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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Kloaken- oder Gabelthiere. -- Das Schnabelthier.

"Höchst possirlich war es, die seltsamen Thiere gähnen und sich recken zu sehen. Dabei streck-
ten sie die Vorderpfoten von sich und dehnten die Schwimmhäute soweit wie möglich aus. Obschon
Dies ganz natürlich war, sah es doch höchst lächerlich aus -- weil man nicht gewöhnt ist, eine Ente
gähnen zu sehen. Oft wunderte ich mich, wie sie es nur anfangen möchten, auf einen Bücher-
schrank oder dergleichen hinauf zu kommen. Endlich sah ich, daß sie sich mit dem Rücken an die
Mauer lehnten und die Füße gegen den Schrank stemmten, und so, Dank ihren starken Rückenmus-
keln und scharfen Nägeln, äußerst schnell emporkletterten. Das Futter, welches ich ihnen gab,
war Brod in Wasser geweicht, gehärtetes Ei und sehr fein zerstückeltes Fleisch. Milch schienen sie
dem Wasser nicht vorzuziehen."

"Bald nach meiner Ankunft in Sidney wurden zu meinem großen Bedauern die Thierchen
magerer, und ihr Fell verlor das schöne glänzende Aussehen. Sie fraßen wenig, liefen jedoch noch
munter in der Stube umher; wenn sie naß wurden, verfitzte sich ihr Pelz, und sie wurden nicht mehr
so schnell trocken, wie früher. Man sah ihnen das Unwohlsein überall an, und ihr Anblick konnte
nur noch Mitleid erregen. Am 29. Januar starb das Weibchen, am 2. Februar das Männchen. Jch
hatte sie nur ungefähr fünf Wochen am Leben erhalten."

Aus den ferneren Beobachtungen, welche Bennett machte, erfahren wir, daß das Schnabel-
thier im Wasser nicht lange leben kann. Wenn man eins auch nur auf 15 bis 20 Minuten in tiefes
Wasser brachte, ohne daß es eine seichte Stelle finden konnte, war es beim Herausnehmen ganz
erschöpft oder dem Tode nahe. Leute, welche ein lebendes Schnabelthier in ein halbvolles Faß
Wasser gethan hatten, waren erstaunt, ihren Gefangenen nachher todt zu finden, und wenn das
Faß bis zum Rande voll war, wunderten sie sich ebensosehr, wenn sie sahen, daß es entkommen
war: -- gerade als habe es ihnen beweisen wollen, daß die Ansicht falsch sei, welche sie zu Wasser-
bewohnern stempelt.

Der mißlungene Versuch Bennett's, das Schnabelthier womöglich lebendig nach Europa zu
bringen, schreckte diesen ausgezeichneten Forscher nicht ab. Er ließ sich einen besonderen Käfig bauen
und reiste zum zweiten Male der Schnabelthiere wegen nach Australien. Aber auch diesmal sollten
seine Bemühungen nicht mit dem erwünschten Erfolge gekrönt werden. Dagegen vervollständigte er
seine Beobachtungen ganz wesentlich. So erfuhr er, daß die Hoden der Männchen vor der Paa-
rungszeit wie bei den Vögeln anschwollen und so groß wie Taubeneier wurden, während sie früher-
hin nur wie kleine Erbsen gewesen waren. Hieraus ersehen wir, daß die Thiere auch in dieser Be-
ziehung eine große Aehnlichkeit mit den Vögeln zeigen, und ihre Mittelstellung zwischen der ersten
und zweiten Klasse zu behaupten wissen. Bennett erhielt wieder mehrere lebendige Schnabel-
thiere. "Zwei Gefangene, welche ich am 28. Dezember 1858 erhielt," sagt er, "waren so furchtsam,
daß sie, um ein wenig Luft zu schnappen, nur die Schnabelspitze aus dem Wasser heraussteckten; dann
tauchten beide schleunigst wieder unter und schienen ganz wohl zu wissen, daß sie beobachtet würden.
Die längste Zeit, die sie unter dem Wasser zubringen konnten, ohne aufzutauchen, war 7 Minuten
15 Sekunden. Als wir sie von weitem beobachteten, kroch das Eine aus dem Wasserfasse und ver-
suchte zu entkommen. Dies beweist, daß die Schnabelthiere entweder durchs Gesicht oder durchs Ge-
hör bemerkt haben mußten, wo man sie beobachtete; denn solange wir dabei standen, versuchten sie nie
zu entkommen und erschienen überhaupt selten an der Oberfläche. Nach und nach wurden sie, wie
die meisten australischen Thiere, zahmer, zeigten sich auf dem Wasser und ließen sich sogar berühren.
Das Weibchen pflegte seine Nahrung zu verzehren, indem es auf dem Wasser schwamm. Es war
viel zahmer, als das Männchen, welches lieber auf dem Grunde blieb."

