Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Damhirsch.
wird die Oberseite an Kopf, Hals und Ohren braungrau, auf dem Rücken und an den Seiten
schwärzlich, die Unterseite aschgrau, manchmal ins Röthliche ziehend. Eben nicht selten sind ganz
weiße, welche ihre Farbe zu keiner Jahreszeit wechseln und sich im Winter nur durch das längere Haar
auszeichnen. Manche Hirsche tragen in der Jugend auch ein gelbliches Kleid; sehr selten kommen
aber ganz schwarz gefärbte vor.

Hinsichtlich seiner Bewegung und Lebensweise ähnelt das Damwild dem Edelhirsch außer-
ordentlich. Die Sinne beider Thiere stehen auf gleicher Stufe, und an Schnelligkeit, Sprungkraft
und Gewandtheit gibt das Damwild dem Edelhirsch kaum Etwas nach. Jn der Bewegung aber
unterscheiden sich beide; denn das Damwild hebt im Trollen die Läufe höher und springt in nicht
ganz voller Flucht nach Art der Ziegen satzweise mit allen vier Läufen zugleich, den Wedel trägt es
dabei erhoben, während es ihn, wenn es krank ist, nach unterwärts krümmt. Sein Gang hat etwas
sehr Anmuthiges; es trollt mit großer Leichtigkeit und springt über eine sechs Fuß hohe Wand.
Unter Umständen schwimmt es auch gut. Jmmer thut es sich auf seine vier Läufe nieder, nie-
mals auf die Seite. Beim Niederknien fällt es zuerst auf die Vorderläufe, beim Aufstehen hebt
es sich zuerst mit den Hinterläufen. Die Aeßung beider Hirscharten ist ganz dieselbe; doch schält
das Damwild mehr, als das Rothwild, und gerade hierdurch wird es schädlich. Sehr auffallend ist
es, daß unser Wild sich zuweilen mit giftigen Pflanzen äßt, deren Genuß ihm den Tod bringt. So
gingen in einem Thiergarten in Preußen einmal ganze Trupps von Damwild ein, wie sich heraus-
stellte, nur in Folge der Aeßung von giftigen Schwämmen.

An seinem Stand hält das Damwild sehr fest. Es bildet größere oder kleinere Trupps, welche
sich vor der Brunstzeit verstärken, dann aber wieder vertheilen; denn im Sommer leben die starken
Hirsche einzeln, die Schaufler aber mit den Schmalthieren und Kälbern vereinigt. Um die Mitte
des Oktobers suchen die Damhirsche ihre Rudel auf und treiben die Spießer und geringen Hirsche
vom Rudel ab, sie hierdurch zwingend, wenig zählende Trupps unter sich zu bilden; sobald aber die
stärkeren Hirsche gebrunstet haben, erscheinen die schwächeren augenblicklich wieder beim Rudel. Die
Damhirsche sind um die Brunstzeit sehr erregt. Sie rufen des Nachts laut, und Gleichstarke
kämpfen heftig mit einander um die Thiere. Jn Thiergärten duldet man blos drei- oder vier-
jährige Schaufler, weil die älteren so kampflustig sind, daß dadurch die Fruchtbarkeit wesentlich
beeinträchtigt wird. Ein Hirsch genügt ungefähr acht Thieren; aber auch schon Spießer sind im
Stande, fruchtbar zu beschlagen. Nach ungefähr vierzehn Tagen ist die Brunst vorüber.

Das Schmalthier geht acht Monate hochbeschlagen, dann setzt es, gewöhnlich im Juni, ein
Kalb, seltener deren zwei. Das Kalb ist in den ersten Tagen seines Lebens sehr unbehilflich und
muß deshalb von den Alten sorgfältig beschützt und gehütet werden. Kleinere Raubthiere, welche
ein Gelüst nach dem bunten Kälbchen zeigen, treibt die Mutter durch Schlagen mit den Vorder-
läufen ab; vor größeren Raubthieren geht sie langsam dahin, um sie von dem Platze abzulocken, wo
ihr Kind verborgen ruht, entflieht dann eiligst und geht unter unzähligen Haken und Widergängen
nach dem alten Platze zurück. Wenn das Damhirschkalb sechs Monate ist, zeigen sich bei dem
männlichen Erhebungen auf dem Rosenstock, aus welchen zu Ende des nächsten Februars Hörner her-
vortreten, die sich bis zum Fegen im August zu fünf Zoll langen Spießen ausgebildet haben. Nun
heißt das Kalb ein Spießer; im zweiten Jahr wird ein Gabler daraus; im dritten Jahr aber
treten kurze Augensprossen und auch wohl bei recht guter Aeßung an jeder Stange ein oder zwei
kurz abgestumpfte Enden hervor, welche im folgenden Jahr sich noch mehr zu vermehren pflegen.
