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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Kamele. -- Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
Grunde gehen, sterben auf ihren Berufswegen, und nur die wenigsten werden geschlachtet. Der
Tod des Thieres hat immer etwas Dichterisches, er mag nun auf dem fahlen Sandbette der
Wüste oder vor der Schlachtbank erfolgen. Jn den Wüsten ist der Samuhm der schlimmste Feind
unserer Thiere. Sie wittern diesen gifthauchenden Wind schon Stunden vor seinem Ausbruch.
Die furchtbare Schwüle, welche dem Sandsturm vorausgeht, wissen auch sie zu deuten; sie werden
ängstlich, schen, wild und störrisch und traben, trotz der sichtlichen Ermüdung, so schnell als mög-
lich vorwärts. Sobald der Sturm wirklich losbricht, sind sie durch kein Zureden zu bewegen, weiter
zu gehen, sondern lagern sich, das Hintertheil gegen den Sturm gekehrt, den Kopf lang vorgestreckt
und auf den Boden niedergelegt, in einer gewissen Ordnung nieder. Unzweifelhaft leiden sie ver-
hältnißmäßig ebensoviel, wie der Mensch, welcher nach jedem Samuhm sich an allen Gliedern wie
zerschlagen fühlt und eine Mattigkeit verspürt, wie sie sonst wohl nur anhaltende Krankheiten her-
vorrufen. Wenn nun, nachdem der Glutwind vorüber ist, die armen Thiere wieder belastet werden,
und von neuem ihren beschwerlichen Weg antreten, beweisen sie deutlich genug, daß ihnen jeder
Schritt zur Qual wird. Jhr Durst hat sich sicherlich ungemein vermehrt, und ihre Mattigkeit
nimmt mehr und mehr überhand. Da geschieht es dann oft, daß eines plötzlich niederstürzt und
durch kein Zureden, auch nicht einmal durch die Peitsche zu vermögen ist, sich wieder zu erheben.
Trauernden Herzens nimmt ihm der Araber die Last ab und überläßt, vielleicht mit einer Thräne im
Auge, das arme Geschöpf seinem Schicksale; denn auch ihn hetzt das Gespenst des Durstes rastlos
vorwärts: er darf ja nicht verweilen bei seinem Thiere! Ein kräftiger Trunk Wasser, ein wenig
Nahrung könnte dieses retten: doch in der Wüste und zumal nach dem Samuhm, welcher einen
guten Theil des in den Schläuchen aufbewahrten Wassers austrocknete, fehlt Speise und Trank. Am
nächsten Morgen ist das Kamel eine Leiche, und ehe noch der Mittag herankommt, ziehen bereits
hoch über ihm seine Bestatter, die Geier, ihre Kreise, und einer nach dem anderen senkt sich
hernieder; ein scheußliches, gieriges Schlachten beginnt auf dem Leichnam, und am Abend findet der
hungrig umherschleichende Schakal oder die gierige Hiäne kaum noch soviel vor, um sich zu
sättigen.

Wahrhaft ergreifend ist es, wenn der Metzger dem Kamel befiehlt, niederzuknien, um den
Todesstreich zu empfangen. Nichts ahnend gehorcht es dem Zuruf seines Herrn, kauert sich auf den
Boden nieder und empfängt plötzlich mit einem haarscharfen Messer den tödtlichen Stoß in die Kehle,
selbstverständlich unter dem dabei üblichen, drei Mal wiederholten Ausruf: "Allahn Akbar!" --
Gott ist der Größte! Gewöhnlich ist der Schnitt so gut gerichtet und so tief, daß auch gleich die
Halswirbel mit durchschnitten werden; dann stirbt das Thier augenblicklich. Wie wenn der Sa-
muhm über die Wüste hereinbricht, legt es seinen Kopf vor sich nieder auf die Erde, zuckt noch ein
paar Mal auf und ist eine Leiche. Dann wird es umgewälzt, längs des Bauches aufgeschnitten,
ausgeworfen und abgehäutet und das Fell gleich als Fleischmulde benutzt. Das Fleisch ist hart
und zähe und kostet deshalb nur wenig, im Sudahn kaum einen halben Silbergroschen unseres Gel-
des das Pfund. Das Blut wird nicht benutzt. Aus dem Fell macht man allerlei Geräthschaften,
obwohl das Leder des Thieres nicht besonders haltbar ist.

