Ueberall drängen sich kurze Borsten hervor. Die Ohren sind kurz, breit, stumpf und mit runden Knochenwärzchen bedeckt. Die Farbe des Körpers ist, mit Ausnahme des weißlichen Kopfes, Schwanzes und einer Seitenbinde, schwarz. Gewaltige Krallen verstärken die kurzen, unbeweglichen Zehen, namentlich an den fünfzehigen Vorderfüßen ist die mittlere Klaue von ungeheurer Größe. Die Zehen der Hinterfüße dagegen tragen breite, flache, fast hufförmige Nägel. Der innere Leibes- bau zeigt manches Eigenthümliche. Die Halswirbel verwachsen theilweise so, daß auf den ersten Blick nur ihrer fünf vorhanden zu sein scheinen. Die Wirbel tragen hohe, breite, unter einander sich berührende Dornen zur Stütze des schweren Panzers. Die zwölf Kreuzwirbel verschmelzen unter einander und mit dem Hüft- und Sitzbein. Die zwölf Rippen sind sehr breit; das Brustbein besteht aus sechs Stücken. Der Oberarm ist stark gedreht, Schienen- und Wadenbein sind oben und unten innig verbunden.
Das Merkwürdigste am ganzen Thier dürfte jedoch das Gebiß sein; in der oberen Reihe finden sich je 24 bis 26, in der unteren Reihe je 22 bis 24 Zähne, wovon jedoch häufig mehrere aus- fallen; immerhin aber enthält das Gebiß 90 bis 100 Zähne oder wenigstens Werkzeuge, welche die Zähne vertreten! Jn der vorderen Hälfte der Reihen sind es nämlich blos dünne Platten, und erst nach hinten zu werden sie allmählich dicker, eiförmig, rundlich und cylindrisch. Manche der vor- deren Zahnplatten scheinen aus zwei Zähnen zusammengeschmolzen zu sein. Dem Stoff nach ähneln die Zähne denen der übrigen Gürtelthiere. Was das Riesengürtelthier mit dieser Masse von Zähnen anfängt, ist geradezu unerklärlich, da es sich, soviel man bisjetzt weiß, in der Nahrung durchaus nicht von den übrigen Arten unterscheidet.
Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß fast in allen Ordnungen, ja selbst in allen Fami- lien der Thiere sich gewisse Glieder finden, welche den Uebergang zwischen anderen Ordnungen und bezüglich Familien zu bilden scheinen, weil sie lebhaft an andere Thiere erinnern. Ein solches Ueber- gangsthier sehen wir in dem Schildwurf oder der Gürtelmaus (Chlamydophorus truncatus) vor uns. Das merkwürdige Geschöpf ist -- man sollte es nicht für möglich halten! -- ein Uebergangs- glied von den Gürtelthieren zu -- den Maulwürfen! Allerdings muß diese Behauptung rich- tig verstanden werden. Die Gürtelthiere bilden eine so scharf begrenzte Familie nach Außen hin, daß auch die Gürtelmaus nicht wesentlich von dem allgemeinen Gepräge abweicht; gleichwohl drängt sich dem Forscher immer und immer wieder die Maulwurfsähnlichkeit des merkwürdigen Geschöpfes auf.