Erst im fünften Jahre beginnt die Bildung der Schaufeln, welche mit der Zeit ebensowohl an Größe
zunehmen, als auch mehr und mehr Randsprossen erhalten. Geweihe recht alter Damhirsche sind
oft sehr schön und 14 bis 18 Pfund schwer. Solche alte Hirsche heißen Schaufler, gute und
Hauptschaufler, je nach der Größe ihres Geweihes, jüngere nennt man Hirsche vom zwei-
ten und dritten Kopf.
Aus dem Kalb weiblichen Geschlechts wird, wenn es ein Jahr alt
ist, ein Schmalthier, und wenn es zum ersten Male gebrunstet hat, ein Altthier. Die

Brehm, Thierleben. II. 29

Der Damhirſch.
wird die Oberſeite an Kopf, Hals und Ohren braungrau, auf dem Rücken und an den Seiten
ſchwärzlich, die Unterſeite aſchgrau, manchmal ins Röthliche ziehend. Eben nicht ſelten ſind ganz
weiße, welche ihre Farbe zu keiner Jahreszeit wechſeln und ſich im Winter nur durch das längere Haar
auszeichnen. Manche Hirſche tragen in der Jugend auch ein gelbliches Kleid; ſehr ſelten kommen
aber ganz ſchwarz gefärbte vor.

Hinſichtlich ſeiner Bewegung und Lebensweiſe ähnelt das Damwild dem Edelhirſch außer-
ordentlich. Die Sinne beider Thiere ſtehen auf gleicher Stufe, und an Schnelligkeit, Sprungkraft
und Gewandtheit gibt das Damwild dem Edelhirſch kaum Etwas nach. Jn der Bewegung aber
unterſcheiden ſich beide; denn das Damwild hebt im Trollen die Läufe höher und ſpringt in nicht
ganz voller Flucht nach Art der Ziegen ſatzweiſe mit allen vier Läufen zugleich, den Wedel trägt es
dabei erhoben, während es ihn, wenn es krank iſt, nach unterwärts krümmt. Sein Gang hat etwas
ſehr Anmuthiges; es trollt mit großer Leichtigkeit und ſpringt über eine ſechs Fuß hohe Wand.
Unter Umſtänden ſchwimmt es auch gut. Jmmer thut es ſich auf ſeine vier Läufe nieder, nie-
mals auf die Seite. Beim Niederknien fällt es zuerſt auf die Vorderläufe, beim Aufſtehen hebt
es ſich zuerſt mit den Hinterläufen. Die Aeßung beider Hirſcharten iſt ganz dieſelbe; doch ſchält
das Damwild mehr, als das Rothwild, und gerade hierdurch wird es ſchädlich. Sehr auffallend iſt
es, daß unſer Wild ſich zuweilen mit giftigen Pflanzen äßt, deren Genuß ihm den Tod bringt. So
gingen in einem Thiergarten in Preußen einmal ganze Trupps von Damwild ein, wie ſich heraus-
ſtellte, nur in Folge der Aeßung von giftigen Schwämmen.