Die Milch des lebenden Thieres findet wenig Verwendung. Sie ist so dick und so fettig, daß
ihr Genuß dem Ungewohnten widersteht. Dagegen wird die Losung vielfach gebraucht. Bei Wüsten-
reisen, wo das Brennholz mangelt, sammelt man am Morgen die kleinen, rundlichen, wallnuß-
großen Brocken der harten, festen und trockenen Losung, welche für den nächsten Abend als Brenu-
stoff dienen soll, und auch in dem holzarmen Egypten wird der Dünger des Kamels, wie der der
Rinder, Pferde und Esel, sorgfältig aufgelesen, zu einem Teige geknetet, in rundliche Kugeln ge-
formt, in der Sonne getrocknet und dann als Brennstoff aufgespeichert.

So nützt also das Kamel in vielfacher Hinsicht, und gerade dieser Nutzen, diese Unentbehrlichkeit
ist es, welche dem sonst so häßlichen und geistig so tiefstehenden Thiere wenn auch nicht die Liebe, so
doch die Anerkennung des Menschen erwirbt.

Die Kamele. — Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
Grunde gehen, ſterben auf ihren Berufswegen, und nur die wenigſten werden geſchlachtet. Der
Tod des Thieres hat immer etwas Dichteriſches, er mag nun auf dem fahlen Sandbette der
Wüſte oder vor der Schlachtbank erfolgen. Jn den Wüſten iſt der Samuhm der ſchlimmſte Feind
unſerer Thiere. Sie wittern dieſen gifthauchenden Wind ſchon Stunden vor ſeinem Ausbruch.
Die furchtbare Schwüle, welche dem Sandſturm vorausgeht, wiſſen auch ſie zu deuten; ſie werden
ängſtlich, ſchen, wild und ſtörriſch und traben, trotz der ſichtlichen Ermüdung, ſo ſchnell als mög-
lich vorwärts. Sobald der Sturm wirklich losbricht, ſind ſie durch kein Zureden zu bewegen, weiter
zu gehen, ſondern lagern ſich, das Hintertheil gegen den Sturm gekehrt, den Kopf lang vorgeſtreckt
und auf den Boden niedergelegt, in einer gewiſſen Ordnung nieder. Unzweifelhaft leiden ſie ver-
hältnißmäßig ebenſoviel, wie der Menſch, welcher nach jedem Samuhm ſich an allen Gliedern wie
zerſchlagen fühlt und eine Mattigkeit verſpürt, wie ſie ſonſt wohl nur anhaltende Krankheiten her-
vorrufen. Wenn nun, nachdem der Glutwind vorüber iſt, die armen Thiere wieder belaſtet werden,
und von neuem ihren beſchwerlichen Weg antreten, beweiſen ſie deutlich genug, daß ihnen jeder
Schritt zur Qual wird. Jhr Durſt hat ſich ſicherlich ungemein vermehrt, und ihre Mattigkeit
nimmt mehr und mehr überhand. Da geſchieht es dann oft, daß eines plötzlich niederſtürzt und
durch kein Zureden, auch nicht einmal durch die Peitſche zu vermögen iſt, ſich wieder zu erheben.
Trauernden Herzens nimmt ihm der Araber die Laſt ab und überläßt, vielleicht mit einer Thräne im
Auge, das arme Geſchöpf ſeinem Schickſale; denn auch ihn hetzt das Geſpenſt des Durſtes raſtlos
vorwärts: er darf ja nicht verweilen bei ſeinem Thiere! Ein kräftiger Trunk Waſſer, ein wenig
Nahrung könnte dieſes retten: doch in der Wüſte und zumal nach dem Samuhm, welcher einen
guten Theil des in den Schläuchen aufbewahrten Waſſers austrocknete, fehlt Speiſe und Trank. Am
nächſten Morgen iſt das Kamel eine Leiche, und ehe noch der Mittag herankommt, ziehen bereits
hoch über ihm ſeine Beſtatter, die Geier, ihre Kreiſe, und einer nach dem anderen ſenkt ſich
hernieder; ein ſcheußliches, gieriges Schlachten beginnt auf dem Leichnam, und am Abend findet der
hungrig umherſchleichende Schakal oder die gierige Hiäne kaum noch ſoviel vor, um ſich zu
ſättigen.

