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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Mustaugs.
Pferde 8 bis 16 Stunden fast in ununterbrochenem Galopp zurückgelegt zu haben, ohne daß hieraus
irgend ein Nachtheil für das Thier erwachsen wäre.

Die Pferde Südamerikas erhalten sogut als gar keine Pflege. Sie bringen das ganze Jahr
unter freiem Himmel zu. Alle acht Tage treibt man sie einmal zusammen, damit sie sich nicht ver-
sprengen, untersucht ihre Wunden, reinigt und bestreicht sie mit Kuhmist und schneidet von Zeit zu
Zeit, etwa alle drei Jahre, den Hengsten die Mähne und den Schwanz ab. Hiermit glaubt man
genug gethan zu haben. An Veredelung denkt Niemand. Die Weiden sind schlecht; eine einzige
Grasart bedeckt den Boden. Jm Frühjahr treibt dieses Gras stark hervor, verursacht aber dann den
Pferden Durchfall und ermattet sie. Jm Sommer und Herbst erholen sie sich wieder und werden
auch wohl fett; aber ihre Wohlbeleibtheit verschwindet, sobald sie gebraucht werden. Der Winter ist
die schlimmste Zeit für sie. Das Gras ist verwelkt, und die armen Thiere müssen sich mit den
dürren, durch den Regen ausgelauchten Halmen begnügen. Diese ausschließliche Nahrung erregt
auch in ihnen das Bedürfniß nach Salz. Man sieht sie stundenlang an den Sulzen verweilen, und
hier die salzhaltige Thonerde belecken. Bei Stallfütterung bedürfen sie des Salzes nicht mehr. Besser
gefütterte und gehaltene Pferde gewinnen schon nach wenigen Monaten kurzes und glänzendes Haar
festes Fleisch und stolze Haltung.

"Gewöhnlich," sagt Rengger, "leben die Pferde paarweise in einem bestimmten Gebiete, an
welches sie von Jugend auf gewöhnt worden sind. Jedem Hengst gibt man 12 bis 18 Stuten, die
er zusammenhält und gegen fremde Hengste vertheidigt. Gesellt man ihm zuviel Stuten zu, so
hütet er diese nicht mehr. Die Füllen leben mit ihren Müttern bis ins dritte oder vierte Jahr.
Diese zeigen für jene, solange sie noch saugen, große Anhänglichkeit, und vertheidigen sie zuweilen
sogar gegen den Jaguar. Einen eigenen Kampf haben sie nicht selten mit den Maulthieren zu be-
stehen, bei denen sich zu Zeiten eine Art von Mutterliebe regt. Dann suchen diese durch List oder
Gewalt ein Füllen zu entführen. Sie bieten ihm wohl ihr milchleeres Euter zum Saugen dar; aber
die armen Füllen gehen dabei natürlich zu Grunde. Wenn die Pferde etwas über zwei oder drei
Jahre alt sind, wählt man unter den jungen Hengsten einen aus, theilt ihm junge Stuten zu und
gewöhnt ihn, mit denselben in einem besonderen Gebiete zu weiden. Die übrigen Hengste werden
verschnitten und in eigenen Trupps vereinigt. Alle Pferde, welche zu einer Truppe gehören, mischen
sich nie unter andere, und halten so fest zusammen, daß es schwer fällt, ein weidendes Pferd
von den übrigen zu trennen. Werden sie mit einander vereinigt, z. B. beim Zusammentreiben aller
Pferde einer Meierei, so finden sie sich nachher gleich wieder auf. Der Hengst ruft wiehernd seine
Stuten herbei, die Wallachen suchen sich gegenseitig auf, und jeder Trupp bezieht wieder seinen
Weideplatz. Tausend und mehr Pferde brauchen keine Viertelstunde, um sich in Haufen von 10 bis
30 Stück zu zertheilen. Jch glaube bemerkt zu haben, daß Pferde von gleicher Größe oder von der
nämlichen Farbe sich leichter an einander gewöhnen, als verschiedene, und ebenso, daß die fremden
aus der Banda-orientale und aus Entre-Rios eingeführten Pferde sich vorzugsweise zu ein-
ander und nicht zu inländischen gesellen. Die Thiere zeigen übrigens nicht allein für ihre Gefährten,
sondern auch für ihre Weiden große Anhänglichkeit. Jch habe welche gesehen, die aus einer Entfer-
nung von achtzig Stunden auf die altgewohnten Plätze zurückgekehrt waren. Um so sonderbarer ist
die Erscheinung, daß zuweilen die Pferde ganzer Gegenden aufbrechen und entweder einzeln oder
haufenweise davonrennen. Dies geschieht hauptsächlich, wenn nach anhaltender trockener Witterung
plötzlich starker Regen fällt, und wahrscheinlich aus Furcht vor dem Hagel, welcher nicht selten das erste
Gewitter begleitet."

