jederzeit ſofort die Flucht
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[43/0055] Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhafen. dingt das Bezeichnendſte am ganzen Thiere. Die Läufe haben ſtarke Schenkel, lange Schienbeine, unverhältnißmäßig verlängerte Fußwurzeln mit ſtarken und langen Zehen, von denen die mittelſte einen gewaltigen hufartigen Nagel trägt. Die Zahl der Zehen beträgt hier, weil der Daumen fehlt, nur vier. Der Schwanz iſt verhältnißmäßig dicker und länger, als bei jedem andern Säugethiere, und äußerſt muskelkräftig. Jm Vergleich zu dieſen Gliedern ſinken die vorderen zu ſtummelhaften Greifwerkzeugen herab, obwohl hiermit keineswegs geſagt ſein ſoll, daß ſie auch hinſichtlich ihrer Beweglichkeit verkümmert wären. Die Vorderfüße des Känguru, welche gewöhnlich fünf, mit runden Nägeln bekrallte Zehen haben, ſind gewiſſermaßen zu Händen geworden und werden von dem Thiere auch handartig gebraucht. Der Kopf erſcheint als ein Mittelding zwiſchen dem eines Hirſches und dem eines Haſen. Mit dieſen Worten ſind die Springbeutelthiere beſchrieben; ein einziger Blick auf irgend eine unſerer Abbildungen ergänzt das Fehlende vollſtändiger, als die ausführlichſte Schil- derung es zu thun vermag. Auſtralien iſt die Heimat der Springbeutelthiere. Die weiten, grasreichen Ebenen inmitten des Erdtheils bilden ihre bevorzugten Aufenthaltsorte. Einige Arten ziehen buſchreiche Gegenden, andere felſige Gebirge den parkähnlichen Grasflächen vor; noch andere haben ſich zu ihrem Aufenthalte un- durchdringliche Buſchwerke erkoren, in denen ſie ſich erſt durch Abbrechen von Aeſten und Zweigen Laufgänge bereiten müſſen, oder leben, ſo unglaublich Dies auch ſcheinen mag, auf den Felſen und Bäumen ſelbſt. Die meiſten halten ſich einzeln und kommen blos zufällig auf futterreichen Plätzen in größerer Anzahl zuſammen, ohne jedoch jemals einen wirklich geſchloſſenen Verband zu bilden. Die achtzig und mehr Stücke einer Känguruherde, welche der Reiſende mit einem Blicke überſchauen kann, zertheilen ſich vielleicht ſchon wenige Stunden ſpäter in alle Richtungen der Windroſe und vereinigen ſich gelegentlich wieder mit anderen ihrer Art oder mit Verwandten, ohne nach ihren früheren Genoſſen zu verlangen. Die meiſten Arten treiben bei Tage ihr Weſen; die kleineren dagegen ſind Nacht- thiere, welche ſich bei Tage in ſeichten Vertiefungen verbergen und zu ihnen zurückzukehren pflegen. Einzelne bewohnen auch Felſenklüfte, zu denen ſie ſich regelmäßig wiederfinden, wenn ſie auf Aaſung ausgegangen waren. Leibliche und geiſtige Begabungen der Käugurus verdienen eine ausführliche Beſchreibung. Die Springbeutelthiere gehören unbedingt zu den beachtungswertheſten Säugethieren. An ihnen iſt eigentlich Alles merkwürdig: ihre Bewegungen und ihr Ruhen, die Art und Weiſe ihres Nahrungs- erwerbs, ihre Fortpflanzung, ihre Entwickelung und ihr geiſtiges Weſen. Der Gang, welchen man namentlich beim Weiden beobachten kann, iſt ein ſchwerfälliges, unbehilfliches Forthumpeln. Das Thier ſtemmt ſeine Handflächen auf und ſchiebt die Hinterbeine dann an den Vordergliedern vorbei, ſo daß ſie zwiſchen dieſe zu ſtehen kommen. Dabei muß es ſich hinten auf den Schwanz ſtützen, weil es ſonſt die langen Hinterläufe nicht ſo hoch heben könnte, daß ſolche Bewegungen möglich wären. Aber das Kängurn verweilt in dieſer, ihm höchſt unbequemen Stellung auch niemals länger, als un- umgänglich nothwendig. Selbſt beim Abbeißen ſitzt es regelmäßig auf Hinterbeinen und Schwanz, und läßt die Vorderarme ſchlaff herabhängen. Sobald es irgend eine Lieblingspflanze abgerupft hat, ſteht es auf, um ſie in der gewöhnlichen Stellung zu verzehren. Bei dieſer ſtützt es den Leib auf die Sohle und gleichzeitig auf den nach hinten feſt angeſtemmten Schwanz, wodurch der Körper ſicher und beqnem wie auf einem Dreifuß ruht. Seltener ſteht es auf drei Beinen und dem Schwanze: dann hat es mit der einen Hand irgend Etwas am Boden zu thun. Halb geſättigt, legt es ſich der Länge nach auf den Boden, die Hinterläufe weit von ſich geſtreckt. Fällt es ihm in dieſer Stellung ein, zu weiden, ſo bleibt es hinten ruhig liegen und ſtützt ſich vorn höchſtens mit den kurzen Armen auf. Zum Schlafen nehmen die kleineren Arten eine ähnliche Stellung an, wie der Haſe im Lager. Sie ſetzen ſich, dicht auf den Boden gedrückt, auf alle vier Beine und den der Länge nach unter den Leib geſchlagenen Schwanz; dieſe Stellung befähigt ſie, jederzeit ſofort die Flucht zu ergreifen. Das geringſte Geräuſch ſchreckt ein ruhendes Känguru augenblicklich auf, und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/55>, abgerufen am 23.11.2024.