An ſeinem Stand hält das Damwild ſehr feſt. Es bildet größere oder kleinere Trupps, welche
ſich vor der Brunſtzeit verſtärken, dann aber wieder vertheilen; denn im Sommer leben die ſtarken
Hirſche einzeln, die Schaufler aber mit den Schmalthieren und Kälbern vereinigt. Um die Mitte
des Oktobers ſuchen die Damhirſche ihre Rudel auf und treiben die Spießer und geringen Hirſche
vom Rudel ab, ſie hierdurch zwingend, wenig zählende Trupps unter ſich zu bilden; ſobald aber die
ſtärkeren Hirſche gebrunſtet haben, erſcheinen die ſchwächeren augenblicklich wieder beim Rudel. Die
Damhirſche ſind um die Brunſtzeit ſehr erregt. Sie rufen des Nachts laut, und Gleichſtarke
kämpfen heftig mit einander um die Thiere. Jn Thiergärten duldet man blos drei- oder vier-
jährige Schaufler, weil die älteren ſo kampfluſtig ſind, daß dadurch die Fruchtbarkeit weſentlich
beeinträchtigt wird. Ein Hirſch genügt ungefähr acht Thieren; aber auch ſchon Spießer ſind im
Stande, fruchtbar zu beſchlagen. Nach ungefähr vierzehn Tagen iſt die Brunſt vorüber.

Das Schmalthier geht acht Monate hochbeſchlagen, dann ſetzt es, gewöhnlich im Juni, ein
Kalb, ſeltener deren zwei. Das Kalb iſt in den erſten Tagen ſeines Lebens ſehr unbehilflich und
muß deshalb von den Alten ſorgfältig beſchützt und gehütet werden. Kleinere Raubthiere, welche
ein Gelüſt nach dem bunten Kälbchen zeigen, treibt die Mutter durch Schlagen mit den Vorder-
läufen ab; vor größeren Raubthieren geht ſie langſam dahin, um ſie von dem Platze abzulocken, wo
ihr Kind verborgen ruht, entflieht dann eiligſt und geht unter unzähligen Haken und Widergängen
nach dem alten Platze zurück. Wenn das Damhirſchkalb ſechs Monate iſt, zeigen ſich bei dem
männlichen Erhebungen auf dem Roſenſtock, aus welchen zu Ende des nächſten Februars Hörner her-
vortreten, die ſich bis zum Fegen im Auguſt zu fünf Zoll langen Spießen ausgebildet haben. Nun
heißt das Kalb ein Spießer; im zweiten Jahr wird ein Gabler daraus; im dritten Jahr aber
treten kurze Augenſproſſen und auch wohl bei recht guter Aeßung an jeder Stange ein oder zwei
kurz abgeſtumpfte Enden hervor, welche im folgenden Jahr ſich noch mehr zu vermehren pflegen.
Erſt im fünften Jahre beginnt die Bildung der Schaufeln, welche mit der Zeit ebenſowohl an Größe
zunehmen, als auch mehr und mehr Randſproſſen erhalten. Geweihe recht alter Damhirſche ſind
oft ſehr ſchön und 14 bis 18 Pfund ſchwer. Solche alte Hirſche heißen Schaufler, gute und
Hauptſchaufler, je nach der Größe ihres Geweihes, jüngere nennt man Hirſche vom zwei-
ten und dritten Kopf.
Aus dem Kalb weiblichen Geſchlechts wird, wenn es ein Jahr alt
iſt, ein Schmalthier, und wenn es zum erſten Male gebrunſtet hat, ein Altthier. Die

Brehm, Thierleben. II. 29
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0475" n="449"/><fw place="top" type="header">Der Damhir&#x017F;ch.</fw><lb/>
wird die Ober&#x017F;eite an Kopf, Hals und Ohren braungrau, auf dem Rücken und an den Seiten<lb/>
&#x017F;chwärzlich, die Unter&#x017F;eite a&#x017F;chgrau, manchmal ins Röthliche ziehend. Eben nicht &#x017F;elten &#x017F;ind ganz<lb/>
weiße, welche ihre Farbe zu keiner Jahreszeit wech&#x017F;eln und &#x017F;ich im Winter nur durch das längere Haar<lb/>
auszeichnen. Manche Hir&#x017F;che tragen in der Jugend auch ein gelbliches Kleid; &#x017F;ehr &#x017F;elten kommen<lb/>