"Die Sinne dieser fast wildlebenden Thiere scheinen schärfer zu fein, als die europäischer Pferde.
Jhr Gehör ist äußerst fein; bei Nacht verrathen sie durch Bewegung der Ohren, daß sie das leiseste,
dem Reiter vollkommen unhörbare Geräusch vernommen haben. Jhr Gesicht ist, wie bei allen Pfer-
den, ziemlich schwach; aber sie erlangen durch ihr Freileben große Uebung, die Gegenstände aus be-
deutender Entfernung zu unterscheiden. Vermittelst ihres Geruches machen sie sich mit ihren Umge-

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Muſtaugs.
Pferde 8 bis 16 Stunden faſt in ununterbrochenem Galopp zurückgelegt zu haben, ohne daß hieraus
irgend ein Nachtheil für das Thier erwachſen wäre.

Die Pferde Südamerikas erhalten ſogut als gar keine Pflege. Sie bringen das ganze Jahr
unter freiem Himmel zu. Alle acht Tage treibt man ſie einmal zuſammen, damit ſie ſich nicht ver-
ſprengen, unterſucht ihre Wunden, reinigt und beſtreicht ſie mit Kuhmiſt und ſchneidet von Zeit zu
Zeit, etwa alle drei Jahre, den Hengſten die Mähne und den Schwanz ab. Hiermit glaubt man
genug gethan zu haben. An Veredelung denkt Niemand. Die Weiden ſind ſchlecht; eine einzige
Grasart bedeckt den Boden. Jm Frühjahr treibt dieſes Gras ſtark hervor, verurſacht aber dann den
Pferden Durchfall und ermattet ſie. Jm Sommer und Herbſt erholen ſie ſich wieder und werden
auch wohl fett; aber ihre Wohlbeleibtheit verſchwindet, ſobald ſie gebraucht werden. Der Winter iſt
die ſchlimmſte Zeit für ſie. Das Gras iſt verwelkt, und die armen Thiere müſſen ſich mit den
dürren, durch den Regen ausgelauchten Halmen begnügen. Dieſe ausſchließliche Nahrung erregt
auch in ihnen das Bedürfniß nach Salz. Man ſieht ſie ſtundenlang an den Sulzen verweilen, und
hier die ſalzhaltige Thonerde belecken. Bei Stallfütterung bedürfen ſie des Salzes nicht mehr. Beſſer
gefütterte und gehaltene Pferde gewinnen ſchon nach wenigen Monaten kurzes und glänzendes Haar
feſtes Fleiſch und ſtolze Haltung.