Wahrhaft ergreifend iſt es, wenn der Metzger dem Kamel befiehlt, niederzuknien, um den
Todesſtreich zu empfangen. Nichts ahnend gehorcht es dem Zuruf ſeines Herrn, kauert ſich auf den
Boden nieder und empfängt plötzlich mit einem haarſcharfen Meſſer den tödtlichen Stoß in die Kehle,
ſelbſtverſtändlich unter dem dabei üblichen, drei Mal wiederholten Ausruf: „Allahn Akbar!‟ —
Gott iſt der Größte! Gewöhnlich iſt der Schnitt ſo gut gerichtet und ſo tief, daß auch gleich die
Halswirbel mit durchſchnitten werden; dann ſtirbt das Thier augenblicklich. Wie wenn der Sa-
muhm über die Wüſte hereinbricht, legt es ſeinen Kopf vor ſich nieder auf die Erde, zuckt noch ein
paar Mal auf und iſt eine Leiche. Dann wird es umgewälzt, längs des Bauches aufgeſchnitten,
ausgeworfen und abgehäutet und das Fell gleich als Fleiſchmulde benutzt. Das Fleiſch iſt hart
und zähe und koſtet deshalb nur wenig, im Sudahn kaum einen halben Silbergroſchen unſeres Gel-
des das Pfund. Das Blut wird nicht benutzt. Aus dem Fell macht man allerlei Geräthſchaften,
obwohl das Leder des Thieres nicht beſonders haltbar iſt.

Die Milch des lebenden Thieres findet wenig Verwendung. Sie iſt ſo dick und ſo fettig, daß
ihr Genuß dem Ungewohnten widerſteht. Dagegen wird die Loſung vielfach gebraucht. Bei Wüſten-
reiſen, wo das Brennholz mangelt, ſammelt man am Morgen die kleinen, rundlichen, wallnuß-
großen Brocken der harten, feſten und trockenen Loſung, welche für den nächſten Abend als Brenu-
ſtoff dienen ſoll, und auch in dem holzarmen Egypten wird der Dünger des Kamels, wie der der
Rinder, Pferde und Eſel, ſorgfältig aufgeleſen, zu einem Teige geknetet, in rundliche Kugeln ge-
formt, in der Sonne getrocknet und dann als Brennſtoff aufgeſpeichert.