"Bom 29. bis 31. Dezember waren meine Schnabelthiere sehr wohl und munter. Morgens und
abends that ich sie eine oder zwei Stunden ins Wasser, in welches ich etwas fein zerstückeltes Fleisch
that, um sie wo möglich an ein Futter zu gewöhnen, mit dessen Hilfe man sie lebendig nach Europa
hätte schicken können. Jhr Benehmen stimmte mit allen früheren Beobachtungen überein. Kam ihren
empfindlichen Nasenlöchern etwa Staub zu nahe, so war ein Sprudeln zu bemerken, als ob sie ihn

Die Kloaken- oder Gabelthiere. — Das Schnabelthier.

„Höchſt poſſirlich war es, die ſeltſamen Thiere gähnen und ſich recken zu ſehen. Dabei ſtreck-
ten ſie die Vorderpfoten von ſich und dehnten die Schwimmhäute ſoweit wie möglich aus. Obſchon
Dies ganz natürlich war, ſah es doch höchſt lächerlich aus — weil man nicht gewöhnt iſt, eine Ente
gähnen zu ſehen. Oft wunderte ich mich, wie ſie es nur anfangen möchten, auf einen Bücher-
ſchrank oder dergleichen hinauf zu kommen. Endlich ſah ich, daß ſie ſich mit dem Rücken an die
Mauer lehnten und die Füße gegen den Schrank ſtemmten, und ſo, Dank ihren ſtarken Rückenmus-
keln und ſcharfen Nägeln, äußerſt ſchnell emporkletterten. Das Futter, welches ich ihnen gab,
war Brod in Waſſer geweicht, gehärtetes Ei und ſehr fein zerſtückeltes Fleiſch. Milch ſchienen ſie
dem Waſſer nicht vorzuziehen.‟

„Bald nach meiner Ankunft in Sidney wurden zu meinem großen Bedauern die Thierchen
magerer, und ihr Fell verlor das ſchöne glänzende Ausſehen. Sie fraßen wenig, liefen jedoch noch
munter in der Stube umher; wenn ſie naß wurden, verfitzte ſich ihr Pelz, und ſie wurden nicht mehr
ſo ſchnell trocken, wie früher. Man ſah ihnen das Unwohlſein überall an, und ihr Anblick konnte
nur noch Mitleid erregen. Am 29. Januar ſtarb das Weibchen, am 2. Februar das Männchen. Jch
hatte ſie nur ungefähr fünf Wochen am Leben erhalten.‟

Aus den ferneren Beobachtungen, welche Bennett machte, erfahren wir, daß das Schnabel-
thier im Waſſer nicht lange leben kann. Wenn man eins auch nur auf 15 bis 20 Minuten in tiefes
Waſſer brachte, ohne daß es eine ſeichte Stelle finden konnte, war es beim Herausnehmen ganz
erſchöpft oder dem Tode nahe. Leute, welche ein lebendes Schnabelthier in ein halbvolles Faß
Waſſer gethan hatten, waren erſtaunt, ihren Gefangenen nachher todt zu finden, und wenn das
Faß bis zum Rande voll war, wunderten ſie ſich ebenſoſehr, wenn ſie ſahen, daß es entkommen
war: — gerade als habe es ihnen beweiſen wollen, daß die Anſicht falſch ſei, welche ſie zu Waſſer-
bewohnern ſtempelt.