Der Amerikaner Harlan entdeckte im Jahre 1824 die Gürtelmaus unweit Mendoza's, einer Stadt am westlichen Ende der Pampas in dem Freistaate Rio de la Plata, und zwar zu dem höchsten Erstaunen der Landeseinwohner, welche von ihrem Dasein kaum Kunde hatten. Nur einige Wenige wußten ihr einen Namen zu geben, sie nannten sie Pichiciego (blindes Thierchen). Lange Zeit kannte man blos zwei Stück, welche in den Sammlungen von Philadelphia und London aufbe- wahrt wurden, glücklicherweise aber aufs genaueste untersucht werden konnten. Erst vor wenigen Jahren erhielt Hyrtl noch einige, und somit konnte der innere Leibesbau und die äußere Beschrei- bung des Thieres vollständig gegeben werden. Der Schildwurf wird mit Recht als der Vertreter einer eigenen Sippe angesehen, denn er unterscheidet sich himmelweit von den übrigen Gürtelthieren. Fitzinger gibt nach eigenen Untersuchungen folgende Beschreibung von dem noch immer überaus seltenen Thiere: "Das chilesische Mantelgürtelthier oder, wie es einige Naturforscher auch nennen, der Schildwurf oder die Gürtelmaus, zeigt eine der abweichendsten Gestalten in der Ordnung der Scharrthiere, und gehört rücksichtlich der höchst eigenthümlichen Bildung seines, den Körper decken- den, fast lederartigen Hornpanzers zu den merkwürdigsten Schöpfungen der ganzen Thierwelt. Die- ses sonderbare Wesen, welches mit den Gürtelthieren noch die größte Aehnlichkeit hat, ist gegen
Das Rieſengürtelthier. — Der Schildwurf.
Ueberall drängen ſich kurze Borſten hervor. Die Ohren ſind kurz, breit, ſtumpf und mit runden Knochenwärzchen bedeckt. Die Farbe des Körpers iſt, mit Ausnahme des weißlichen Kopfes, Schwanzes und einer Seitenbinde, ſchwarz. Gewaltige Krallen verſtärken die kurzen, unbeweglichen Zehen, namentlich an den fünfzehigen Vorderfüßen iſt die mittlere Klaue von ungeheurer Größe. Die Zehen der Hinterfüße dagegen tragen breite, flache, faſt hufförmige Nägel. Der innere Leibes- bau zeigt manches Eigenthümliche. Die Halswirbel verwachſen theilweiſe ſo, daß auf den erſten Blick nur ihrer fünf vorhanden zu ſein ſcheinen. Die Wirbel tragen hohe, breite, unter einander ſich berührende Dornen zur Stütze des ſchweren Panzers. Die zwölf Kreuzwirbel verſchmelzen unter einander und mit dem Hüft- und Sitzbein. Die zwölf Rippen ſind ſehr breit; das Bruſtbein beſteht aus ſechs Stücken. Der Oberarm iſt ſtark gedreht, Schienen- und Wadenbein ſind oben und unten innig verbunden.
Das Merkwürdigſte am ganzen Thier dürfte jedoch das Gebiß ſein; in der oberen Reihe finden ſich je 24 bis 26, in der unteren Reihe je 22 bis 24 Zähne, wovon jedoch häufig mehrere aus- fallen; immerhin aber enthält das Gebiß 90 bis 100 Zähne oder wenigſtens Werkzeuge, welche die Zähne vertreten! Jn der vorderen Hälfte der Reihen ſind es nämlich blos dünne Platten, und erſt nach hinten zu werden ſie allmählich dicker, eiförmig, rundlich und cylindriſch. Manche der vor- deren Zahnplatten ſcheinen aus zwei Zähnen zuſammengeſchmolzen zu ſein. Dem Stoff nach ähneln die Zähne denen der übrigen Gürtelthiere. Was das Rieſengürtelthier mit dieſer Maſſe von Zähnen anfängt, iſt geradezu unerklärlich, da es ſich, ſoviel man bisjetzt weiß, in der Nahrung durchaus nicht von den übrigen Arten unterſcheidet.