aber ganz &#x017F;chwarz gefärbte vor.</p><lb/>
              <p>Hin&#x017F;ichtlich &#x017F;einer Bewegung und Lebenswei&#x017F;e ähnelt das Damwild dem Edelhir&#x017F;ch außer-<lb/>
ordentlich. Die Sinne beider Thiere &#x017F;tehen auf gleicher Stufe, und an Schnelligkeit, Sprungkraft<lb/>
und Gewandtheit gibt das Damwild dem Edelhir&#x017F;ch kaum Etwas nach. Jn der Bewegung aber<lb/>
unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich beide; denn das Damwild hebt im Trollen die Läufe höher und &#x017F;pringt in nicht<lb/>
ganz voller Flucht nach Art der Ziegen &#x017F;atzwei&#x017F;e mit allen vier Läufen zugleich, den Wedel trägt es<lb/>
dabei erhoben, während es ihn, wenn es krank i&#x017F;t, nach unterwärts krümmt. Sein Gang hat etwas<lb/>
&#x017F;ehr Anmuthiges; es trollt mit großer Leichtigkeit und &#x017F;pringt über eine &#x017F;echs Fuß hohe Wand.<lb/>
Unter Um&#x017F;tänden &#x017F;chwimmt es auch gut. Jmmer thut es &#x017F;ich auf &#x017F;eine vier Läufe nieder, nie-<lb/>
mals auf die Seite. Beim Niederknien fällt es zuer&#x017F;t auf die Vorderläufe, beim Auf&#x017F;tehen hebt<lb/>
es &#x017F;ich zuer&#x017F;t mit den Hinterläufen. Die Aeßung beider Hir&#x017F;charten i&#x017F;t ganz die&#x017F;elbe; doch &#x017F;chält<lb/>
das Damwild mehr, als das Rothwild, und gerade hierdurch wird es &#x017F;chädlich. Sehr auffallend i&#x017F;t<lb/>
es, daß un&#x017F;er Wild &#x017F;ich zuweilen mit giftigen Pflanzen äßt, deren Genuß ihm den Tod bringt. So<lb/>
gingen in einem Thiergarten in Preußen einmal ganze Trupps von Damwild ein, wie &#x017F;ich heraus-<lb/>
&#x017F;tellte, nur in Folge der Aeßung von giftigen Schwämmen.</p><lb/>
              <p>An &#x017F;einem Stand hält das Damwild &#x017F;ehr fe&#x017F;t. Es bildet größere oder kleinere Trupps, welche<lb/>
&#x017F;ich vor der Brun&#x017F;tzeit ver&#x017F;tärken, dann aber wieder vertheilen; denn im Sommer leben die &#x017F;tarken<lb/>
Hir&#x017F;che einzeln, die Schaufler aber mit den Schmalthieren und Kälbern vereinigt. Um die Mitte<lb/>
des Oktobers &#x017F;uchen die Damhir&#x017F;che ihre Rudel auf und treiben die Spießer und geringen Hir&#x017F;che<lb/>
vom Rudel ab, &#x017F;ie hierdurch zwingend, wenig zählende Trupps unter &#x017F;ich zu bilden; &#x017F;obald aber die<lb/>
&#x017F;tärkeren Hir&#x017F;che gebrun&#x017F;tet haben, er&#x017F;cheinen die &#x017F;chwächeren augenblicklich wieder beim Rudel. Die<lb/>
Damhir&#x017F;che &#x017F;ind um die Brun&#x017F;tzeit &#x017F;ehr erregt. Sie rufen des Nachts laut, und Gleich&#x017F;tarke<lb/>
kämpfen heftig mit einander um die Thiere. Jn Thiergärten duldet man blos drei- oder vier-<lb/>
jährige Schaufler, weil die älteren &#x017F;o kampflu&#x017F;tig &#x017F;ind, daß dadurch die Fruchtbarkeit we&#x017F;entlich<lb/>
beeinträchtigt wird. Ein Hir&#x017F;ch genügt ungefähr acht Thieren; aber auch &#x017F;chon Spießer &#x017F;ind im<lb/>
Stande, fruchtbar zu be&#x017F;chlagen. Nach ungefähr vierzehn Tagen i&#x017F;t die Brun&#x017F;t vorüber.</p><lb/>
              <p>Das Schmalthier geht acht Monate hochbe&#x017F;chlagen, dann &#x017F;etzt es, gewöhnlich im Juni, ein<lb/>
Kalb, &#x017F;eltener deren zwei. Das Kalb i&#x017F;t in den er&#x017F;ten Tagen &#x017F;eines Lebens &#x017F;ehr unbehilflich und<lb/>
muß deshalb von den Alten &#x017F;orgfältig be&#x017F;chützt und gehütet werden. Kleinere Raubthiere, welche<lb/>