Der mißlungene Verſuch Bennett’s, das Schnabelthier womöglich lebendig nach Europa zu
bringen, ſchreckte dieſen ausgezeichneten Forſcher nicht ab. Er ließ ſich einen beſonderen Käfig bauen
und reiſte zum zweiten Male der Schnabelthiere wegen nach Auſtralien. Aber auch diesmal ſollten
ſeine Bemühungen nicht mit dem erwünſchten Erfolge gekrönt werden. Dagegen vervollſtändigte er
ſeine Beobachtungen ganz weſentlich. So erfuhr er, daß die Hoden der Männchen vor der Paa-
rungszeit wie bei den Vögeln anſchwollen und ſo groß wie Taubeneier wurden, während ſie früher-
hin nur wie kleine Erbſen geweſen waren. Hieraus erſehen wir, daß die Thiere auch in dieſer Be-
ziehung eine große Aehnlichkeit mit den Vögeln zeigen, und ihre Mittelſtellung zwiſchen der erſten
und zweiten Klaſſe zu behaupten wiſſen. Bennett erhielt wieder mehrere lebendige Schnabel-
thiere. „Zwei Gefangene, welche ich am 28. Dezember 1858 erhielt,‟ ſagt er, „waren ſo furchtſam,
daß ſie, um ein wenig Luft zu ſchnappen, nur die Schnabelſpitze aus dem Waſſer herausſteckten; dann
tauchten beide ſchleunigſt wieder unter und ſchienen ganz wohl zu wiſſen, daß ſie beobachtet würden.
Die längſte Zeit, die ſie unter dem Waſſer zubringen konnten, ohne aufzutauchen, war 7 Minuten
15 Sekunden. Als wir ſie von weitem beobachteten, kroch das Eine aus dem Waſſerfaſſe und ver-
ſuchte zu entkommen. Dies beweiſt, daß die Schnabelthiere entweder durchs Geſicht oder durchs Ge-
hör bemerkt haben mußten, wo man ſie beobachtete; denn ſolange wir dabei ſtanden, verſuchten ſie nie
zu entkommen und erſchienen überhaupt ſelten an der Oberfläche. Nach und nach wurden ſie, wie
die meiſten auſtraliſchen Thiere, zahmer, zeigten ſich auf dem Waſſer und ließen ſich ſogar berühren.
Das Weibchen pflegte ſeine Nahrung zu verzehren, indem es auf dem Waſſer ſchwamm. Es war
viel zahmer, als das Männchen, welches lieber auf dem Grunde blieb.‟

„Bom 29. bis 31. Dezember waren meine Schnabelthiere ſehr wohl und munter. Morgens und
abends that ich ſie eine oder zwei Stunden ins Waſſer, in welches ich etwas fein zerſtückeltes Fleiſch
that, um ſie wo möglich an ein Futter zu gewöhnen, mit deſſen Hilfe man ſie lebendig nach Europa
hätte ſchicken können. Jhr Benehmen ſtimmte mit allen früheren Beobachtungen überein. Kam ihren
empfindlichen Naſenlöchern etwa Staub zu nahe, ſo war ein Sprudeln zu bemerken, als ob ſie ihn