Es iſt eine eigenthümliche Erſcheinung, daß faſt in allen Ordnungen, ja ſelbſt in allen Fami- lien der Thiere ſich gewiſſe Glieder finden, welche den Uebergang zwiſchen anderen Ordnungen und bezüglich Familien zu bilden ſcheinen, weil ſie lebhaft an andere Thiere erinnern. Ein ſolches Ueber- gangsthier ſehen wir in dem Schildwurf oder der Gürtelmaus (Chlamydophorus truncatus) vor uns. Das merkwürdige Geſchöpf iſt — man ſollte es nicht für möglich halten! — ein Uebergangs- glied von den Gürtelthieren zu — den Maulwürfen! Allerdings muß dieſe Behauptung rich- tig verſtanden werden. Die Gürtelthiere bilden eine ſo ſcharf begrenzte Familie nach Außen hin, daß auch die Gürtelmaus nicht weſentlich von dem allgemeinen Gepräge abweicht; gleichwohl drängt ſich dem Forſcher immer und immer wieder die Maulwurfsähnlichkeit des merkwürdigen Geſchöpfes auf.
Der Amerikaner Harlan entdeckte im Jahre 1824 die Gürtelmaus unweit Mendoza’s, einer Stadt am weſtlichen Ende der Pampas in dem Freiſtaate Rio de la Plata, und zwar zu dem höchſten Erſtaunen der Landeseinwohner, welche von ihrem Daſein kaum Kunde hatten. Nur einige Wenige wußten ihr einen Namen zu geben, ſie nannten ſie Pichiciego (blindes Thierchen). Lange Zeit kannte man blos zwei Stück, welche in den Sammlungen von Philadelphia und London aufbe- wahrt wurden, glücklicherweiſe aber aufs genaueſte unterſucht werden konnten. Erſt vor wenigen Jahren erhielt Hyrtl noch einige, und ſomit konnte der innere Leibesbau und die äußere Beſchrei- bung des Thieres vollſtändig gegeben werden. Der Schildwurf wird mit Recht als der Vertreter einer eigenen Sippe angeſehen, denn er unterſcheidet ſich himmelweit von den übrigen Gürtelthieren. Fitzinger gibt nach eigenen Unterſuchungen folgende Beſchreibung von dem noch immer überaus ſeltenen Thiere: „Das chileſiſche Mantelgürtelthier oder, wie es einige Naturforſcher auch nennen, der Schildwurf oder die Gürtelmaus, zeigt eine der abweichendſten Geſtalten in der Ordnung der Scharrthiere, und gehört rückſichtlich der höchſt eigenthümlichen Bildung ſeines, den Körper decken- den, faſt lederartigen Hornpanzers zu den merkwürdigſten Schöpfungen der ganzen Thierwelt. Die- ſes ſonderbare Weſen, welches mit den Gürtelthieren noch die größte Aehnlichkeit hat, iſt gegen
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Das Rieſengürtelthier. — Der Schildwurf.
Ueberall drängen ſich kurze Borſten hervor. Die Ohren ſind kurz, breit, ſtumpf und mit runden
Knochenwärzchen bedeckt. Die Farbe des Körpers iſt, mit Ausnahme des weißlichen Kopfes,
Schwanzes und einer Seitenbinde, ſchwarz. Gewaltige Krallen verſtärken die kurzen, unbeweglichen
Zehen, namentlich an den fünfzehigen Vorderfüßen iſt die mittlere Klaue von ungeheurer Größe.
Die Zehen der Hinterfüße dagegen tragen breite, flache, faſt hufförmige Nägel. Der innere Leibes-
bau zeigt manches Eigenthümliche. Die Halswirbel verwachſen theilweiſe ſo, daß auf den erſten
Blick nur ihrer fünf vorhanden zu ſein ſcheinen. Die Wirbel tragen hohe, breite, unter einander
ſich berührende Dornen zur Stütze des ſchweren Panzers. Die zwölf Kreuzwirbel verſchmelzen unter
einander und mit dem Hüft- und Sitzbein. Die zwölf Rippen ſind ſehr breit; das Bruſtbein
beſteht aus ſechs Stücken. Der Oberarm iſt ſtark gedreht, Schienen- und Wadenbein ſind oben und
unten innig verbunden.