So nützt alſo das Kamel in vielfacher Hinſicht, und gerade dieſer Nutzen, dieſe Unentbehrlichkeit
iſt es, welche dem ſonſt ſo häßlichen und geiſtig ſo tiefſtehenden Thiere wenn auch nicht die Liebe, ſo
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[398/0422] Die Kamele. — Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar. Grunde gehen, ſterben auf ihren Berufswegen, und nur die wenigſten werden geſchlachtet. Der Tod des Thieres hat immer etwas Dichteriſches, er mag nun auf dem fahlen Sandbette der Wüſte oder vor der Schlachtbank erfolgen. Jn den Wüſten iſt der Samuhm der ſchlimmſte Feind unſerer Thiere. Sie wittern dieſen gifthauchenden Wind ſchon Stunden vor ſeinem Ausbruch. Die furchtbare Schwüle, welche dem Sandſturm vorausgeht, wiſſen auch ſie zu deuten; ſie werden ängſtlich, ſchen, wild und ſtörriſch und traben, trotz der ſichtlichen Ermüdung, ſo ſchnell als mög- lich vorwärts. Sobald der Sturm wirklich losbricht, ſind ſie durch kein Zureden zu bewegen, weiter zu gehen, ſondern lagern ſich, das Hintertheil gegen den Sturm gekehrt, den Kopf lang vorgeſtreckt und auf den Boden niedergelegt, in einer gewiſſen Ordnung nieder. Unzweifelhaft leiden ſie ver- hältnißmäßig ebenſoviel, wie der Menſch, welcher nach jedem Samuhm ſich an allen Gliedern wie zerſchlagen fühlt und eine Mattigkeit verſpürt, wie ſie ſonſt wohl nur anhaltende Krankheiten her- vorrufen. Wenn nun, nachdem der Glutwind vorüber iſt, die armen Thiere wieder belaſtet werden, und von neuem ihren beſchwerlichen Weg antreten, beweiſen ſie deutlich genug, daß ihnen jeder Schritt zur Qual wird. Jhr Durſt hat ſich ſicherlich ungemein vermehrt, und ihre Mattigkeit nimmt mehr und mehr überhand. Da geſchieht es dann oft, daß eines plötzlich niederſtürzt und durch kein Zureden, auch nicht einmal durch die Peitſche zu vermögen iſt, ſich wieder zu erheben. Trauernden Herzens nimmt ihm der Araber die Laſt ab und überläßt, vielleicht mit einer Thräne im Auge, das arme Geſchöpf ſeinem Schickſale; denn auch ihn hetzt das Geſpenſt des Durſtes raſtlos vorwärts: er darf ja nicht verweilen bei ſeinem Thiere! Ein kräftiger Trunk Waſſer, ein wenig Nahrung könnte dieſes retten: doch in der Wüſte und zumal nach dem Samuhm, welcher einen guten Theil des in den Schläuchen aufbewahrten Waſſers austrocknete, fehlt Speiſe und Trank. Am nächſten Morgen iſt das Kamel eine Leiche, und ehe noch der Mittag herankommt, ziehen bereits hoch über ihm ſeine Beſtatter, die Geier, ihre Kreiſe, und einer nach dem anderen ſenkt ſich hernieder; ein ſcheußliches, gieriges Schlachten beginnt auf dem Leichnam, und am Abend findet der hungrig umherſchleichende Schakal oder die gierige Hiäne kaum noch ſoviel vor, um ſich zu ſättigen. Wahrhaft ergreifend iſt es, wenn der Metzger dem Kamel befiehlt, niederzuknien, um den Todesſtreich zu empfangen. Nichts ahnend gehorcht es dem Zuruf ſeines Herrn, kauert ſich auf den Boden nieder und empfängt plötzlich mit einem haarſcharfen Meſſer den tödtlichen Stoß in die Kehle, ſelbſtverſtändlich unter dem dabei üblichen, drei Mal wiederholten Ausruf: „Allahn Akbar!‟ — Gott iſt der Größte! Gewöhnlich iſt der Schnitt ſo gut gerichtet und ſo tief, daß auch gleich die Halswirbel mit durchſchnitten werden; dann ſtirbt das Thier augenblicklich. Wie wenn der Sa- muhm über die Wüſte hereinbricht, legt es ſeinen Kopf vor ſich nieder auf die Erde, zuckt noch ein paar Mal auf und iſt eine Leiche. Dann wird es umgewälzt, längs des Bauches aufgeſchnitten, ausgeworfen und abgehäutet und das Fell gleich als Fleiſchmulde benutzt. Das Fleiſch iſt hart und zähe und koſtet deshalb nur wenig, im Sudahn kaum einen halben Silbergroſchen unſeres Gel- des das Pfund. Das Blut wird nicht benutzt. Aus dem Fell macht man allerlei Geräthſchaften, obwohl das Leder des Thieres nicht beſonders haltbar iſt. Die Milch des lebenden Thieres findet wenig Verwendung. Sie iſt ſo dick und ſo fettig, daß ihr Genuß dem Ungewohnten widerſteht. Dagegen wird die Loſung vielfach gebraucht. Bei Wüſten- reiſen, wo das Brennholz mangelt, ſammelt man am Morgen die kleinen, rundlichen, wallnuß- großen Brocken der harten, feſten und trockenen Loſung, welche für den nächſten Abend als Brenu- ſtoff dienen ſoll, und auch in dem holzarmen Egypten wird der Dünger des Kamels, wie der der Rinder, Pferde und Eſel, ſorgfältig aufgeleſen, zu einem Teige geknetet, in rundliche Kugeln ge- formt, in der Sonne getrocknet und dann als Brennſtoff aufgeſpeichert. So nützt alſo das Kamel in vielfacher Hinſicht, und gerade dieſer Nutzen, dieſe Unentbehrlichkeit iſt es, welche dem ſonſt ſo häßlichen und geiſtig ſo tiefſtehenden Thiere wenn auch nicht die Liebe, ſo doch die Anerkennung des Menſchen erwirbt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/422>, abgerufen am 18.05.2024.