ein Gelü&#x017F;t nach dem bunten Kälbchen zeigen, treibt die Mutter durch Schlagen mit den Vorder-<lb/>
läufen ab; vor größeren Raubthieren geht &#x017F;ie lang&#x017F;am dahin, um &#x017F;ie von dem Platze abzulocken, wo<lb/>
ihr Kind verborgen ruht, entflieht dann eilig&#x017F;t und geht unter unzähligen Haken und Widergängen<lb/>
nach dem alten Platze zurück. Wenn das Damhir&#x017F;chkalb &#x017F;echs Monate i&#x017F;t, zeigen &#x017F;ich bei dem<lb/>
männlichen Erhebungen auf dem Ro&#x017F;en&#x017F;tock, aus welchen zu Ende des näch&#x017F;ten Februars Hörner her-<lb/>
vortreten, die &#x017F;ich bis zum Fegen im Augu&#x017F;t zu fünf Zoll langen Spießen ausgebildet haben. Nun<lb/>
heißt das Kalb ein <hi rendition="#g">Spießer;</hi> im zweiten Jahr wird ein <hi rendition="#g">Gabler</hi> daraus; im dritten Jahr aber<lb/>
treten kurze Augen&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en und auch wohl bei recht guter Aeßung an jeder Stange ein oder zwei<lb/>
kurz abge&#x017F;tumpfte Enden hervor, welche im folgenden Jahr &#x017F;ich noch mehr zu vermehren pflegen.<lb/>
Er&#x017F;t im fünften Jahre beginnt die Bildung der Schaufeln, welche mit der Zeit eben&#x017F;owohl an Größe<lb/>
zunehmen, als auch mehr und mehr Rand&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en erhalten. Geweihe recht alter Damhir&#x017F;che &#x017F;ind<lb/>
oft &#x017F;ehr &#x017F;chön und 14 bis 18 Pfund &#x017F;chwer. Solche alte Hir&#x017F;che heißen <hi rendition="#g">Schaufler, gute</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Haupt&#x017F;chaufler,</hi> je nach der Größe ihres Geweihes, jüngere nennt man <hi rendition="#g">Hir&#x017F;che vom zwei-<lb/>
ten und dritten Kopf.</hi> Aus dem Kalb weiblichen Ge&#x017F;chlechts wird, wenn es ein Jahr alt<lb/>
i&#x017F;t, ein <hi rendition="#g">Schmalthier,</hi> und wenn es zum er&#x017F;ten Male gebrun&#x017F;tet hat, ein <hi rendition="#g">Altthier.</hi> Die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hi rendition="#aq">II.</hi> 29</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[449/0475] Der Damhirſch. wird die Oberſeite an Kopf, Hals und Ohren braungrau, auf dem Rücken und an den Seiten ſchwärzlich, die Unterſeite aſchgrau, manchmal ins Röthliche ziehend. Eben nicht ſelten ſind ganz weiße, welche ihre Farbe zu keiner Jahreszeit wechſeln und ſich im Winter nur durch das längere Haar auszeichnen. Manche Hirſche tragen in der Jugend auch ein gelbliches Kleid; ſehr ſelten kommen aber ganz ſchwarz gefärbte vor. Hinſichtlich ſeiner Bewegung und Lebensweiſe ähnelt das Damwild dem Edelhirſch außer- ordentlich. Die Sinne beider Thiere ſtehen auf gleicher Stufe, und an Schnelligkeit, Sprungkraft und Gewandtheit gibt das Damwild dem Edelhirſch kaum Etwas nach. Jn der Bewegung aber unterſcheiden ſich beide; denn das Damwild hebt im Trollen die Läufe höher und ſpringt in nicht ganz voller Flucht nach Art der Ziegen ſatzweiſe mit allen vier Läufen zugleich, den Wedel trägt es dabei erhoben, während es ihn, wenn es krank iſt, nach unterwärts krümmt. Sein Gang hat etwas ſehr Anmuthiges; es trollt mit großer Leichtigkeit und ſpringt über eine ſechs Fuß hohe Wand. Unter Umſtänden ſchwimmt es auch gut. Jmmer thut es ſich auf ſeine vier Läufe nieder, nie- mals auf die Seite. Beim Niederknien fällt es