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[330/0350] Die Kloaken- oder Gabelthiere. — Das Schnabelthier. „Höchſt poſſirlich war es, die ſeltſamen Thiere gähnen und ſich recken zu ſehen. Dabei ſtreck- ten ſie die Vorderpfoten von ſich und dehnten die Schwimmhäute ſoweit wie möglich aus. Obſchon Dies ganz natürlich war, ſah es doch höchſt lächerlich aus — weil man nicht gewöhnt iſt, eine Ente gähnen zu ſehen. Oft wunderte ich mich, wie ſie es nur anfangen möchten, auf einen Bücher- ſchrank oder dergleichen hinauf zu kommen. Endlich ſah ich, daß ſie ſich mit dem Rücken an die Mauer lehnten und die Füße gegen den Schrank ſtemmten, und ſo, Dank ihren ſtarken Rückenmus- keln und ſcharfen Nägeln, äußerſt ſchnell emporkletterten. Das Futter, welches ich ihnen gab, war Brod in Waſſer geweicht, gehärtetes Ei und ſehr fein zerſtückeltes Fleiſch. Milch ſchienen ſie dem Waſſer nicht vorzuziehen.‟ „Bald nach meiner Ankunft in Sidney wurden zu meinem großen Bedauern die Thierchen magerer, und ihr Fell verlor das ſchöne glänzende Ausſehen. Sie fraßen wenig, liefen jedoch noch munter in der Stube umher; wenn ſie naß wurden, verfitzte ſich ihr Pelz, und ſie wurden nicht mehr ſo ſchnell trocken, wie früher. Man ſah ihnen das Unwohlſein überall an, und ihr Anblick konnte nur noch Mitleid erregen. Am 29. Januar ſtarb das Weibchen, am 2. Februar das Männchen. Jch hatte ſie nur ungefähr fünf Wochen am Leben erhalten.‟ Aus den ferneren Beobachtungen, welche Bennett machte, erfahren wir, daß das Schnabel- thier im Waſſer nicht lange leben kann. Wenn man eins auch nur auf 15 bis 20 Minuten in tiefes Waſſer brachte, ohne daß es eine ſeichte Stelle finden konnte, war es beim Herausnehmen ganz erſchöpft oder dem Tode nahe. Leute, welche ein lebendes Schnabelthier in ein halbvolles Faß Waſſer gethan hatten, waren erſtaunt, ihren Gefangenen nachher todt zu finden, und wenn das Faß bis zum Rande voll war, wunderten ſie ſich ebenſoſehr, wenn ſie ſahen, daß es entkommen war: — gerade als habe es ihnen beweiſen wollen, daß die Anſicht falſch ſei, welche ſie zu Waſſer- bewohnern ſtempelt. Der mißlungene Verſuch Bennett’s, das Schnabelthier womöglich lebendig nach Europa zu bringen, ſchreckte dieſen ausgezeichneten Forſcher nicht ab. Er ließ ſich einen beſonderen Käfig bauen und reiſte zum zweiten Male der Schnabelthiere wegen nach Auſtralien. Aber auch diesmal ſollten ſeine Bemühungen nicht mit dem erwünſchten Erfolge gekrönt werden. Dagegen vervollſtändigte er ſeine Beobachtungen ganz weſentlich. So erfuhr er, daß die Hoden der Männchen vor der Paa- rungszeit wie bei den Vögeln anſchwollen und ſo groß wie Taubeneier wurden, während ſie früher- hin nur wie kleine Erbſen geweſen waren. Hieraus erſehen wir, daß die Thiere auch in dieſer Be- ziehung eine große Aehnlichkeit mit den Vögeln zeigen, und ihre Mittelſtellung zwiſchen der erſten und zweiten Klaſſe zu behaupten wiſſen. Bennett erhielt wieder mehrere lebendige Schnabel- thiere. „Zwei Gefangene, welche ich am 28. Dezember 1858 erhielt,‟ ſagt er, „waren ſo furchtſam, daß ſie, um ein wenig Luft zu ſchnappen, nur die Schnabelſpitze aus dem Waſſer herausſteckten; dann tauchten beide ſchleunigſt wieder unter und ſchienen ganz wohl zu wiſſen, daß ſie beobachtet würden. Die längſte Zeit, die ſie unter dem Waſſer zubringen konnten, ohne aufzutauchen, war 7 Minuten 15 Sekunden. Als wir ſie von weitem beobachteten, kroch das Eine aus dem Waſſerfaſſe und ver- ſuchte zu entkommen. Dies beweiſt, daß die Schnabelthiere entweder durchs Geſicht oder durchs Ge- hör bemerkt haben mußten, wo man ſie beobachtete; denn ſolange wir dabei ſtanden, verſuchten ſie nie zu entkommen und erſchienen überhaupt ſelten an der Oberfläche. Nach und nach wurden ſie, wie die meiſten auſtraliſchen Thiere, zahmer, zeigten ſich auf dem Waſſer und ließen ſich ſogar berühren. Das Weibchen pflegte ſeine Nahrung zu verzehren, indem es auf dem Waſſer ſchwamm. Es war viel zahmer, als das Männchen, welches lieber auf dem Grunde blieb.‟ „Bom 29. bis 31. Dezember waren meine Schnabelthiere ſehr wohl und munter. Morgens und abends that ich ſie eine oder zwei Stunden ins Waſſer, in welches ich etwas fein zerſtückeltes Fleiſch that, um ſie wo möglich an ein Futter zu gewöhnen, mit deſſen Hilfe man ſie lebendig nach Europa hätte ſchicken können. Jhr Benehmen ſtimmte mit allen früheren Beobachtungen überein. Kam ihren empfindlichen Naſenlöchern etwa Staub zu nahe, ſo war ein Sprudeln zu bemerken, als ob ſie ihn

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/350>, abgerufen am 23.11.2024.