Das Merkwürdigſte am ganzen Thier dürfte jedoch das Gebiß ſein; in der oberen Reihe finden
ſich je 24 bis 26, in der unteren Reihe je 22 bis 24 Zähne, wovon jedoch häufig mehrere aus-
fallen; immerhin aber enthält das Gebiß 90 bis 100 Zähne oder wenigſtens Werkzeuge, welche die
Zähne vertreten! Jn der vorderen Hälfte der Reihen ſind es nämlich blos dünne Platten, und erſt
nach hinten zu werden ſie allmählich dicker, eiförmig, rundlich und cylindriſch. Manche der vor-
deren Zahnplatten ſcheinen aus zwei Zähnen zuſammengeſchmolzen zu ſein. Dem Stoff nach ähneln
die Zähne denen der übrigen Gürtelthiere. Was das Rieſengürtelthier mit dieſer Maſſe von Zähnen
anfängt, iſt geradezu unerklärlich, da es ſich, ſoviel man bisjetzt weiß, in der Nahrung durchaus
nicht von den übrigen Arten unterſcheidet.
Es iſt eine eigenthümliche Erſcheinung, daß faſt in allen Ordnungen, ja ſelbſt in allen Fami-
lien der Thiere ſich gewiſſe Glieder finden, welche den Uebergang zwiſchen anderen Ordnungen und
bezüglich Familien zu bilden ſcheinen, weil ſie lebhaft an andere Thiere erinnern. Ein ſolches Ueber-
gangsthier ſehen wir in dem Schildwurf oder der Gürtelmaus (Chlamydophorus truncatus) vor
uns. Das merkwürdige Geſchöpf iſt — man ſollte es nicht für möglich halten! — ein Uebergangs-
glied von den Gürtelthieren zu — den Maulwürfen! Allerdings muß dieſe Behauptung rich-
tig verſtanden werden. Die Gürtelthiere bilden eine ſo ſcharf begrenzte Familie nach Außen hin,
daß auch die Gürtelmaus nicht weſentlich von dem allgemeinen Gepräge abweicht; gleichwohl
drängt ſich dem Forſcher immer und immer wieder die Maulwurfsähnlichkeit des merkwürdigen
Geſchöpfes auf.
Der Amerikaner Harlan entdeckte im Jahre 1824 die Gürtelmaus unweit Mendoza’s,
einer Stadt am weſtlichen Ende der Pampas in dem Freiſtaate Rio de la Plata, und zwar zu dem
höchſten Erſtaunen der Landeseinwohner, welche von ihrem Daſein kaum Kunde hatten. Nur einige
Wenige wußten ihr einen Namen zu geben, ſie nannten ſie Pichiciego (blindes Thierchen). Lange
Zeit kannte man blos zwei Stück, welche in den Sammlungen von Philadelphia und London aufbe-
wahrt wurden, glücklicherweiſe aber aufs genaueſte unterſucht werden konnten. Erſt vor wenigen
Jahren erhielt Hyrtl noch einige, und ſomit konnte der innere Leibesbau und die äußere Beſchrei-
bung des Thieres vollſtändig gegeben werden. Der Schildwurf wird mit Recht als der Vertreter
einer eigenen Sippe angeſehen, denn er unterſcheidet ſich himmelweit von den übrigen Gürtelthieren.
Fitzinger gibt nach eigenen Unterſuchungen folgende Beſchreibung von dem noch immer überaus
ſeltenen Thiere: „Das chileſiſche Mantelgürtelthier oder, wie es einige Naturforſcher auch nennen,
der Schildwurf oder die Gürtelmaus, zeigt eine der abweichendſten Geſtalten in der Ordnung der
Scharrthiere, und gehört rückſichtlich der höchſt eigenthümlichen Bildung ſeines, den Körper decken-
den, faſt lederartigen Hornpanzers zu den merkwürdigſten Schöpfungen der ganzen Thierwelt. Die-
ſes ſonderbare Weſen, welches mit den Gürtelthieren noch die größte Aehnlichkeit hat, iſt gegen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/315>, abgerufen am 23.11.2024.
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