„Gewöhnlich,‟ ſagt Rengger, „leben die Pferde paarweiſe in einem beſtimmten Gebiete, an
welches ſie von Jugend auf gewöhnt worden ſind. Jedem Hengſt gibt man 12 bis 18 Stuten, die
er zuſammenhält und gegen fremde Hengſte vertheidigt. Geſellt man ihm zuviel Stuten zu, ſo
hütet er dieſe nicht mehr. Die Füllen leben mit ihren Müttern bis ins dritte oder vierte Jahr.
Dieſe zeigen für jene, ſolange ſie noch ſaugen, große Anhänglichkeit, und vertheidigen ſie zuweilen
ſogar gegen den Jaguar. Einen eigenen Kampf haben ſie nicht ſelten mit den Maulthieren zu be-
ſtehen, bei denen ſich zu Zeiten eine Art von Mutterliebe regt. Dann ſuchen dieſe durch Liſt oder
Gewalt ein Füllen zu entführen. Sie bieten ihm wohl ihr milchleeres Euter zum Saugen dar; aber
die armen Füllen gehen dabei natürlich zu Grunde. Wenn die Pferde etwas über zwei oder drei
Jahre alt ſind, wählt man unter den jungen Hengſten einen aus, theilt ihm junge Stuten zu und
gewöhnt ihn, mit denſelben in einem beſonderen Gebiete zu weiden. Die übrigen Hengſte werden
verſchnitten und in eigenen Trupps vereinigt. Alle Pferde, welche zu einer Truppe gehören, miſchen
ſich nie unter andere, und halten ſo feſt zuſammen, daß es ſchwer fällt, ein weidendes Pferd
von den übrigen zu trennen. Werden ſie mit einander vereinigt, z. B. beim Zuſammentreiben aller
Pferde einer Meierei, ſo finden ſie ſich nachher gleich wieder auf. Der Hengſt ruft wiehernd ſeine
Stuten herbei, die Wallachen ſuchen ſich gegenſeitig auf, und jeder Trupp bezieht wieder ſeinen
Weideplatz. Tauſend und mehr Pferde brauchen keine Viertelſtunde, um ſich in Haufen von 10 bis
30 Stück zu zertheilen. Jch glaube bemerkt zu haben, daß Pferde von gleicher Größe oder von der
nämlichen Farbe ſich leichter an einander gewöhnen, als verſchiedene, und ebenſo, daß die fremden
aus der Banda-orientale und aus Entre-Rios eingeführten Pferde ſich vorzugsweiſe zu ein-
ander und nicht zu inländiſchen geſellen. Die Thiere zeigen übrigens nicht allein für ihre Gefährten,
ſondern auch für ihre Weiden große Anhänglichkeit. Jch habe welche geſehen, die aus einer Entfer-
nung von achtzig Stunden auf die altgewohnten Plätze zurückgekehrt waren. Um ſo ſonderbarer iſt
die Erſcheinung, daß zuweilen die Pferde ganzer Gegenden aufbrechen und entweder einzeln oder
haufenweiſe davonrennen. Dies geſchieht hauptſächlich, wenn nach anhaltender trockener Witterung
plötzlich ſtarker Regen fällt, und wahrſcheinlich aus Furcht vor dem Hagel, welcher nicht ſelten das erſte
Gewitter begleitet.‟

„Die Sinne dieſer faſt wildlebenden Thiere ſcheinen ſchärfer zu fein, als die europäiſcher Pferde.
Jhr Gehör iſt äußerſt fein; bei Nacht verrathen ſie durch Bewegung der Ohren, daß ſie das leiſeſte,
dem Reiter vollkommen unhörbare Geräuſch vernommen haben. Jhr Geſicht iſt, wie bei allen Pfer-
den, ziemlich ſchwach; aber ſie erlangen durch ihr Freileben große Uebung, die Gegenſtände aus be-
deutender Entfernung zu unterſcheiden. Vermittelſt ihres Geruches machen ſie ſich mit ihren Umge-