zuerſt auf die Vorderläufe, beim Aufſtehen hebt es ſich zuerſt mit den Hinterläufen. Die Aeßung beider Hirſcharten iſt ganz dieſelbe; doch ſchält das Damwild mehr, als das Rothwild, und gerade hierdurch wird es ſchädlich. Sehr auffallend iſt es, daß unſer Wild ſich zuweilen mit giftigen Pflanzen äßt, deren Genuß ihm den Tod bringt. So gingen in einem Thiergarten in Preußen einmal ganze Trupps von Damwild ein, wie ſich heraus- ſtellte, nur in Folge der Aeßung von giftigen Schwämmen. An ſeinem Stand hält das Damwild ſehr feſt. Es bildet größere oder kleinere Trupps, welche ſich vor der Brunſtzeit verſtärken, dann aber wieder vertheilen; denn im Sommer leben die ſtarken Hirſche einzeln, die Schaufler aber mit den Schmalthieren und Kälbern vereinigt. Um die Mitte des Oktobers ſuchen die Damhirſche ihre Rudel auf und treiben die Spießer und geringen Hirſche vom Rudel ab, ſie hierdurch zwingend, wenig zählende Trupps unter ſich zu bilden; ſobald aber die ſtärkeren Hirſche gebrunſtet haben, erſcheinen die ſchwächeren augenblicklich wieder beim Rudel. Die Damhirſche ſind um die Brunſtzeit ſehr erregt. Sie rufen des Nachts laut, und Gleichſtarke kämpfen heftig mit einander um die Thiere. Jn Thiergärten duldet man blos drei- oder vier- jährige Schaufler, weil die älteren ſo kampfluſtig ſind, daß dadurch die Fruchtbarkeit weſentlich beeinträchtigt wird. Ein Hirſch genügt ungefähr acht Thieren; aber auch ſchon Spießer ſind im Stande, fruchtbar zu beſchlagen. Nach ungefähr vierzehn Tagen iſt die Brunſt vorüber. Das Schmalthier geht acht Monate hochbeſchlagen, dann ſetzt es, gewöhnlich im Juni, ein Kalb, ſeltener deren zwei. Das Kalb iſt in den erſten Tagen ſeines Lebens ſehr unbehilflich und muß deshalb von den Alten ſorgfältig beſchützt und gehütet werden. Kleinere Raubthiere, welche ein Gelüſt nach dem bunten Kälbchen zeigen, treibt die Mutter durch Schlagen mit den Vorder- läufen ab; vor größeren Raubthieren geht ſie langſam dahin, um ſie von dem Platze abzulocken, wo ihr Kind verborgen ruht, entflieht dann eiligſt und geht unter unzähligen Haken und Widergängen nach dem alten Platze zurück. Wenn das Damhirſchkalb ſechs Monate iſt, zeigen ſich bei dem männlichen Erhebungen auf dem Roſenſtock, aus welchen zu Ende des nächſten Februars Hörner her- vortreten, die ſich bis zum Fegen im Auguſt zu fünf Zoll langen Spießen ausgebildet haben. Nun heißt das Kalb ein Spießer; im zweiten Jahr wird ein Gabler daraus; im dritten Jahr aber treten kurze Augenſproſſen und auch wohl bei recht guter Aeßung an jeder Stange ein oder zwei kurz abgeſtumpfte Enden hervor, welche im folgenden Jahr ſich noch mehr zu vermehren pflegen. Erſt im fünften Jahre beginnt die Bildung der Schaufeln, welche mit der Zeit ebenſowohl an Größe zunehmen, als auch mehr und mehr Randſproſſen erhalten. Geweihe recht alter Damhirſche ſind oft ſehr ſchön und 14 bis 18 Pfund ſchwer. Solche alte Hirſche heißen Schaufler, gute und Hauptſchaufler, je nach der Größe ihres Geweihes, jüngere nennt man Hirſche vom zwei- ten und dritten Kopf. Aus dem Kalb weiblichen Geſchlechts wird, wenn es ein Jahr alt iſt, ein Schmalthier, und wenn es zum erſten Male gebrunſtet hat, ein Altthier. Die Brehm, Thierleben. II. 29

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/475
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/475>, abgerufen am 16.07.2024.