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[339/0359] Muſtaugs. Pferde 8 bis 16 Stunden faſt in ununterbrochenem Galopp zurückgelegt zu haben, ohne daß hieraus irgend ein Nachtheil für das Thier erwachſen wäre. Die Pferde Südamerikas erhalten ſogut als gar keine Pflege. Sie bringen das ganze Jahr unter freiem Himmel zu. Alle acht Tage treibt man ſie einmal zuſammen, damit ſie ſich nicht ver- ſprengen, unterſucht ihre Wunden, reinigt und beſtreicht ſie mit Kuhmiſt und ſchneidet von Zeit zu Zeit, etwa alle drei Jahre, den Hengſten die Mähne und den Schwanz ab. Hiermit glaubt man genug gethan zu haben. An Veredelung denkt Niemand. Die Weiden ſind ſchlecht; eine einzige Grasart bedeckt den Boden. Jm Frühjahr treibt dieſes Gras ſtark hervor, verurſacht aber dann den Pferden Durchfall und ermattet ſie. Jm Sommer und Herbſt erholen ſie ſich wieder und werden auch wohl fett; aber ihre Wohlbeleibtheit verſchwindet, ſobald ſie gebraucht werden. Der Winter iſt die ſchlimmſte Zeit für ſie. Das Gras iſt verwelkt, und die armen Thiere müſſen ſich mit den dürren, durch den Regen ausgelauchten Halmen begnügen. Dieſe ausſchließliche Nahrung erregt auch in ihnen das Bedürfniß nach Salz. Man ſieht ſie ſtundenlang an den Sulzen verweilen, und hier die ſalzhaltige Thonerde belecken. Bei Stallfütterung bedürfen ſie des Salzes nicht mehr. Beſſer gefütterte und gehaltene Pferde gewinnen ſchon nach wenigen Monaten kurzes und glänzendes Haar feſtes Fleiſch und ſtolze Haltung. „Gewöhnlich,‟ ſagt Rengger, „leben die Pferde paarweiſe in einem beſtimmten Gebiete, an welches ſie von Jugend auf gewöhnt worden ſind. Jedem Hengſt gibt man 12 bis 18 Stuten, die er zuſammenhält und gegen fremde Hengſte vertheidigt. Geſellt man ihm zuviel Stuten zu, ſo hütet er dieſe nicht mehr. Die Füllen leben mit ihren Müttern bis ins dritte oder vierte Jahr. Dieſe zeigen für jene, ſolange ſie noch ſaugen, große Anhänglichkeit, und vertheidigen ſie zuweilen ſogar gegen den Jaguar. Einen eigenen Kampf haben ſie nicht ſelten mit den Maulthieren zu be- ſtehen, bei denen ſich zu Zeiten eine Art von Mutterliebe regt. Dann ſuchen dieſe durch Liſt oder Gewalt ein Füllen zu entführen. Sie bieten ihm wohl ihr milchleeres Euter zum Saugen dar; aber die armen Füllen gehen dabei natürlich zu Grunde. Wenn die Pferde etwas über zwei oder drei Jahre alt ſind, wählt man unter den jungen Hengſten einen aus, theilt ihm junge Stuten zu und gewöhnt ihn, mit denſelben in einem beſonderen Gebiete zu weiden. Die übrigen Hengſte werden verſchnitten und in eigenen Trupps vereinigt. Alle Pferde, welche zu einer Truppe gehören, miſchen ſich nie unter andere, und halten ſo feſt zuſammen, daß es ſchwer fällt, ein weidendes Pferd von den übrigen zu trennen. Werden ſie mit einander vereinigt, z. B. beim Zuſammentreiben aller Pferde einer Meierei, ſo finden ſie ſich nachher gleich wieder auf. Der Hengſt ruft wiehernd ſeine Stuten herbei, die Wallachen ſuchen ſich gegenſeitig auf, und jeder Trupp bezieht wieder ſeinen Weideplatz. Tauſend und mehr Pferde brauchen keine Viertelſtunde, um ſich in Haufen von 10 bis 30 Stück zu zertheilen. Jch glaube bemerkt zu haben, daß Pferde von gleicher Größe oder von der nämlichen Farbe ſich leichter an einander gewöhnen, als verſchiedene, und ebenſo, daß die fremden aus der Banda-orientale und aus Entre-Rios eingeführten Pferde ſich vorzugsweiſe zu ein- ander und nicht zu inländiſchen geſellen. Die Thiere zeigen übrigens nicht allein für ihre Gefährten, ſondern auch für ihre Weiden große Anhänglichkeit. Jch habe welche geſehen, die aus einer Entfer- nung von achtzig Stunden auf die altgewohnten Plätze zurückgekehrt waren. Um ſo ſonderbarer iſt die Erſcheinung, daß zuweilen die Pferde ganzer Gegenden aufbrechen und entweder einzeln oder haufenweiſe davonrennen. Dies geſchieht hauptſächlich, wenn nach anhaltender trockener Witterung plötzlich ſtarker Regen fällt, und wahrſcheinlich aus Furcht vor dem Hagel, welcher nicht ſelten das erſte Gewitter begleitet.‟ „Die Sinne dieſer faſt wildlebenden Thiere ſcheinen ſchärfer zu fein, als die europäiſcher Pferde. Jhr Gehör iſt äußerſt fein; bei Nacht verrathen ſie durch Bewegung der Ohren, daß ſie das leiſeſte, dem Reiter vollkommen unhörbare Geräuſch vernommen haben. Jhr Geſicht iſt, wie bei allen Pfer- den, ziemlich ſchwach; aber ſie erlangen durch ihr Freileben große Uebung, die Gegenſtände aus be- deutender Entfernung zu unterſcheiden. Vermittelſt ihres Geruches machen ſie ſich mit ihren Umge- 22*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/359>, abgerufen am 23.11.2024.